Synodaler Weg fragt nach neuer Sexualmoral

Wir antworten

Der Synodale Weg fragt nach neuer Sexualmoral – wir antworten. Eine fundierte Argumentationshilfe für Debatten zu Ehe, Sex, Moral und Kirche.

Die Sexualmoral der katholischen Kirche steht unter Beschuss und auf dem Prüfstand in nahezu allen Debatten auf dem Synodalen Weg. Nicht wenige fordern dort: Es brauche eine „neue Sexualmoral“. Eine, die sich der „Lebensrealität“ heute annähere, weil sie weltfremd sei. Manche dort argumentieren gar mit der recht steilen These, die katholischen Regeln zu Sexualität und Beziehung seien Schuld und Wegbereiter für die Missbrauchskrise.

Eine Neubewertung von Ehe, aber auch Homosexualität sogar unter Priestern wird gefordert. Und selbst die Geschlechterdefinition von Mann und Frau ist mit der Forderung nach Neudefinitionen konfrontiert. Adam und Eva war gestern, gerade zieht die sexuelle Vielfalt ein ins Paradies.

Was sagt man als Katholik dazu? Was soll man heute noch glauben, was darf man glauben? Wie beantwortet man Fragen – vor allem, wenn selbst Bischöfe sich im Diskurs gegenseitig widersprechen?

 

 

In den Papieren und Diskussionen werden zudem bekannte Begrifflichkeiten plötzlich neu ausgelegt. Wie weit geht aber menschliche „Selbstbestimmung“, was bedeutet „Autonomie“ oder „Freiheit“ in meinem persönlichen Verhältnis zu Gott? Immer wieder hört man auf dem Synodalen Weg den Vorwurf, es würden Menschen ausgegrenzt durch die Haltung der katholischen Kirche zu ihrem Lebenswandel, ihrer Sexualität, ihrer Beziehungskonstellation und durch den Vorwurf der Sünde. Die Kirche solle sich gefälligst aus unserem Leben und vor allem unseren Schlafzimmern raushalten!

Hat Gott also gar nichts mehr zu sagen? Muss nun die Sexualmoral weg, oder die Sünde? Und wie erklärt man als Katholik anderen am besten den katholischen Blickwinkel, so wie er im Katechismus steht? Wie erklärt man, dass es nicht um Verbote geht, sondern um Regeln für ein gutes Leben. Gut für jeden einzeln und persönlich?

Wir geben Antworten

Zwei Dutzend Experten, darunter Theologieprofessoren, Bischöfe und andere Experten haben sich an der Erstellung einer Argumentationshilfe beteiligt um die häufigsten Fragen, Behauptungen, Begriffe und Argumente in diesem Themenkomplex zu erklären und zu beantworten. Das „ARGUMENTARIUM Sexualethik“ nimmt vor allem die diskutierten Fragen und Forderungen des Forum 4 des Synodalen Weges: „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft/Neue Sexualmoral“. in den Blick.
Die Themenpalette reicht von Sexualität und Bibel, Ehe und Empfängnisregelung, Lust und ihre Einordnung, den Zusammenhang von Gender – Bibel – Naturrecht über Homosexualität, Missbrauch, Enthaltsamkeit, Diskriminierung, Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren bis hin zur Frage, wie das Lehramt sich mit „neuer“ Sexualmoral verträgt.

So finden Sie die Themen

Wir haben die Themen alphabetisch sortiert. Über die Stichwortliste unten gelangen Sie mit einem Klick jeweils direkt zum entsprechenden Abschnitt. Jedes Thema beinhaltet eine Behauptung/Forderung aus den Papieren und Debatten des Synodalen Weges und danach eine kurze und eine ausführliche Antwort unsererseits darauf. Natürlich könenn Sie das Dokument hier unter dem Link aber auch komplett als PDF herunterladen, lesen und gerne auch verteilen.

Die Themenliste

1. Ausgrenzung – Verweigerte Akzeptanz?
2. Autonomie – Ja zu jedem Sex?
3. Autonomieprinzip – Zählt das Ich oder Wort und Tradition?
4. Bibel und Anthropologie – Ist der Mensch klar geschaffen?
5. Bibel und Homosexualität – Nur veraltete Ansichten?
6. Bibel und Lust – Ist Sex nur zum Kinderkriegen gut?
7. Diskriminierung – Wer darf zur Kommunion?
8. Diskriminierung – Keine „Homoehe“ für Kirchenangestellte?
9. Diskriminierung – Vorbehalte gegen gleichgeschlechtliche Paare?
10. Diversität – Der Mensch ist eben vielfältig?
11. Diversität – Kein Platz für das „Dritte Geschlecht“?
12. Ehe – Alleingeltung oder nur „Höchstgeltung“?
13. Ehe – Warum sie „heilig“ ist
14. Ehe – Sex nur in der Ehe?
15. Ehe – Mit Leib und Seele?
16. Eigenverantwortung – Mein Gewissen reicht?
17. Enthaltsamkeit – Das hält doch keiner aus?
18. Enthaltsamkeit – Eine Zumutung für Unverheiratete und Homosexuelle?
19. Ethisches Dilemma – Eine Kirche nur für Vollkommene?
20. Exklusion – Werden Unverheiratete ausgegrenzt?
21. Gender – Muss Kirche Gender-Theorien zulassen?
22. Homosexualität – Beziehung oder Handlung?
23. Homosexualität – Eine gute gottgewollte Schöpfung?
24. Humanwissenschaften – Spannend, aber missbraucht!
25. Jugend und Sex – Verhütung, Pille und Kondom
26. Keuschheit – Ist Verzicht unmenschlich und unfair?
27. Kirche – Wo bleibt die Vielfalt der Familienformen?
28. Lehramt – Braucht es einen positiveren Blick auf Sex?
29. Lehramt – Muss es sich bei der Sexualmoral bewegen?
30. Lust – Sex ohne Liebe ist doch auch gut?
31. Masturbation – Braucht es unbedingt einen Zweiten dabei?
32. Masturbation – Bremst das Lehramt nur Freude und Lust?
33. Missbrauch und Homophobie – Führt Homophobie zu Missbrauch?
34. Missbrauch – Ist die Kirche unmoralisch?
35. Missbrauch – Homosexualität hat nichts damit zu tun?
36. Moral – Ist Sex automatisch auch Beziehung?
37. Moral – Muss die Sexuallehre zur Beziehungsethik werden?
38. Natur/Naturrecht – Ich begehre, also bin ich?
39. Natur/Naturrecht – Ist Fruchtbarkeit heute noch ein Argument?
40. Natur/Naturrecht – Ein Widerspruch zu den Humanwissenschaften?
41. Natur/Naturrecht – Ist die Natur gegen Verhütung?
42. Normalität – Ist Homosexualität einfach „normal“?
43. Polarität der Geschlechter – Humanwissenschaftlich längst widerlegt?
44. Polyvalenz – Hat Sex nicht immer viele gute Funktionen?
45. Polyvalenz – Gilt katholische Norm oder humanwissenschaftliche Sinnsuche?
46. Relevanz – Geht Sexualmoral an der Lebenswirklichkeit vorbei?
47. Relevanz – Natürliche Familienplanung oder künstliche Verhütung?
48. Segnung – Gnade oder Anspruch?
49. Segnung – Haustiere ja, aber gleichgeschlechtliche Paare nein?
50. Segnung – Laut Bibel darf man alle segnen?
51. Segnung – Lassen sich Segen und Sakrament noch unterscheiden?
52. Segnung – Segnet Gott oder segnet die Kirche?
53. Sünde/Sex – Sünde und Unzucht nur alte Begriffe?
54. Theologie des Leibes – Besser als ihr Ruf!
55. Wertschätzung – Verweigert die Kirche Anerkennung?
56. Männlich und weiblich erschuf er sie – Eine biblische Fallskizze zu Gen 1 und Lev 18 und 20

Ausgrenzung – Verweigerte Akzeptanz?

Behauptung

Durch Nichtbeachtung, verweigerte Akzeptanz, Tabuisierung, Stigmatisierung und Ausgrenzung wird schwerwiegend in Biografien eingegriffen, werden Menschen sowohl bei der Entfaltung ihrer (auch) sexuellen Identität wie in ihrer Selbstannahme beeinträchtigt.

Entgegnung

Ja, in der aus Sünde und Heiligkeit gemischten Wirklichkeit der Kirche gab und gibt es diskriminierende Verhaltensweisen, die sich nachteilig auf das Leben einzelner Menschen auswirken. Sofern sie wirklich durch Glieder der Kirche – Priester wie Laien – verursacht wurden, sind sie zutiefst zu bedauern. Sie finden weder im Beispiel Jesu noch in Wesen und Lehre der Kirche eine Begründung oder Rechtfertigung.

Jesus hatte keine Berührungsängste mit Zöllnern, öffentlichen Sündern (Prostituierten), Ehebrechern und Aussätzigen, die die Gesellschaft von ihrem Leben auszuschließen suchte oder sanktionierte. Jesus kannte die drückenden Sorgen und Nöte dieser Menschen – und wandte sich ihnen zu.

„Der Weg der Kirche“, so betont Papst Franziskus, „ist vom Jerusalemer Konzil an immer der Weg Jesu: der Weg der Barmherzigkeit und der Eingliederung“ (Predigt 15. Februar 2015). Papst Franziskus fordert die Kirche auf, „jedem Einzelnen [zu] helfen, seinen eigenen Weg zu finden, an der kirchlichen Gemeinschaft teilzuhaben, damit er sich als Empfänger einer »unverdienten, bedingungslosen und gegenleistungsfreien« Barmherzigkeit empfindet“ (AL 297).

Diese Eingliederung, die genau das Gegenteil von Ausgrenzung ist, bildet das Herz der Sendung der Kirche: In Jesus und durch ihn beruft Gott „die Menschen, im Heiligen Geist seine Kinder zu werden und so sein glückseliges Leben zu erben“ (KKK 1). Dies geschieht in der Taufe, die „die Grundlage des ganzen christlichen Lebens“ ist (KKK 1213). Durch sie findet jeder Christ das wahre Leben und seine volle Identität in Christus.

Als Folge des neuen Lebens in Christus, sind alle Getauften aber auch berufen, sich in ihrer jeweiligen Lebenssituation (vgl. KKK 2348 – 2349) um eine „geglückte Integration der Geschlechtlichkeit in die Person“ (KKK 2337) zu bemühen (das klassische Stichwort dazu lautet: Keuschheit). Die Kirche verurteilt niemanden aufgrund einer spezifischen empfundenen sexuellen Neigung; Handlungen jedoch, die mit der Schöpfungsordnung Gottes nicht in Einklang stehen oder die Weitergabe des Lebens grundsätzlich ausschließen, kann sie jedoch nicht billigen (vgl. KKK 2357).

Vielen Menschen fällt es schwer, sich in ihrer Gebrochenheit und Nichtidentität anzunehmen, gilt es doch das wahre Leben hinter den Irrungen und Wirrungen unseres Begehrens zu entdecken und „auf den Wunsch [zu] verzichten, anders zu sein, als ich bin“ (Romano Guardini). Hilfe und Rettung kommt hier von keiner Zauberformel (vgl. Novo Millennio Ineunte 29), sondern von Jesus Christus, der uns versichert: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt!“ (Mt 28,20).

Autonomie – Ja zu jedem Sex?

Behauptung

Menschen sollten nicht nur das Recht haben, nein zu sexuellen Handlungen zu sagen, die sie nicht wollen, sondern auch das Recht, ja zu sagen zu sexuellen Handlungen, die sie wollen und wählen zu dürfen, wen sie lieben. (SynW)

Entgegnung

Die Forderung nach einer kirchlichen Legitimation zu einem „Recht auf sexuelle Handlungen“, verkennt die Aufgabe und Zuständigkeit der Kirche.

Darlegung

Die Kirche ist überzeugt, dass nur die nach Gottes Plan gelebte Sexualität – nämlich im Rahmen einer exklusiven, lebenslangen, bedingungslosen und für neues Leben offenen Liebe, welche die Liebe Christi zur Kirche nachahmt – von Gott gewollt und gesegnet ist. Diese Verbindung nennt man Ehe. Die Einzigartigkeit, mit der die Ehe die hingebungsvolle und opferbereite Liebe Gottes zu den Menschen wiederspiegelt, begründet ihre Erhebung zum Sakrament.

Wenn die Kirche über Sexualität spricht, dann, weil es ihr, wie in anderen Bereichen auch, um Wegweisung zu grundlegenden Fragen der menschlichen Existenz geht: Wie kann der Mensch gottesebenbildlich und damit wirklich frei leben? Was trägt zu seiner Entfaltung bei und was hindert ihn daran? Wie kann er seine Freiheit zur Verwirklichung des Wahren, Guten, und Schönen einsetzen, anstatt Sklave der eigenen Begierden zu sein?

Deswegen hat die kirchliche Lehre zu Liebe und Sexualität nicht das Ziel, Menschen durch Vorschriften einzuschränken, sondern ihnen aufzuzeigen, was eigentlich Liebe ist und wie sie fähig werden, sie zu leben. Es wäre Selbstbetrug zu meinen, der Mensch könne sich wirklich entfalten, wenn er die Schöpfungsordnung ignoriert oder ihr zuwider lebt. Etwas Liebe zu nennen, das zeitlich begrenzt, an Bedingungen geknüpft, nicht ausschließlich auf eine Person des anderen Geschlechts bezogen oder dem neuen Leben verschlossen ist, wäre ein verarmter Begriff und kann deswegen nie als gleichwertig anerkannt werden, ohne die Liebe Christi zu verraten.

Aufgabe der Kirche ist es, die Liebe hochzuhalten, Menschen den Weg zu ihr zu weisen, sie vorzuleben und zu lehren. Diese Aufgabe hat teilweise mit Sexualität zu tun, geht aber weit über die sexuelle Liebe hinaus.

Wie in allen anderen Bereichen ihrer Lehre, ist es die Aufgabe der Kirche, in Fragen der Sexualität den Menschen nach bestem Wissen und Gewissen und im Einklang mit der auf der Bibel fußenden Lehre, die Wege Gottes für ihr Leben aufzuzeigen, so dass Menschen in der liebenden Hingabe wachsen können. Um dieser Aufgabe nachzukommen, muss sie jedoch auch diejenigen Wege benennen, von denen sie mit Sicherheit erkannt hat, dass sie nicht dem Willen Gottes entsprechen. Vollständig außerhalb ihrer Zuständigkeit und ihrer Möglichkeiten ist, weltliche Rechtfertigungen für Sexualpraktiken zu liefern, die zwar verbreitet sein mögen, jedoch nicht mit der Lehre über das Wesen und die Finalität von Sexualität in Einklang zu bringen sind.

Die Geschlechtlichkeit des Menschen kommt dann zur wahren Entfaltung, „wenn sie in die Beziehung von Person zu Person, in die vollständige und zeitlich unbegrenzte wechselseitige Hingabe von Mann und Frau eingegliedert ist.“ (KKK 2337) Diese höchste Form der Hingabe ist zwar in der Ehe kein Automatismus, aber nur in ihr besteht die Möglichkeit dazu. Nur in der Ehe können sich Mann und Frau so lieben, wie Christus seine Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat (vgl.Eph 5,25).

Autonomieprinzip – Zählt das Ich oder Wort und Tradition?

Behauptung

Das Lehramt ignoriert die Tatsache, dass es in der modernen Moraltheologie auf Basis des Autonomieprinzips zu einer fundamentalen Neubewertung menschlicher Geschlechtlichkeit und Beziehungsgestaltung gekommen ist.

Entgegnung

Die Quellen der christlichen Erkenntnis sind das Wort Gottes und die Tradition der Kirche. Sie zu bewahren ist Aufgabe des Lehramtes des Papstes und der Bischöfe.

Darlegung

Die Moraltheologie hat, wie die Theologie insgesamt die Aufgabe, dem Lehramt der Kirche zuzuarbeiten, indem sie den überlieferten Glauben immer mehr herausarbeitet und ihn für die jeweilige Zeit und ihre geistigen Strömungen verständlich formuliert. Ihre Aufgabe ist es nicht, neue Prinzipien und darauf basierend neue Lehrsätze in die Theologie einzuführen, die das Lehramt dann zu approbieren hat, sondern sie soll umgekehrt dem Lehramt helfen, den Glauben in seiner ganzen Fülle und Radikalität zu bewahren. Dieser Glaube war schon zur Zeit Jesu unserem menschlichen Denken ein Ärgernis und ist es zu allen Zeiten gewesen.

Bibel und Anthropologie – Ist der Mensch klar geschaffen?

Behauptung

Es gibt in der gesamten Heiligen Schrift keine direktive biblische Vision vom Menschen, die ihn etwa auf Komplementarität festlegen würde – so auch nicht in Gen 1 + 2.

Entgegnung

Diese Aussage ist eine bloße Behauptung. Bei eingehender Beschäftigung mit der biblischen Forschung zu Gen 1-2 zeigt sich das Gegenteil.

Darlegung

Im Zentrum des zweiten Schöpfungsberichtes Gen 2,4b-2 – er ist der ältere gegenüber Gen 1 – steht die Erschaffung des Menschen. Diese wird in einer auffälligen Zweiteilung dargeboten.

Der erste Teil verdeutlicht, dass der Mensch ein auf Gott hin geschaffenes Wesen ist. Von Gott geformt und mit dem göttlichen Lebensatem ausgestattet (Gen 2,7), überträgt Gott ihm die Verantwortung für die gesamte Schöpfung (Gen 2,8-9.15), die er jedoch nur im Gegenüber zum Schöpfer und in Anerkennung der von ihm vorgegebenen Schöpfungsordnung (Gen 2,16) ausüben kann.

Bis dahin ging es um den Menschen als solchen. Das zugrundeliegende hebräische Wort „adam“ – „Mensch“ ist eine Gattungsbezeichnung und meint nicht den Mann, wie leider alte Übersetzungen von „adam“ mit dem männlichen Eigennamen „Adam“ implizierten, sondern geschlechterunspezifisch den Menschen als solchen im Unterschied zum Tier.

Erst im zweiten Teil Gen 18-25 geht es dann um die Ausdifferenzierung des Menschen in zwei Geschlechter. Zunächst bekundet Gott seinen Willen: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist. Ich will ihm eine Hilfe machen, ihm entsprechend, als sein Gegenüber“ (Gen 2,18). Diese Aussage hat nicht eine irgendwie geartete Einsamkeit des Mannes im Blick – es ist ja vom Menschen die Rede, nicht vom Mann. Sie meint auch nicht, dass der Mensch ein geselliges Wesen ist und Unterhaltung brauche. Es geht vielmehr darum, deutlich zu machen, dass der Mensch nicht als Monolith in diese Welt gestellt ist, sondern als ein Wesen existiert, das in eine Geschichte der Führung mit Gott aufgenommen ist. Als solches aber muss der Mensch die Fähigkeit besitzen, sich in die Geschichte hineinzuerstrecken, also fortzupflanzen, und auf diese Weise das „Alleinsein“ zu überwinden. Dazu braucht er eine „Hilfe, ihm entsprechend als sein Gegenüber“, wie es im hebräischen Text heißt, d.h. keine Gehilfin als Sklavin, sondern sein eigenes – gleichwesentliches – Gegenüber.

„Zu diesem Zweck erweitert Gott die geschöpfliche Basis des Menschen. In einem eigenen Schöpfungsakt begründet er die Differenzierung des Menschen in zwei Geschlechter und ermöglicht auf diese Weise, dass in der Gemeinschaft von Mann und Frau neue Menschen gezeugt werden“ 1. Der Mensch ist demnach von Gott als Mann und Frau erschaffen mit dem Ziel, den Fortbestand und die Entfaltung der Menschheit in die Geschichte hinein zu ermöglichen. Dies geschieht jedoch nicht dem Zweck der Arterhaltung, sondern der Ermöglichung der Führungsgeschichte Gottes mit dem Menschen. In der von Gott verfügten Zuordnung von Mann und Frau – „Seid fruchtbar und vermehrt euch und bevölkert die Erde“ (Gen 1,28) und „sie werden ein Fleisch sein“ (Gen 2,24) – entsteht nämlich der Raum, in dem die Menschheit sich entfalten und in Gemeinschaft bzw. Freundschaft mit Gott den Weg durch die Geschichte gehen kann – wir nennen dies die „Heilsgeschichte“.

Die Zuordnung von Mann und Frau als verschiedengeschlechtliche, aber gleichwesentliche Personen sowie ihre Bestimmung, die Entfaltung der Menschheit in den Raum der Geschichte hinein zu ermöglichen und damit die Basis für die Führungsgeschichte Gottes mit der Menschheit zu schaffen, ist also in der biblischen Schöpfungsordnung begründet. Die „Vision“ Gottes vom Menschen – wir sprechen theologisch eher vom „Plan“ Gottes mit dem Menschen –, wie sie uns in den Schöpfungsberichten entgegenkommt, beinhaltet also geradezu wesenhaft jene Komplementarität von Mann und Frau, wie sie heute gerne bestritten oder zumindest relativiert wird. Denn nur durch sie ist es dem Menschen möglich, seine ihm von Gott zugedachte Stellung in seiner Schöpfungs- und Geschichtsplanung einzunehmen und seine Aufgabe darin wahrzunehmen.

1 Renate Brandscheidt, Die Heiligkeit des Lebens im Urteil der Bibel, in: Renate Brandscheidt, Johannes Brantl, Maria Overdick-Gulden, Werner Schüßler, Herausforderung „Mensch“. Philosophische, theologische und medizinethische Aspekte, Paderborn-München-Wien-Zürich 2012, 72.

Bibel und Homosexualität – Nur veraltete Ansichten?

Behauptung

Die Heilige Schrift hat Menschen von heute nichts zu sagen zu gleichgeschlechtlichen, auf Liebe gegründeten Lebensgemeinschaften, da man sie damals noch nicht kannte, also auch nicht beurteilen konnte. Die einschlägigen biblischen Referenzstellen zu homosexuellen Handlungen sind nicht dazu geeignet sind, Homosexualität zu verurteilen.

Entgegnung

Verständnis und Praxis von Homosexualität ist heute tatsächlich nicht dasselbe wie zu Zeiten der Bibel. Dennoch geht das Argument an den biblischen Aussagen vorbei. Denn sie zielen nicht auf die konkrete Gestaltung gleichgeschlechtlicher Sexualität, sondern auf ihr grundsätzliches Verhältnis zum Schöpfungswillen Gottes. Sinn dieser Aussagen ist jedoch nicht, homosexuelle Menschen zu stigmatisieren, sondern auf die Entfremdung des Menschen von Gottes Schöpfung hinzuweisen.

Darlegung

Homosexualität spielt in der Bibel nur an wenigen Stellen eine Rolle. Meist wird sie nur ganz knapp in einer Aufzählung verwerflicher Handlungen erwähnt (so Lev 18,22; 20,13; 1Kor 6,9; 1Tim 1,10). Die einzige etwas detailliertere Stelle ist Röm 1,26f. Allerdings ist dort das eigentliche Thema nicht die Sexualmoral, sondern die allgemeine Entfremdung der Menschen von Gottes Schöpfungsordnung (siehe Punkt 3). Grund für diese sehr spärliche Behandlung ist, dass die negative Bewertung im antiken Judentum nicht umstritten war und schlicht vorausgesetzt werden konnte. Sie wird daher auch nirgendwo ausführlich begründet. Es ist aber deutlich, dass im Hintergrund die Annahme einer gottgewollten Schöpfungsordnung steht, die zu verletzen für Gott ein „Gräuel“ ist (Lev 18,22; 20,13). Das frühe Christentum, insbesondere Paulus, hat diese Bewertung unhinterfragt übernommen und – anders als Beschneidung und Speisevorschriften – auch von Heidenchristen eingefordert. Neben dem Götzendienst galt Homosexualität als typische Sünde der Heiden, ihre Ablehnung war daher für Juden wie Christen ein wichtiges Identitätsmerkmal.

Tatsächlich hat sich das Phänomen Homosexualität seit der Antike stark gewandelt. Natürlich gab es damals wie heute Menschen mit einer konstitutiv homosexuellen Orientierung. Aber das Konzept, sich in seiner Identität durch diese sexuelle Orientierung zu beschreiben („ich bin homo-/heterosexuell“), kannte die Antike nicht. Eine Neigung zu homosexuellen Handlungen schloss gewöhnlich eine heterosexuelle Ehe zur Zeugung von Nachkommen nicht aus. Akzeptiert waren in der griechisch-römischen Gesellschaft sexuelle Handlungen an Lustknaben, in der Regel Sklaven, gleichgeschlechtlicher Verkehr mit freien Bürgern dagegen verboten. Gleichberechtigte, von Liebe geprägte Partnerschaften waren nicht vorgesehen (auch wenn es sie faktisch durchaus auch damals schon gab). Streng genommen wird das „moderne“ Konzept einer homosexuellen Partnerschaft in der Bibel daher (natürlich) nicht ausdrücklich verurteilt, sondern nur einzelne gleichgeschlechtliche Handlungen. Die Frage ist jedoch, ob diese Veränderungen den Kern der biblischen Sicht berühren oder nicht. Auch wenn aus moralischer Sicht eine frei gewählte, gleichberechtigte Beziehung natürlich völlig anders bewertet werden muss als die Ausbeutung von „Lustknaben“ in der Antike, muss man zur Kenntnis nehmen, dass diese Ausbeutungsverhältnisse nicht der Grund für die biblische Ablehnung sind. Sie wird vielmehr an allen Stellen damit begründet, dass homosexuelle Handlungen das Verhältnis des Menschen zu Gott stören. An dieser Stelle, beim Konzept der Schöpfungsordnung, muss also die theologische Deutung ansetzen.

Schlüsseltext hierfür ist Röm 1,18-27. Paulus streift das Thema hier nur in einer ausführlichen Argumentation (Röm 1,18-3,20), die belegen soll, dass alle Menschen gesündigt haben und daher die Erlösung durch Christus nötig haben. Ursprung der Sünde ist für Paulus das Nicht-Erkennen Gottes in seiner Schöpfung (1,18-22), aus dem eine „Vertauschung“ von Schöpfer und Geschöpf im Götzendienst folgt: „Sie vertauschten die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes mit Bildern, die einen vergänglichen Menschen und fliegende, vierfüßige und kriechende Tiere darstellen.“ (1,23). Aus dieser „Vertauschung“ von Schöpfer und Geschöpf folgt für den Menschen als „Strafe“ eine „Vertauschung“ im Bereich der Sexualität: „Darum lieferte Gott sie entehrenden Leidenschaften aus: Ihre Frauen vertauschten den natürlichen Verkehr mit dem widernatürlichen; ebenso gaben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau auf und entbrannten in Begierde zueinander; Männer treiben mit Männern Unzucht und erhalten den ihnen gebührenden Lohn für ihre Verirrung.“ (1,26f.).

Für die Deutung des Textes ist festzuhalten: (a) Paulus geht es hier nicht um eine Anklage gegen homosexuelles Handeln. Er greift das Phänomen des homoerotischen Begehrens heraus, um daran eine grundsätzliche theologische Aussage zu veranschaulichen: die Entfremdung des Menschen von der Schöpfung. (b) Diese Entfremdung trifft homosexuelle Menschen nicht mehr und nicht weniger als alle Menschen. Die gleichgeschlechtliche Neigung ist nur eine Äußerung dieser Gebrochenheit. Dies ist ja gerade das Beweisziel des Apostels: „Denn es gibt keinen Unterschied: Alle haben ja gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren.“ (Röm 3,22b.23). (c) Eine Diskriminierung („Unterscheidung“) und Verurteilung lehnt Paulus daher klar ab: „Darum bist du unentschuldbar − wer du auch bist, o Mensch −, wenn du richtest. Denn worin du den andern richtest, darin verurteilst du dich selbst, weil du, der Richtende, dasselbe tust.“ (Röm 2,1). (d) Dennoch lehnt Paulus homosexuelle Handlungen mit deutlichen Worten als der Schöpfungsordnung widersprechend („widernatürlich“) ab.

Homosexualität erweist sich daher biblisch als komplexes Phänomen. Es ist weder mit dem Begriff „Todsünde“ noch als Teil einer „Schöpfungsordnung der Vielfalt“ angemessen zu fassen. In einer Welt, in der das Reich Gottes erst im Anbruch ist, ist sie tatsächlich eine „normale“ Spielart des stets gebrochenen menschlichen Begehrens (vgl. Röm 7,15-25). Insofern sie aber Ausdruck dieser Gebrochenheit ist, kann die Kirche sie nicht gutheißen oder segnen („bene-dicere“).

Bibel und Lust – Ist Sex nur zum Kinderkriegen gut?

Behauptung

Von einer einheitlichen Sexualethik der Heiligen Schrift kann nicht die Rede sein. Im Alten Testament gab es durchaus außerehelichen Sex; vor allem aber wird die Lust positiv gewürdigt, wenn sie zum Beispiel in einem einvernehmlichen Rahmen passiert, also nicht im Kontext von Gewalt.

Entgegnung

Die Bibel präsentiert keine ausgearbeitete Sexualmoral. Viele Texte spiegeln nur die Konventionen der Kultur, in der sie entstanden sind. Ethische Orientierung findet man in der Bibel hingegen da, wo sie das Phänomen der Sexualität auf Gott hin transparent macht. Die beiden Kernbegriffe der biblischen Sexualmoral müssen daher lauten: „Schöpfung“ und „Heiligkeit des Leibes“.

Darlegung

In der Tat: Das Alte Testament gibt nicht gerade Anschauungsunterricht für die traditionelle katholische Sexualmoral. Nur: Die „neue Sexualmoral“, die vorrangig auf einer Beziehungsethik beruhen soll, kann sich ebenfalls schwer darauf berufen. Denn gleichberechtigt, einvernehmlich und gewaltfrei geht es im Alten Testament selten zu. Es ist voll von Geschichten über Polygamie, Prostitution, Inzest oder Vergewaltigung.

