Gebet steht am Anfang jeder Erneuerung im Glauben, oder sie kann gar nicht stattfinden. Katharina Hauser geht der Kraft aber auch der Notwendigkeit des persönlichen Gebetes nach und lädt ein zum gemeinsamen Gebet beim diesjährigen Adoratio-Kongress in Altötting.

Erneuerung der Kirche! Da denkt man leicht zunächst an Strukturen, neue Konzepte, Pastoralpläne, vielleicht an Dogmatik- und Kirchenrechtsänderungen. Die ganze Kirchengeschichte ist tatsächlich eine Geschichte der ständigen Erneuerung. Doch eines fällt dabei auf: Wenn um echte Erneuerung gerungen wird, geht es immer darum, noch tiefer zu verstehen, wer wir sind und wer Gott ist.

Gebet als Schlüssel der Erneuerung

Die wahre Reform in der Kirche (die Kardinal Kasper in einem Beitrag schön herausgearbeitet hat ) steht immer auf einem Fundament: dem Gebet.

„Ich kenne deine Taten und deine Mühe und deine Geduld und weiß, dass du die Bösen nicht ertragen kannst. Du hast die auf die Probe gestellt, die sich Apostel nennen und es nicht sind, und hast sie als Lügner befunden. Du legst Geduld an den Tag und hast um meines Namens willen Schweres ertragen und bist nicht müde geworden. Aber ich habe gegen dich: Du hast deine erste Liebe verlassen.“ Offenbarung 2, 2-4

Wir können als Kirche sehr viel Aktionismus an den Tag legen. Unsere Sitzungen können professioneller werden, unsere Predigten ausgefeilter, die Musik anspruchsvoller, unsere Willkommenskultur offener. All das bringt nichts, wenn uns die Mitte verloren geht. Oder wie Johannes in der Offenbarung schreibt: Wir müssen aufpassen, dass wir nicht unsere erste Liebe verlassen.

„Gebet, kirchliches wie persönliches, ist somit aller Aktion vorgeordnet: keineswegs primär als psychologische Kraftquelle, sondern als die der Liebe gebührende Tat anbetender Verherrlichung.“ (Hans Urs von Balthasar „Glaubhaft ist nur Liebe“)

Für Hans Urs von Balthasar ist Gebet nicht nur das, was wir neuen Strategien vorordnen sollten, um Kraft zu tanken, sondern um das zu tun, was die innere Konsequenz des Glaubens ist. Wenn wir Gott als Gott erkennen und bekennen ist Gebet das, was folgen muss. Im Gebet wird der Kern des Glaubens deutlich: Es gibt einen Gott, der die Liebe ist und der mit uns in Beziehung treten will.

Gebet schenkt den Fokus, um was es eigentlich in der Kirche geht. Wir drehen uns als Kirche nicht mehr um uns selbst, sondern um Christus.

Gebet und Nächstenliebe

Dass Gebet kein Gegensatz zur gelebten Nächstenliebe ist, zeigen große Beispiele wie Mutter Teresa, Maximilian Kolbe oder Vinzenz von Paul, die aus dem Gebet die Kraft genommen haben, um ganz konkret für andere da zu sein.

„Nichts entspricht dem Evangelium mehr, als auf der einen Seite in der Einsamkeit, in Gebet und Lesung Erleuchtung und Kräfte für die eigene Seele zu sammeln, dann aber hinzugehen und den Menschen von dieser geistigen Nahrung mitzuteilen. So tat es unser Herr, so nach ihm die Apostel. Es kommt darauf an, das Tun der Martha mit dem der Maria, von denen wir im Evangelium des heiligen Lukas lesen (Lukasevangelium 10, 38 f), zu verbinden.“ Vinzenz von Paul

Im Gebet werde ich frei von der krampfhaften Suche nach mir und meinem eigenen Glück. Denn da ist einer, bei dem ich zutiefst ich bin und immer mehr werden darf. Einer, der meine Sehnsucht im Blick hat und dem ich vertrauen kann, dass er mir zur rechten Zeit schenkt, was gut für mich ist.

Wenn man das verstanden hat, kann man ernsthaft von sich selbst wegschauen und für andere da sein. Nicht, um sich selbst besser zu fühlen, weil es ja auch immer irgendwie gut tut, wenn man gebraucht wird, sondern weil man sich sicher weiß in der Identität, die nur Gott geben kann.

Nur aus einem vollen „inneren Tank“ kann man wirklich geben und für andere da sein. Wenn das Herz voll von der Liebe Gottes ist, dann fließt es über in Liebe zu den Menschen. Die Aktion ist dabei fast ein Gradmesser für die Qualität des Gebets. Gebet ist dann authentisch, insofern es verwandelt. Wenn man durch das Gebet nicht barmherziger, großzügiger, sanftmütiger, hilfsbereiter oder demütiger wird, wenn man nicht Stück für Stück heiler wird, wenn Glaube, Hoffnung und Liebe nicht mehr werden, dann stimmt irgendetwas am eigenen Gebet nicht.