Die Erwartung, in der Bibel eine „fertige“, kohärente (Sexual-)Moral zu finden, die man dann nur noch anzuwenden brauchte, beruht auf einem Missverständnis (letztlich auf einem fundamentalistischen Schriftverständnis). Die Bibel ist kein Lehrbuch der Moraltheologie, ebenso wenig wie sie ein Dogmatik-Handbuch ist. Sie ist die zu Schrift geronnene Erinnerung an die jahrhundertelange Geschichte der Selbstoffenbarung Gottes, die in Jesus Christus ihren Höhepunkt findet. Diese Offenbarung findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern an einem konkreten Ort, im Volk Israel. Dieses unterscheidet sich kulturell nicht wesentlich von anderen Völkern des Alten Orients. Es handelt sich um eine patriarchale Stammesgesellschaft, die Sexualität vor allem als Mittel zur Zeugung legitimer Nachkommen versteht. Lust (geschweige denn beiderseitige) spielt dagegen – anders als oft behauptet – nur eine untergeordnete Rolle. Diese uns so fremde Welt, in die hinein sich Gott offenbart, spiegelt sich auch in den Texten der Bibel. Nicht alles, was sie erzählt, ist geeignet, uns ethische Orientierung zu geben.

Orientierung gibt die Bibel da, wo sie ihre Welt in das Licht der Offenbarung Gottes taucht. Im Falle der Sexualität lassen sich hier im Prinzip zwei große Linien vom Alten Testament über die Verkündigung Jesu bis in die frühe Kirche verfolgen: Das (1) Thema „Schöpfung“ und (2) das Thema „Heiligkeit des Leibes“.

(1) Beide Schöpfungserzählungen der Bibel verankern die zweigeschlechtliche Konstitution des Menschen ausdrücklich in Gottes Schöpfungshandeln. In Gen 1,27 heißt es lapidar: „Männlich und weiblich erschuf er sie.“ Der eine Mensch existiert in zwei aufeinander bezogenen „Fassungen“. Nur zusammen sind sie „Bild Gottes“. Gen 2 drückt dieselbe Dialektik in einer Erzählung aus. Gott entnimmt aus dem „Menschen“ (das bedeutet der Name „Adam“) eine Rippe und formt daraus die Frau (hebr. iššah), wodurch der „Mensch“ erst zum „Mann“ (iš) wird. Da sie ursprünglich eins sind („Fleisch von meinem Fleisch“), kehren sie in der geschlechtlichen Verbindung zu ihrer ursprünglichen Einheit zurück: „Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und hängt seiner Frau an und sie werden ein Fleisch.“ (Gen 2,23f.). Die Texte des NT greifen immer wieder auf diese Basis zurück: In einer originellen, Vollmacht beanspruchenden Auslegung kombiniert Jesus beide Schriftstellen, um gegen die Scheidungspraxis der Tora die Ursprungsintention des Vaters geltend zu machen, wonach Ehe und Geschlechtsverkehr Mann und Frau wirklich zu einer untrennbaren Einheit verbinden (Mk 10,6-9). Paulus verweist genau auf diese tiefe Verbindung in 1 Kor 6,16, wenn er vor „Unzucht“ warnt, also einer sexuellen Aktivität, die eben nicht diese Tiefe erreicht. Auch der Epheserbrief greift die Stelle auf (Eph 5,29-32).

In die Linie der Schöpfungstheologie gehören schließlich auch die (wenigen) Texte, die die erotische Lust würdigen. Es geht darum, Gottes gute Gaben wertzuschätzen: „Also: Iss freudig dein Brot und trink vergnügt deinen Wein (…) Mit einer Frau, die du liebst, genieß das Leben alle Tage deines Lebens voll Windhauch, die er dir unter der Sonne geschenkt hat, alle deine Tage voll Windhauch!“ (Koh 9,7.9). Gerade im sogenannten „Hohelied“ (einer Sammlung ursprünglich profaner Liebeslieder, die den Weg in die Bibel gefunden hat), werden immer wieder Bezüge zu Gen 2 hergestellt, z.B. durch das Motiv des Gartens.

(2) Schon die Tora behandelt das Thema Sexualität im Rahmen des sogenannten „Heiligkeitsgesetzes“ (Lev 17-26). Diese Sammlung von Gesetzesvorschriften beruft sich immer wieder darauf, dass Israel heilig sein muss, weil es durch die Befreiung aus Ägypten zu Gottes Eigentum geworden ist (Lev 19,2; Lev 20,7f.; Lev 20,26; Lev 22,32f.; auch bereits in Lev 11,44f.). Diese Heiligkeit muss sich auch im sexuellen Leben ausdrücken. Insbesondere werden (männliche) Homosexualität und Inzest streng untersagt, die die Familienordnung aus Mann, Frau und ihren Kindern durcheinanderbringen.

Besonders für Paulus ist der Begriff der „Heiligung“ (griech. hagiasmos) zentral, und er bezieht ihn in erster Linie auf die Sexualität! Wie das Volk Israel durch den Exodus Gott gehört, so der Christ durch die Taufe. Dann gehört er ihm aber buchstäblich „mit Haut und Haaren“, also mit seinem ganzen Leib: „Meidet die Unzucht! Jede Sünde, die der Mensch tut, bleibt außerhalb des Leibes. Wer aber Unzucht treibt, versündigt sich gegen den eigenen Leib. Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt? Ihr gehört nicht euch selbst; denn um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden. Verherrlicht also Gott in eurem Leib!“ (1 Kor 6,18-20; vgl. 1 Thess 4,3-8).

Diskriminierung – Wer darf zur Kommunion?

Behauptung

Die Kirche diskriminiert Anderslebende (wiederverheiratet Geschiedene, gleichgeschlecht­liche Paare) auch liturgisch durch Ausgrenzung vom Kommunionempfang.

Entgegnung

Beim Kommunionempfang besteht die Sorge der Kirche darin, dass die Gläubigen die Eucharistie würdig und heilbringend empfangen. Es geht keineswegs darum, irgendwelche Gruppen wie wiederverheiratete Geschiedene oder gleichgeschlechtliche Paare zu diskriminieren, sondern darum, alle Gläubigen davor zu schützen, dass sie durch einen unwürdigen Kommunionempfang sich nicht das Heil, sondern das Gericht bereiten. Die Kirche nimmt damit die Mahnung des Apostels Paulus auf: „Wer also unwürdig von dem Brot isst und aus dem Kelch des Herrn trinkt, macht sich schuldig am Leib und am Blut des Herrn“ (1 Kor 11,27).

Um niemanden zu diskriminieren, definiert die Kirche die Regeln zum heilbringenden Kommunionempfang unabhängig vom Stand oder auch der sexuellen Orientierung der Gläubigen. Gestützt auf die Heilige Schrift und ihre lehramtliche Überzeugung, wird allen Gläubigen unterschiedslos verkündet, dass der legitime Ort praktizierter Sexualität die sakramentale Ehe ist. Würde die Kirche von ihrer Gleichbehandlung aller Gläubigen abrücken und beispielsweise für homosexuell empfindende Gläubige abweichende Sonderregelungen im Blick auf ihre gelebte Sexualität, wäre dies tatsächlich eine implizite Diskriminierung der gleichgeschlechtlich Empfindenden, weil die Kirche dann dieser Gruppe unterstellt, nicht wie alle anderen Gläubigen zur Keuschheit fähig zu sein. So werden homosexuell Empfindende gerade nicht auszugrenzen und als Menschen stigmatisiert, die offenbar zur Beherrschung ihrer Triebe nicht in der Lage sind. Die Kirche erwartet von ihnen, wie von allen anderen, die Beachtung der gleichen moralischen Prinzipien.

Auch wiederverheiratete Geschiedene werden nicht diskriminiert, zumal die Kirche die Betroffenen ohnehin nicht ausschließt, sondern diese sich durch ihren freigewählten und den Geboten Gottes widersprechenden Lebensstatus selbst ausschließen. Die Kirche kann auch in diesem Fall nicht selbstherrlich Sondergesetze erlassen, sondern sieht sich an das Gebot Christi gebunden, dass die gültig geschlossene und vollzogene Ehe zwischen Getauften durch keine menschliche Gewalt und aus keinem Grunde, außer durch den Tod, aufgelöst werden kann (Mt 5,31-32; 19,3-9; Mk 10,9; Lk 16,18; 1 Kor 7,10-11; GS 48–49; KKK 1646–1647, 2382). Dass die Kirche an ihren Prinzipien festhält, schließt nicht aus, dass sie – wie Papst Johannes Paul in Familiaris Consortio 84 schreibt – den Einzelfall betrachtet und beachtet und – wie Papst Franziskus in Amoris Laetitia 243 schreibt – „eine aufmerksame Unterscheidung und von großem Respekt gekennzeichnete Begleitung“ schenkt, „die jede Ausdrucksweise und Haltung vermeidet, die sie als diskriminierend empfinden könnten.“ Auch Menschen in den geschilderten Situationen sind nicht eo ipso „exkommuniziert“ und weiterhin Teil der Communio (AL 243) Die Kirche soll die Menschen in ihren Grenzsituationen annehmen und noch mehr mit ihnen alle geistlichen Möglichkeiten entdecken und auszuschöpfen, um sich in ihrer Situation mit Christus zu verbinden.

Diskriminierung – Keine „Homoehe“ für Kirchenangestellte?

Behauptung

Die Kirche diskriminiert ihre eigenen Mitarbeiter, bringt sie in schwere innere Konflikte und ökonomische Zwangslagen. So gestattet das Zivilrecht seit dem Jahr 2017 die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, wohingegen die katholische Kirche bereits deren Zusammenleben verurteilt. Wer z.B. unehelich zusammenlebt, riskiert die „missio canonica“ und somit ein Berufsverbot.

Entgegnung

Die Kirche steht für Werte, die nicht notwendig identisch sind mit dem, was zivilrechtlich möglich ist. Niemand wird gezwungen, einen kirchlichen Arbeitsvertrag anzunehmen. Aber jeder, der von der Kirche einen Arbeitsvertrag annimmt und sie damit auf besondere Weise nach außen hin vertritt, muss sich an Buchstaben und Geist der Katholischen Kirche orientieren oder einer anderen Arbeit nachgehen.

Die Kluft zwischen Zivilrecht und kirchlicher Moral ist groß und wird in Zukunft noch größer werden, wie man es jetzt schon bei der aktuellen Abtreibungsgesetzgebung sieht. Gemäß Zivilrecht bleibt sie straffrei; aus Sicht der Kirche stellt sie aber „ein schweres Vergehen gegen das sittliche Gesetz dar“, zudem sei diese Lehre „unveränderlich“ (KKK 2271). Die Kirche ahndet es „mit der Kirchenstrafe der Exkommunikation“ (KKK 2322).

Nach dem Duden meint „diskriminieren“: Jemand „herabsetzen, herabwürdigen, unterschiedlich“ behandeln. Wenn die Kirche alle ihre Glieder an das Evangelium und ihr Grundsätze erinnert, diskriminiert sie niemals und niemanden. In der Kirche zu sein, ist ein Akt der Freiheit. Wer sich für die Eingliederung in den Leib Christi entschließt, akzeptiert das von dort vertretene Wertgefüge. Es ist unredlich, von meiner Werte-Gemeinschaft eine Veränderung der Werte zu fordern, weil ich diese Werte (nicht, noch nicht, nicht mehr) realisieren kann oder sie gerade nicht akzeptieren mag. Redlichkeit und Authentizität fordern von mir, mich in Richtung der Werte zu verändern, also menschlich und geistlich auf die Vollgestalt des Evangeliums hin zu wachsen und zu reifen. Oder aber, wenn ich das nicht will, muss ich – um der Wahrhaftigkeit willen – die Werte-Gemeinschaft verlassen.

Schon in der Wirtschaft gilt: Wenn ich eine Firma vertrete, gilt der Arbeitsvertrag. Die Firma kann von mir verlangen, dass ich mich von der Qualität der Produkte, die ich vertreten soll, überzeugt habe und ich meine Leistung dadurch erbringe, dass ich hundertprozentig hinter dem Produkt stehe und es nicht insgeheim du4ch mein Verhalten diskreditiere. Nur so bin ich für mich authentisch und für die Mitmenschen, meine Kunden, überzeugend. Wenn ich nun nicht nur zur Werte-Gemeinschaft der Kirche gehöre, sondern mich von der Kirche als Institution und Arbeitgeber bezahlen lasse, dann erfordert es meine Loyalität, auch die Werte meiner Organisation zu vertreten. Es ist unredlich, meine subjektiven Annahmen der Gemeinschaft aufzuerlegen oder eine grundsätzliche Wertschätzung für mein abweichendes Verhalten von ihr zu erwarten. Vom „innere(n) Konflikt“ und von „ökonomischen Zwangslagen“ zu sprechen ist schiefe Rhetorik. Authentisch wäre es, die Kirche zu verlassen oder den Arbeitgeber zu wechseln, wenn man die Werte der Kirche nicht mehr vertreten kann. Daran könnte die Person auch für sich erkennen, was ihr die Werte wert sind.

Diskriminierung – Vorbehalte gegen gleichgeschlechtliche Paare?

Behauptung

Es bedarf einer vorbehaltlosen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften und des Verzichts darauf, die in ihnen gelebte sexuelle Praxis moralisch zu disqualifizieren.

Entgegnung

Homosexuelle Lebenspartnerschaften können genauso wenig „vorbehaltlos anerkannt werden“ wie heterosexuelle Beziehungen jenseits des ehelichen Rahmens, weil menschliche Sexualität beim Bundesschluss Gottes mit dem ersten Menschenpaar in der Genesis klar umrissen worden ist. Sie ist ausschließlich zu leben in der ehelichen Gemeinschaft eines einzigen Mannes und einer einzigen Frau. Es handelt sich dabei nicht um Disqualifizierung, sondern um den Gehorsam gegenüber den Geboten Gottes.

Darlegung

Gott hat menschliche Sexualität geschaffen und zugleich geheiligt, indem er sie zum Zeichen des ersten Bundes gemacht hat. Er hat sie eingebettet in den ehelichen Bund von Mann und Frau, der lebenslang und ausschließlich ist. Sexualität geht also mit klar umrissenen Geboten einher. Wo diese Gebote nicht eingehalten werden, wird die Heiligkeit der Sexualität entweiht und es kommt zu einem Bundesbruch. Deshalb ist bei Themen wie Homosexualität, Ehebruch, Blutschuld, Travestieverbot etc. die Rede von Gräuel und Entweihung bzw. Verunreinigung des Landes (Lev 18; Lev 20; Dtn 22,9-11; Dtn 23-24). Das biblische Zeugnis ist eindeutig bei der Bewertung nichtehelicher Beziehungen als Unzucht, seien es homosexuelle, seien es heterosexuelle (Dtn 22,28-29; 1 Kor 5,1; 6,9.12-20; 7,2; 10,8; Röm 1,26; Eph 5,5; 1 Tim 1,10; Hebr 13,4). Das Problem bei homosexuellen Partnerschaften ist die kategorisch ausgeschlossene Verknüpfung von Sexualität und Fruchtbarkeit, die eine Wesenseigenschaft der Ehe darstellt. Deshalb kann sie mit einer sakramentalen Ehe niemals gleichgesetzt werden.

Jesus hält fest an dem hohen Anspruch und Bundescharakter der Ehe mit ausschließlich in ihr gelebter Sexualität, als er im Streitgespräch mit den Pharisäern und Schriftgelehrten die Unauflöslichkeit der Ehe verteidigt (Mt 19; Mk 10). Er verweist auf die Genesis zurück, wo Gott den Bund mit dem ersten Menschenpaar schließt (Gen 1,27-28; 2,24). Im Gespräch mit der Frau am Jakobsbrunnen schließt Jesus den aktuellen Partner der samaritanischen Frau als rechtmäßigen Mann aus (Joh 4).

Im Anschluss an die Worte Jesu betrachtet Paulus sexuelle Sünden als besonders gravierend, weil sie den Leib als Tempel des Hl. Geistes einbeziehen. Auch der gesamte Leib Christi, die Kirche, wird dadurch in Mitleidenschaft gezogen (1 Kor 6,15-17). Die Glaubenskongregation erklärte jüngst die Segnung homosexueller Paare als unzulässig, da auch im weiteren Sinne keine Analogie zwischen homosexuellen Partnerschaften und sakramentaler Ehe hergestellt werden kann, was durch eine solche Segnung aber impliziert werden würde.

Die Kirche will niemanden ungerecht zurücksetzen. Die Glaubenskongregation erklärte zuletzt: „Die Erklärung der Unzulässigkeit von Segnungen der Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts ist daher weder eine ungerechte Diskriminierung noch enthält sie die Absicht, eine solche zu sein, sondern ruft die Wahrheit des liturgischen Ritus in Erinnerung und das, was dem Wesen der Sakramentalien zutiefst entspricht, so wie die Kirche sie versteht.“ Die Kirche will also nicht diskriminieren, sondern nimmt Gottes unveränderliche Gebote ernst, die zu allen Zeiten und unabhängig von zeitgeistlichen Forderungen gelten.

Diversität – Der Mensch ist eben vielfältig?

Behauptung

In einer auf das christliche Prinzip der Gewissensfreiheit setzenden Gesellschaft individualisieren und pluralisieren sich die Wege des Menschlichen.

Entgegnung

Das Gewissen ist die Stimme in unserem Inneren, die uns auf das Gute und damit auf Gott hin ordnet. Wer dieser Stimme folgt, findet aus der Zersplitterung zur Einheit mit dem Wort Gottes und mit der Lehre der Kirche.

Darlegung

Tatsächlich gibt es in der Kirche eine Vielzahl von Charismen und Berufungen, die es alle wertzuschätzen gilt. Damit sie sich alle auf den einen Gott ausrichten und nicht zur Trennung führen, gibt es in jedem von uns das Gewissen, das uns mit unserer je eigenen Berufung zur Einheit untereinander und mit Gott führt. Unser Gewissen richtet sich einerseits nach seiner eigenen inneren Evidenz, in welcher es das Gute als gut und das Böse als Böse erkennt; auf diese Stimme müssen wir hören und dürfen nichts tun, was unser Gewissen verbietet.

Aber die innere Evidenz des Gewissens ist nicht autonom, sondern muss sich ihrerseits nach Gott und seinem Wort ausrichten, d.h. wir müssen unser Gewissen bilden, was eine lebenslange Aufgabe ist. Immer wieder gilt es die Stimme des eigenen Inneren zu hinterfragen: Spricht hier Gott oder sind es meine eigenen Wünsche und Überlegungen? Diese Unterscheidung kann keiner von uns allein leisten, sondern dazu brauchen wir den Rat und das Urteil der anderen, die Weisung der Gemeinschaft der Glaubenden, der Kirche. Denn letztlich geht es darum, gemeinsam auf den einen Christus zuzugehen und mit und durch ihn zum Vater.

Diversität – Kein Platz für das „Dritte Geschlecht“?

Behauptung

Intersexuelle oder Transgender kommen im kirchlichen Kontext nicht vor. Damit bringt die Kirche sich selbst um die Möglichkeit, hinsichtlich diverser Lebensrealitäten auskunftsfähig zu werden. Wo bleiben Menschen mit dem „dritten Geschlecht“?

Entgegnung

Die auf dem biblischen Menschenbild basierende kirchliche Sicht auf Sexualität prägt auch ihre pastorale Sorge für Intersexuelle oder Transgender.

Darlegung

Das biblische Menschenbild geht davon aus, dass der Mensch eine leib-seelische Einheit darstellt (vgl. GS 14). Diese anthropologische Grundlegung besitzt ihre Relevanz auch mit Blick auf die Frage der sexuellen Diversität.

Was meint sexuelle Diversität, was bedeuten Intersexualität und Transsexualität? Unter Intersexualität versteht man das Phänomen, dass bei einem kleinen Teil der Menschen die Zuordnung in männlich oder weiblich bei der Geburt nicht möglich ist, insofern die äußeren Geschlechtsmerkmale nicht eindeutig ausgeprägt und entwickelt sind. Transsexualität dagegen bezeichnet die Tatsache, dass ein Teil der Menschen körperlich einem Geschlecht zugehört, sich im eigenen Empfinden aber als dem anderen Geschlecht zugehörig erlebt.

Mit Blick auf die Frage der Entwicklung der Geschlechtsidentität stellt sich deshalb die Frage, auf welche Weise die Kirche den Intersexuellen und Transgender bei ihrer Entwicklung pastoral beistehen kann.

Eine von Papst Franziskus in Amoris laetitia scharf kritisierte und auf absoluter Freiheit beruhende Sichtweise (AL 34) sieht die Geschlechtsidentität allein als Ergebnis einer eigenen Entscheidung und damit als vom autonomen Individuum selbst bestimmt. Die auch von Papst Franziskus geteilte kirchliche Sicht vertritt dagegen die Überzeugung, dass aufgrund der besagten leib-seelischen Einheit des Menschen die körperliche Prägung bei der Frage der Geschlechtsidentität nicht ohne jegliche Relevanz ist. Diese Sicht kann sich dabei auf humanwissenschaftliche Erkenntnisse stützen. Denn von sexualmedizinischer Seite gibt es Stimmen, nach denen die Entwicklung zur Geschlechtsidentität im Normalfall zu einer Übereinstimmung von körperlichem Geschlecht und subjektivem Geschlechtsempfinden führt. Das Sprechen von einer autonomen Entscheidung bezüglich der eigenen Geschlechtlichkeit oder von einem „dritten Geschlecht“ birgt aus kirchlicher Sicht demgegenüber die Gefahr, den gewöhnlichen Prozess der Entwicklung zur Geschlechtsidentität zu beeinträchtigen.

Angesichts dieses Befundes ist völlig klar, dass sich die kirchliche Position nicht gegen die Transsexuellen und Transgender wendet. Selbstverständlich ist zu klären, wie bei der Geburt mit Menschen umgegangen wird, deren körperliche Geschlechtszugehörigkeit nicht eindeutig zuzuordnen ist. Ebenso steht außer Frage, dass diejenigen Menschen, die sich im falschen Körper fühlen, alle mögliche Hilfe bei der Entwicklung ihrer Geschlechtsidentität erhalten müssen.

Mit Blick auf die personale Reifung des Menschen als leib-seelische Einheit bedeutet dies aber andererseits nicht, die Geschlechtsidentität allein der menschlichen Autonomie zuzuschreiben, sondern vielmehr die sexualmedizinisch als Normalfall gesehene Übereinstimmung von körperlichem Geschlecht und subjektivem Geschlechtsempfinden zu unterstützen.

Ehe – Alleingeltung oder nur „Höchstgeltung“?

Behauptung

Die Alleingeltung der Ehe wird durch ihre Höchstgeltung abgelöst.

Entgegnung

Das bedeutet, dass die Ehe in ihrer Bedeutung relativiert wird.

Darlegung

Sollte vielleicht einmal vor dem Standesamt oder nach der Trauung ein Paar gefragt werden sollen, wie lange wird denn wohl ihre Liebe halten, wird vermutlich die große Mehrheit empört oder zumindest erstaunt reagieren und denken oder sogar sagen, was sie versprochen haben: „bis zum Tod“. Eine Studentin, die kurz vor der Heirat stand, hatte mich sogar gefragt: Herr M., warum darf ich nicht sagen „in Ewigkeit“. In oben gemachter Aussage bricht man den Idealismus, die Hoffnung oder wenigstens den Mut junger Leute, einander unbedingte Treue zu versprechen. Man bricht den „Idealismus“ entscheidend durch einen an dieser Stelle nicht angebrachten „Realismus“, dass gut ein Drittel solcher Versprechen tatsächlich im Lauf des Lebens scheitern. Christsein sollte zwar auf dem harten Boden der realen Welt stehen aber sich ausstrecken nach den Seligpreisungen (Lk 6,20 – 23) zu leben, die alles andere als „realistisch“ sind. Die „Realisten“ werden im gleichen Atemzug in den „Wehe euch Rufen“ von Jesus (Lk 6, 24 -26) gewarnt das scheinbar „reale“ greifbarere zu suchen oder darin zu verharren. Wenn Ehe nur Höchstgeltung sein soll, dann beginnen die Zaghaften gar nicht die Höchstgeltung zu wählen und die durch ihre Ehe Enttäuschten kämpfen nicht mehr um die Höchstgeltung, sondern geben sich mit irgendeinem Darunter zufrieden. Im Leben nach den Seligpreisungen, in diesem Fall durch das Ehesakrament gestärkt, wird vielleicht auch auf dem harten Boden der Realität Wirklichkeit, was Georges Bernanos einmal vom Sakrament der Ehe gesagt hat. Es sei „ein irdisches Haus mit Fenstern zum Himmel“.

Ehe – Warum sie „heilig“ ist

Behauptung

Die Kirche schätzt mit Recht die Heiligkeit der Ehe, aber es ist nicht einzusehen, warum deshalb andere Formen von Partnerschaft oder neue Familienformen weniger wertvoll sein sollen. (SynW)

Entgegnung

Für die Kirche ist der Ehebund ein Sakrament – ein heiliges Zeichen – zudem das Sakrament, in dem das Liebesverhältnis Gottes zur Welt auf einzigartige und unvergleichliche Weise zum Ausdruck kommt. Zudem hat schon auf natürlicher Ebene die lebenslange treue Verbindung eines Mannes mit einer Frau ihre eigene Würde und nimmt einen höheren Rang ein als Verbindungen, die nur auf Zeit oder bedingungsweise oder gar nicht geschlossen wurden.

„Andere Formen von Partnerschaft und moderne Familienformen“ darf man nicht über einen Kamm scheren. Sie sind häufig verursacht durch menschliches Schicksal, ökonomische Not oder ein Nichtkennen von dem, was zu wahrer Liebe gehört. Sie deshalb zu „normalisieren“ oder sie nur als Geschmackssache oder frei gewählte „Andersheiten“ zu qualifizieren, ist nicht angebracht. Die Kirche verteidigt, indem sie die Schöpfungsordnung verteidigt, auch die Natur. Und in der Natur ist es das absolut Beste, was einem Kind passieren kann, wenn es in einer klassischen Familie mit dem natürlichen Vater, der natürlichen Mutter und einem lebenslangen Setting aufwachsen darf.

Deshalb sieht die Kirche aber auch, dass in vielen Lebensformen oft mit großer persönlicher Hingabe Werte realisiert werden, was gerade durch Papst Franziskus oft und oft betont wurde. Das gilt auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Aber auch da orientiert sich die Kirche nicht nur an der Lebenswirklichkeit heute, sondern auch an der Heiligen Schrift. Während die Bibel auf die Entfaltung gleichgeschlechtlicher Lieben und Lebensformen, die es in der Geschichte immer gab, nicht (oder nur in Form von Zurückweisungen) eingeht, ist der Sinn von Ehe reich entfaltet und tief in die christliche Anthropologie eingelassen. Beginnend mit den Schöpfungsberichten im Buch Genesis und durchgängig durch die gesamte Heilige Schrift spricht die Heilige Schrift in besonderer Weise von der geschlechtlichen Liebe zwischen Mann und Frau. Die Bibel kennt keine sich selbst genügenden Männer- und Frauenwelten. Die Komplementarität der Geschlechter gehört zu den Urgegebenheiten der Schöpfung. Nicht im Mann findet der Mann – und nicht in der Frau die Frau – die ebenbürtige „Hilfe“ (Gen 2,18) und das ersehnte “Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch“ (Gen 2,23). Erst in der Selbstüberschreitung auf das andere Geschlecht hin, werden beide ein Leib und fruchtbar. Hier wie nirgends sonst, rücken Schöpfer und Geschöpf in unmittelbare Nähe: Der Gott, der aus Liebe Leben hervorgebracht hat, beruft Menschen, damit im Bund der Liebe das Getrennte der Geschlechter zusammenkommt, um das Wunder neuen Lebens hervorzubringen. „Sie werden ein Fleisch“ (Gen 2,24), darin fruchtbar und zum Abbild der lebensspendenden Liebe Gottes.

Ehe – Sex nur in der Ehe?

Behauptung

Die Schriftinterpretation, wonach Sex seinen legitimen Ort allein in der Ehe hat, hält einer modernen exegetischen Überprüfung nicht mehr Stand.

Entgegnung

Die Behauptung ist so plakativ wie unrichtig; sie wird den Texten und ihrem Verständnis im Rahmen des Kanons der Schrift nicht gerecht.

Grundsätzlich gilt, dass bereits im Alten Testament und in Folge auch im Neuen Testament so ziemlich jede denkbare Form sexuellen Verhalten außerhalb der Ehe als illegitim angesehen wird (vgl. Lev 20,11-21). Dazu zählt insbesondere Bestialität (Lev 20,15), Inzest (Lev 20,17) und Ehebruch (Dtn 5,18). Bei letzterem wird allerdings eine unterschiedliche Wertung vorgenommen. So kann ein verheirateter Mann im Unterschied zu seiner Frau nur eine fremde Ehe, nicht die eigene Ehe brechen. In jedem Fall wird Ehebruch im Alten (und auch Neuen) Testament als Kapitalverbrechen angesehen (Dtn 22,22) und dient in der Prophetie als Bild für den Abfall Israels von JHWH (Hos 2,1-17). Ähnlich wird der Abfall zu fremden Göttern als „Hurerei“ bezeichnet (Hos 4,12). Sexueller Verkehr mit einer Unverheirateten hat für den betreffenden Mann in jedem Fall rechtliche Konsequenzen, z.B. die Verpflichtung der Heirat und der Zahlung des Brautpreises (Dtn 22,28). Vermutlich bezieht sich die These auf das Hohelied, wo die in vielen Bilder und Metaphern verherrlichte Sexualität und Erotik ohne direkten Bezug zu einer ehelichen Beziehung beschrieben wird. Jedoch wird auch hier deutlich, dass es sich dabei sowohl um eine einmalige und ausschließliche Verbindung handelt (vgl. Hld 2,16; Hld 6,3), als auch diese Verbindung unbedingte Dauer hat (Hld 6,12) und damit das widerspiegelt, was auch Inbegriff der ehelichen Gemeinschaft ist oder zumindest sein sollte. Die These scheint dabei von dem verbreiteten Vorurteil auszugehen, dass Ehe und Erotik Gegensätze sind.

Dabei darf nicht übersehen werden, dass die im Hohen Lied beschriebene Schönheit von Sexualität, Liebe und Erotik sowohl von ihrer kanonischen Stellung in der hebräischen Bibel als auch in der Rezeptionsgeschichte positiv zur Metapher für die Beziehung Gottes zu seiner Braut Israel geworden ist, damit also die dauerhafte und innige, ja betörende Liebe von Mann und Frau eine über sich hinausweisende Dimension hat.

Sollte die These darüber hinaus auf die homoerotische Beziehung zwischen David und Jonathan anspielen, so hat die kürzlich erfolgte Prüfung der Semantik der Texte ergeben, dass es sich hier mitnichten um Homosexualität, sondern schlicht um eine tiefe Freundschaft handelt. Angesichts der ansonsten in der hebräischen Bibel anzutreffenden negativen Wertung homosexuellen Verhalten hätte ein solches homoerotisches Verhältnis wohl kaum zu einer derartigen Wertschätzung Davids innerhalb des Alten Testamentes und seiner Rezeptionsgeschichte geführt.

Ehe – Mit Leib und Seele?

Behauptung

Sexualität dient auch im Leben gläubiger Menschen nicht allein der Fortpflanzung, sondern auch der Lustgewinnung, der Beziehungspflege und der Identitätsfindung/–vergewisserung. Sexualität wird mehrdimensional erfahren. Dabei ist die Ehe nicht der einzige legitime Ort für Sexualität.

Entgegnung

Die Mehrdimensionalität von Sexualität ist auf die Stabilität der Ehe (Beziehungspflege) und die Familie (Fruchtbarkeit von Mann und Frau) ausgerichtet. Daher sind auch Lustgewinnung und Identitätsvergewisserung nicht vom Ehebund zwischen Mann und Frau zu trennen. Im sakramentalen Bund entfaltet sich der Sinn von Sexualität als guter Gabe Gottes.

Darlegung

Sexualität ist in ihrer Mehrdimensionalität eine wertvolle und beglückende Gabe, die uns von Gott und dem Ehepartner geschenkt wird. Der Primärsinn von Sexualität in biologisch-anthropologischer und biblischer Hinsicht ist die Lebensweitergabe (Gen 1,28). Genau dieser Sinn ist in unseren Geschlechtsorganen schöpfungsgemäß leibhaft eingetragen. An unseren Leibern erkennen wir die Norm der Zweigeschlechtlichkeit, mit seltenen intersexuellen Varianten, deviante Formen des Mann- und Frauseins (DSD – Disorder of Sex Development, kein drittes Geschlecht). Die Ehepartner schenken sich einander mit Leib und Seele. Aus diesem Schenken in der männlichen Handlung der Penetration und der weiblichen Handlung, der „Circlusion“ (Bini Adamczak, Missy Magazine, 8.3.2016), kann neues Leben erwachsen – in Ausnahmen selbst bei künstlicher Verhütung –, da männliche und weibliche Geschlechtsorgane anatomisch, histologisch und physiologisch komplementär zusammenpassen. Damit das neue Leben in sicherer Bindung an beide Elternteile aufwachsen kann, ist als Ort der Geborgenheit für gelebte Sexualität die Treue im Ehebund nötig. Zugleich vermitteln Mann und Frau einander in der sexuellen Hingabe und Annahme durch das Bindungs-Hormon Oxytocin eine Stabilisierung ihrer Beziehung (Beziehungspflege) und eine seelisch-beglückende ekstatische Erfüllung (Lust). Nach den Wechseljahren, wenn das Ziel der Fruchtbarkeit natur-gemäß zum Ende kommt, bleibt der Sinn der Sexualität die Stabilisierung der Ehe und Familie (Generationen-Gemeinschaft). Selbst bei Unfruchtbarkeit, die manchmal überraschend geheilt wird, spiegeln Mann und Frau in ihrer Sexualität durch die Komplementarität ihrer Geschlechtsorgane Vielheit in Einheit. Das ist im homosexuellen Akt der Einführung des Fingers in die Vagina oder des Penis in den Anus nicht so; im letzten Fall sogar gesundheitsschädigend für den zweckentfremdeten Enddarm.

Die weiteren Sinndimensionen (Lust, Identitätsbestätigung) richten sich am doppelten Primärsinn (Fruchtbarkeit und Beziehungspflege) aus und sind nicht getrennt davon zu leben: Unabhängig von sexuellen Handlungen ist die Voraussetzung für eine stabile Ehe und ein überzeugend gelebtes Zölibat, dass Mann und Frau in einem psychosozialen Prozess ihre geschlechtliche Identität ausprägen durch die Annahme ihres von Gott gegebenen Leibes. Im bewusst gewählten Zölibat und den Zeiten von Enthaltsamkeit vor, nach oder in der Ehe lassen sich Liebe und Zuneigung auch ohne sexuelle Handlungen ausdrücken. In diesen Zeiten erfahren Christen besonders Gottes Liebe im Gebet, den Sakramenten und der Gebets- und Lebensgemeinschaft mit anderen Christen. Auch in der Ehe sind Zeiten der Enthaltsamkeit nach der Geburt, durch Krankheiten, psychische Überlastung u.ä. notwendig.

Da die Frau von Gott in ihrem Leib das Geschenk erhalten hat, dem neuen Leben aufs engste durch Schwangerschaft und Geburt in der Mutterschaft verbunden zu sein, hat der Ehebund für ihr Verhältnis zur eigenen lustvoll erlebten Sexualität eine andere Bedeutung als für den Mann, der zur Vaterschaft berufen ist und nur einen kurzen leiblichen Anteil an der Entstehung neuen Lebens hat. Erst im Ehebund ist es für die Frau mit ihrer besonderen Nähe zum neuen Leben möglich, sich in der Hingabe ihrer selbst vollständig – auch mit ihrer Fruchtbarkeit – wahrhaftig fallen lassen zu können. So wird sie selbst und das neue Leben durch das Lebensversprechen im sakramentalen Bund aufgefangen. Nur so ist der Rahmen gegeben, in dem Sexualität als beglückendes Spiel („ludischer Charakter“) von beiden gleich frei erlebt werden kann.

In den unfruchtbaren Tagen und nach den Wechseljahren wird der Primärsinn der Geschlechtsorgane (Lebensweitergabe) nicht aktiv vom Willen des Menschen manipuliert bzw. ausgeschaltet. Das ist jedoch beim Gebrauch von Verhütungsmitteln in den fruchtbaren Tagen sehr wohl der Fall, da der vorgegebene Leib nicht vollständig angenommen wird. Eine Manipulation der Fruchtbarkeit ist nicht mit einem medizinischen Eingriff zu vergleichen (Schockenhoff 2021, 219), da hier nicht geheilt wird.

Die Mehrdimensionalität der Sexualität kann und wird zwar faktisch in unserer Gesellschaft aufgeteilt in vor- und außerehelichen sexuellen Handlungen, an sich selbst, an Gleichgeschlechtlichen oder mit dem Ehepartner. Sexualität ist jedoch kein Instrument, das unseren Zwecken, gemäß unserm freien Willen, „dient“, der nicht auf Gottes Liebe in seinen Geboten ausgerichtet ist. Sie ist vielmehr eine Gabe Gottes, die ihre Sinn-Dimensionen in der komplementär-geschlechtlichen Ehe entfaltet und normativ daraufhin kultiviert werden sollte.

Eigenverantwortung – Mein Gewissen reicht?

Behauptung

Statt Beziehungen vom Naturrecht her zu denken, und einige davon als illegitim zurückzuweisen, muss in Zukunft in Fragen zu Sexualität, Partnerschaft und Familienplanung die Person bzw. die Paarbeziehung in ihrer Eigenverantwortlichkeit und ihrem Gewissen im Zentrum stehen.

Entgegnung

Eine Ethik, der es um die Würde der menschlichen Person geht und die auch im Dienst gelingender personaler Beziehungen steht, bedarf der inhaltlichen Orientierung an objektiven sittlichen Kriterien.

Das ethische Prinzip des Personalismus, wonach die menschliche Person, ihre Würde und Freiheit zentral ist, steht nicht im Gegensatz zu einem naturrechtlichen Verständnis. Das 2. Vatikanum spricht ausdrücklich von der „Vernunftnatur der menschlichen Person“ (GS 15), die ihre Vollendung in der weisheitlichen Hinordnung auf das Wahre und Gute findet. Gemeint ist damit, dass alle Individuen etwas haben, was sie über ihre individuelle Selbstbestimmung hinausweist auf ein allen Menschen gemeinsames Gutes. Subjektive und objektive Perspektiven bedürfen einer Zusammenschau. Das Gewissen als letztverbindliche subjektive Instanz für das sittliche Entscheiden und Handeln kann diese seine Funktion nur wahrnehmen, indem es sich auf die Wahrheit des Guten bezieht und sich so „nach den objektiven Normen der Sittlichkeit“ ausrichtet (GS 16). Papst Benedikt hat einmal gesagt: Wenn schon „das Gewissen unfehlbar wäre, würde dies ja heißen, dass es keine Wahrheit gibt, zumindest in Sachen der Moral und der Religion, also im Bereich der eigentlichen Grundlagen unserer Existenz. Denn die Gewissensurteile widersprechen sich; es gäbe also nur eine Wahrheit des Subjekts, die sich auf dessen Wahrhaftigkeit reduzieren würde.“

Enthaltsamkeit – Das hält doch keiner aus?

Behauptung

Enthaltsam zu bleiben, stellt für viele davon betroffene Menschen eine Überforderung dar. (SynW)

Entgegnung

Viele Menschen leben aus unterschiedlichen Gründen enthaltsam, weil es die angemessene Lebensweise für sie ist. Sie leben enthaltsam ohne Schaden an ihrer Psyche zu nehmen oder sich auf dubiosen Wegen (Pornographie, Prostitution) Entlastung zu verschaffen. Das zu bestreiten, ist eine Diskriminierung all dieser Menschen, überdies eine Behauptung ohne Beweis.

Folgt man der Hl. Schrift ist Enthaltsamkeit eine Frucht des Heiligen Geistes (Gal 5,22-23 Vg., KKK 1832). Die Enthaltsamkeit ist dennoch kein besonderes Charisma, wie es die EKD behauptet (Mit Spannungen leben. Eine Orientierungshilfe des Rates der EKD zum Thema „Homosexualität und Kirche“, Hannover 1996. EKD-Texte, Bd. 57, S. 35.). Enthaltsamkeit ist vielmehr eine sittliche Tugend (Tauglichkeit, Fähigkeit), die erworben werden (vgl. KKK 1803) kann. Das ist die gute Nachricht.

Enthaltsamkeit kann sich beziehen auf den Gebrauch von sozialen Kommunikationsmitteln, auf Mäßigung in Speise und Trank, Nikotin, Alkohol und Genussmittel. In Hinsicht auf die Ehe meint geschlechtliche Enthaltsamkeit den Verzicht auf geschlechtliche Befriedigung vor und außer der Ehe überhaupt, und den zeitweilig gebotenen Verzicht auf geschlechtliche Befriedigung in der Ehe (aus Gründen der Gesundheit, der Liebe, des Wohles der Nachkommenschaft, des Zartgefühls).

Unmöglich? Pathologisch? Längere Zeit hatte man Enthaltsamkeit für biologisch unmöglich und für krankmachend gehalten. Durch einige tiefenpsychologisch orientierte Aussagen (Freud, Reich) wurde die Enthaltsamkeit in die Nähe von pathogenen Verhaltensweisen gebracht. Mittlerweile ist bekannt, dass Menschen durchaus sexuell enthaltsam sein können – und dass mit zunehmender Enthaltsamkeit der sexuelle Trieb eher ab- als zunimmt. Haeberler schreibt hierzu in seinem Standardwerk zur Sexualität des Menschen im Vergleich der Sexualität mit anderen Trieben (1985, 143): Sexuelle Aktivität sei „für das individuelle Überleben eines Organismus nicht notwendig. Ein Mangel an Nahrung oder Flüssigkeit führt sicher zum Tode, ein Mangel an sexueller Betätigung aber hat noch niemanden umgebracht. Zudem gibt es Menschen, die notwendig enthaltsam leben müssen – etwa bei sadistischer, pädophiler oder ephebophiler Neigung. Sie müssen damit leben, dass sie mit anderen Menschen keinen Sex haben werden, ohne ethisch ins Abseits zu geraten.

Man weiß heute auch, so Haeberler, dass „die Stärke des sexuellen Verlangens nicht notwendigerweise vom Ausmaß des sexuellen Mangels abhängt. Sexuelle Enthaltsamkeit erhöht nicht immer das sexuelle Verlangen, häufige sexuelle Aktivität vermindert es nicht immer. Im Gegenteil, Menschen, die für lange Zeit enthaltsam gelebt haben, können jedes Interesse an sexuellen Dingen verlieren, andere, sexuell sehr aktive Menschen sind dagegen manchmal besonders leicht erregbar. Im Gegensatz zu Hunger und Durst kann sexuelle Erregung auch durch ausschließlich psychische Faktoren verursacht oder verstärkt werden.“

Ein ehemaliger Homosexueller mit lutherischem Hintergrund bezeugt: „Indem ich die Homosexualität hinter mir ließ und enthaltsam lebte, gab ich Christus Zeit, an meinen Einstellungen und Abwehrmechanismen zu arbeiten, von denen ich nicht einmal wusste, dass sie in meinem Leben bestimmend waren“ (Roland Werner, Christ und homosexuell? Moers 1981, 67f.)

Enthaltsamkeit – Eine Zumutung für Unverheiratete und Homosexuelle?

Behauptung

Es geht darum, gleichgeschlechtliche oder nicht-verheiratete Paare mit ihrer Lebensrealität ernst zu nehmen und sie auf konstruktive Weise zu begleiten, statt ihnen weltfremde Enthaltsamkeit und Umkehr zu predigen.

Entgegnung

Die Verkündigung von „Enthaltsamkeit und Umkehr“ gehört zum Kernbestand des Evangeliums und betrifft alle Christen; solche, die aus lebensgeschichtlichen oder anderen Gründen nicht die volle Gestalt evangelischer Forderungen leben können, sollte die Kirche noch intensiver begleiten. Deshalb muss die Kirche ihren Respekt vor den Lebensrealitäten nicht in grundsätzliche Akzeptanz verwandeln.

Alle in der Kirche, vor allem aber Menschen, die in der Pastoral tätig sind, müssen noch besser lernen, gleichgeschlechtliche und nicht-verheiratete Paare in ihrer Lebenswirklichkeit ernst zu nehmen und sie auf konstruktive Weise zu begleiten. Insoweit besteht Konsens. Es ergeben sich aber Fragen: Was meint „Lebensrealität“? Und wird „Lebensrealität“ hier einfachhin identifiziert mit „Lebensform“?

Es gibt einen Unterschied zwischen Respekt und Akzeptanz. Der Respekt verneigt sich vor der Freiheitsentscheidung von Menschen. Die Akzeptanz geht darüber hinaus – sie meint ausdrückliche Gutheißung. Der Respekt vor der „Lebensrealität“, ihr Ernstnehmen, muss nicht heißen, dass ich sie auch als Lebensform gutheiße und bestätige.

Auf dieser Ebene liegt auch die Anfrage an das Konstrukt „konstruktiv begleiten“. Ist damit ein Gutheißen von grundsätzlich neuen kirchlichen „Konstrukten“ gemeint, die als in Ordnung gelten sollen, oder geht es um die gebrochene Realität gleichgeschlechtlicher und nichtehelicher Beziehungen, die nach Kräften helfend zu begleiten ist. Das ist ein gravierender Unterschied

„Enthaltsamkeit und Umkehr“ werden als „weltfremd“ (dis)qualifiziert. Richtig an dieser Behauptung ist, dass diese zwei Konzepte tatsächlich „weltfremd“ sind. Das ist für uns Christen keine Neuigkeit, wie wir Röm 12,1-2 lesen. Schauen wir genauer hin. Der Ruf zur Umkehr ist immerhin der erste Imperativ Jesu, gefolgt vom zweiten: Glaubt an das Evangelium! Vorausgeht die zweifache gnadenhafte und positive, ermöglichende Ansage, der zweifache Indikativ: Die Zeit ist erfüllt. Das Reich Gottes ist da (Mk 1,15). Wie kann man den Aufruf Jesu zur Umkehr als weltfremd diskriminieren?

Ethisches Dilemma – Eine Kirche nur für Vollkommene?

Behauptung

Nur durch die kirchliche Akzeptanz und Wertschätzung gelebter Homosexualität entgeht die Kirche dem ethischen Dilemma, dass sie einerseits von Sünde spricht, aber genau weiß, dass den Betroffenen der Ausstieg aus dem Verhaltensmuster nicht möglich ist, weil sie es als ihre Identität begreifen.

Entgegnung

Es gibt in der Tat ein ethisches Dilemma in der Kirche – und es ist grundsätzlicher Natur. Sie muss zu 100 % zu ihren Prinzipien stehen, ohne zu vergessen, dass sie ganz aus dem Geist der Barmherzigkeit zu handeln hat. Sie besteht auf der Forderung nach Heiligkeit – und weiß zugleich, dass Menschen sie nicht, oder nur unvollkommen realisieren können. Das gilt nicht nur bezüglich der Homosexualität.

Wir wissen: „Niemand ist gut, außer der eine Gott“ (Lk 18,19). Wir Menschen sind ausnahmslos im Zustand der Entfremdung von dem, was wir im Innersten wollen. Wir kommen nie ganz zu dem, wie wir es uns wünschen und wie uns Gott gedacht hat. Dabei lavieren wir zwischen Freiheit und Zwang, tun so als seien wir Herr unseres Lebens, dabei folgen wir oft genau dem, was uns zerstört. Wir klammern uns an das Geld, um reich zu werden. Wir trinken uns zu Tode, um glücklich zu werden. Ohne Gott sind wir Menschen grundsätzlich defekt. Keine heterosexuelle und schon gar keine homosexuelle Beziehung ist frei von der Korruption des Fleisches. „Ich aber bin Fleisch, das heißt: verkauft an die Sünde.“ (Röm 7, 14) Auf keine Beziehung passt das schlichte Etikett „Das ist gut so!“ Wir alle leben unser Leben auf krummen Zeilen, auf denen Gott gerade schreibt. Er kennt unsere Schwäche.

Sodann muss man präzisieren: Die Qualifizierung von gleichgeschlechtlichem Sex als „Sünde“ ist keine Erfindung kirchlicher Morallehre. Wir finden das durchgängig in der Heiligen Schrift. Wenn die Kirche sich nicht ermächtigt sieht, im Laufe ihrer Geschichte aus „Sünde“ das genaue Gegenteil zu machen, nämlich „Wertschätzung und Akzeptanz“, so muss man der Kirche nicht ein Dilemma zuschreiben, das älter ist als sie.

In unmittelbarem Anschluss an die Heilige Schrift sieht die Kirche den exklusiven Ort von Sexualität in der lebenslangen, sich der Fruchtbarkeit nicht verweigernden Liebe zwischen Mann und Frau. Das kann anfordernd sein bis hin zum existenziellen Dilemma. Und es gibt das Dilemma der Überforderung noch nicht Verheirateter, Wiederverheirateter, Homosexueller oder Alleinstehender. Sie alle sind sexuelle Wesen, haben Gefühle, Wünsche, Lust. Die Suche nach gutem, wie man früher sagte: gottgefälligem Handeln wird, das in Rechnung stellen, ohne dass man deshalb eine Ethik auf dem Begehren aufbaut. Es gibt keine Identität, die sich aus der Gewalt sinnlichen Verlangens herleitet. Es gibt kein „Ich will, deshalb ist es gut.“

Exklusion – Werden Unverheiratete ausgegrenzt?

Behauptung

Wenn zwei gläubige Menschen aufgrund einer Gewissensentscheidung eine Beziehung eingehen und Sex haben, kann die Kirche das nicht pauschal als sündhaft abwerten. Menschen in nichtehelichen Beziehungen müssen am vollen kirchlichen Leben teilhaben können.

Entgegnung

Eine sexuelle Beziehung jenseits des sakramentalen Rahmens der Ehe kann weder von einer Gewissensentscheidung moralisch aufgewertet werden noch ist es die Kirche, die ihre Sündhaftigkeit eingeführt hat. Jesus Christus selbst (Mt 19) beruft sich bei diesem Thema auf den Anfang, als Gott bei der Erschaffung von Mann und Frau ihre Sexualität in einen Bundesschluss integriert (Gen 1,27-28; 2,24).

Darlegung

Ehe und Sexualität gehen auf den ersten Bundesschluss der Bibel zurück. Die Ehe ist das ursprünglichste Sakrament und zutiefst ein Bund. Menschliche Sexualität ist das Zeichen dieses Bundes. Auch alle Getauften leben in einer Bundesbeziehung mit Gott. Jeder Bund ist eingefasst in eine göttliche Gesetzgebung. So wie der erste Bund die Sexualität klar umreißt, ist das Leben des Getauften in die Zehn Gebote eingebettet, wie Christus sie ausgelegt hat. Wer Sexualität außerhalb des von Gott vorgegebenen Rahmens auslebt, begeht einen Bundesbruch. Man kann nicht von der Kirche erwarten, dass sie mit ihrer Sakramentenspendung „lügt“. Denn der Kommunionempfang ist Ausdruck der Bundesgemeinschaft mit Gott, deshalb die Bezeichnung „Kommunion“. Sexualität außerhalb des ehelichen Kontexts ist in Gottes Augen Unzucht und schwere Sünde. Sie bedeutet den Bruch des Taufbundes. Wo ein Bruch ist, kann sakramental keine communio vorgetäuscht werden.

Dieser Bruch ist aber nicht endgültig. Jene, die in nichtehelichen sexuellen Beziehungen leben, werden so wie bei jeder anderen Sünde dazu eingeladen, umzukehren und das Sakrament der Versöhnung in Anspruch zu nehmen, um wieder in die volle sakramentale Gemeinschaft eingegliedert zu werden. Die Kirche hat jedoch keine Berechtigung, Gottes Anspruch herabzusetzen, der laut biblischem Zeugnis immer gilt:

Jesus nimmt sich der vielen Sünder an, auch gerade jenen, die im Bereich der Sexualität gefehlt haben. Er hält sogar Mahl mit ihnen. Dies ist jedoch kein Nachweis dafür, dass die Kirche die Sünder zur Eucharistie zulassen darf. Denn das Entscheidende bei den Begegnungen Jesu mit den Sündern ist, dass sie danach keine Sünder mehr sind. So begegnet Jesus zum Beispiel der Ehebrecherin, die gesteinigt werden soll. Er rettet ihr Leben, indem er zu den Umstehenden sagt: Wer ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie. Doch, nachdem die Steiniger gegangen sind, sagt er zu ihr: Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von nun an nicht mehr (Joh 8,1-11). Jesus schreibt den Sünder nicht ab, aber er verschweigt ihm auch nicht, wenn er gesündigt hat. Er ruft die Ehebrecherin zur Umkehr auf und vergibt ihr die Sünde.

Jesus vermindert zu keiner Zeit den hohen Anspruch menschlicher Sexualität im Heilsplan Gottes. Das wird auch in der Bergpredigt deutlich, in der er eine Verinnerlichung der Gebote vornimmt und den Ehebruch bereits im begehrenden Anblick einer Frau verortet (Mt 5,28). Im Streitgespräch mit den Pharisäern betont er den ursprünglichen Plan ehelicher Liebe, die unauflöslich ist (Mk 10; Mt 19). Jesus hält liebevoll, aber in Klarheit der Frau am Jakobsbrunnen ihr ungeordnetes Liebesleben vor (Joh 4,17-18). Er macht sie nicht nieder, ermutigt sie aber auch nicht zur Fortsetzung dieses Lebens. Vielmehr führt er sie an die Quelle lebendigen Wassers. Im Anschluss an Jesu Handhabung des Themas reflektieren die Briefe des Neuen Testaments ganz deutlich, dass Sexualität in den gottgegebenen Rahmen der Ehe gehört und eine Überschreitung dieses Rahmens den Ausschluss von der sakramentalen Gemeinschaft impliziert. Die Kirche hat die Verantwortung, die Sünder darüber aufzuklären und zugleich die Vergebung anzubieten, ganz wie Jesus es getan hat. Die Kirche entnimmt 1 Kor 11,27-29, dass der Kommunionempfang im Stand der schweren Sünde das Gericht nach sich zieht.

Was Gott bereits im ersten Bundesschluss vorgibt, was Jesus bestätigt und die Kirche in seiner Nachfolge deshalb fortsetzt, gilt zu jeder Zeit. Das menschliche Gewissen kann irren und deshalb keine Sexualität jenseits der Gebote Gottes legitimieren.

Gender – Muss Kirche Gender-Theorien zulassen?

Behauptung

Dringend aufzuheben ist die fortschreitende Entfremdung zwischen kirchlicher Lehre und der allgemeinen Rezeption von Gender bzw. Gender-Mainstreaming.

Entgegnung

In der Tat muss die Kirche sich mit Gender und Gender Mainstreaming auseinandersetzen und wahre von falschen Annahmen unterscheiden. Wahr ist, dass Menschen, die anders fühlen, denken oder leben häufig ausgegrenzt werden. Ihnen muss die Kirche noch besser gerecht werden. Die Selbstbestimmung eines Menschen kann aber nicht so weit gehen, dass er sich radikal von seinem biologischen Mann- oder Frausein abkoppelt, um aus einer Vielzahl von Geschlechtern, dasjenige auszuwählen, dass er sein möchte. In „Amoris Laetitia“ beschreibt Papst Franziskus Gender deshalb als eine Ideologie, die „den Unterschied und die natürliche Aufeinander-Verwiesenheit von Mann und Frau leugnet. Sie stellt eine Gesellschaft ohne Geschlechterdifferenz in Aussicht und höhlt die anthropologische Grundlage der Familie aus.“

Die Anthropologie von Gender ist ebenso unvereinbar mit der biologischen Natur des Menschen wie mit der christlichen Anthropologie. Menschen gibt es nur in zwei Geschlechtern – als Mann oder als Frau, wie immer man das auch fühlt oder innerlich realisieren kann. Die Gendertheorie hingegen spricht von 60 und mehr Geschlechtern, die man auch wechseln kann, wenn man es für angebracht hält. Man nutzt das Faktum, dass es eine vergleichsweise geringe Anzahl von Menschen gibt, die unter Genderdysphorie leiden – sie sind transsexuell (leben in extremer Dissonanz zu ihrem biologischen Geschlecht) oder intersexuell (wurden mit zweideutigen Geschlechtsmerkmalen geboren) – um daraus zu schließen: Jeder kann sein Geschlecht frei wählen. Das tun transsexuelle und intersexuelle Menschen nun gerade nicht. Sie leiden bis zum Suizidversuch unter ihrer Konstitution.

„Es ist beunruhigend“, schreibt Papst Franziskus, dass es Ideologien gibt, „die behaupten, gewissen und manchmal verständlichen Wünschen zu entsprechen, (die) versuchen, sich als einzige Denkweise durchzusetzen und sogar die Erziehung der Kinder zu bestimmen.“ Ein eigenes Dokument des Vatikans „Als Mann und Frau schuf er sie“ (2019) führt Gender „auf eine dualistische Anthropologie zurück, die den Körper reduziert auf lebloses Material und den menschlichen Willen trennt, der selbst eine absolute Macht bekommt, den Körper nach Belieben manipulieren zu können“.

Homosexualität – Beziehung oder Handlung?

Behauptung

Auch gleichgeschlechtliche Handlungen verwirklichen positive Sinnwerte, insofern sie ein Ausdruck von Freundschaft, Verlässlichkeit, Treue und Hilfestellung im Leben sind. (SynW)

Entgegnung

Die Behauptung wäre zutreffend, würde es heißen: „Auch gleichgeschlechtliche Beziehungen verwirklichen positive Sinnwerte …“. Da aber von „Handlungen“ die Rede ist, stellt sie den Versuch dar, die sexuelle Praxis gleichgeschlechtlicher Partner von Vorbehalten der Kirche zu befreien. Im Blick auf die Hl. Schrift hält die Kirche aber an ihrem grundsätzlichen Vorbehalt gegenüber allen sexuellen Handlungen fest, die nicht auf die Ehe von Mann und Frau, als dem authentischen Ort menschlicher Sexualität, hin geordnet sind.

Nüchtern betrachtet, besteht die Realität der genannten „gleichgeschlechtlichen Handlungen“ in gemeinsamer und gegenseitiger Masturbation, sowie in oralem und analem Geschlechtsverkehr – Handlungen, die in sich ungeordnet sind wie die Masturbation oder solche, die gestisch nach dem suchen, was nur durch die Vereinigung von Mann und Frau (Gen 2,24 „… und sie werden ein Fleisch“) auf natürliche Weise möglich ist. Die jüdisch-christliche Anthropologie hat darin nie eine angemessene Form sexueller Selbstverwirklichung gesehen.

Homosexualität – Eine gute gottgewollte Schöpfung?

Behauptung

Homosexualität ist „Teil der guten, gottgewollten Schöpfung“ (Knop/Kranemann, Benediktionale Ekklesiologie). Deshalb ist „Barmherzigkeit“ als Haltung gegenüber vermeintlichen sexuellen Defiziten oder Defekten nicht angebracht.

Entgegnung

Homosexualität ist nicht Teil der ursprünglichen Schöpfungsordnung Gottes; es handelt sich um ein Phänomen im Horizont der durch die Erbsünde gebrochenen, erlösungsbedürftigen Natur.

Das Gegensatzpaar „Heterosexualität/Homosexualität“ ist der Hl. Schrift nicht bekannt; es entstammt Differenzierungsversuchen des 19. Jahrhunderts und wird heute auch anthropologisch in Frage gestellt. In der Schöpfungsordnung gibt es nur die eine menschliche Geschlechtlichkeit in ihrer wechselseitigen Bezogenheit von Mann und Frau. Daraus folgt: Es gibt keine Homosexualität in der Schöpfungsordnung, und eigentlich auch keine Heterosexualität: es gibt nur die eine menschliche Sexualität.

Allerdings gibt es Menschen, die ein gleichgeschlechtliches Begehren haben und sich homosexuell verhalten, weil sie sich aufgrund verschiedener Faktoren mit innerseelischen Irritationen konfrontiert sehen, sich von Personen des eigenen Geschlechtes angezogen fühlen und das Überschreiten des eigenen Geschlechtes auf das andere Geschlecht nicht schaffen oder nicht schaffen möchten. In dieser Sicht sprechen Psychologen von einer Störung der Geschlechtsidentität, und sie betrachten das homosexuelle Agieren als Symptom dieser Störung. Gleichgeschlechtliches Begehren – das weiß man heute – ist nicht genetisch bedingt, kann aber bei entsprechender Disposition von einer Vielzahl von psychosozialen Faktoren bedingt sein und gefördert werden, damit in gewisser Hinsicht „unschuldig“ sein.