Perspektivwechsel

Gebet gibt einen anderen Blickwinkel auf die Dinge. Viele Dinge lassen sich nicht ändern. Wir sind dazu gerufen als Christen alles daran zu setzen, Ungerechtigkeit zu verändern, Leid und Einsamkeit zu lindern etc. Aber wenn wir die Dinge nicht ändern können, wenn Krankheit uns trifft, wenn wir mit so viel Leid in der Welt konfrontiert sind und hilflos vor diesen Tatsachen stehen, dann müssen wir unsere Sicht auf die Dinge ändern.

Und hier hilft Gebet ungemein. Gebet schenkt einen Blick der Hoffnung und des Vertrauens. Auch wenn wir mit Gott ringen angesichts des persönlichen oder allgemeinen Leids, begegnen wir dem, von dem wir glauben, dass er da ist, dass er alles in der Hand hat, und er selbst die negativen Dinge für das Gute nutzen kann.

Gebet verändert also vor allem anderen das eigene Herz, was wiederum ändert, wie wir die Dinge sehen, zu ihnen stehen und wie wir leben. Und das wird die Kirche und die Welt verändern. Man sagt: „Alle wollen die Welt verändern, aber niemand sich selbst.“ Und das gilt wohl auch für die Kirche. Veränderung – ja bitte. Mich verändern – nein danke. Gebet wäre hier ein erster Schritt, sich von Gott erneuern zu lassen.

Orte des Gebets

Viele Erneuerungsbewegungen setzen auf „24/7-Gebet“, weil es zum Kern des Glaubens zurückführt und es Orte braucht, um beten zu lernen. Das ist in der Kirche nichts Neues und gerade die Tradition der Klöster gibt Zeugnis davon, was beständiges Gebet bewirken kann.

Und dabei gibt es kirchengeschichtlich bis heute sehr unterschiedliche Zugänge zu Gott.

Vom routinierten Stundengebet bis zum spontanen Stoßgebet.
Von der ruhigen Bibelmeditation zum gemeinschaftlichen Rosenkranzbeten.
Vom freudigen gesungenen Lobpreis bis hin zur stillen Anbetung vor dem Herrn.

Jede Gebetsform, die ernsthaft darum ringt, in Beziehung zu Gott zu treten, hat ihre Berechtigung und jede Form hat ihre Zeit. Alle Formen kulminieren in der Heiligen Messe, als der Höchstform des Betens. Der sonntägliche Gottesdienst ist bei den Gläubigen in unserem Land eine vertraute Art des gemeinschaftlichen Gebets. Andere Formen sind dagegen oft weniger bekannt oder werden als „etwas für die ganz Frommen“ abgetan.

Vielleicht braucht es mehr Orte, an denen man beten lernen kann, theoretisch und praktisch. Solche Orte finden sich heute immer noch in Klöster, aber auch in Gemeinschaften, bei neuen Initiativen oder auch Veranstaltungen und Kongressen, bei welchen gemeinsam gebetet wird.

Adoratio – „Die Herrlichkeit Gottes“

Genau so einer findet etwa von 9. bis 11. Juni 2023 mit dem Adoratio-Kongress in Altötting statt, der von den Bistümern Augsburg, Eichstätt und Passau organisiert wird. Alles dreht sich dort um das Thema Gebet und Erneuerung des Glaubens. Es werden rund 2.000 Teilnehmer vor Ort in dem Wallfahrtsort erwartet und hunderttausende, die zu Hause vor den Bildschirmen durch eine Live-Schaltung online teilnehmen. Dies große Gebetstreffen findet bereits zum vierten Mal statt und steht diesmal unter dem Thema „Die Herrlichkeit Gottes“.

Es gibt Vorträge, Workshops, Zeiten des gemeinsamen Gebets und die Möglichkeit zur Begegnung mit anderen Gläubigen. Jeder ist eingeladen zu diesem großen Glaubenskongress im deutschsprachigen Raum, bei welchem es nicht nur ums persönliche Gebet geht, sondern  wo auch für die Erneuerung gebetet wird, was in der derzeitigen Situation der Kirche in Deutschland wohl mehr als nötig ist und ein schönes Zeichen des Zusammenhaltes darstellt. Alle Informationen zu Programm vor Ort und die Übertragung online finden sich unter: www.adoratio-altoetting.de


Katharina Hauser

26 Jahre alt, Studium der Theologie. Viel Erfahrung in der kirchlichen Jugend- und Erwachsenenbildung in Pfarreien und Kontexten von Neuen geistlichen Gemeinschaften. Nach dem Sammeln beruflicher Erfahrung in Politik, Pfarrei und an der Universität nun tätig im Referat für Neuevangelisierung im Bistum Passau.

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