So wenig es Menschen gerecht wird, ihr reales Begehren mit Sünde oder gar Todsünde zu belegen und sie aus der Gemeinschaft der Gläubigen auszugrenzen, so wenig hilfreich ist der biblisch nicht gedeckte Versuch, ein Phänomen der gefallenen, erlösungsbedürftigen und verwundeten Schöpfung zu einem „Teil der guten, gottgewollten Schöpfung“ zu erheben.

Humanwissenschaften – Spannend, aber missbraucht!

Behauptung

Der heutige Stand der Humanwissenschaften macht eine Neubewertung von Homosexualität notwendig. Die Sexualmedizin beschreibt Homosexualität als eine Normvariante menschlichen Sexualverhaltens.

Entgegnung

Ein fruchtbarer Dialog mit den Humanwissenschaften könnte das theologische Verständnis z.B. der Homosexualität tatsächlich vertiefen. Auf dem Synodalen Weg wird das Schlagwort „Humanwissenschaften“ aber leider als Deckmantel für die Durchsetzung einer kirchenpolitischen Agenda missbraucht. Schade!

Darlegung

Die Berufung auf die sogenannten „Humanwissenschaften“ ist eines der Schlüsselargumente des Synodalen Weges. Offensichtliche Stoßrichtung ist dabei, die Lehre der Kirche als faktisch wissenschaftlich widerlegt und damit vernunftwidrig darzustellen. Dies fügt sich hervorragend ein in das oft bemühte Narrativ, wonach in der Kirche seit der Aufklärung zwei fest umrissene Lager miteinander ringen: einerseits „Liberale“ (ehemals „Modernisten“), die den Glauben mit den Errungenschaften der Aufklärung (Vernunft, Wissenschaft, Demokratie) verbinden wollen, andererseits „Konservative“ (ehemals „Ultramontane“), die sich ins (geistige) katholische Ghetto zurückziehen wollen und in allem Modernen nur Teufelszeug sehen. Erstere, so die Erzählung, haben auf dem 1. Vaticanum einen „Punktsieg“ errungen und die Kirche nach ihren Vorstellungen „neu erfunden“ (so Hubert Wolf), doch mit dem 2. Vaticanum sei dies schließlich korrigiert worden und die Kirche habe sich für die Moderne geöffnet. Dies gelte es nun gegen letzte Widerstände zu vollenden.

Entlang dieser Linien wird also denjenigen, die die bisherige Sexualmoral nicht rundheraus abschaffen wollen, pauschal ein Widerspruch zu „der Wissenschaft“ attestiert. Man zieht damit unterschwellig eine Linie zu den großen Konflikten zwischen Kirche und Naturwissenschaften in der Neuzeit (Galilei, Darwin) und will damit sagen: „Habt ihr denn immer noch nichts dazugelernt?!“

Tatsächlich musste die Kirche (und die Theologie) in diesen Konflikten schmerzlich lernen, die Grenzen ihrer Kompetenz neu zu ziehen. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts (vorsichtig beginnend bereits 1950 mit der Enzyklika Humani Generis von Pius XII.) ist auch lehramtlich anerkannt, dass sich aus der Heiligen Schrift und dem überlieferten Glauben keine naturwissenschaftlichen Fakten ableiten lassen. Vielmehr muss die Theologie die Ergebnisse anderer Wissenschaften berücksichtigen, um den Glauben vernunft- und zeitgemäß auslegen zu können. Diese Grenzziehung muss allerdings auch umgekehrt gelten: Aus naturwissenschaftlichen Fakten lassen sich keine theologischen Aussagen ableiten. Aus der evolutiven Entstehung biologischer Arten folgt eben nicht, dass diese nicht theologisch als Geschöpfe Gottes zu verstehen wären. Dies hat umgekehrt auch die Naturwissenschaft erst lernen müssen – von der Öffentlichkeit meist weniger beachtet. Für eine entsprechende Grenzüberschreitung der Naturwissenschaften steht beispielsweise der Name des deutschen Evolutionsbiologen Ernst Haeckel – zu dessen „Monistenbund“ übrigens auch der Begründer der modernen Sexualwissenschaft und Vorreiter der Homosexuellenbewegung, Magnus Hirschfeld, gehörte.

Mit dem Slogan, die Kirche müsse „von den Humanwissenschaften lernen“, werden diese differenzierten Zusammenhänge verschleiert. Dies beginnt schon beim Begriff der „Humanwissenschaften“, dessen Umfang und genaue Bedeutung alles andere als klar ist. Die Vorlage des Forums „Leben in gelingenden Beziehungen“ (Stand: 7. Januar 2021) nennt auf S. 12 „Psychologie, Soziologie, Anthropologie“, wobei letzteres im Grunde wieder nur ein Synonym zu „Humanwissenschaften“ ist. Tatsächlich verbergen sich hinter den Sexualwissenschaften verschiedenste Disziplinen, von medizinisch-humanbiologischen über empirisch-sozialwissenschaftliche bis hin zu psychoanalytischen Ansätzen. Jede dieser Disziplinen untersucht ganz verschiedene Teilaspekte der Sexualität mit unterschiedlichsten, auch untereinander nicht immer harmonierenden Methoden. Jede für sich müsste einzeln gewürdigt und mit der theologischen Perspektive ins Gespräch gebracht werden. Stattdessen präsentiert die Vorlage ein vermeintlich einheitliches Sexualitätskonzept „der Humanwissenschaften“, ohne auszuweisen, woher dieses bezogen wird.

Ein Dialog auf Augenhöhe kann aber schon deshalb nicht stattfinden, weil die genuin theologische, beispielsweise biblische Sicht der Sexualität im Text überhaupt nicht bzw. nur noch in allgemeinen Floskeln auftaucht. Die Basis der christlichen Perspektive auf Sexualität ist das Zeugnis von Gen 1-2, wonach die geschlechtliche Gemeinschaft von Mann und Frau eine tiefe, unzerstörbare und alle Aspekte des Menschseins umfassende Verbindung bedeutet („ein Fleisch“, Gen 2,24), die sowohl die fundamentalste Form menschlicher Gemeinschaft als auch die Basis der Entstehung menschlichen Lebens ist (der Name „Eva“ bedeutet „Leben“, vgl. Gen 3,20). Die in der Vorlage angesprochenen „polyvalenten“ Aspekte des Phänomens Sexualität (beispielsweise die erotische Lust, die Erfahrung von Selbstbestätigung, der Ausdruck von Zärtlichkeit, die soziale Identität) haben in dieser Gemeinschaft ihre Mitte, von der her sie verstanden werden müssen. Aus christlicher Sicht ist es eben kein Zufallsprodukt der Evolution, dass die Sexualität all diese Aspekte vereint. Sie alle tragen dazu bei, diese tiefe Verbindung von Mann und Frau erst zu ermöglichen.

Um diesen Zusammenhang tiefer zu reflektieren, wäre ein echter (!) Dialog zwischen Theologie und Humanwissenschaften tatsächlich ein Gewinn – gerade da, wo sich schöpfungstheologisches Ideal und Lebenswirklichkeit nicht harmonisch zur Deckung bringen lassen, etwa beim Thema Homosexualität. Für eine angemessene moraltheologische Einordnung muss natürlich die Erkenntnis berücksichtigt werden, dass Homosexualität kein bewusst gewählter oder aus Fahrlässigkeit in Kauf genommener „Angriff“ auf Gottes Schöpfungsplan ist, sondern eine tiefgreifende Disposition der Persönlichkeit, die teils auf genetischen Einflüssen, teils auf entwicklungspsychologischer Prägung beruht. Auch ist nicht zu bestreiten, dass viele wertvolle Tugenden einer guten Ehe auch in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften gelebt werden. Die „klassische“ Einordnung als Todsünde wird dem sicher nicht gerecht – der bloße Hinweis, das sei eben „normal“ aber auch nicht. Denn der schöpfungstheologisch zentrale Aspekt der Lebensweitergabe wird bei homosexuellen Beziehungen nicht nur nicht realisiert (wie etwa bei unfruchtbaren Paaren), sondern kommt von vornherein nicht in den Blick. Hier wäre noch viel theologische Arbeit zu leisten. Schade, dass der Synodale Weg sich dem verweigert!

Jugend und Sex – Verhütung, Pille und Kondom

Behauptung

Es ist ethisch wertvoll, wenn junge Menschen über Pille und Kondom aufgeklärt sind, um verantwortlich und selbstbestimmt mit ihrer Sexualität umgehen zu können, Ansteckungen und ungeplante Schwangerschaften zu vermeiden.

Entgegnung

Aufklärung bzw. Sexualerziehung muss altersangemessen, wertschätzend und ganzheitlich erfolgen und den jungen Menschen helfen, zu einem reifen und verantwortlichen Umgang mit ihrer Sexualität zu gelangen. Dem wird eine einseitige technische Verhütungsaufklärung nicht gerecht, sondern nur die Einbettung biologischer Informationen in ein Verständnis von Liebe als Ganzhingabe.

Darlegung

Eine altersangemessene und wertschätzende Aufklärung ist zu begrüßen. Deswegen hat Papst Franziskus in „Amoris Laetitia“ (AL) einen ganzen Abschnitt mit „Ja zur Sexualerziehung“ überschrieben (AL 280 – 286). Zugleich warnt er davor, dabei einseitig zu Verhütung einzuladen. Vielmehr müsse Sexualerziehung „im Rahmen einer Erziehung zur Liebe, zum gegenseitigen Sich-Schenken verstanden werden“ (AL 280).

Selbstverständlich müssen Jugendliche auch über Fakten zur Fruchtbarkeit und die verschiedenen Formen der Empfängnisregelung, also die hormonelle Verhütung mit Pille u.ä., die nicht hormonellen Methoden wie Kondom, aber auch die natürliche Familienplanung aufgeklärt werden, damit sie die Grundlage für eine eigene informierte Entscheidung haben. Dabei sollte neben den vielen gesundheitlichen Nebenwirkungen etwa der Pille, die fast ausschließlich die Frau betreffen, auch nicht verschwiegen werden, dass auch eine frühabtreibende Wirkung (‚Nidationshemmung‘) nicht ausgeschlossen ist. Und dass Kondome (Schwangerschaftswahrscheinlichkeit mind. 2%), die zwar fast nebenwirkungsfrei, dafür aber auch bei weitem nicht so sicher sind zur Verhinderung einer Schwangerschaft wie die Pille (Schwangerschaftswahrscheinlichkeit 0,1 – 0,9%), zwar einen gewissen Schutz gegen sexuell übertragbare Krankheiten bieten, aber eben nur einen gewissen; denn wenn sie schon eine Schwangerschaft, die nur an drei bis sechs Tagen innerhalb des weiblichen Zyklus eintreten kann, nicht so sicher verhindern können, um wie viel weniger können sie eine sexuell übertragbare Krankheit verhindern, mit der man sich an jedem Tag infizieren kann. Und da kein Verhütungsmittel eine Schwangerschaft zu 100% vermeidet, stellt sich immer auch die Frage, ob ein Paar die Verantwortung für ein „trotzdem“ gezeugtes Kind (schon) übernehmen kann? Das alles sind Fragen, die bei einer guten, wertorientierten Sexualerziehung angesprochen werden müssen, um selbstbestimmt und verantwortungsvoll mit seiner Sexualität leben zu können.

Da es bei der menschlichen Sexualität aber nicht um Techniken geht, sondern sie Ausdruck der inneren Beziehung zwischen zwei Personen und hoffentlich Ausdruck der Liebe zwischen ihnen ist, ist eine ganzheitliche Betrachtung unabdingbar. Deswegen sollten die jungen Menschen für eine angemessene Behandlung der Thematik auch durch Fragen zum Nachdenken angeregt werden wie etwa: Was bedeutet es, wenn zwei Menschen miteinander schlafen? Was wünsche ich mir in diesem Bereich? Welche Zärtlichkeitsformen passen zum aktuellen Stand unserer Beziehung? Wo ist der angemessene Ort für den körperlichen Ausdruck von Ganzhingabe?

Die Sehnsucht junger Menschen zielt darauf, geliebt und angenommen zu werden. Und zwar nicht nur ein bisschen oder nicht nur für einen begrenzten Zeitraum, sondern ganz und auf Dauer. Liebe geht auf’s Ganze. Und der intensivste Ausdruck, jemandem körperlich zu sagen: ‚Ich liebe dich ganz!‘ ist der Geschlechtsverkehr. Damit diese Körpersprache ehrlich ist, braucht es die Sicherheit, dass ich für den anderen einzigartig bin, nicht einfach austauschbar. Diesen sicheren Rahmen, um sich einander ganz hinzugeben, bietet die Ehe, wenn sich Mann und Frau versprechen, auf Dauer füreinander da zu sein. Zugleich bietet es auch den besten Rahmen für ein Kind, das aus ihrer Liebe erwachsen kann.

Da menschliche Sexualität, wie aufgezeigt, nicht eindimensional ist, sondern neben der physischen immer auch eine psychische, emotionale, kulturelle und soziale Dimension hat, gehören zu einer guten Sexualpädagogik inhaltlich weitere Themen: z.B. die eigene männliche bzw. weibliche Identität, die kritische Auseinandersetzung mit in den Medien präsentierten Vorstellungen von Sexualität, die eigene emotionale Entwicklung oder das Gestalten von Freundschaften und Beziehungen. So können junge Menschen ganzheitlich in ihrer Entwicklung hin zu liebes- und beziehungsfähigen Persönlichkeiten reifen (vgl. www.prinzipien-sexualpaedagogik.org).

Keuschheit – Ist Verzicht unmenschlich und unfair?

Behauptung

Wenn die Kirche homosexuellen Menschen Keuschheit nahelegt, begeht sie ein Unrecht, denn von Menschen zu verlangen auf die Entfaltung ihrer Liebesfähigkeit zu verzichten, ist unmenschlich und ungerecht.

Entgegnung

Jeder Mensch ist gemäß seines Lebensstandes zu einer Form von Keuschheit berufen. Dies ist in der Taufe grundgelegt (KKK 2348). Das ist nicht unmenschlich und ungerecht, sondern offenbart die Fähigkeit des Menschen, seinen Sexualtrieb zu kultivieren und einem höheren Ziel hinzuordnen. Dies führt in eine innere Freiheit, die den Menschen zur wahren Liebe befähigt und in seiner Persönlichkeit reifen lässt.

Darlegung

Das höchste Ziel und die tiefste Sehnsucht nach einem glücklichen Leben wird nicht dadurch erlangt, alle Leidenschaften und Fantasien auszuleben unabhängig davon, wie viele Kollateralschäden dabei entstehen. Der Mensch sehnt sich nach bedingungsloser Liebe und familiärer Bindung. Homosexuelle Menschen haben sich ihre Neigung nicht ausgesucht und deshalb sagt der Katechismus auch, dass man Homosexuellen einerseits mit Achtung, Mitgefühl und Takt begegnen, andererseits niemals ungerecht behandeln soll (KKK 2358). Dass sie zur Keuschheit berufen sind, stellt keine Ausnahme dar, sondern bezieht sie in die gesamtmenschliche Berufung zur Keuschheit ein. Sie ist eine Tugend und nicht Beschneidung der menschlichen Würde, denn durch sie entfaltet der Mensch erst eine gereifte Persönlichkeit.

Keuschheit bedeutet nicht einfach die Unterdrückung der eigenen Sexualität, sondern ihre Kanalisierung. Die Energie, die nicht in ausgelebte Sexualität investiert wird, kann in andere Bereiche gesteckt werden und schafft vor allem Raum für eine andere Form von Liebe. Da, wo Kulturen ein Moralsystem mit dem Ideal der Keuschheit voraussetzen, entsteht eine Hochkultur. Sobald diese Moral gelockert und Sexualität nicht mehr geordnet wird, zerbricht die Kultur innerhalb von wenigen Generationen (Vgl. J.D. Unwin, Sex and Culture). Keuschheit meint eine „geglückte Integration der Geschlechtlichkeit in die Person“ (KKK 2337). Ein keuscher Mensch ist in sich ungeteilt und frei für wahre Liebe. Wenn hingegen Leidenschaften den Menschen beherrschen, ist er unfrei (Sir 1,22). Die wahre Freiheit des Menschen, die seine Würde ausmacht, bezieht sich also nicht auf die unbegrenzte Auslebung von Sexualität, sondern auf die Freiheit, Sexualität nicht zwanghaft auszuleben. Ohne diese innere Freiheit ist wahre Liebe nicht möglich. Ohne Liebesfähigkeit ist weder der Stand der Ehe noch der Stand der Ehelosigkeit lebbar. Denn alle Lebensstände verlangen die Ganzhingabe des Menschen.

Brautleute in der Vorbereitung auf die Ehe sind zur vorehelichen Keuschheit aufgerufen, die nicht nur einfach in der Enthaltsamkeit bis zur Hochzeit besteht, sondern die Chance bietet, den Partner in seiner ganzen Persönlichkeit kennenzulernen und andere Formen von Liebe zu ermöglichen. Ein unkeusches Ehepaar korrumpiert die eheliche Liebe, die auf Ganzhingabe und Opferbereitschaft hingeordnet ist. Zeitweilig geforderte Enthaltsamkeit in Zeiten von Krankheit, Stress usw. werden eine ungesunde Kompensation mit sich bringen statt anderer Formen von Zärtlichkeit. Ein unkeuscher Priester wird den Zölibat als unerträgliches Opfer betrachten statt als Möglichkeit der Ganzhingabe an die Kirche und die Enthaltsamkeit auf ungesunde Weise kompensieren.

Das biblische Zeugnis belegt die Keuschheit als Berufung jedes Getauften. Jesus fordert den Menschen zu einem keuschen Leben auf, indem er in der Bergpredigt den Ursprung der Sünde im Inneren des Menschen aufdeckt. Sie beginnt bereits im Bereich der Gedanken. Wer eine Frau auch nur lüstern anschaut, um sie zu begehren, hat bereits Ehebruch mit ihr begangen (Mt 5,28). Die von ihm beschriebene Haltung der Unkeuschheit betrifft jede Form von Begierde, sei sie heterosexueller oder homosexueller Art. Paulus begründet die Keuschheit mit der Achtung des Leibes als Tempel des Hl. Geistes, der den Getauften innewohnt (1 Kor 6,19-20). Zudem betrachtet er die Keuschheit als Frucht des Hl. Geistes (Gal 5,22; 2 Kor 6,6). Wenn sie ein so großes Gut ist, das von Gott kommt, kann man sie nicht als ungerecht und unmenschlich bezeichnen. Sie ist vielmehr übermenschlich: Gott schenkt sie dem Menschen, der um sie ringt und ihm dabei vertraut.

Kirche – Wo bleibt die Vielfalt der Familienformen?

Behauptung

Durch Fokussierung auf die klassische (heterosexuelle) Familie hat die Kirche Menschen, die aus der binären Geschlechterkonstellation herausfallen – Patchwork- und Regenbogen­familien, Singles, „wiederverheiratet Geschiedene“, Alleinerziehende und LSBTIQ – nichts anzubieten.

Entgegnung

Die Kirche bietet jedem Menschen den Weg zur Gotteskindschaft an und schenkt ihm die Gnadenmittel, um den schmalen Weg zum ewigen Leben tatsächlich zu gehen. Die Notwendigkeiten der Kinder müssen Priorität vor den Bedürfnissen der Erwachsenen haben, wenn eine Gesellschaft Zukunft haben will.

Darlegung

Aufgabe der Kirche ist es, jedem Menschen die Gnadenmittel zugänglich zu machen, die es ihm ermöglichen, Jesus Christus nachzufolgen und so das ewige Leben zu erlangen. Das, was den Menschen von Gott trennt, ist die Sünde. Die Kirche leitet den Gläubigen dazu an, die eigene Sünde zu erkennen, zu bereuen und umzukehren, um der unermesslichen Barmherzigkeit Gottes teilhaftig zu werden, insbesondere durch das Sakrament der Beichte.

Die Verkündigung der Barmherzigkeit ohne Sündenerkenntnis und Umkehr verführt den Menschen durch das Angebot „billiger Gnade“ (Dietrich Bonhoeffer) dazu, den breiten Weg zu beschreiten, „der ins Verderben führt“ (Mt 7,13). Die in der Behauptung aufgeführten Familientypen beruhen alle darauf, dass Christus nicht genügend geliebt wurde, um seine Gebote zu befolgen (Joh 14,15) und die Kinder nicht genügend geliebt wurden, um ihren Bedürfnissen Vorrang vor denen der Erwachsenen zu geben. Das führt zu einer kranken Gesellschaft und verdüstert die Zukunft.

Menschen fallen im Blick auf die Familie und ihre Gestalt nicht einfach schicksalhaft aus der binären Geschlechterkonstellation heraus und sind aus ihrer Verantwortung zu entlassen. Der mit Willensfreiheit von Gott geschaffene Mensch hat Erfahrungen gemacht und Entscheidungen getroffen, die dazu führen, dass er oder sie die Sehnsucht nach Liebe nicht in der lebenslangen Ehe von Mann und Frau verwirklichen kann. Liebe in ihrer höchsten Form (Agape) bedeutet, sich einander für immer zu schenken und im Kind die vollendete Manifestation dieser Liebe zu erkennen.

Es gibt viele Möglichkeiten, dass sich diese Sehnsucht nicht erfüllt: Schuldlose und schuldhafte. Wer keinen Partner findet und allein lebt, muss dies tragen, aber ihm oder ihr stellen sich keinerlei Hindernisse für die Nachfolge Christi in den Weg.

Menschen, die ihre Identität als gleichgeschlechtlich definieren, können auf natürlichem Weg keine Kinder haben. Wenn sie ihren Kinderwunsch dennoch durch Adoption oder mittels künstlicher Reproduktion erfüllen und eine „Regenbogenfamilie“ gründen, so berauben sie das Kind seines elementaren Menschenrechts, von ihrem biologischen Vater und ihrer biologischen Mutter aufgezogen zu werden. Die Forschungen von Dr. Mark Regnerus, Dr. Douglas Allen und Dr. Paul Sullins zeigen die gravierenden negativen Auswirkungen auf Kinder, wenn eine oder zwei gleichgeschlechtliche Personen an die Stelle der Eltern treten. Das Kind durch künstliche Reproduktion vorsätzlich seiner Abstammung zu berauben, ist ein schweres Vergehen am Kind. Dem kann und darf die Kirche nicht zustimmen.

Halbierte Familien (Alleinerziehende) und Stieffamilien (Patchwork) sind zerbrochene Familien, die auf der Entscheidung der Eltern beruhen, entweder von vornherein keine Bindung einzugehen bis hin zur geplanten Ein-Elternschaft durch Samenspende, oder die bestehende Bindung von Vater und Mutter durch Trennung, bzw. Scheidung aufzulösen. Dies führt zu erheblichen und nachhaltigen Verwerfungen des Lebensweges des Kindes, das gezwungen ist, sich in immer neue Beziehungskonstellationen einzufügen. Das Kind ist die Verkörperung der Einheit der Eltern. Wenn diese Einheit auseinandergerissen wird, zerbricht das Fundament seiner Existenz. Wird ihm abverlangt, die zerbrochene Familie für „normal“ zu halten, so hat sein Schmerz keine Ausdrucksmöglichkeit und zeigt sich in psychischen und körperlichen Störungen.

Jesus stellt das Kind in die Mitte (Mt 18,2). Den Eltern ist vom Schöpfer die große Verantwortung für ihre Kinder anvertraut worden. Es ist ihre erste Standespflicht, dieser Verantwortung gerecht zu werden und die Notwendigkeiten der Kinder vor ihre eigenen Bedürfnisse zu stellen. Der Weg der Liebe fordert von jedem Menschen Opfer. Die Kirche hat die Aufgabe, jedem Gläubigen die Liebe Christi erfahrbar zu machen, so dass er fähig wird, die notwendigen Opfer zu bringen, um Jesus nachfolgen zu können.

Lehramt – Braucht es einen positiveren Blick auf Sex?

Behauptung

Eine positive Würdigung menschlicher Sexualität steht lehramtlich noch aus. Die Kirche vermittelt ihre Auffassung von menschlicher Sexualität weiterhin in der deontologischen Schlussfigur „unerlaubt, weil naturwidrig“ (= wesenswidrig).

Entgegnung

Die Bibel und die Verkündigung der Kirche vermitteln seit jeher die christliche Botschaft vom Menschen, auch in seiner Geschlechtlichkeit. Er ist Gottes Ebenbild, erlöst und zur Nachfolge Christi berufen.

Darlegung

Die Kirche entnimmt ihre Moral, auch ihre Ehe- und Sexualmoral, vor allem dem Neuen Testament. Es geht ja um eine wichtige Dimension der Christus-Nachfolge. Zudem spiegelt der Ehebund seit jeher den Bund Gottes mit seinem Volk wider. Dabei spielen zweifellos auch die biblischen Aussagen über die geschaffene und gefallene „Natur“ des Menschen eine wichtige Rolle, vor allem aber seine Berufung zur Vollendung in Christus, schließlich sein Heil im ewigen Leben: „Was muss ich tun, um das ewige Leben zu erlangen?“ (Mt 19,16).

In diesem Zusammenhang haben die Gebote ihren orientierenden Charakter, nunmehr aber im Licht der Seligpreisungen und der Bergpredigt.

Viele weitere Aussagen, wie etwa Jesu Worte über die Ehe wie den Ehebruch, lassen in ihrer Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig. Gegenüber etwaigen Missverständnissen und Versuchen der Umdeutung erweisen sie sich, damals wie heute, als extrem widerständig und herausfordernd.

„Neue Erkenntnisse der Humanwissenschaft“, wenn sie denn mehr als hypothetischen Charakter haben und gesichert sind, können die biblische Botschaft manchmal besser ausleuchten, nicht aber außer Kraft setzen oder in ihrem Grundgehalt verändern.

Es geht auch nicht nur darum, was man „darf“ oder „nicht darf“, sondern um die Integration in das geoffenbarte, von der Bibel vermittelte Konzept Gottes vom Menschen. Zu ihm gehört unter vielem anderen auch, dass der Leib „Tempel des Heiligen Geistes“ ist (1 Kor 6,19) und „nicht für die Unzucht da (ist), sondern für den Herrn, und der Herr für den Leib“ (1 Kor 6,13).

Im Übrigen muss man sich auch der Tatsache stellen, dass biblisch in diesen Zusammenhängen immer wieder auch von „Sünde“ die Rede ist („Geh hin und sündige fortan nicht mehr“, vgl. Joh 8,10f.). Nach Paulus gehören einige dieser „Sünden“ zu denen, die vom Reich Gottes ausschließen (vgl. u.a. Röm 1,26f; Eph 5,5; Gal 5, 19f.).

Jedenfalls geht es um christliche Glaubensmoral und um eine Liebe, die Maß an der Liebe Christi nimmt.

Lehramt – Muss es sich bei der Sexualmoral bewegen?

Behauptung

Die Kirche ist durchaus in der Lage, sich eine andere Sexualmoral zu verordnen; sie hat immer wieder Lehrveränderungen vorgenommen, wenn sich ihre Grundannahmen durch theologische und naturwissenschaftliche Forschungen oder durch veränderte gesellschaftliche bzw. politische Verhältnisse als korrekturbedürftig erwiesen haben.

Entgegnung

Ja, die Kirche kann in Fragen der Sexualmoral zu neuen Einsichten kommen und sie hat auch Präzisierungen und Erweiterungen ihrer Lehre vorgenommen; sie hat aber niemals die Weisungen Jesu (etwa das Scheidungsverbot) und andere Grundlagen der Heiligen Schrift in Frage gestellt. So unterliegt die Frage nach der sexuellen Autonomie immer dem Ersten Gebot, die Frage nach dem Leben immer dem Fünften Gebot, die Frage nach der Treue und Integrität der Liebe immer dem Sechsten und Neunten Gebot. Auch die prinzipielle Zuweisung gelebter Sexualität in die lebenslange Ehe von Mann und Frau gehört zum Urbestand christlicher Ethik, so sehr man auch den Einzelfall sorgfältig beachten und ihm pastoral gerecht werden muss.

Alles, was die Kirche lehrt, lehrt sie in einer „Hermeneutik der Kontinuität“ und als Entfaltung der einmal ergangenen Offenbarung in Jesus Christus. Einen kompletten Bruch kann es nicht geben, ohne dass die Kirche ihre eigenen Lehrgrundlagen zerstört. Da, wo die Kirche ihre Lehre geändert hat, handelt es sich in der Regel um Präzisierungen und Vertiefungen der zuvor bereits vertretenen Position. Manchmal entdeckt sie auch erst im Laufe der Zeit alle Konsequenzen der im Evangelium gegebenen Prinzipien oder sich wandelnde Umstände fordern ihre neue Anwendung. Dies aber bedeutet gerade Wahrung der Kontinuität und nicht Bruch mit den Grundlagen. Nachdem etwa im 19. Jh. naturwissenschaftlich nachgewiesen wurde, dass mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle ein neuer Mensch gezeugt wird, qualifizierte die Kirche jede Abtreibung als Tötungshandlung. Auch zuvor hatte die Kirche die Abtreibung verboten, aber erst mit den neuen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen wurde deutlich, dass es sich dabei um die Tötung eines Menschen handelt.

Auch Papst Johannes Paul II. hat in „Familiaris Consortio“ neue Einsichten in überlieferte Lehre integriert, – etwa da, wo er einen Menschen im Auge hat, „der sich scheiden lässt, meist an eine neue Verbindung denkt, natürlich ohne katholische Trauung.“ Die Bischöfe werden ermahnt, dass sie „um der Liebe willen zur Wahrheit verpflichtet sind“, dabei sollen sie aber die verschiedenen Situationen gut unterscheiden. „Es ist“, schreibt Johannes Paul, „ein Unterschied, ob jemand trotz aufrichtigen Bemühens, die frühere Ehe zu retten, völlig zu Unrecht verlassen wurde oder ob jemand eine kirchlich gültige Ehe durch eigene schwere Schuld zerstört hat. Wieder andere sind eine neue Verbindung eingegangen im Hinblick auf die Erziehung der Kinder und haben manchmal die subjektive Gewissensüberzeugung, dass die frühere, unheilbar zerstörte Ehe niemals gültig war.“ (FC 84).

Die Annahme, die Kirche solle oder müsse aufgrund veränderter gesellschaftlicher oder politischer Veränderungen ihre Lehre anpassen, erscheint nach den Erfahrungen mit politischen Ideologien im 20. Jahrhundert mehr als fraglich. Vielmehr hat sich das treue Festhalten der Kirche an ihren moralischen Prinzipien als ethisch richtig und in vielen Fällen lebensrettend erwiesen.

Lust – Sex ohne Liebe ist doch auch gut?

Behauptung

Die Kirche muss endlich die erotische Dimension der Liebe als eine selbstzweckliche Bereicherung und Ausdrucksform des gemeinsamen Lebens der Ehepartner würdigen und dabei positiv auch den triebhaft-verlangenden Charakter des sexuellen Begehrens als Quelle menschlicher Daseinsfreude erkennen.

Entgegnung

Zuerst muss wahre Liebe da sein und dann darf und soll die reine Lust dazukommen. Nur in dieser Reihenfolge haben die Lust und das sexuelle Begehren den richtigen und angemessenen Platz. Die Lust hat keinen Selbstzweck (= keinen Zweck in sich), sondern muss eingebettet sein in die Grundhaltung der Ganzhingabe und –annahme. Losgelöst von dieser Grundausrichtung führt die Lust sonst in die Haltung des Benützens (lat. uti): Was habe ich davon, welchen Nutzen kann ich daraus ziehen, welchen Vorteil ziehe ich daraus? Und das passt nicht zur Liebe.

Es ist nicht zu leugnen, dass der hl. Augustinus die Lehre der Kirche sehr positiv geprägt hat; er war aber auch nicht frei von Einseitigkeiten, die zum Teil in seiner persönlichen Biografie begründet sind. Das Lehramt der Kirche hat seine kritische Sicht auf die Lust längst korrigiert; sie setzt heute auf das biblische Menschenbild und eine in Schrift und Tradition begründete Sichtweise der Ehe als Sakrament. Zugleich argumentiert sie schöpfungstheologisch und damit auch naturrechtlich-personal.

So wird der Mensch in seiner Einheit von Körper, Seele und Geist gesehen. Auch die Sexualität kann nur im Licht dieser Einheit gesehen werden. Die gelebte Sexualität ist nicht einfach nur ein rein körperliches Geschehen, sondern zutiefst etwas Personales. Würde man die Lust nur von dieser Seite her betrachten, wäre dies eine schlimme Vereinfachung. Der triebhafte Charakter des sexuellen Begehrens ist eine Tatsache. Aber so wie jeder andere Trieb braucht auch das sexuelle Begehren eine Ordnung, um nicht hemmungslos zu werden. Beim Essen, Trinken, … ist uns dies klar. Die Kirche sieht das sexuelle Begehren sehr wohl positiv, dieses Begehren braucht aber eine Hinordnung, die der Würde und dem Wesen des Menschen entspricht.

Im Buch Genesis 4,1 heißt es, dass Adam seine Frau Eva „erkannte“. Es wird dabei das semitische Wort jadac verwendet. Dieses Erkennen muss in der gesamtheitlichen Sicht des Menschen gesehen werden in seiner Einheit von Körper, Seele und Geist. Daraus ergibt sich, dass diese geschlechtliche Vereinigung auch zu sehen ist als „dem anderen einen Blick in die eigene Seele zu gewähren und dem anderen in die Seele blicken zu dürfen“.

Im Buch Tobit wird das Gebet von Tobias und Sarah überliefert. Dort heißt es: „Deshalb, Herr, nehme ich diese meine Schwester auch nicht aus bloßer Begehrlichkeit zur Frau, sondern aus wahrer Liebe.“ In einer anderen Übersetzung heißt es „nicht aus reiner Lust, sondern aus wahrer Liebe“. In einer weiteren Übersetzung heißt es: „Nicht aus Sinnlichkeit heirate ich diese meine Schwester, sondern aus lauterer Absicht.“ Im Vordergrund stehen die wahre Liebe und die lautere Absicht. Die reine Lust darf und soll dann ganz selbstverständlich hinzukommen, aber genau in dieser Reihenfolge! Zuerst steht die „reine Liebe“, die bedeutet: Es geht zuerst um dich, ich will dir etwas Gutes tun, ich will mich dir zum Geschenk machen. Ich will mich dir ganz hingeben (Ganzhingabe) und dich dann ganz annehmen (Ganzannahme). Ganz hingeben aber setzt voraus, dass ich ein bedingungsloses und endgültiges Ja zu dir in der Ehe gesagt habe als Person in dieser Einheit von Körper, Seele und Geist.

Es geht in der Ehe um eine „Gemeinschaft von zwei Personen unterschiedlichen Geschlechts in ihrer ergänzungsbedürftigen Verschiedenheit“, und nicht einfach nur um den Körper des anderen. Sexualität ist in erster Linie auf ein Du ausgerichtet, es geht um ein sich an den anderen verschenken. Wenn es zuerst und vorrangig um meine eigenen Bedürfnisse geht, dann ist dies eine Voraussetzung, die unweigerlich zum Egoismus führt. Wahre Liebe ist erst dann da, wenn ich dem anderen etwas Gutes tun will, wenn ich mich selbst zum Geschenk mache. Und meine Genugtuung ist es, wenn mir dies gelingt, wodurch ich selbst wieder der eigentlich Beschenkte werde. Und wenn diese Sichtweise beidseitig gegeben ist, dann kann tatsächlich erfasst werden, was Lieben mit Körper, Seele und Geist bedeutet.

Jeder Mensch muss darum ringen, aus der egoistischen Haltung herauszutreten. Dieses Ringen wird aber auch zu einer Stärkung des Charakters führen. Diese Neigung, den andern ausnützen zu wollen, degradiert ihn zu einem Objekt. Das bedingungslose Ja zueinander, das volle Annehmen des anderen in den Dimensionen von Körper, Seele und Geist, ist die Voraussetzung dafür, bedingungslos zu lieben. Auf diese Weise wird die gelebte Sexualität tatsächlich „heiliges Geschehen“, in der die Lust ganz selbstverständlich ihren berechtigten Platz hat: Im Vordergrund steht die wahre Liebe, dann darf und soll die reine Lust hinzukommen und wird somit „gereinigte“ Lust.

Masturbation – Braucht es unbedingt einen Zweiten dabei?

Behauptung

Auch das lustvolle Erleben des eigenen Körpers (self sex) kann einen verantwortlichen Umgang mit der eigenen Sexualität bedeuten.

Entgegnung

Selbstbefriedigung ist eine Frage der Keuschheit. Kein Mensch kann sich, ohne Schaden zu nehmen, der Anarchie seiner Triebimpulse überlassen. Als gefallene Geschöpfe muss sich jeder Mensch mit der Konkupiszenz (= ungeordnete Begierde) auseinandersetzen. Die Kirche ist der Überzeugung, dass es Gläubigen mit Hilfe der Gnade Gottes möglich ist, das hohe Gut der menschlichen Sexualität in der schöpfungsgemäßen Ordnung zu gebrauchen.

Sünden gegen die Keuschheit sind gewiss nicht die schlimmsten Sünden. Würde man aber die Selbstbefriedigung als normal bezeichnen oder gar zu einem legitimen Ort von „Selbstliebe“ erklären, würde man zulassen, dass Menschen in Abhängigkeit, Fixierung und Sucht geraten. Selbstbefriedigung widerspricht dem christlichen Sinn von Sexualität als Bund der Liebe. Sie verschließt den Einzelnen in seinem eigenen Lustempfinden, lässt letztlich unbefriedigt und bewirkt Leere und Enttäuschung. Die geistliche Erfahrung zeigt, dass erst die integrierte Sexualität Gesundheit und Lebensglück verleiht, zudem unerlässlich ist auf dem Weg zur Heiligkeit, während das ungeordnete sich Ausliefern an die Triebwünsche Menschen herabzieht und seelisch beschädigt. Keuschheit bedeutet, mit der Geschlechtlichkeit so umzugehen, wie Gott will, dass wir es tun. Das Gegenteil von Keuschheit ist die Fiktion sexueller Freizügigkeit. Man kann das leben, muss sich aber nicht wundern, wenn man statt frei zu werden, in Abhängigkeit gerät. „Der Sexualtrieb“ schreibt Papst Franziskus in AL 280, „kann geschult werden in einem Weg der Selbsterkenntnis und der Entwicklung einer Fähigkeit zur Selbstbeherrschung, die helfen können, wertvolle Fähigkeiten zur Freude und zur liebevollen Begegnung zu Tage zu fördern.“

Masturbation – Bremst das Lehramt nur Freude und Lust?

Behauptung

In ihren lehramtlichen Einzelaussagen zur vor- und außerehelichen sowie zur gleichgeschlechtlichen Sexualität – wie auch zum lustvollen Erleben des eigenen Körpers (self sex) – ist die negative Bewertung der sexuellen Lust und die Unfähigkeit, diese als eine Quelle menschlicher Daseinsfreude und Lebenslust positiv zu würdigen, nach wie vor wirksam.

Entgegnung

Das lustvolle Erleben der genitalen Sexualität zwischen Mann und Frau ist ein wunderbares Geschenk des Schöpfers (AL 150) in Hinordnung auf die Fruchtbarkeit und eheliche Kommunikation von Mann und Frau, auch in unfruchtbaren Tagen und nach den Wechseljahren. Die sexuelle Lust ist ein „echter Wert“ (JP II., 22.10.1980, AL 150) und ein Geschenk der Ehepartner aneinander. Sie hat die Funktion, die Ehe durch das Bindungs-Hormon Oxytocin zu stabilisieren, zum Wohl beider und damit indirekt ihrer Kinder. Damit erhöht sie die allgemeine Daseinsfreude der beiden Ehepartner. In der Selbstbefriedigung wird jedoch der kommunikative Charakter der Sexualität verfehlt, in der homosexuellen Handlung ihre Hinordnung auf Fruchtbarkeit, in der vor-, außer- oder mehrehelichen Sexualität ihr Charakter als Stabilisierung der Ehe-Beziehung, die das Treue-Versprechen im Ehe-Bund voraussetzt.

Darlegung

Die „erotische Dimension der Liebe [ist] keineswegs als ein geduldetes Übel oder als eine Last [zu] verstehen […], sondern […] als Geschenk Gottes […], dass die Begegnung der Eheleute verschönert.“ (AL 152) Das Lusterleben ist komplex, die Organe des Mannes sind leichter zur befriedigen als die der Frau. Daher ist der Bund der Ehe der vertrauensvolle Ort, um sich in liebender Hingabe und gegenseitiger Annahme in einen lebenslangen Lernprozess der sexuellen Kommunikation als „zwischenmenschlicher Sprache“ (AL 151) zu begeben. Im sexuellen Einswerden von Mann und Frau erleben sie sich vertraut und zugleich fremd: Eine Frau kann niemals fühlen, was sie dem Mann mit komplett anderen Geschlechtsorganen in seinem Orgasmus schenkt und umgekehrt. Leiblich lieben und sexuelle Lust dabei erleben meint, nicht bei sich selbst allein zu bleiben (keine Selbstbefriedigung, sondern Zweisamkeit), nicht beim Leiblich-Gleichen zu bleiben (keine Homo-Erotik), sondern den mich herausfordernden, mir anvertrauten Fremden zu lieben: die Frau den Mann, der Mann die Frau. Sexuelle Lust kann – aufgrund der Selbstsucht des Menschen – verzweckt und isoliert werden vom Person-Sein und der Fruchtbarkeit des Menschen. Daher braucht es eine bewusste Gestaltung der sexuellen Kräfte und Motive, wir sind ihnen nicht ausgeliefert. Sexuelle Lust kann reparative psychische Momente enthalten, d.h. negative Gefühle können durch sexuelle Lust getröstet werden. Daher können sexuelle Süchte und Abhängigkeiten (z.B. von Pornographie) entstehen. Die sexuelle Lust ist eine einzigartige Freisetzung von aller Erdenschwere, ekstatisch und mit paradiesischem Vorgeschmack, und kann stärker als jede Droge wirken. Sexuelles Begehren nach Lustbefriedigung ist daher personal zu kultivieren: es benötigt Erziehung, Bildung und Selbst-Gestaltung (AL 151) auf eine lebenslange Bindung hin. Dabei sind die leiblichen Vorgaben (nicht das seelische Begehren) des Geschlechtsleibs ausschlaggebend für eine Sexual-Pädagogik. Entlang des Richtwerts der Fruchtbarkeit wird das sexuelle Begehren ausgerichtet und die eigene Triebbeherrschung eingeübt.

Die Würde der Person des anderen ist gewahrt, wenn seine organische Fähigkeit zur Fruchtbarkeit nicht ausgeschaltet wird, z. B. durch künstliche Verhütung oder in der homoerotischen Handlung. In letzterer wird der andere daran gehindert, sich dahin zu entwickeln, doch noch Vater / Mutter in einem komplementären Ehebund zu werden. Die Würde des anderen ist gewahrt, wenn er nicht zur „Funktion“ meiner Sehnsucht nach Anerkennung, Trost oder meines Kinderwunsches (oder dem meiner Sippe) wird, wenn ich ihn nicht allein für meine zeitlich begrenzten Interessen oder zu meiner Lustbefriedigung gebrauche, ihn nicht nur „ausprobiere“, selbst wenn er das selbstbestimmt so „will“. Die Würde wird gewahrt, wenn nicht Selbstbefriedigung die Dynamik der Sexualität auf eine liebend-schenkende Beziehung hin zerstört, weil das Geschenk, das der andere hätte geben wollen, bereits selbst „gemacht“ wurde. Die Würde des anderen wird gewahrt, wenn das emotionale Bedürfnis (häufig der Frau) nach nachhaltiger treuer Beziehung und Schutz (für die Vulnerabilität in Schwangerschaft und Erziehungszeiten der Kinder) geachtet wird.

Sexuelles Begehren hat oft die eigene Lust zum Ziel, die auch mechanisch durch Pornographie, Bilder usw., mit oder ohne geschlechtliche Vereinigung, sogar mit Kindern, Tieren, Gegenständen hergestellt und befriedigt werden könnte. Sexuelle Lust ist kein Wert an sich, sondern wird wertvoll durch die Umstände, in denen sie geschenkt wird. In vielen sexuellen Lustformen wird nur eine „Funktion“ der Person, nicht die ganze Person in ihrer Würde und ihrem Entwicklungsstand geachtet, nicht die gegenseitige und leibgemäße Ganz-Hin-Gabe, zu der nur der reife gegengeschlechtliche Mensch fähig ist. Das Haben-Wollen und zeitlich begrenzte Interesse an ausgewählten Aspekten der anderen Person steht im Zentrum, nicht das gegenseitige Geschenk der Liebe. Daher wird der so sexuell Handelnde letztlich leer und in seiner eigentlichen Sehnsucht unerfüllt zurückbleiben.

Sexualität ist somit zwar eine, aber nicht die einzige Quelle menschlicher Daseinsfreude und Lebenslust und ist dem selbstsüchtigen Gebrauch des Menschen ausgeliefert bzw. seiner tugendmäßigen Kultivierung anvertraut. Sie bleibt in die liebende Kommunikation der Eheleute eingebunden.

Missbrauch und Homophobie – Führt Homophobie zu Missbrauch?

Behauptung

Laut MHG-Studie besteht ein Zusammenhang zwischen einer „ambivalenten, teilweise auch offen homophoben Umgebung“ in der katholischen Kirche und sexuellem Missbrauch bzw. sexualisierter Gewalt.

Entgegnung

Bei dieser Behauptung der MHG-Studie handelt es sich um reine Spekulation. Die umstrittene Studie ist nur in Teilen wissenschaftlich fundiert. Ihre empirischen Daten geben solche Behauptungen nicht her. Keine der allgemein als seriös anerkannten Studien in Deutschland und in den USA kommt zu solchen Schlüssen (Leygraf 2012, John Jay Report 2004 und 2011). Sie widersprechen auch jeder Logik.

Darlegung

Nach Studienlage gibt es keine Hinweise darauf, dass die Rate an sexuellem Missbrauch bei Geistlichen höher ist als in der Normalbevölkerung. Die verurteilten Kleriker sind nur zum geringsten Teil im klinischen Sinne pädophil und zeigen ein weitgehend normalpsychologisches Profil. Das Täterprofil eines pädophil veranlagten, sexuell unreifen, narzisstischen und zwanghaft zur Machtausübung neigenden Geistlichen konnte in den Studien nicht bestätigt werden. Der Höhepunkt der Welle an Missbrauch unter Geistlichen lief parallel zu der gesellschaftlichen sexuellen Liberalisierungswelle der siebziger und achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts und hat seither kontinuierlich abgenommen. 80 % des sexuellen Missbrauchs von Geistlichen an Minderjährigen war homosexuell. Homosexuelle haben eine 5-15-fache Rate an Missbrauch Minderjähriger.

Die Vorstellung, dass homosexuell empfindende Priester sich deshalb an Minderjährigen vergreifen, weil um sie herum eine homophobe Atmosphäre herrscht, ist somit nicht nachvollziehbar. Jeder homosexuell empfindende Laie oder Priester hat die Möglichkeit zur raschen Anbahnung homosexueller Kontakte in der Gesellschaft. Weshalb sollte eine angeblich homophobe Atmosphäre gerade den Missbrauch Minderjähriger begünstigen? Was heterosexuelle Geistliche anbelangt, so gibt es auch hier keine sinnvolle Begründung dafür, warum eine wie immer geartete als sexualfeindlich beschriebene Atmosphäre einen Missbrauch Minderjähriger begünstigen sollte. Die meisten Kleriker, die Minderjährige sexuell missbraucht haben, hatten laut Studien auch Sexualkontakte zu Erwachsenen.

Missbrauch – Ist die Kirche unmoralisch?

Behauptung

Die Kirche ist strukturell unmoralisch. Missbrauch hat gezeigt, dass es die Kirche ist, die durch eine entkirchlichte Gesellschaft an die Einhaltung moralischer Standards erinnert werden muss.

Entgegnung

Diese Behauptung ist sowohl in Bezug auf die „Unmoral“ der Kirche als auch auf die „Moral“ der Gesellschaft eine unzulässige Verallgemeinerung.

Darlegung

In der Tat ist die Vertuschung des Missbrauchs durch die hierarchischen Strukturen und das Selbstbild der Kirche als „heilige“ Institution begünstigt worden. Gerade dieses Selbstverständnis der Kirche als Heilsinstitution war wohl der Grund, warum die Verantwortlichen bewusst oder unbewusst jahrelang den guten Ruf der Kirche für wichtiger erachteten als den Schutz der Opfer, die Wiedergutmachung ihres Leidens und die Prävention neuer Vergehen. Dies war ein schweres Vergehen der Verantwortlichen.

Dennoch ist es falsch, ja geradezu verleumderisch, die Kirche prinzipiell als strukturell unmoralisch zu bezeichnen. Die Kirche hat immer, – auch in den 70iger und 80ziger Jahren, wo dies in der Gesellschaft in weiten Bereichen anders gesehen wurde -, sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsen und Minderjährigen verurteilt. Hätten sich die betroffenen Geistlichen an diese moralischen Standards der Kirche gehalten, wären diese Verbrechen nie passiert. Zudem hat sich die übergroße Mehrheit, nämlich ca 96 % der Geistlichen, keinerlei sexueller Übergriffe schuldig gemacht. In den internationalen Untersuchen wird der Anteil der Missbrauchstäter unter den Geistlichen der röm. kath. Kirche zwischen 1 und 5% benannt. Laut MHG-Studie (1946-2014) sind in Deutschland 5,1% der Diözesanpriester des Missbrauchs beschuldigt, wobei in dieser Zahl diejenigen noch enthalten sind, nämlich 21% der Beschuldigten, die entweder freigesprochen wurden oder deren Verfahren wegen mangelnden Tatverdachts eingestellt wurden.

Immer wieder wird der Zölibat – und zwar zu Unrecht – als strukturelle Ursache sexuellen Missbrauchs dargestellt: Selbst die MHG Studie, folgert: „Zu betonen ist bei solchen Überlegungen, dass natürlich weder Homosexualität noch der Zölibat eo ipso Risikofaktoren für sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen darstellen“. – Deutlicher noch stellen viele andere Studien fest, dass es keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Zölibat und sexuellen Missbrauch gibt. So heißt es z.B. in der sog. Ulmer Studie des Kinderpsychiaters Jörg Fegert, „dass die Zahl der Missbrauchsfälle im Sport fast doppelt so hoch ist wie in der katholischen Kirche. Jeder dritte Leistungssportler berichtete demnach von sexuellen Übergriffen. Dies ist insofern interessant als man bei Sportvereinen als Ursachen nicht an die kirchenspezifischen Gründe wie Zölibat, Sexualmoral und Klerikalismus denken könne.“ Zum selben Schluss kommen die beiden umfangreichsten empirischen Untersuchungen zum innerkirchlichen sexuellen Missbrauch, die es gibt, die beiden amerikanischen Studien des John Jay College, für den Zeitraum von 1950 bis 2002, bzw. 2004: der „Nature and Scope Report“ und der „Causes and Context Report : „Hieraus lässt sich folgern, dass weder pädophile Neigungen noch der Zölibat maßgebliche Ursachen bzw. Einflussfaktoren für sexuellen Missbrauch durch katholische Geistliche darstellen.“

Noch ein Wort zu der Behauptung, die entkirchlichte Gesellschaft habe die Kirche an die Einhaltung moralischer Standards erinnern müssen: Die Empörung über das systematische Vertuschen der Kirche von sexuellem Missbrauch durch Geistliche ist berechtigt. Hier ist die Kirche schmerzlich hinter ihren eigenen moralischen Standards, nämlich Menschen in Not zu helfen, zurückgeblieben. Jedoch hat sie nie generationenübergreifende Sexualität, also sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsene und Kindern oder Jugendlichen, gutgeheißen. Ganz im Gegenteil. Sie hat dies immer als Sünde verurteilt. Im Gegensatz zur Gesellschaft, in der sich in den 70ziger und 80ziger Jahren bekannte grüne und teilweise auch linke Politiker für die Entkriminalisierung sexueller Beziehungen zwischen Erwachsenen und Minderjährigen stark machten. Noch 2004 hat das Netzwerk Arbeitskreis Sexualpolitik in seinem Grundsatzprogramm öffentlich „gesellschaftliche Akzeptanz für Kindersexualität, Pädo- und Generationsübergreifende Sexualität …, Inzest, Exhibitionismus, Sado-Masochismus und Sexualität in der Öffentlichkeit“ gefordert. Noch im Jahr 2000 wandte sich der Bundesvorstand der Humanistischen Union gegen eine „geradezu kreuzzugartige Kampagne gegen Pädophilie.“ Ganz zu schweigen von den Vorgängen an der Odenwald-Schule, die als bewundertes Vorzeigeprojekt der Reformpädagogik galt. Dort haben sich die Täter als linke, fortschrittliche Lehrer verstanden, welche die restriktive katholische Sexualmoral als rückschrittlich kritisierten und den betroffenen Schülern ihre eigene sexuelle Übergriffigkeit als einen Akt sexueller Befreiung einzureden versuchten.

Missbrauch – Homosexualität hat nichts damit zu tun?

Behauptung

Es gibt keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen Homosexualität und Missbrauch.

Entgegnung

Bereits der oberflächliche Blick auf die Daten des unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für sexuellen Missbrauch 2017 zeigt, dass sexueller Missbrauch an Minderjährigen bei Homosexuellen mit 25 % um ein Vielfaches höher ist als bei Heterosexuellen. In zahlreichen Studien kommt man auf eine, gegenüber Heterosexuellen 5 bis 15-fach höhere Rate von Missbrauch an Minderjährigen. Als Hintergrundinformation ist es wichtig zu wissen, dass nach zahlreichen Studien, im Gegensatz zu den medial kolportierten Zahlen, die Rate an stabil homosexuell empfindenden Männern bei ca. 1,5 %, an bisexuell empfindenden bei ca. 3 % liegt.

Darlegung

Das Problem „Homosexualität und Missbrauch“ spielt in der katholischen Kirche eine große Rolle. In sämtlichen Studien über sexuellen Missbrauch von Klerikern an Minderjährigen lag die Rate an homosexuellem Missbrauch, also an Missbrauch von Jungen bei ca. 80 %. Da wir nicht wissen, wie hoch der Prozentsatz an Priestern mit homosexueller Neigung ist, können wir auch nicht genau sagen um das wie vielfache höher genau die Rate an sexuellem Missbrauch durch homosexuelle Geistlichen ist. Dass sie um das Vielfache höher ist, liegt auf der Hand. In diesem Zusammenhang besteht in der katholischen Kirche ein enormes Problem mit der Bildung homosexueller Netzwerke und Seilschaften innerhalb der Priesterschaft und des Episkopats. Studien belegen, dass homosexuelle Partnerschaften durchschnittlich zwei Jahre halten. In dieser Zeit gibt es ca. zwölf zusätzliche sexuelle Außenkontakte.

Wir sehen also, dass Homosexualität statistisch mit einer enorm erhöhten Promiskuität einhergeht. Dies bedeutet, dass bei homosexuell empfindenden Klerikern mit homosexueller Netzwerkbildung zu rechnen ist. Dies, zumal solche Kleriker innerhalb der Priesterschaft oder innerhalb ihres Ordens besonders gleichgeschlechtlichen Versuchungen ausgesetzt sind. Diese Netzwerkbildungen und Seilschaften begünstigen die Zunahme an homosexuell orientierten Priestern und schrecken heterosexuelle Kandidaten ab. Sie neigen also dazu sich selbst innerhalb des Klerus immer weiter auszudehnen. Ein heterosexuell empfindender Priester, der z. B. ein Verhältnis zu einer Frau hat, trägt seine Schwierigkeiten mit dem Zölibat nicht in die Priesterschaft oder in seinen Orden hinein.

Moral – Ist Sex automatisch auch Beziehung?

Behauptung

Sexuelle Handlungen bleiben auch dann bejahenswürdig, wenn sie nicht alle Faktoren zugleich realisieren, ansonsten aber den allgemeinen Kriterien einer Beziehungsethik genügen.

Entgegnung

Beziehungsethik allein wird menschlichem Handeln nicht gerecht. Eine Beziehung kann für sich betrachtet „gut“ sein und zugleich unmoralisch, z.B. kann ein Erwachsener niemals eine sexuelle Beziehung zu einem Kind haben, auch wenn es dem Kind gefallen würde. Auch die Beziehungsethik darf nicht absehen von jenen grundlegenden Erfordernissen, welche die Würde der Person und den sexuellen Ausdruck personaler Liebe zwischen Mann und Frau betreffen.

Die objektive Gutheit einer sittlichen Handlung ist nur dann gegeben, wenn der Sinngehalt der Handlung als solcher gut ist (d.h. ihr Objekt), wenn die damit verbundene Absicht gut ist (d.h. das Motiv) und wenn alle relevanten Umstände in angemessener Weise zum ganzheitlich Guten der Handlung beitragen. Liegt jedoch ein moralisches Defizit in einem dieser Aspekte vor, so betrifft dies die ganze Handlung, die dann als gesamte betrachtet eben nicht gut ist. „Bonum ex intregra causa, malum a quolibet defectu.“ („Das Gute kommt aus der ganzen Sache, das Übel aus jedem beliebigen Defekt.“)

In sich schlechte Handlungen sind vom objektiven Standpunkt aus nie zu rechtfertigen. Dennoch gibt es Faktoren (wie den Mangel an Erkenntnis und Freiheit), welche die Anrechenbarkeit einer Handlung reduzieren und so bei einer sittlich schlechten Handlung schuldmindernd wirksam werden können. Wir dürfen Personen, auch wenn sie schuldhaft versagen, nie festlegen auf ihren momentanen Status. Immer besteht die Möglichkeit, mithilfe der Gnade Gottes im Guten zu wachsen und so dem Ideal näher zu kommen (vgl. „Amoris laetitia“, Nr. 133-135).

Moral – Muss die Sexuallehre zur Beziehungsethik werden?

Behauptung

Eine Revision und Weiterentwicklung der katholischen Sexuallehre hin zu einer auf Autonomie gründenden Beziehungsethik ist dringend erforderlich. Nur so wird die Kirche wieder als eine gesellschaftlich relevante Institution begriffen, die Menschen in ihren vielfältigen Lebenslagen begleitet und bestärkt.

Entgegnung

Anstatt einen Gegensatz zwischen der traditionellen Morallehre und einer so genannten Beziehungsethik aufzubauen, sollten die positiven Elemente beider Sichtweisen integriert werden. Den Weg dazu hat bereits Karol Józef Wojtyła in seiner ethischen Studie „Liebe und Verantwortung“ aufgezeigt und beschritten.

Gäbe es zur Beurteilung unserer Handlungen nur Autonomiedenken (= authentisches Handeln nach meinem Gewissen) und Beziehungsethik (= Interessenausgleich im Horizont von Liebe) und nicht auch die Orientierung an einem natürlichen Sittengesetz, so gäbe es kein überindividuell Gutes, das man von allen Menschen einfordern könnte. Wir brauchen aber eine gemeinsame sittliche Grundlage für das Zusammenleben und die Zusammenarbeit aller.

Das Sittengesetz ist dem Menschen von Gott ins Herz geschrieben; nur, wenn er es zu achten bereit ist, kann er autonom, also selbstbestimmt handeln und wird so dem inneren Sinn der Freiheit gerecht. Die Freiheit zielt auf die Verwirklichung des sittlich Guten und findet ihre Erfüllung in der Gottes- und Nächstenliebe – also in guter Beziehung. Ein rechtes Verständnis von personaler Autonomie setzt die Bereitschaft der Übernahme von sittlicher Verantwortung gegenüber Gott und den Mitmenschen voraus.

Die Kirche ist aufgerufen, Menschen in ihren verschiedenen Lebenslagen und so auch in den unterschiedlichen Situationen und Herausforderungen ihrer personalen Beziehungen zu begleiten. Bei dieser seelsorglichen Begleitung bedarf es der Unterscheidung gemäß objektiven Kriterien, wie sie das natürliche und geoffenbarte Sittengesetz aufzeigt.

Natur/Naturrecht – Ich begehre, also bin ich?

Behauptung

Von einer ethisch verpflichtenden „Natur“ des Menschen kann man heute nicht mehr sprechen. „Natur“ gibt es nur im Singular. Judith Butler: „Mein Begehren ist meine Identität“.

Entgegnung

Das gegengeschlechtliche sexuelle Begehren von Mann und Frau führt sie zum Wunsch, das Leben miteinander zu teilen in Ehe und Familie. Zugleich enthält sexuelles Begehren psychische Momente, die fluide und daher unbrauchbar sind zur Beantwortung der Frage „wer bin ich?“ (Identität). Der beseelte Leib des Menschen als Person weist uns unsere „Natur“ als Mann oder Frau zu. An unserem schöpfungsgemäßen Leib finden wir die Richtung der sexuellen Erfüllung in der leib-seelischen komplementären Ergänzung unseres Personseins. Dabei geht es nicht um „Rollen“, die sich aus der „Natur“ verpflichtend ergeben. Vielmehr geht es um die „Berufung“ von Gott her zur Ehe oder Ehelosigkeit, und in der Ehe zu einer abgestimmten Lebbarkeit von Mutter-/Vaterschaft und den jeweiligen Begabungen.

Darlegung

Sexuelles Begehren erwächst aus den psychischen Grundbedürfnissen nach Annahme, Geborgenheit, Gesehen-Werden, Selbstwertbestätigung und Befriedigung des Lustbedürfnisses. Es ist zunächst eine Äußerung der Seele als Wunsch, den Leib des anderen zu berühren, zu umarmen und mit ihm eins zu werden. Das Begehren ist formbar – und damit auch deformierbar – durch Wünsche und Phantasien. Sexuelle Anziehung ist nicht allein biologisch bedingt. Die „Dampfkessel“- oder „Trieb-Theorie“ ist obsolet (Berner 2019, Stoller 1998). Vielmehr entwickelt sich das sexuelle Begehren durch komplexe seelische Erfahrungen: Es ist abhängig von der sicheren, ambivalenten oder unsicheren Bindung an Mutter und Vater, vom Erleben des Geschlechterverhältnisses von Mutter / Vater, von positiver Bestärkung des eigenen Geschlechts durch den Vater, von Erfahrungen mit Missbrauch, gewaltverherrlichender Sexualitäts-Darstellung und Pornographie. Der Unterschied zwischen „gesundem Appetit“ und „ungesundem Suchtverhalten“ ist das gierige Verlangen, eine innere Leere zu füllen. Für den Philosophen Michel Foucault (1963) ist es „einzig noch die Sexualität, die die von Tod und Endlichkeit umgrenzte Leere auszufüllen vermag, in die der Mensch nach dem Tode Gottes ‚geworfen‘ ist.“ Das Phänomen der empfindungsmäßigen „Leere“ deutet auf ungestillte Grundsehnsüchte, die Menschen durch Sexualität zu „reparieren“ versuchen (W. Berner 2011). Die äußere Form des Begehrens verändert sich jedoch, wenn die innere Sehnsucht, das mich treibende psychische Motiv, erkannt ist und in einem heilsamen Prozess hin zu einem wirklich nährenden Appetit verändert wird. Je mehr psychische Bedürfnisse in einer Beziehung erfüllt werden können, umso leichter kann die Person auf genitale Sexualität verzichten: vor der Ehe, in der Ehe nach der Geburt, in Krankheit, nach dem Tod des Partners usw., oder im bewusst gewählten Zölibat.

Im 9./10. Gebot (nicht begehren), in Ergänzung zum 6. Gebot (nicht die Ehe brechen) geht es darum, die sexuelle Erfüllung ausschließlich beim eigenen Ehepartner zu suchen. Durch das Training der Selbst- und Gedankenbeherrschung (sich symbolisch „das Auge ausreißen“, Mt 5,29) wird das Begehren beherrscht, so dass es zu keiner sexuellen Begegnung oder womöglich Vergewaltigung kommt. Für ein höheres Gut, die Achtung vor Gottes Gebot, dem Ehe-Bund und der Berufung des Nächsten, stellt man sein eigenes Begehren zurück. Wenn ein Mann seiner gefühlsmäßigen Neigung, einen anderen Mann sexuell zu begehren, nachgibt, missachtet er dessen und seine eigene Berufung, gemäß seiner leiblich-organisch verankerten Natur, mit einer Frau komplementär Vater werden zu können (Daniel Mattson 2020). – Das „sexuelle Begehren“ ist nicht gleichbedeutend mit „Lieben“, dazu gehört der Wunsch nach „Hingabe“ und „dienender Liebe“ gemäß der Gebote Gottes hinzu.

In Anthropologien im Anschluss an die lesbisch lebende Philosophin Judith Butler, die einem jüdischen Elternhaus entstammt, jedoch nicht gläubig ist, wird einseitig durch die Betonung des „sexuellen Begehrens“ als eines psychischen Vorgangs die Geist-Seele-Seite des Person-Seins hervorgehoben (der Wille). Zugleich wird die Bedeutsamkeit der leiblichen genitalen Unterschiede und der Generativität (Leib) abgewertet oder ignoriert (gnostische Tendenz). Der Körper wird dann negativ bewertet und dem Willen im sexuellen Begehren unterworfen. – Neben dem sexuellen Begehren von Mann und Frau sei auch das gleichgeschlechtliche „natürlich“, weil man Homosexualität „heute“ als „Anlage“ (Schockenhoff) verstehe, sogar als Schöpfungsvariante (Zulehner), entgegen anders lautender sexualwissenschaftlicher Ergebnisse (Savin-Williams 2007; R. L. Spitzer 2003). Daher könne nicht von der „Natur“ des Mannes und der Frau gesprochen werden, sondern nur von sexuellen Identitäten, ob man nun lesbisch oder schwul oder bi oder wie auch immer begehrt. Jeder Mensch entsteht jedoch aus genau zwei ‚Beiträgersubstanzen‘ (selbst bei Retortenbabys): die Geschlechtskategorien (selbst bei Abweichungen, d.h. intersexuelle Varianten DSD – Disorders of Sex Development, 0,2-2%). (Hilge Landweer 1994).

Die Natur des Menschen weist durch den geschlechtlichen Leib dem Individuum seine Identität zu. Das wird heute oft erlebt, als würde uns etwas gegen den freien Willen aufgezwungen werden. Wenn die sexuelle Identität jedoch erst einmal von der Natur und unserm Leib abgelöst ist, dann ist die Suche nach der eigenen Identität entlang von sexuellen Begehrens-Formen endlos (über 60 Geschlechter, Gregor Puppinck 2020) und bleibt unfruchtbar.

Natur/Naturrecht – Ist Fruchtbarkeit heute noch ein Argument?

Behauptung

Auch das naturrechtliche Argument gleichgeschlechtliche Partnerschaften schließen Fruchtbarkeit aus, sind deshalb „unnatürlich“ zählt nicht. In Hinsicht auf heterosexuelle Partnerschaften wird das Kriterium in Sachen „Fruchtbarkeit“ immer weiter ausgedehnt und relativiert.

Entgegnung

Robert Spaemann hat daher eine begriffliche Unterscheidung vorgeschlagen: Natürlich zu nennen sei alles, was sämtliche wesentliche Bestimmungen eines zu Beurteilenden umfasst. Alles andere was faktisch auch der Fall ist, dem aber wesentliche Bestimmungen fehlen in der Struktur als auch im Akt, solle man naturwüchsig nennen. „Natur“ bleibt im Begriff erhalten, um auch semantisch dem Rechnung zu tragen, dass ein solches Faktum nicht bloß Illusion oder Fiktion ist, sondern tatsächlich eine Lebenswirklichkeit anzeigt. Es sollte aber zu der anderen Lebenswirklichkeit ein Unterschied gemacht werden können, da es eine wesentlich andere ist und nicht nur eine Normvariante.

Darlegung

Ob gelegentlich vorkommende Unfruchtbarkeit bei Heterosexuellen oder eine wesentlich mit Homosexualität einhergehende Unfruchtbarkeit schon erlaubt von Normvarianten des Geschlechtlichen zu reden, entspricht keiner Erkenntnis der Humanwissenschaften, sondern ist ein Werturteil aus einem anthropologischen Konzept von Menschsein. Die Konzeption von Sexualität über alle Gattungen des Lebendigen hinweg auf Fruchtbarkeit hin, ist wesentlich natürlich zu nennen. Seit Generativität vor 600 Millionen Jahren über bloße Zellteilung hinaus „sexuell“ geworden ist, waren Fruchtbarkeit und Polarität die einzigen Merkmale von Sexualität überhaupt. Im Laufe der Stammesgeschichte und erst recht beim Menschen ist Geschlechtlichkeit in seinem Bedeutungsumfang reichhaltiger geworden. Wenn aber Geschlechtlichkeit ihre polare Ausrichtung verliert und damit auch ihre Fruchtbarkeit, kann diese Tatsache rein sprachlogisch nicht mehr natürlich genannt werden, nur aus dem einzigen Grund heraus, dass eine andere Lebenswirklichkeit damit bezeichnet wird.

Natur/Naturrecht – Ein Widerspruch zu den Humanwissenschaften?

Behauptung

Die Kirche kann sich nicht mehr auf eine Natur oder ein Naturrecht berufen, um legitime von nichtlegitimen Partnerschaften zu unterscheiden und mit dem Begriff Sünde zu belegen. Das Naturrechtsdenken lässt sich nicht in Einklang bringen mit Erkenntnissen aus Humanwissenschaft, Psychologie und Naturwissenschaft, ist deshalb irrelevant für die Debatte.

Entgegnung

Ständig wird der Einwand gebracht, Naturrechtsdenken sei nicht in Einklang zu bringen mit den Erkenntnissen aus den Humanwissenschaften. Dieser Einwand zeigt nur, dass man weder weiß, wie Erkenntnisse aus den Humanwissenschaften zu bewerten sind, noch welcher Art Natur und Naturrecht auf Erkenntnisse der Humanwissenschaften zu beziehen sind.

Darlegung

Wenn es um die Natur des Lebendigen geht muss dessen Doppelaspektivität des Innen/Außen beachtet werden. Diese besteht darin physische, quantitative Tatsachen der apparativen Physiologie mit qualitativen Befindlichkeiten der affektiven inneren Gestalt (Triebdynamik, Psyche, vielleicht schon marginale Kognition) in Übereinstimmung zu bringen. Quantitative Tatsachen sind im Modus des Erklärens auf den Begriff zu bringen, qualitative Befindlichkeiten im Modus des Verstehens. Ein Beispiel: Das Zustandekommen der Farbe blau in der Feder eines Pfauenhahns wird durch miteinander interagierende biochemische Substanzen erklärt, während sie andererseits als sichtbare Farbe blau mit anderen Farben zusammen, im Pfauenrad von der Pfauenhenne wahrgenommen wird. Verläuft die biochemische Interaktion fehlerhaft, sodass überhaupt keine Farben ausgebildet werden, wie es bei einem Albinopfauenhahn der Fall ist, „versteht“ die Pfauenhenne das Paarungsritual nicht mehr. Der Biologe hat es also einmal mit quantitativen kausalen Faktoren zu tun und andererseits mit finalen, teleologisch strukturierten Tiergestalten, die neben der physiologischen Erklärung auch ein „Verständnis“ des Innen und Außenaspekts ihrer Gestalt erfordern. Jede Tiergestalt will also in seiner spezifischen Natur „verstanden“ und in unserem Handeln beachtet werden.

Das bedeutet: Rein quantitativ betriebene Naturwissenschaft ist reduktionistisch und verbietet einen sog. naturalistischen Fehlschluss zu recht. Erst eine auch im Modus des Verstehens betriebene Wissenschaft, erlaubt einen Schluss vom Sein auf ein Sollen: Dazu muss das von-Natur-her-Richtige im Hinblick auf eine spezifische Spezies (z. B. für Hühnervögel) festgestellt werden: Die „Natur“ im Beispiel des Hühnervogels bestimmt dann das artgerechte Handeln. Man könnte sagen Hühnervögel und andere Lebewesen haben ein „Naturrecht“ auf artgerechte Tierhaltung, sofern überhaupt Tierhaltung zu verantworten ist.

Auf Menschen angewendet und der in Frage stehenden (naturgemäßen?) geschlechtlichen menschlichen Paarbindung und Gestaltung, ist das Procedere erheblich komplexer. Alle Teilgebiete der Humanwissenschaften, Humanbiologie, Neurologie, Psychologie, Soziologie, vergleichende Kulturanthropologie müssen hinzugezogen werden. Denn die tierische trieb- und instinktgeleitete „Natur“ einer entsprechenden Spezies ist analog beim Menschen zwar nicht gänzlich trieb- und instinktfrei, dafür aber hochgradig vernunftgeleitet. Das ist die „Natur“ des Menschen. Das heißt, die Humanwissenschaften liefern Erkenntnisse, die geisteswissenschaftlich philosophisch und theologisch in einem Modus des Verstehens in Handlungen umgesetzt werden. So „zwingen“ humanwissenschaftliche Erkenntnisse nicht als sog. „normative Fakten“ zu Handlungen. Die Norm wird bestenfalls von deren Erkenntnissen inspiriert, dann aber durch praktische Vernunft gesetzt. Diese normsetzende Vernunft wird allerdings in christlich-katholischem Verständnis auch noch von anderer Seite inspiriert. Offenbarung in katholischem Sinn ist nämlich keine inhaltslose Kommunikation Gottes mit dem „Hörer des Wortes“, wie manche Theologien insinnuieren. Wir sind keine neuzeitlichen Maitres et posseseures de la nature (etwa Herren und Meister der Natur), weder der Natur außer uns und um uns herum noch derjenigen in uns. Desweiteren ist Natur für Christen Schöpfung, d. h. ein ungeschriebenes Wort, neben dem geschriebenen (der Schrift) und dem Fleisch gewordenen Wort (Christus). Das wird alles inhaltlich dem „Hörer des Wortes“ mitgeteilt. Hinzu kommt, dass wir der Schöpfung nur mit den Brüchen in ihr begegnen. Die sollten nicht schöngeredet (etwa es ist gut so, wie ich bin), sondern angeschaut werden. Nicht umsonst geht der Verkündigung des Evangeliums der Umkehrruf voraus: Wir dürfen aber sicher sein: Keiner von uns ist so, wie Gott uns gewollt hat, wirklich keiner, aber jeder und jede wird von ihm mit Sicherheit so geliebt, wie er, sie ist oder wie auch immer man sich empfindet. Das Erbsündedogma, so rätselhaft, schwerverständlich oder unzeitgemäß, es auch sein mag, ist als ursprüngliche Erzählung vor mehr als 2000 Jahren von jemandem oder mehreren verfasst worden. Wegen ihrer Genialität wäre die Erzählung posthum eines antiken Literaturnobelpreises würdig, so Leszek Kolakowski. Denn die Schöpfung, uns eingeschlossen, wird darin nicht schöngeredet und dadurch genial jedes naive positive Denken kritisch hinterfragt.

Fazit: In der Natur des Menschen und der Welt gibt es neben aller Größe und Schönheit, Brüche: Beides muss angeschaut werden, es sollte weder schön noch schlecht geredet werden. Das gehört zur „Natur“ des Menschen. Wenn daraus ein Naturrecht gelesen werden kann – dazu sollten Geisteswissenschaften fähig sein, müsste man sich wenigstens in breitem Konsens einig werden können, welche Abwehrrechte in den Umfang dieses „Naturrechts“ aufzunehmen sind.

Natur/Naturrecht – Ist die Natur gegen Verhütung?

Behauptung

Es gibt keine naturrechtliche Begründung für den Ausschluss von künstlichen Methoden der Empfängnisverhütung.

Entgegnung

Da das Lehramt naturrechtlich argumentiert, was niemand bestreiten kann, der des Lesens kundig ist, kann hier nur gemeint sein, die naturrechtliche Begründung überzeuge nicht. Die bei modernen Moraltheologen übliche Zurückweisung solcher Begründung leugnet mit Berufung auf Kant die normative Bedeutung der menschlichen Natur. Man wirft dieser Begründung den naturalistischen Fehlschluss vor: Aus der Tatsache, dass die menschliche Natur so und so sei, könne man nicht folgern, dass es so sein solle. Grund jeder Norm sei vielmehr die Person als Freiheitssubjekt. Sie sei in ihrer Freiheit und in ihrem Recht auf Selbstbestimmung zu achten. In dieser Achtung erschöpft sich mehr oder weniger die Moralität.

Darlegung

a) Der Leib hat normative Bedeutung. Robert Spaemann zeigt überzeugend, dass Gegenstand der Achtung notwendigerweise auch die Person in ihrer Leiblichkeit ist. Sie gehört zur Natur des Menschen. Einem Hungernden Hilfe zu verweigern, weil man die Achtung auf sein Personsein beschränkt und seine Natur (seine leiblichen Bedürfnisse) außer Acht lässt, wäre unsinnig. Moralisches Handeln betrifft immer auch den Leib. Die zu achtende Person ist kein isoliertes, leibloses Freiheitsatom. Der Leib seinerseits ist keine neutrale, beliebig manipulierbare Materiemasse, sondern ein sinnvoll geordneter Organismus. Der Sinn zeigt sich nicht unabhängig von der Finalität seiner Organe. Finalität bedeutet: Ausgerichtet sein auf einen Zweck. Dadurch bekommt der Leib auch eine normative Bedeutung. Ich darf mit ihm nicht tun, was ich will, sondern muss seine objektive Zweckmäßigkeit achten. Auf diese Weise bekommt auch die eheliche Liebe ihren Sinn und ihre moralische Bedeutung, wie das Zweite Vatikanische Konzil erklärt: Ehe und eheliche Liebe sind ihrem Wesen nach auf die Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft ausgerichtet” (Gaudium et Spes, Nr. 50).

b) Lust und Zweck. Die sexuelle Lust ist nicht das Ziel, sondern bloß die Begleitmusik der ehelichen Liebe. Um einzusehen, worin die Verkehrtheit der Trennung der Begleitmusik vom natürlichen Ziel besteht, bringt Spaemann den Vergleich mit der altrömischen Praxis, bei Gastmählern sich zu erbrechen, um dann weiter essen zu können. Selbst wenn der Zweck dieses Essens nicht nur die Gaumenlust war, sondern das Feiern eines Festes oder die Pflege sozialer Beziehungen, wird durch die Abkoppelung des basalen Zwecks der Nahrungsaufnahme (die Ernährung) von den kulturellen Überformungen das Essen pervertiert. Diese Abkoppelung hebe das Essen nicht eine höhere, humanere Ebene, sondern lässt es auf eine niedere sinken” (Spaemann, Sind natürlich” und unnatürlich” moralisch relevante Begriffe?).

Als eine empirische Bestätigung dieses Satzes kann das Ergebnis der wissenschaftlichen Arbeit des Ethnologen Joseph D. Unwin interpretiert werden, der nach der Erforschung von 80 Naturvölkern zu dem Ergebnis kam, dass der kulturelle Standard um so mehr sinkt, je freizügiger die Sexualität gelebt wird, der Trieb also seines eigentlichen Zwecks beraubt wird.

In diesem Licht wird auch das Diktum Max Horkheimers plausibel, die Pille sei der Tod der Liebe.

c) Kant: Entgegen dem Anschein, den moderne Moraltheologen erwecken, hielt Kant selber an einem solchen normativen Naturbegriff fest. Er kannte Naturzwecke, die der Mensch achten muss. Dazu gehört auch die Achtung des Einzelnen vor seinem eigenen Leib. Für Kant macht der Mensch, der von seiner Geschlechtskraft außerhalb der Ehe Gebrauch macht (außerehelicher Geschlechtsverkehr, Masturbation usw.), sich selbst zu einem Genussmittel. Er verstößt damit gerade gegen den Kategorischen Imperativ, demgemäß man die Menschheit sowohl in der eigenen Person als auch in der Person eines jeden anderen niemals bloß als Mittel brauchen darf. Das gilt auch für die künstliche Empfängnisverhütung.

Die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils ist deshalb gut begründet: „Wo es sich um den Ausgleich zwischen ehelicher Liebe und verantwortlicher Weitergabe des Lebens handelt, hängt die sittliche Qualität der Handlungsweise nicht allein von der guten Absicht und Bewertung der Motive ab, sondern auch von objektiven Kriterien, die sich aus dem Wesen der menschlichen Person und ihrer Akte ergeben und die sowohl den vollen Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den einer wirklich humanen Zeugung in wirklicher Liebe wahren. Das ist nicht möglich ohne aufrichtigen Willen zur Übung der Tugend ehelicher Keuschheit. Von diesen Prinzipien her ist es den Kindern der Kirche nicht erlaubt, in der Geburtenregelung Wege zu beschreiten, die das Lehramt in Auslegung des göttlichen Gesetzes verwirft.” (GS 51).

Normalität – Ist Homosexualität einfach „normal“?

Behauptung

Homosexualität gehört zu den „normalen Formen einer sexuellen Prädisposition.“ (DBK-Expertenrunde mit Bischöfen, Pressekonferenz)

Entgegnung

Es gibt wissenschaftlich keine Hinweise dafür, dass Homosexualität genetisch angelegt sei. Insofern ist es irreführend von einer „sexuellen Prädisposition“ zu sprechen. Wie es zu homosexuellen Empfindungen kommt, darüber gibt es unterschiedliche Erkenntnisse und Spekulationen. Man darf nicht eine statistische Normalität, nach der so und so viele Menschen homosexuell empfinden, mit einer moralischen Normalität, nachdem es normal im Sinne von gut sei, diese Neigung auszuleben, verwechseln. Außerdem ist es eine Definitionsfrage, ob etwas als „normal“ oder „nicht normal“ angesehen werden kann. Sehen wir den Menschen als kreatürliches Wesen, dessen Natur, insbesondere Leiblichkeit Sinn und Bedeutung hat, dann ergibt sich ein anderes Bild, als wenn man eine gnostische Auffassung vom Menschen hat, bei der sich der Mensch über seine eigene Natur erheben und sie weitgehend nach Belieben benutzen kann. Im ersten Fall kann Homosexualität nicht als normal, im zweiten Fall als normal angesehen werden.

Darlegung

Nach der hl. Schrift des Alten und Neuen Testaments hat Gott seine Weisheit in die Natur hineingelegt. Die menschliche Sexualität kann man aus dieser Perspektive nur in einem leib-seelisch-geistigen Zusammenhang als sinnvoll verstehen. Dieser Sinnzusammenhang kommt in der Vereinigung von Mann und Frau in der Ehe zum Ausdruck. Der leiblichen Vereinigung entspricht eine perfekte Passung der Geschlechtsorgane, ihrer Anatomie, Histologie, Physiologie und ihrer familien- und generationenbildenden Fruchtbarkeit. Durch das Ja der Ehe, bei dem der Partner ganz, d. h. auch in seiner zeitlichen Dimension mit seiner Vergangenheit und Zukunft angenommen wird, bekommt diese leibliche Vereinigung von Mann und Frau ihre, der Natur des Menschen entsprechende Würde.

Alle anderen sexuellen Handlungen, die von diesem Sinnzusammenhang abgelöst sind, verletzen die Würde des Menschen entweder auf leiblicher oder auf seelisch-geistiger Ebene und sind daher objektiv sündhaft. Bei der Homosexualität entsprechen sich die Geschlechtsorgane nicht, es besteht per se keine Fruchtbarkeit. So ahmt z. B. nach der amerikanischen Kulturphilosophin und Genderaktivistin Judith Butler der Analverkehr den natürlichen Verkehr nach. Er ist aber offensichtlich von der Natur nicht vorgesehen und gesundheitsgefährdend. Auch fehlt bei homosexuellen Paaren die natürliche psychische Ergänzung der Geschlechter. Homosexuelle Beziehungen zeigen statistisch gesehen eine extrem hohe Brüchigkeit. Wir finden unter Homosexuellen deutlich erhöhte Raten an Herkunft aus zerbrochenen Familien, erlittenem sexuellen Missbrauch, Promiskuität, Pädophilie und an psychischen Erkrankungen und Suiziden. All dies in liberalen Ländern, in denen Homosexualität in der gesellschaftlichen Realität akzeptiert ist. Die empirischen Daten stützen also keineswegs eine Normalität der Homosexualität. Diese Zusammenhänge sind auch mit der Vernunft und ohne christlichen Glauben einsehbar.

Polarität der Geschlechter – Humanwissenschaftlich längst widerlegt?

Behauptung

Humanwissenschaftlich kann man nichts zum Thema Polarität der Geschlechter sagen. Auch in der Tierwelt gibt es Homosexualität.

Entgegnung

Die Polarität der Geschlechter ist Merkmal nicht nur des Humanen, sondern des Lebendigen überhaupt und das schon seit 600 Millionen Jahren. Diese Geschlechtlichkeit, die immer ein Aufeinander zu bildet, asymmetrisch und komplementär zueinandersteht – ist durch eine phantastische Vielfalt gekennzeichnet. Vielfalt ist dabei bezogen auf den Bereich des Lebendigen überhaupt. Vielfalt innerhalb der Arten findet allerdings immer in der Spannung der Polarität des Aufeinander zu der Geschlechter statt. Eine weitere dritte, vierte usw. Beziehungsgröße, kann nicht in der gleichen Kategorie mit dem Begriff „Geschlecht“ bezeichnet werden. Evolutionär wird diese Beziehungsgröße nämlich nur in der polaren Spannung des Männlichen und Weiblichen „getestet“ und zwar daraufhin ob Fruchtbarkeit gesteigert oder gemindert wird. Auch geschlechtliche Anziehungslosigkeit (Asexualität) oder gleichgeschlechtliche Anziehung wird nur ausgebildet, wenn der evolutionäre Selektionsdruck es zulässt. Bei hohem Selektionsdruck bleibt nur die polare Spannung des Weiblichen und Männlichen im Tier- und Pflanzenreich übrig.

Darlegung

Nur ein paar Beispiele wie originell Geschlechtlichkeit über die Arten hinweg strukturiert sein kann: Bei den Seepferdchen werden die Männchen schwanger. So ist etwa der Borstenwurm (Ophryotrocha puerilis), der auch in der Nordsee vorkommt, als Jugendlicher männlich und erwachsen wird er dann „Frau“. Aber das ist noch nicht alles: Begegnen sich zwei weibliche Würmer, taxieren sie einander und einer wird dann zum Mann. (Vgl. dazu Tobias Niemann, Kamasutra kopfüber. Die 77 originellsten Formen der Fortpflanzung, München 2010, 112f) Dass Gottesanbeterinnen nach der Paarung das Männchen auffressen, ist allgemein bekannt. Der australische Beutelteufel vergewaltigt regelmäßig sein Weibchen. Ist er dann ermattet, verjagt, zerkratzt und verbeißt das Weibchen, den jetzt nicht mehr gewalttätigen Partner. In diesem Kaleidoskop der Geschlechterkonzeptionen kommt dann, wie könnte es auch anders sein, Homosexualität vor, und zwar bei zahlreichen Arten. Bei niederen Arten ist es eigentlich immer ein Trick, sich noch besser fortpflanzen zu können. So regen lesbische Beziehungen unter Möwen (Larus occidentalis) an, Eier zu legen, die in der Regel unbefruchtet sind, da wohl aber einige Möwen doch „fremd gehen“, finden sich in den Gelegen auch befruchtete Eier Der Verhaltensforscher Volker Sommer gibt den Grund an: „Bei Möwen ist das Geschlechterverhältnis häufig so verschoben, daß Weibchen überzählig sind. In einer solchen Situation ermöglichen lesbische Beziehungen einigen Weibchen, einen von null verschiedenen Fortpflanzungserfolg zu erzielen, den sie ohne eine solche Beziehung nicht hätten“. (Volker Sommer, Wider die Natur? Homosexualität und Evolution. München 1990, 119) Auch bei unseren nächsten Verwandten kommen gleichgeschlechtliche Akte vor, allerdings – was so gut wie überall gilt, seltener als heterosexuelle Paarungen: „Bei wilden Berggorillas in Ruanda erbrachten 2000 Stunden Beobachtung von insgesamt 20 Tieren ganze 10 Episoden sexuellen Weibchen-Weibchen-Verhaltens“ (Sommer, 111).

Wie sind diese empirischen Beobachtungen zu werten? Ganz allgemein: tierische Verhaltensweisen können inhaltlich kein Maßstab für menschliche Handlungen sein.

Geschlechtlichkeit ist über den Bereich des Lebendigen in einer solchen Verschiedenheit organisiert, dass artübergreifende Beobachtungen nicht eins zu eins übertragen werden können auf die eigene Art. Ein Beispiel aus dem Bereich des Nichtsexuellen: Für uns Menschen ist Farbensehen natürlich. Einige von uns sind allerdings farbenblind. Spaemann schlägt vor, dass der Art angemessene natürlich zu nennen und das auch Vorkommende – wie etwa Farbenblindheit – naturwüchsig zu nennen. Farbenblindheit ist also keine Normvariante des Sehens. Bei Spinnen wäre schwarz-weiß-Sehen allerdings natürlich, käme bei ihnen Farbensehen vor – wir wissen es nicht – wäre das naturwüchsig.

Das reine Faktum Homosexualität im Tierreich kann nur vom Verhaltensspektrum der jeweiligen Art her verstanden werden. In der Regel ist dieses Spektrum auf Bruterfolg hin selektiert. Homosexualität ist in allen Arten, wo sie festgestellt werden kann, selten, das heißt beiläufig. Unter starkem Selektionsdruck würde sie verschwinden.

Beurteilung und Bewertung gleichgeschlechtlichen Verhaltens und Handelns beim Menschen kann nur aus einem anthropologischen Konzept, das im hier zu beurteilenden Fall christlich (biblisch, kirchlich) zu nennen wäre, verstanden werden. Ein solches Konzept sollte vorhanden sein, sonst lassen sich humanwissenschaftliche Erkenntnisse gar nicht integrieren, deuten und verstehen, das Konzept evtl. auch kritisch hinterfragen. Aus humanwissenschaftlichen Erkenntnissen allein kann kein Menschenbild entstehen. Das lehrt jede Wissenschaftstheorie: „Erst die Theorie entscheidet, was man beobachten kann“ wusste schon Albert Einstein. Und wenn es um uns selbst geht, ist die Theorie das anthropologische Konzept, das wir von uns haben. Es entscheidet was die Humanwissenschaften erkennen oder aufgrund der Erkenntnisse kritisch hinterfragt werden muss. Ob gelegentlich vorkommende Unfruchtbarkeit bei Heterosexuellen oder eine manifeste bei Homosexuellen schon erlaubt von Normvarianten des Geschlechtlichen zu reden, entspricht keiner Erkenntnis der Humanwissenschaften, sondern ist ein Werturteil aus einem anthropologischen Konzept heraus. Die Konzeption von Sexualität über alle Gattungen des Lebendigen hinweg auf Fruchtbarkeit hin, ist eine uralte Erkenntnis der Humanwissenschaften. Das Fehlen dieses Aus-sein-auf Fruchtbarkeit hin, kann m. E. nicht rechtfertigen von einer Normvariante des Sexuellen zu sprechen.

Polyvalenz – Hat Sex nicht immer viele gute Funktionen?

Behauptung

Die Einsicht, dass humane Sexualität in ihrer Mehrdimensionalität vom Schöpfergott gewollt ist, wirkt befreiend und zugleich orientierend.

Entgegnung

Die menschliche Sexualität ist in der Tat polyvalent. In ihr werden verschiedene Werte entfaltet. So ist Sexualität Sprache der Liebe, aber auch Quelle der Lust. Sucht jemand Lust ohne Liebe, entspricht diese einseitige Entfaltung von Sexualität nicht dem Schöpferwillen Gottes, weil dies u.U. die Instrumentalisierung des Partners bedeutet. Eine weitere Dimension von Sexualität ist die Fortpflanzung. Wo sie – aus welchen Gründen auch immer – unmöglich ist, dann ist dies eine Mangelerscheinung – und zwar unabhängig von der sexuellen Orientierung das Paares. Mängel aber sind Ausfluss einer verwundeten Welt, nicht Zeichen des Schöpferwillens. Das Abrufen isolierter Werte der menschlichen Sexualität entspricht daher nicht dem Willen des Schöpfergottes, der uns die Sexualität mit ihrem ganzheitlichen Zusammenspiel ihrer verschiedenen Dimensionen geschenkt hat.

Es ist in der Tat ein großer Fortschritt, dass spätestens seit dem 2. Vatikanischen Konzil, vor allem aber seit der Theologie des Leibes von Papst Johannes Paul II., die Mehrdimensionalität menschlicher Sexualität – also Liebe, Lust und neues Leben – als von Gott gegebenes Geschenk und als Reichtum der Person angesehen wird. Das eher leibfeindliche Verständnis des hl. Augustinus, der im sexuellen Trieb des Menschen eine Folge der Sünde sah und die ehelichen „Freuden“ als ein durch die Zeugung von Nachkommenschaft zu rechtfertigendem Übel betrachtete, hatte zwar nachhaltige Wirkung, hatte aber nie die Bibel auf seiner Seite.

Das wusste schon Thomas von Aquin, der erklärte, die sexuellen Freuden seien des Menschen ebenso würdig wie Schlafen, Lachen und ein heißes Bad. Schon in Gen 1,27 wird die Zweigeschlechtlichkeit des Menschen in einem Atemzug mit seiner Gottebenbildlichkeit genannt, und im Neuen Testament lesen wir bei Paulus: „Alles Geschaffene ist in sich gut.“ (1Tim 4,4) Von der Menschwerdung Jesu Christi ganz zu schweigen, in der Gottes Ja zu unserem leiblichen Menschsein unüberholbar und endgültig bestätigt wird. In keiner Religion der Menschheit wird Gott „Fleisch“ (Joh 1,14).

Die Abwertung des Sexuellen war also eine Fehlentwicklung der christlichen Botschaft, die zum Glück korrigiert wurde. Gerade das Schreiben von Papst Franziskus Amoris Laetitia macht das besonders deutlich. Er bereitet seine Überlegungen zur erotischen Dimension der ehelichen Liebe vor mit der Überschrift „Gott liebt das frohe Genießen seiner Kinder“ (AL 147-152). Allerdings gehört bei ihm dieses frohe Genießen in den Rahmen ehelicher, treuer Liebe, die offen ist für das Geschenk von Kindern.

Heute sind jedoch manche Theologen der Ansicht, dass dort, wo nur eine oder zwei der genannten Dimensionen gelebt werden, z.B. die Liebe in treuen, gleichgeschlechtlichen Beziehungen oder die Lust beim verantwortungsvollen „Self Sex“, auch schon gottgewollte Werte verwirklicht werden und dies anerkannt werden müsse. Ja, Rücksicht und Verlässlichkeit muss die Kirche wertschätzen. Aber die Pastoral am Einzelnen, auf seinem mehr oder weniger kurvigen Weg durch das Leben zu Gott, ist etwas anderes als die Aufgabe der Kirche als Lehrer und Prophet. Die Kirche darf nicht nur Teilwerte verkünden, sondern sie muss den Menschen den ganzen, vollen Wert zu Gehör bringen. Die Fragmentierung der Mehrdimensionalität unserer Sexualität führt zur endlosen Kette von Kollateralschäden. Etwas zugespitzt ausgedrückt: Wollen wir nur die Lust, landen wir im Bordell und vor dem Monitor, wollen wir nur das Leben, landen wir in den Zuchtanstalten der Nazis „Kraft durch Freude“, meinen wir nur ein Gefühl von Liebe und keine Verbindlichkeit und keine Dauer, sind wir rasch beim One-Night-Stand; wir handeln uns Bindungsängste ein, Frühschwangerschaften, Abtreibungen: Wir produzieren Dramen durch Seitensprünge, Scheidungen, suchterzeugenden Konsum von Pornographie, … kein sexuelles Problem unserer Zeit, das nicht aus der Fragmentierung von Sexualität entstanden wäre.

Gerade angesichts der von vielen notvoll erlebten Folgen der Realisierung nur eines Teilwertes der menschlichen Sexualität ist das Verkünden des ganzen Schöpferwillens absolut nötig, so wie Jesus es tat auf die Frage nach der Erlaubtheit der Scheidung: „Habt Ihr nicht gelesen, dass der Schöpfer die Menschen am Anfang männlich und weiblich erschaffen hat und dass er gesagt hat: Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden und die zwei werden ein Fleisch sein.“ (Mt19,4.5)

Polyvalenz – Gilt katholische Norm oder humanwissenschaftliche Sinnsuche?

Behauptung

Die normativen Postulate derzeitiger katholischer Sexualmoral widersprechen den Erkenntnissen der Humanwissenschaften über die vielfältigen Sinndimensionen menschlicher Sexualität.

Entgegnung

Humanwissenschaftlerhaben bereits ihre philosophisch-theologischen Denkvoraussetzungen, wenn sie Untersuchungen durchführen. Sie gehen normalerweise nicht vom Menschen als einer Leib-Seele-Geist-Einheit aus, der, von Gott geschaffen, daher auch einen göttlichen Sinn und Auftrag in und an sich trägt. Die Ergebnisse der unterschiedlichen Humanwissenschaften und ihrer Vertreter sind keinesfalls „einheitlich“, z. B. was die Veränderbarkeit von homoerotischem Begehren oder die Ursachen von Paraphilien (sexuelle Neigungen, die von der Norm abweichen) betrifft. Daher kann man aufgrund von Ergebnissen humanwissenschaftlicher Untersuchungen zwar sagen, wie die Mehrdimensionalität von Sexualität heute gelebt wird. Man kann davon jedoch nicht ableiten, wie sie zur Förderung des Lebens und für die Berufung von Mann und Frau dienlich wäre. In katholischer Sexualmoral werden alle Sinndimensionen integrativ auf die Weitergabe des Lebens verstanden. Werden auch nicht alle Sinndimensionen zugleich gelebt, darf jedoch keine explizit ausgeschlossen werden.

Darlegung

Die These von den „vielfältigen Sinndimensionen“ der menschlichen Sexualität (Polyvalenz, Mehr-Wertigkeit) wurde u.a. vom Psychologen und Theologen Josef Duss-von Werth (Concilium, 10/1974) formuliert und war bereits auf der Würzburger Synode (1973) bekannt. Verschiedene Funktionen von Sexualität haben jeweils ihren „Wert“ in den Dimensionen der Fortpflanzung, Beziehungspflege, Identitätsvergewisserung und Lustbefriedigung. Schockenhoff macht durch den Begriff „Polyvalenz“ denkbar, dass man die „Werte“ oder Sinndimensionen von katholischer Seite her alle bejahen, sie dann aber auch voneinander isolieren könne. Dadurch könnte man unterschiedliche Lebensweisen neben der Ehe und Einzelformen von Sexualität rechtfertigen: vor-, außer- und mehreheliche sexuelle Handlungen, wie auch homosexuelle, selbstbefriedigende usw. Da in der Ehe nicht jeder sexuelle Akt zu Nachwuchs führt, wird plädiert, den Kinderwunsch und damit die Fortpflanzungs-Dimension als insgesamt bejaht zu betrachten, auch wenn diese Dimension im einzelnen Akt durch künstliche Verhütung ausgeschlossen wird.

Durch eine insgesamt verantwortliche Gestaltung von Sexualität der Absicht nach könnten einzelne Handlungen von der Kirche bejaht werden, weil sie eine Sinndimension verwirklichen (z. B. Lust), auch wenn sie außerhalb der Ehe, zwischen Gleichgeschlechtlichen oder durch gegenseitiges Gewaltanwenden und Quälen (Sado-Maso-Sexualität) stattfinden. Beziehungs-Ethik soll Akt-Moral ersetzen. Das hieße jedoch, dass der eine Partner den anderen durch die einzelne Handlung in „guter Absicht“ täuschen und mit dem Leib lügen könnte: man gibt sich im sexuellen Akt ganz hin und sagt „ja“ zum Partner, sagt jedoch zugleich „nein“ zu seiner Fruchtbarkeit. Eine wahrhaftig liebende Selbst-Hingabe und Annahme des Partners in der sexuellen Handlung meint aber, dass sie in Bezug auf den Gesamtsinn von Sexualität gemäß unseren Geschlechtsorganen steht, einschließlich der Fruchtbarkeit. Wenn die Handlung (Akt) selbst ausgeschaltet wird aus der moralischen Bewertung und nur noch Absicht oder Umstände zählen, ist der konkrete Sexualakt „frei interpretierbares Rohmaterial“ (Markus Christoph SJM). Damit wird die sexuelle Begegnung als Materielles angesehen, das man „kalkulierend einsetzt und ausnützt“ und dabei entwürdigt (Deus Caritas est 5). Damit werden der Leib und seine Fruchtbarkeit abgewertet.

Die „sittliche Qualität der Handlungsweise hängt nicht allein von der guten Absicht und Bewertung der Motive ab, sondern auch von objektiven Kriterien“ (GS 51), die sich im Wesen des Menschen als Person in ihrer zweigeschlechtlichen Ausprägung finden. Die sexuelle Handlung ist „‚durch ihre natürliche Eigenart‘ auf die Zeugung ausgerichtet“ (AL 80), nicht erst durch das Gesamtverhalten der Partner. – Fortpflanzung und Beziehungspflege gehören in der Ehe eng zusammen, sie sind ein doppelter Primärsinn von Sexualität als Geschenk Gottes und der Ehepartner aneinander. Die Werte oder Sinndimensionen des Lustempfindens, das ein Ausdruck der Kommunikation zwischen Mann und Frau in der Ehe ist, und der Identitätsvergewisserung sind nicht losgelöst zu verstehen.

Da Menschen sexuelle Lust u.a. bei Handlungen erleben, in denen der andere und man selbst Gewalt erleidet und ausübt, kann „Lusterleben“ kein „Wert“ an sich sein. Wie der Appetit beim Essen zur Sättigung eine Quelle der Lebenslust ist, so kann er in der Ess- oder Magersucht exzessiv gesucht oder gestört werden. So ist sexuelle Lust eine beglückende Begleiterscheinung der Fortpflanzung und Ehepaar-Kommunikation, hat jedoch keinen eigenständigen Wert an sich bzw. außerhalb dieses Rahmens. Sexuelles Begehren ist von psychischen Motiven unterlegt, keine rein biologische Kraft. Daher kann es vielfältige seelische Störungen beinhalten, die durch die biographische Entwicklung bedingt sind: nicht nur Pädophilie (Sex mit Kindern) und Hebephilie (Sex mit Jugendlichen), die Schockenhoff explizit ausschließt, sondern auch Ephebophilie (homosexueller Sex eines erwachsenen Mannes an einem Jugendlichen) u.a. Sexuelle Handlungen können ein Versuch sein, seelische Bedürfnisse zu befriedigen, die in der eigenen Kindheit ungestillt waren. Hier braucht es eine klare Sexualethik, um Fehlentwicklungen erkennen zu können. Außerdem ist eine kompetente Begleitung notwendig, um Mittel der Wiederherstellung (innere Heilung, Seelsorge, Therapie) für ein glücklich erfüllendes Leben – in Ehe oder Ehelosigkeit – zu finden.

Relevanz – Geht Sexualmoral an der Lebenswirklichkeit vorbei?

Behauptung

Die Sexualmoral der Kirche widerspricht der Lebenswirklichkeit der meisten Katholiken – und ist deshalb irrelevant.

Entgegnung

Wir Menschen sind Sünder und deshalb ist unsere Lebenswirklichkeit ebenfalls von Sünde geprägt. In der Heiligen Schrift wird den Propheten Israels immer wieder aufgetragen, dem Volk den ganz fremden, ja verstörenden Anspruch Gottes entgegenzuhalten und es zur Umkehr aufzufordern. Denselben Ruf zur Umkehr hören wir auch von Jesus.

Darlegung

Es ist richtig, dass die Sexualmoral der Kirche in unserer Gesellschaft als überholt und lächerlich gilt und dass auch die meisten Katholiken nicht die Kraft haben, sich dieser allgemein verbreiteten Überzeugung zu widersetzen. Es ist aber die Aufgabe der Kirche, das Wort Gottes – ob gelegen oder ungelegen – zu verkünden und die Menschen vor den Anspruch Jesu Christi zu stellen. Er ist der Maßstab für das, was relevant ist, nicht das Verhalten der Mehrheit einer bestimmten Zeit. Vielleicht ist es gerade heute die prophetische Aufgabe der Christen, in einer Welt, in der Sexualität zur Droge geworden ist, von der Liebe Christi Zeugnis abzulegen und davon, dass auch menschliche Liebe ihr Ziel darin hat, sich für die anderen hinzugeben (vgl. Joh 15,13).

Relevanz – Natürliche Familienplanung oder künstliche Verhütung?

Behauptung

Die Unterscheidung zwischen (in der Ehe erlaubter) natürlicher Familienplanung und (generell verbotener) künstlicher Empfängnisverhütung wird von den meisten Katholiken nicht geteilt; sie allein deshalb ethisch irrelevant.

Entgegnung

Die Unterscheidung zwischen erlaubter natürlicher Familienplanung und verbotener künstlicher Empfängnisverhütung ist nicht schwer zu verstehen oder darzulegen. Dass sie dennoch von den meisten (deutschen) Katholiken nicht geteilt wird, liegt eher an einer mangelnden Vermittlung und Verkündigung und ist kein Erweis der Irrelevanz.

Die Scheu, diese moralische Position zu verkünden und zu vertreten, ergibt sich aus einem Missverständnis in der Begründung: nicht der Sexualakt nach erfolgter (künstlicher) Empfängnisverhütung ist in sich schlecht, sondern die Anwendung von Mitteln zur Aussetzung, Verhinderung oder gar Zerstörung der Fruchtbarkeit – die dann auch den folgenden Sexualakt verändert.

Die Begründung ist einleuchtend: Die Bekämpfung der Fruchtbarkeit mit chemischen, medizinischen oder mechanischen Mitteln, als wäre diese eine Krankheit, ist eine grobe Missachtung der natürlichen Integrität des Menschen und der Befähigung der Eheleute durch Gott, concreatores – Mitschöpfer ihrer Kinder zu werden. Gerade Ehepartner, denen die Elternschaft schmerzlich verwehrt bleibt, wissen um den hohen Wert der ehelichen Fruchtbarkeit (Amoris Laetitia Nr. 178). Die Fähigkeit, neues Leben zu empfangen, vorübergehend künstlich, d. h. chemisch oder mechanisch zu unterdrücken oder gar auf Dauer zu zerstören (Sterilisation), widerspricht dem geschuldeten christlichen Respekt gegenüber der uns von Gott geschenkten menschlichen Natur und dem Partner.

Für die NFP gilt dagegen: Das Ein-Fleisch-Werden der Ehepartner bei vorliegender Unfruchtbarkeit kann moralisch nicht bemängelt werden, sondern besitzt auch dann einen eigenen, hohen Wert (Amoris Laetitia 80: «So kann also kein Geschlechtsakt diese Bedeutung bestreiten, auch wenn aus verschiedenen Gründen nicht immer tatsächlich ein neues Leben gezeugt werden kann.»; so auch in Humanae Vitae, 11). Eine vorliegende Unfruchtbarkeit kann aufgrund von biologischen Störungen, dem Alter der Partner oder auch nur zeitlich begrenzt vorliegen. Sie beeinträchtigt nicht die moralische Integrität des Geschlechtsaktes, solange die Fruchtbarkeit nicht gezielt unterdrückt wird (HV 11).

Die bewusste Wahl von unfruchtbaren Zeiten, die den Kern der natürlichen Familienplanung darstellt, ist moralisch unbedenklich, weil die Eheleute die Handlung nicht willentlich verändern, wie bei der künstlichen Empfängnisverhütung. Der chemisch oder mechanisch fixierte Wille eines oder beider Ehepartner verändert, die geistige Haltung in der Handlung.

Fazit: Verhütung verändert den Akt der Eheleute; NFP verändert die Beziehung der Eheleute zueinander und zu Gott. Mithilfe von Verhütung eliminieren die Eheleute den Schöpfungsauftrag «Seid fruchtbar und mehret Euch» – Mann und Frau werden jederzeit verfügbar. NFP hält die Erinnerung an den Schöpfungsauftrag und das göttliche und menschliche Geschenk der Sexualität wach.

Relevanz: Wenn moralische Normen von einem (großen?) Teil der Menschen nicht gelebt werden, kann das daran liegen, dass die Normen nicht anschaulich oder vermittelbar sind. Das ist aber offensichtlich bei der kirchlichen Position zu Mitteln der künstlichen Empfängnisverhütung nicht der Fall, auch wenn dies oft behauptet wird. Die Erfahrung zeigt, dass der o.g. Begründung, wenn sie verkündet wird, durchaus Anerkennung gezollt wird. Sogar Nicht-Gläubige erkennen die humane Bedeutung einer Orientierung an der biologischen Natur der Frau oder des Mannes, die nicht chemisch oder mechanisch manipuliert werden sollte.

Die mangelnde Akzeptanz bei den meisten (deutschen) Katholiken liegt wohl eher an der mangelnden Vermittlung der moralischen Begründung – die ist vielen einfach nicht bekannt. Hinzu kommt die oft ausbleibende Unterstützung durch die kirchliche Gemeinschaft, diesen Wert auch zu leben. (Amoris Laetitia 200)

Segnung – Gnade oder Anspruch?

Behauptung

Da jeder Mensch aufgrund seiner Gottesebenbildlichkeit Anspruch auf den Segen Gottes hat, also unabhängig von seinem Lebenswandel, verbietet sich eine Sanktionierung bzw. Disziplinierung durch die anmaßende Verweigerung der Spendung von Sakramenten oder Sakramentalien.

Entgegnung

Die Behauptung setzt einen nicht vorhandenen Anspruch voraus und unterstellt einen missbräuchlichen Umgang bezüglich der Spendung der Sakramente.

Darlegung

Segen bedeutet laut dem digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache „Gewährung der Gnade, des Gedeihens oder des Schutzes Gottes“. Also schon allein von der Wortbedeutung her ist ersichtlich, dass es keinen Anspruch auf den Segen Gottes geben kann, sondern nur die Bitte um den Segen Gottes.

Dass Gott den Menschen von der Schöpfung her segnet, berichtet Gen 1,27f.: „Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie. Gott segnete sie und sprach zu ihnen: seid fruchtbar und vermehrt euch.“ Daraus ergibt sich aber kein Anspruch des Menschen auf den Segen Gottes, erst recht kein bedingungsloser. Im Gegenteil, in Dtn 11, 26f. legt Mose dem Volk Israel Segen und Fluch vor: „Den Segen, weil ihr auf die Gebote des Herrn, eures Gottes […] hört, und den Fluch für den Fall, dass ihr nicht auf die Gebote des Herrn, eures Gottes hört, sondern von dem Weg abweicht“, den Gott euch vorgeschrieben hat. Der Lebenswandel des Volkes beeinflusst also durchaus, ob es Segen erhoffen darf oder Fluch zu erwarten hat. Dabei ist der Fluch, also das Unheil, weniger das aktive Zorneshandeln Gottes, sondern vielmehr die Konsequenz des eigenen falschen Handelns des Menschen bzw. des Volkes.

Auch Jesus hat nicht einfach alle gesegnet. Er segnete die Kinder und vor seiner Himmelfahrt die anwesenden Jünger. Er machte in den Seligpreisungen deutlich, welche Haltungen selig machen, aber er wirft den Schriftgelehrten und Pharisäern in den Wehe-Rufen auch schonungslos ihr heuchlerisches Verhalten vor und warnt sie vor dem Gericht. Jesus ruft zur Umkehr auf, dazu, dass wir uns neu Gott zuwenden, und unser Leben immer mehr auf Gott hin ausgerichtet ist. Dazu schenkt er uns die Sakramente und Sakramentalien: Um uns auf dem Weg zu Gott und zu einem gottgefälligen Leben zu helfen und zu stärken. Die Sakramente sind kein Belohnungssystem, sondern „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott“ (Lumen Gentium 1).

Weder Sakramente noch Sakramentalien dürfen jedoch dazu missbraucht werden, das falsche Verhalten oder die gottwidrige Einstellung eines Menschen „abzusegnen“, also Gottes Zustimmung zu etwas zu suggerieren, das der biblischen Offenbarung oder durch die Kirche eindeutig als wahr anerkannten Glaubensüberzeugungen widerspricht.

Segnung – Haustiere ja, aber gleichgeschlechtliche Paare nein?

Behauptung

Die Kirche segnet doch Haustiere, Motorräder und Autos – da soll es illegitim sein, zwei gläubige Menschen zu segnen, die sich lieben?

Entgegnung

Das lateinische Wort für „segnen“ ist „bene-dicere“; das bedeutet wörtlich übersetzt: „gut-heißen“. Wenn die Kirche segnet, dann stellt sie jemanden oder auch etwas unter die „Gutheißung“ Christi. Wer sich von einem Beauftragten der Kirche segnen lässt, bekennt sich öffentlich zu Christus und seiner Kirche. Alle Geschöpfe können gesegnet werden. Sie werden durch den Segen von Christus und der segnenden Kirche „gut-geheißen“.

Jede Frucht der Erde, jede Pflanze, jedes Tier und erst recht jeder Mensch kann gesegnet werden. Aber es kann nicht schlechthin alles gesegnet werden. Gesegnet werden kann nur, was Christus gutheißen kann. Ein Wohnhaus kann gesegnet werden, nicht aber ein Mafiatreffpunkt. Die Waffe, mit der ein Polizist sich im Notfall verteidigt, kann gesegnet werden, nicht aber ein Folterwerkzeug.

Man kann im Einzelfall darüber streiten, ob etwas von Menschen Geschaffenes dem Willen Christi entspricht oder nicht. Entscheidend aber ist nicht, was der Einzelne meint, sondern was die Kirche als den Willen Christi erkannt und zur Regel erhoben hat. Besonders die öffentlichen Handlungen der Kirche – dazu gehören auch alle von ihren Vertretern vorgenommenen Segnungen – müssen in Einklang stehen mit ihren Regeln. Andernfalls widerspricht die Kirche sich selbst.

Wenn zwei sich liebende Menschen von der Kirche den Segen Gottes für ihre Beziehung erbitten, dann muss die Kirche prüfen, ob diese Beziehung von Christus gutgeheißen werden kann. Nun bindet die Kirche das sexuelle Zusammenleben von zwei Menschen an die Unterschiedenheit von Mann und Frau. Denn Sexualität ist auf neues Leben hin geordnet. Und weil das sexuelle Zusammenleben von Mann und Frau die Entstehung eines neuen Menschen zur Folge haben kann, sagt die Kirche: Das Geschenk der sexuellen Vereinigung soll dem Menschen vorbehalten sein, von dem ich sicher weiß, dass er (bzw. sie) Vater (bzw. Mutter) meiner Kinder werden soll (bzw. will). Nicht zufällig bindet die Kirche eine gültige Ehe an die Bereitschaft, einem einzigen Menschen lebenslang treu zu sein und mit ihm Kindern das Leben schenken zu wollen. Die Kirche achtet die Freiheit aller und sie verurteilt niemanden, der diese Regel nicht befolgt. Sie weiß auch, dass heute die meisten jungen Menschen nicht auf die Ehe warten wollen und oft verschiedene intime Beziehungen haben, bevor sie sich – wenn überhaupt – fest binden. Aber gutheißen (segnen) will und kann die Kirche außer- oder voreheliche sexuelle Beziehungen nicht – weder die zwischen heterosexuell noch die zwischen homosexuell veranlagten Menschen. Denn wie gesagt: Die sexuelle Vereinigung von Liebenden gehört in die Ehe zwischen Mann und Frau; sie ist auf Nachkommenschaft ausgerichtet und sollte daher dem einen Menschen vorbehalten werden, der Mutter bzw. Vater der eigenen Kinder sein soll.

Segnung – Laut Bibel darf man alle segnen?

Behauptung

Aus bibeltheologischer Sicht steht offiziellen Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare nichts entgegen. Eine neutestamentliche Segenstheologie baut auf dem unkonditionierten Segenszuspruch Gottes auf und möchte mit ihm ein sittlich verantwortetes Leben gestärkt sehen.

Entgegnung

Hier wird sehr thetisch formuliert, ohne dem differenzierten biblischen Befund gerecht zu werden. Außerdem ergeben sich bei Annahme dieser These erhebliche bibelhermeneutische Probleme.

„Segen“ bzw. „segnen“ mit dem Subjekt Gott bzw. von ihm beauftragten Menschen, die in seinem Namen segnen, bedeutet jemandem Lebensfülle zuzusprechen. Insofern begegnen besonders im Alten Testament Segnungen und Segensverheißungen häufig im Zusammenhang mit der Verheißung der Mehrung des Volkes, wie es besonders exemplarisch im Fall von Abraham geschieht (vgl. Gen 22,17). Ein so von Gott gesegneter, also mit der Lebensfülle Gottes begnadete Mensch kann dabei zum Segen für andere werden (vgl. Gen 12,3).

Im Buch Deuteronomium wird unter Aufnahme eines Elementes des altorientalischen Vasallenvertrages bestimmten Handlungen der Segen Gottes verheißen (28,1-14). Ihm steht der Fluch Gottes für den Fall eines Verstoßes gegen die Rechtssätze, die Gott seinem Volk durch die Mittlerschaft des Moses am Berg Horeb gegeben hat, gegenüber (Dtn 28,15-68). Segen ist hier also eindeutig konditioniert. In ähnlicher Weise wird auch im Neuen Testament in Apg 3,26 der Segen Gottes durch den Knecht Gottes – Jesus Christus – mit der Abwendung der Gesegneten vom Bösen verbunden. Es kann also in Bezug auf diese Stelle nicht von einer unkonditionierten Segenszusage die Rede sein.

Unter den entsprechend Lev 26,14-38 angedrohtem Fluch für den Verstoß gegen die Weisungen Gottes steht nicht zuletzt praktiziertes homosexuelles Verhalten (vgl. Lev 20,13). Mag sich heute die Beurteilung homosexuellen Verhalten gegenüber den alttestamentlichen Vorgaben auch differenzierter darstellen, so steht eine Segnung homosexueller Paare im Sinne einer Billigung dieses Verhalten seitens Gottes dennoch in diametralem Gegensatz zum Zeugnis der von Gott ergangenen Offenbarung und wirft dann die Frage auf, inwieweit die Hl. Schrift, nicht zuletzt das Alte Testament und seine Rezeption im Neuen Testament überhaupt noch norma non normata sein kann. Unbenommen dessen ist natürlich eine Segnung jedes einzelnen Menschen unabhängig von seiner sexuellen Orientierung jederzeit möglich. Gesegnet wird hier ja nicht ein bestimmtes Verhalten, sondern jenem Menschen wird die Begleitung, Güte und Stärkung Gottes persönlich zugesprochen. Eine Segnung von zwei Menschen hingegen, die ihren Lebensweg gemeinsam gehen wollen ist nur im Rahmen der unauflöslichen sakramentalen Ehe zwischen Mann und Frau sinnvoll und möglich, ist doch diese Gemeinschaft u.a. auf die Weckung neuen Lebens hin ausgerichtet, wofür gerade der bräutliche Segen ein tiefes Zeichen der Zuwendung und Begleitung Gottes ist.

Segnung – Lassen sich Segen und Sakrament noch unterscheiden?

Behauptung

Eine Verwechslung von Segenshandlungen mit der Sakramentenspendung (sakramentale Ehe) ist nicht gegeben.

Entgegnung

Etymologisch und formal besteht zwischen Sakrament und Sakramentalie „Segen“ Verwechslungsgefahr. Den Unterschied kennen die meisten Menschen nicht.

Darlegung

Die Kirche unterscheidet zwischen Sakramentalien und Sakramenten. Allein durch die Ähnlichkeit der beiden Begriffe besteht erhebliche Verwechslungsgefahr.

Wenn im Vorbereitungsgespräch zur Eheschließung oder auf einem der zahlreichen Ehevorbereitungstage gefragt wird, warum zwei Eheleute kirchlich heiraten möchten, dann antworten sie oft: „Weil wir den Segen Gottes für unsere Ehe haben möchten.“ Sie erbitten also die Sakramentalie „Segen“, die einen Augenblick dauert und auf die Ehe vorbereiten soll, meinen aber das Wirken Gottes im Sakrament der Ehe, das bewirkt, was es bezeichnet, nämlich lebenslange Treue, das gegenseitige Wohl und Zeugung und Erziehung ihrer Kinder.

Erst im Verlauf des Gesprächs wird ihnen oft klar, dass nicht der Priester oder Diakon das Sakrament der Ehe spendet, indem er die Hände über sie erhebt bzw. ein Kreuzzeichen über ihnen macht und ihren Bund segnet, sondern dass sie sich gegenseitig als Getaufte das Sakrament der Ehe spenden durch das Ja-Wort, das sie austauschen.

Wenn nun schon die Eheleute selbst den Unterschied zwischen Sakramentalie und Sakrament nicht kennen, um viel weniger ihre (oft der Kirche fernstehenden) Familienangehörigen, Freunde und die der Katholischen Kirche in weiten Teilen entfremdete Gesellschaft.

Diese innere Verwechslungsgefahr zieht die äußere beim Gottesdienst in der Kirche nach sich. Sowohl die Sakramentalie „Segnung von zwei Personen“ als auch das Sakrament der Eheschließung enden mit dem Segen des Priesters/Diakons. Dabei stehen oder knien beide Personen/die Eheleute vor dem Priester. Dieser breitet die Hände über die beiden Personen/Eheleute aus, spricht ein Segensgebet und segnet beide Personen mit dem Kreuzzeichen. In beiden Fällen entsteht der Eindruck, dass durch den Segen des Priesters etwas besiegelt und kirchlich offiziell gutgeheißen wird. Segnen bedeutet ja „benedicere“ – etwas Gutes sagen, etwas gutheißen. Ein „Durchschnittgläubiger“ kann selten unterscheiden, ob bei der Segnung durch den Priester nun eine Sakramentalie oder das Sakrament der Ehe vorliegt. Der Gestus und die Form des Segensgebets sind in beiden Fällen gleich. Beides wird durch den Segen des Priesters von der Kirche gutgeheißen.

Wenn nun z.B. ein gleichgeschlechtliches Paar oder zwei zivil wiederverheiratet Geschiedene um den Segen der Kirche als Sakramentalie bitten würden, besteht eine innere und eine äußere Verwechslungsgefahr: einerseits entsteht der Eindruck, dass die Sakramentalie „Segen“ ein Sakrament, nämlich eine Eheschließung, darstellt, andererseits entsteht der Eindruck, dass die Kirche die Verbindung dieses Paares, das sie durch ein Segensgebet und den Gestus segnet, in all ihren Dimensionen (auch der sexuellen) gutheißt.

Segnung – Segnet Gott oder segnet die Kirche?

Behauptung

Der Segen kommt nicht von der Kirche, sondern von Christus, also von Gott. Die Kirche hat nicht die Macht, Segen und seine Präsenz zu generieren, sondern die Autorität, seine Präsenz zu lokalisieren und seinen Ort zu vergegenwärtigen.

Entgegnung

Es besteht kein Zweifel, dass jeder Segen von Gott kommt. Er hat uns durch Christus „mit allem Segen seines Geistes gesegnet“ (Eph 1,3). Die Gegenwart des Segens wird von der Kirche aber nicht bloß lokalisiert, sondern – in einer gewissen Nachahmung der Sakramente – mit Vollmacht vermittelt. Jesus segnete die Jünger, als er in den Himmel aufgenommen wurde (vgl. Lk 20,50f.). Die Kirche setzt das segnende Wirken Jesu in seinem Namen fort.

Segen Gottes, der durch dafür erwählte Priester vermittelt wird, sehen wir schon im schon im Alten Bund. Bekannt ist das Wort des Herrn an Mose: „Sag zu Aaron und seinen Söhnen: So sollt ihr die Israeliten segnen; sprecht zu ihnen: Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Frieden. So sollen sie meinen Namen auf die Israeliten legen und ich werde sie segnen“ (Num 6,23-27).

Im Neuen Bund ist es ähnlich: Christus ist „das Ja zu allem, was Gott verheißen hat“ (2 Kor 1,20). Er ist der Ewige Hohepriester, der uns durch die Hingabe seines Lebens von den Sünden befreit und mit Gott versöhnt hat. Die Kirche hat den Auftrag, das Geschenk des vom Herrn erwirkten Heils den Menschen zuzuwenden, vor allem durch die Sakramente, aber auch durch die Sakramentalien, zu denen in erster Linie die Segnungen gehören.

Im Unterschied zu den Sakramenten sind die Segnungen und die übrigen Sakramentalien von der Kirche eingesetzt, „um gewisse Ämter …, gewisse Lebensstände, vielerlei Umstände des christlichen Lebens sowie den Gebrauch von Gegenständen, die dem Menschen nützlich sind, zu heiligen“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1668). Alle Gläubigen sind berufen, aufgrund des allgemeinen Priestertums ein Segen zu sein und andere zu segnen (vgl. Röm 12,14; 1 Petr 3,9). Denken wir etwa an den Elternsegen. Aber je mehr eine Segnung das offizielle kirchliche Leben betrifft, desto mehr ist ihr Vollzug dem geweihten Amt vorbehalten, also den Bischöfen, Priestern und Diakonen. Die Kirche regelt den Ablauf solcher Segnungen in einem eigenen Buch, dem „Benediktionale“.

Segnungen sind keine magischen Zeichen, sondern setzen den Glauben voraus. Je mehr das Herz bereitet ist, desto fruchtbarer kann ein Segen werden. Weil die Kirche alle Menschen, ja die ganze Welt zu Gott hinführen möchte, kennt sie eine Vielzahl von Segnungen. Ausgeschlossen vom Segen ist lediglich die Sünde. Denn was gegen Gottes Willen gerichtet ist, kann nicht von ihm und folglich auch nicht von der Kirche „bene-diziert“, also gutgeheißen werden.

Sünde/Sex – Sünde und Unzucht nur alte Begriffe?

Behauptung

Begriffe wie „Sünde“, „Keuschheit“ oder „Unzucht“ werden von vielen Gläubigen als unverständlich und unzeitgemäß wahrgenommen. Diese Begriffe müssen im Licht von Beziehungsethik neu betrachtet werden.

Entgegnung

„Sünde“ (Joh 8,34), „Keuschheit“ (Mt 5,28) und „Unzucht“ (Mk 7,21) sind biblisches Urgestein und Lehre Jesu. Sie können auch durch beziehungsethische Betrachtungsweisen nicht relativiert werden.

Der Begriff der „Beziehungsethik“ bezeichnet eine moraltheologische Methode, die in jüngster Zeit vor allem in Deutschland stark rezipiert wurde. Sie stellt eine wichtige Ergänzung zu anderen Ethiken dar, kann aber nicht als alleinige Kriteriologie zur Beurteilung moralischer Handlungen herangezogen werden. Recht hat die Beziehungsethik, wenn sie feststellt, dass eine Moral, die sich nur an einzelnen Verboten orientiert und permanent das Versagen von Menschen thematisiert, nicht unbedingt hilfreich ist, um Menschen auf den Weg zum Guten zu bringen. So muss sich die Sexualmoral weiterentwickeln, beispielswiese durch Elemente aus der responsiven Wertethik (Handeln muss eine adäquate Wertantwort auf das Gute geben) oder der Tugendethik (Menschen müssen in einen Prozess auf das Gute hingeführt werden). Auch die Beziehungsethik (Handeln muss auch die Beziehungsqualität von Menschen beachten, die sich objektiv in einer irregulären, fragwürdigen oder sündigen Situation des Miteinanders befinden) kann neue Aspekte beitragen.

In seinem Buch „Freie Liebe – Über neue Sexualmoral“, spricht Bernhard Meuser jedoch auch über die Notwendigkeit von „wahrhaftigen Beziehungen“ und „richtigen Relationen“ – er sagt: „Gerhard Schröder und Wladimir Putin können eine ´glänzende Beziehung´ haben, dennoch glänzt das Glänzende in falschem Glanz, weil man eben doch nicht unter den Tisch schlagen kann, dass Wladimir Putin kein ´lupenreiner Demokrat´ und Gerhard Schröder Aufsichtsratsvorsitzender der Nord Stream AG ist, die zu 51 % dem russischen Staat gehört. Es ist eine Illusion, wenn man annimmt, man könne ´Werte wie Liebe, Freundschaft, Verlässlichkeit, Treue, gegenseitiges Für-einander-Einstehen und Solidarität´ (Eberhard Schockenhoff) von ihren Termen ablösen und sie wie neutrale, für sich stehende Einheiten behandeln. Niemand bestreitet die herzliche Liebe des Bankräuberpärchens Bonny und Clyde, die mit Zungenkuss besiegelte Freundschaft von Honecker und Breschnew, die wackere Treue der deutschen Nation zu Wilhelm II., das eindrucksvolle Für-einander-Einstehen der RAF-Terroristen und die bombenfeste Solidarität der US-Army-Piloten mit Richard Nixon. Eine moralische Betrachtung wird aber diese Art von fragmentierter Betrachtung für künstlich halten und weiterhin von Bankraub, Verrat, Kadavergehorsam, Terrorismus und Völkermord sprechen. Fast jede missbrauchte Person wird die Erfahrung bestätigen, dass ihr Missbraucher kein stringentes, in jeder Hinsicht böses Monster war, sondern sich zum Teil durch eine Fülle guter Eigenschaften auszeichnete. Aber niemand wird auf den Gedanken kommen, man müsse beim Täter zunächst einmal die von Großzügigkeit geprägte Beziehung würdigen.“

Theologie des Leibes – Besser als ihr Ruf!

Behauptung

Die ‚Theologie des Leibes‘ von Johannes Paul II. gelangt nicht zu der Ansicht, dass das sexuelle Begehren und der Triebcharakter des Eros positiver Ausdruck menschlicher Körperlichkeit und Lebenslust sind.

Entgegnung

Die Theologie des Leibes als „besonderer Teil der theologischen Anthropologie“ (TdL 3,4) bedenkt gerade den Aspekt der menschlichen Körperlichkeit in all ihren Dimensionen auf dem Boden der schöpfungstheologischen Überzeugung von der Gutheit der ganzen Schöpfung.

Darlegung

Die positive Bedeutung der menschlichen Körperlichkeit durchzieht wie ein roter Faden die unter dem Terminus Theologie des Leibes bekannten Mittwochskatechesen Johannes Pauls II. aus den Jahren 1979-1984.

Bereits die ersten Ausführungen mit dem Bezug zu den biblischen Schöpfungstexten thematisieren das Staunen über das Geschenk des anderen Menschen gerade in seiner Körperlichkeit (TdL 1-23), ein Staunen, das im Ausspruch Adams zum Ausdruck kommt: „Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch.“ (Gen 2,23) Dieses Staunen greift die Passage zum biblischen Hohenlied wieder auf (TdL 108-113), in der ausgiebig die körperliche Freude und Erfüllung gepriesen wird. Eigens spricht Johannes Paul II. die körperliche Dimension als „Quelle der gegenseitigen Bezauberung“ und als „Anziehungskraft für die andere Person“ (TdL 108, 6) an. Das Gespräch der Brautleute des Hohenliedes bezeugt nach Johannes Paul II. die „subjektive Bezauberung … in der gegenseitigen Ekstase durch das Gute und Schöne der Liebe“ (TdL 110,4). Für die damalige Öffentlichkeit erwies sich das offene Sprechen des Papstes über die körperliche Freude gar als anstößig, so dass Johannes Paul II. nur eine verkürzte Fassung vortrug (vgl. Norbert und Renate Martin in ihrer Einleitung zur zweiten deutschen Ausgabe).

Die anderen Passagen der Theologie des Leibes – etwa zum reinen Herzen und zur Frage der Reinheit allgemein (TdL 24-63) oder aber zur Sakramentalität der Ehe (TdL 87-102) und der ethischen Frage von Humanae vitae (TdL 118-132) – kreisen auch um die Frage, wie das Geschenk über den Partner in seiner Körperlichkeit und die körperliche Freude im personalen Bund von Mann und Frau gepflegt werden kann und diesen Bund ganzheitlich erfüllt. Die Bezauberung über den geschenkten Menschen gerade in seiner Körperlichkeit darf nämlich nicht dazu führen, die körperliche Freude vom personalen Miteinander zu trennen. Übrigens belegen auch humanwissenschaftliche Erkenntnisse die Bedeutung einer festen personalen Verbundenheit für die körperliche Erfüllung, die dann ihrerseits wieder dieses personale Miteinander stärkt.

Es sei abschließend darauf hingewiesen, dass Papst Franziskus in seinem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Amoris laetitia bei seinen Ausführungen zur erotischen Liebe und ihrer Gefährdung (150-157) die Theologie des Leibes von Johannes Paul II. zu seinem maßgeblichen Bezugspunkt nimmt. Nicht weniger als 14 der 19 Fußnoten in diesen Kapiteln beziehen sich auf die Theologie des Leibes. Wenn also Walter Kasper in seinem Buch Die Botschaft von Amoris laetitia lobt, „dass nun in Amoris laetitia ein Papst – endlich – ohne Scheu positiv von der erotischen Dimension der Liebe spricht“, dann gilt angesichts der maßgeblichen Bezugsquelle von Amoris laetitia dieses Lob – ob von Walter Kasper gewollt oder nicht – in gleichem Maße der Theologie des Leibes von Johannes Paul II. und der kirchlichen Sexualmoral.

Wertschätzung – Verweigert die Kirche Anerkennung?

Behauptung

Die Kirche anerkennt nicht, dass Menschen, die in den Augen des Lehramtes in irregulären Beziehungsverhältnissen leben, dort Werte wie Treue, Verlässlichkeit, Beständigkeit und gegenseitige Verantwortung tagtäglich leben.

Entgegnung

Das ist schlicht falsch. Die Kirche anerkennt in verschiedenen ihrer Dokumente und Lehräußerungen, dass Menschen auch in irregulären Beziehungsverhältnissen Werte wie Treue, Verlässlichkeit, Beständigkeit oder Verantwortung leben.

In keinem dieser neueren Dokumente leugnet die Kirche, dass Menschen in irregulären Beziehungsverhältnissen diese Werte leben. Das Gegenteil ist der Fall: „Es gibt den Fall einer zweiten, im Laufe der Zeit gefestigten Verbindung, mit neuen Kindern, mit erwiesener Treue, großherziger Hingabe, christlichem Engagement, mit dem Bewusstsein der Irregularität der eigenen Situation und großer Schwierigkeit, diese zurückzudrehen, ohne im Gewissen zu spüren, dass man in neue Schuld fällt… Es muss ganz klar sein, dass dies nicht das Ideal ist, welches das Evangelium für Ehe und Familie vor Augen stellt“ (AL 298).

Man darf vermuten, den Autoren geht es vorrangig weniger um „irreguläre Verhältnisse“ in Bereich Ehe als um homosexuelle Beziehungsverhältnisse, von denen sie (zu Recht) behaupten, dass in ihnen selbstverständlich auch echte Werte gelebt werden. Die Realisierung einzelner objektiver Werte in einem Beziehungsverhältnis ist noch keine moralische Qualifizierung eines bestimmten Beziehungsverhältnisses. Wenn man denn Beziehungsverhältnisse qualifizieren möchte, sollte man sich andere Fragen stellen: Haben Sie einen guten Ursprung oder entspringen sie vielleicht einem falschen Begehren (etwa den Begehren eines Erwachsenen nach einem Kind oder dem Begehren eines Mächtigen nach einem Abhängigen). Wird in ihnen jemand instrumentalisiert? Ist absehbar, dass sie ein gutes Ende nehmen, den beteiligten Menschen also wirklich helfen? Befinden sie sich in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes?

Männlich und weiblich erschuf er sie – Eine biblische Fallskizze zu Gen 1 und Lev 18 und 20

Martin Brüske

Die Frage, ob die Kirche theologisch verantwortet homosexuelle Lebensgemeinschaften segnen kann, entscheidet sich letztlich vor dem Zeugnis der Schrift. Die These der folgenden Überlegungen besteht darin, dass die Schrift in ihrer Anthropologie der Geschlechter dafür keinen Raum lässt. Die Kirche sieht sich deshalb nicht ermächtigt, aktive homosexuelle Lebensgemeinschaften als solche zu segnen, solange sie sich an die Schrift gebunden weiß.

Das aber heißt nicht, dass homosexuell empfindende Menschen aufgrund dieser Empfindung außerhalb des Heiles stehen, dass sie nicht als einzelne selbstverständlich gesegnet werden können, dass sie die kirchliche Gemeinschaft – und dies nicht erst, wenn sie enthaltsam leben – selbstverständlich willkommen heißt und dass die Freundschaft derer, die auf ihrem geistlichen Weg zur Enthaltsamkeit gefunden haben, ebenso selbstverständlich gesegnet werden kann. Zu praktizierter Homosexualität kann die Kirche jedoch aufgrund ihrer Bindung an die Schrift grundsätzlich nicht ja sagen. Dennoch bewertet sie auch praktizierte Homosexualität differenziert: Sie würdigt alles Gute, das in einer verbindlichen Beziehung realisiert wird. Sie ist – wie immer und im

Blick auf uns alle – bereit, nicht-perfekte Menschen auf ihren geistlichen Lebenswegen zu begleiten.

Wichtig ist für die folgende Argumentation, dass ihr Ausgangspunkt nicht die Negation ist. Deshalb beginnt sie mit der Skizze einer Auslegung der so ungeheuer kompakten und wuchtigen einschlägigen Aussagen in Gen 1 und schaut erst dann auf das Verbot von Lev 18 und 20.1

Schöpfung in Unterscheidungen

Der erste Schöpfungsbericht (Gen 1,1-2,4a) ist theologisch in seiner Tiefe strukturiert durch Unterscheidungen: Licht und Dunkelheit, Himmel und Erde, Land und Meer. Der schöpferische Vorgang der Scheidungen formt das chaotische Zusammen von Erde, Urflut und Finsternis zum bewohnbaren Kosmos, zum Schöpfungshaus, in dem der Mensch seinen Ort findet. Die Unterscheidungen, die das Chaos des ersten Anfangs zur Gestalt und Ganzheit je komplementärer Andersheit in der Einheit formen (z.B. Licht und Dunkelheit im Rhythmus der Zeit: es wurde Abend, es wurde Morgen – ein Tag), bilden ein zentrales Moment von Güte und Schönheit der Schöpfung.

Mit Licht, Dunkelheit, Himmel, Erde, Land und Meer hat das Werk der Unterscheidungen aber Ziel- und Höhepunkt noch nicht erreicht. Erst die Erschaffung des Menschen schliesst diesen Vorgang ab. Sie wird am Ende des sechsten Schöpfungstages emphatisch mit einem „sehr gut“ hervorgehoben, überwölbt nur noch von der Ruhe Gottes am siebten Tag. Schauen wir noch genauer hin:

„Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie.“ (Gen 1,27)

Auch die Erschaffung des Menschen geschieht also als Werk der Unterscheidung. Mehr noch: Als Zielpunkt wirft sie ihr Licht zurück auf die anderen Scheidungen. So sagt sie: Es ist gut, ja sehr gut, dass die Schöpfung ihre Gestalt und Ganzheit, und darin ihre Einheit, nicht als „Einerlei“ findet, sondern jeweils als komplementäre Andersheit. Diese komplementäre Andersheit besteht im Falle des Menschen in Mann und Frau. Höchst bedeutsam ist dabei, dass der Text betont auf die leibliche Gestalt abhebt. Hier steht nicht isch (Mann) und ischa (Frau), sondern zakar und nekeba. Englisch z.B. mit „male“ und „female“ übersetzt, fehlt im Deutschen die direkte Übersetzungsmöglichkeit. Man müsste eigentlich mit „Männchen“ und „Weibchen“ übersetzen, was in der deutschen Sprache nicht geht, weil in unserer Sprache die Ausdrücke semantisch auf das Tierreich beschränkt sind (in anderen Sprachen ist dies nicht so). Deshalb die hilfsweise Übersetzung mit „männlich“ und „weiblich“, die aber den Akzent der Bedeutung nur unzureichend deutlich werden lässt. Das Unterscheidungswerk der Schöpfung vollendet sich in der leibhaften Doppelgestalt von Mann und Frau. In heutiger Sprache der Wissenschaften vom Menschen: Im konstitutiven Dimorphismus.

Gottes Ebenbild als Einheit und Andersheit

Schon dies ist eine theologisch wuchtige Aussage, die ihr Gewicht noch erhöht, wenn man sich nun klarmacht, dass der Text die Gottebenbildlichkeit des Menschen zentral mit dieser Doppelgestalt verbindet. Gerade sie macht etwas von Gott im Bild gegenwärtig. Es fällt auf, dass der Dimorphismus bei der Erschaffung der Tiere noch nicht auftaucht, sondern dass er prononciert theologisch eingeführt wird: Gerade an der leiblichen Doppelgestalt wird die theologische Qualifikation des Menschseins deutlich. Das kann wiederum nur heißen, dass Gott auf eine Weise lebendig ist, die kein „Einerlei“ ist, sondern Einheit und Andersheit umschließt.

Diese programmatisch hervorgehobene Einheit des Menschseins in komplementärer Andersheit ist religionsgeschichtlich eine Besonderheit. Seine Einheit wird weder als ungeschieden-androgyner Ursprung gedacht, noch als ursprüngliches „Mannsein“, so dass der eigentliche Mensch der Mann ist und die Frau lediglich die defizitäre Ableitung. Die Einheit des Menschseins erscheint und verwirklicht sich ursprünglich als Mannsein und Frausein. Und zwar in ihrem Zueinander. Denn der unmittelbar damit verknüpfte Segen erweist die komplementäre Andersheit als fruchtbar: Vom Zueinander von Mann und Frau, von ihrer leibhaftigen Doppelgestalt aus, öffnet sich der Segensraum der Fruchtbarkeit.

Das sind Aussagen von höchstem theologischem Gewicht: Die Bibel kennt keine andere inhaltliche Zuordnung als diese komplementäre Andersheit von Mann und Frau, in der sich die Einheit des Menschseins verwirklicht, zu Segen und Fruchtbarkeit. Versuche, diesen Befund zu umgehen, müssen entweder unsere Bindung an das biblische Zeugnis aufgeben oder die Texte in einer exegetisch wie theologisch nicht zu verantwortenden Weise umdeuten.

Der zweite Schöpfungsbericht widerspricht diesem Befund nicht nur nicht, sondern verstärkt und ergänzt ihn. Es ist dann alles andere als Zufall, dass Jesus in Mt 19, 4-5 (und Kontext) beide Schöpfungsberichte programmatisch für seine Argumentation verbindet. Dies weiter zu verfolgen, wäre ungeheuer spannend, führt uns aber von unserem Thema weg.

Du darfst nicht mit einem Mann schlafen?

Entscheidend wichtig für unsere Frage ist dagegen, dass die innerbiblischen Rezeptionsvorgänge von Gen 1, die sich mit dem (homosexuellen) Jenseits dieser fundamentalen Grundgestalt des Zueinanders der Geschlechter auseinandersetzen, jeweils programmatisch an die Anthropologie von Gen 1 anknüpfen. Dabei wird klar, dass hier tatsächlich eine Grenze besteht, die zu überschreiten die Kirche nicht ermächtigt ist. Wir werden das am Beispiel von Lev 18 und 20 skizzieren. Ebenso wichtig wäre es natürlich, Röm 1 einzubeziehen2.

„Du darfst nicht mit einem Mann (zakar!) schlafen, wie man mit einer Frau (ischa) schläft; das wäre ein Gräuel.“ (Lev 18,22; vgl. 20,13). Hier wird in der Form apodiktischen Rechts der Beischlaf zwischen Männern verboten und gleichzeitig theologisch qualifiziert. Es ist ohne jeden Zweifel hermeneutisch geboten, diese Stelle im Zusammenhang und nicht isoliert zu interpretieren. Kurzschlüssig und falsch wäre es, die anthropologische, ethische und theologische Bewertung des außerordentlich komplexen Phänomens Homosexualität ausschließlich auf diese Stelle zu stützen oder gar, mit dem bloßen Verweis darauf, die Diskussion abzubrechen.

Im Zusammenhang nach vorne und hinten interpretiert, bildet sie aber sehr wohl einen wichtigen Baustein in dieser Diskussion. Nach hinten: im Kontext der Schöpfungstheologie des ersten Schöpfungsberichts; nach vorne: durch ihre Rezeption im Corpus Paulinum (1Kor 6,9; 1Tim 1,10). Der dort zweimal verwendete Terminus arsenokoites – in 1Kor ein Neologismus des Paulus! – ist direkt aus dem Septuaginta-Text der Levitikus-Stellen abgeleitet. Luther übersetzt missverständlich mit Knabenschänder, die Einheitsübersetzung setzt das Missverständnis fort, gemeint ist der aktive Partner im homosexuellen Verkehr. Der Ausschluss der Stellen aus Levitikus von der Diskussion um die theologisch-ethische Bewertung homosexuellen Verhaltens muss also als ebenso willkürlich, wie ihre biblizistische Isolierung zurückgewiesen werden.3

In Lev 18 und 20 befinden wir uns theologisch also in jener Linie (gewöhnlich als „priesterlich“ oder „priesterschriftlich“ bezeichnet), die vom ersten Schöpfungsbericht ausgeht. Wir haben gesehen, dass dort die leibhaftige Unterschiedenheit von Mann und Frau der Höhepunkt des Unterscheidungen schaffenden Handelns Gottes ist, in der Unterschiedenheit aber gerade zugleich das fruchtbare Zueinander im Segensraum Gottes begründet liegt. Diese Unterscheidungen, in der die Schöpfung Gestalt gewinnt, begründen zugleich und entscheidend ein wesentliches Moment ihrer Güte. Es ist dabei auffällig, dass in Lev 18 für den „Mann“ wiederum „zakar“ verwendet wird, wie schon in Gen 1, und damit wiederum das leibhaft-gestalthafte Moment („Männchen“) betont ist. Nimmt man diesen Hintergrund der Anthropologie des ersten Schöpfungsberichts an, dann wird das Beischlafverbot für Männer und seine theologische Qualifikation völlig durchsichtig. Hier wird die göttlich gestiftete Güte der Schöpfung an ihrer empfindlichsten Stelle, dort wo sie im Dimorphismus der Geschlechter Gott im Bild repräsentiert, tangiert.

Damit ist die Diskussion um Homosexualität nicht beendet

Mit dem Verweis auf die biblische Anthropologie/Schöpfungstheologie von Gen 1 und ihre Auswirkung in Lev 18 und 20 ist diese Anthropologie und ihre ethischen Implikationen noch nicht wirklich in der Tiefe verstanden. Die Kirche wird die Gültigkeit dieser Anthropologie, an die sie gebunden ist, heute verantworten müssen.

Was aber nicht geht: diesen biblisch-theologischen Befund einfach beiseite zu schieben. Die Kirche würde mit dem brechen, was sie bindet. Das zerstört die Möglichkeit eines seriösen theologischen Diskurses. Der biblische Befund ist als grundlegende Orientierung zu rezipieren, so wie innerbiblisch diese Rezeption schon im Corpus Paulinum erfolgt ist. Deutlich ist auch, dass eine sachgemäße Auslegung von Lev 18 (20) im Rückgriff auf Gen 1 und seine Theologie der Unterscheidungen, das Argument, der alte Orient kenne keine Homosexualität als partnerschaftliche, stabile Beziehung und der Text trage deshalb für unsere heutige Diskussion nichts aus, als haltlos erscheinen lässt. Es greift nicht. Wir haben es mit einem in sich durchsichtigen und konsistenten Begründungszusammenhang innerhalb der Bibel, nämlich auf der Grundlage der Theologie der guten Unterscheidungen im ersten Schöpfungsbericht, zu tun.

Die Kirche kann also diesen Befund nicht einfach übergehen: So lange die Kirche sich an diese fundamentale Anthropologie – auch wenn sie sich in jeder Hinsicht um ihr immer tieferes Verständnis mühen muss – gebunden weiß, wird sie aktive homosexuelle Lebensgemeinschaften nicht segnen können. Letztlich steht hier ihr Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes zur Debatte: nichts weniger!


  1. Selbstverständlich ist dies keine vollständige Darstellung des Schriftbefunds. Lediglich eine – wenn auch gewichtige – Linie soll hier exemplarisch verdeutlicht werden.↩︎
  2. Diese Interpretation soll hier aber unterbleiben, damit die Skizze nicht ausufert.↩︎
  3. Ein Beispiel ist die Kommentierung der beiden Levitikus-Stellen im weit verbreiteten „Stuttgarter Alten Testament“, die auf Erich Zenger zurückgeht und deren Neubearbeitung Thomas Hieke zu verantworten hat. Zenger/Hieke identifizieren sachrichtig und für Leserinnen und Leser hilfreich den schöpfungstheologischen Hintergrund, der auf schöpfungsgegebene Unterschiede abziele und von genau der Theologie gespeist wird, die ihre Grundlage im ersten Schöpfungsbericht hat („im Kontext der priesterlichen ‚Ordnungstheologie’“). Anstatt nun genau hier einen wertvollen Ansatzpunkt für Anthropologie und Ethik des Geschlechterverhältnisses zu finden und dadurch auch das Verbot des Beischlafs zwischen Männern durchsichtig zu machen, woraus sich nun für einen normal entwickelten logischen Folgerungssinn Implikationen im Blick auf das größere Phänomen Homosexualität ergeben, wird den verblüfften Leserinnen und Lesern zweimal begründungslos eine solche Folgerung verboten. Wieso eigentlich? Tatsächlich verbieten hier zwei Exegeten im Gestus des unanfechtbaren Experten dem biblischen Wort, dass es reden darf! Und dies aus offensichtlichen Gründen, die von außerhalb des biblischen Wortes kommen. Man muss wissen, was man tut: Hier wird das Schriftprinzip aus ideologischen Gründen sistiert. Das bedeutet, die Grundlagen christlicher Theologie zu verlassen. Es ist dies gerade dann vollkommen willkürlich, wenn man jenseits eines primitiven Biblizismus hermeneutisch sorgsam mit dem Wort umgehen will, aber in gehorsamer Bindung an dieses Wort und nicht nur eben so weit, wie es ideologisch gerade passt.↩︎