Der Bischof lächelt zufrieden in die Kamera. Der Satzungsentwurf für eine „Synodalkonferenz“ ist durch – mit einem Abstimmungsergebnis wie in der DDR! Bischof Wiesemann: „Auf diesem Weg echter Teilhabe und gemeinsamer Verantwortung werden wir konsequent vorangehen – auch mit Blick auf den aktuellen Strukturprozess …“ Bald schon werde man „gemeinsam entscheiden“.
Ein Brief an den Oberhirten des Bistums Speyer
Sehr geehrter Bischof Wiesemann,
eigentlich sind Sie ja Ostwestfale, aber Sie leben schon so lange in der Pfalz, dass Ihnen das Wörtchen „bedubbe“ zu Ohren gekommen sein müsste. Die Pfalz war lange Zeit französisch besetzt, und so sind manche Begriffe in den Wortschatz der Pfälzer eingewandert. Bedubbe kommt vermutlich von „duper“ = täuschen, hintergehen. Wenn Sie sich den Absturz der Katholischen Kirche in der öffentlichen Wahrnehmung vor Augen führen und nicht nur mit Ihrer Entourage darüber reden, sondern mit den Leuten am Speyerer Altpörtel, werden Sie Sätze hören wie „Mer meent jo, grad wermer vun de Kierch bedubbt …“ zu deutsch: „Gerade könnte man den Eindruck gewinnen, man würde von der Kirche getäuscht werden …“
Wohin blicken die Leute, wenn sie von der Kirche reden? In erster Linie auf die Bischöfe. Auf Leute wie Sie. Es ist nicht nur die gummiartig sich hinziehende Aufarbeitung der Vertuschungssszenarien beim sexuellen Missbrauch, auch nicht allein das peinliche Herumstottern in der Brosius-Gersdorf-Affäre oder die Anbiederung an den gesellschaftspolitischen Mainstream. Es ist die gespaltene Zunge, mit der die Kirche durch ihre Hirten gerade spricht. Regensburg spricht anders als Dresden/Meißen, Passau anders als Essen. Wer Rom fragt, bekommt andere Antworten, als wer sie bei der deutschen Dependance bestellt. Zwischen dem verbindlichen Katechismus der Weltkirche und den deutschen „Wahrheiten“ in Theologie, Anthropologie und Ethik, wie sie auf dem (man muss es immer dazu sagen: deutschen) „Synodalen Weg“ öffentlich wurden, liegen Welten.
Über das Wir-Sagen in der Kirche
Nun ist die Theologie nicht der Koran, sondern die wissenschaftliche und methodische Reflexion über Gott und den Glauben der Kirche. Wenn wir hier schon alles wüssten, könnten wir die Theologie verklappen. Maßgeblich oder verbindlich sind die Gedankenspiele der Theologen nicht. Streng genommen ist es unmaßgeblich, was auch immer besser wissende Theologen, phantasievolle Anthropologen und törichte Ethiker an partikulärer Meinung in die Kirche hineintragen. Schlimm wird es für die Kirche, wenn Bischöfe eine Lehre daraus machen, die sie mir „wir“ vortragen. Paul VI. konnte noch gute Gründe für die Verwendung des „pluralis majestatis“ anführen und im Namen der Kirche „wir“ sagen. Albern ist die Wir-Formel bei einer älteren (nicht mehr sehr zahlreichen) Gruppe von Aktivisten, die sich „Wir sind Kirche“ nennt.
Auf der Homepage des Bistums lächeln Sie, Herr Bischof, in die Kamera. Zufrieden, glücklich, wie nach getaner Arbeit. Als sei ein großes Werk vollbracht, das noch eine letzte Hürde nehmen muss. Der Papst soll endlich einen Haken drunter machen, soll absegnen, was „wir“ wollen. Sie erwecken den Eindruck, als sei das eine reine Formalie. Doch enthält Ihre mit reichlich Pathos vorgetragene Siegesmeldung zur Satzung für die „Synodalkonferenz“ so ein prekäres „Wir“, das bei einem Gutteil Ihrer Gläubigen den Blutdruck erhöht, weil sie sich „bedubbt“ (man könnte auch sagen „verarscht“) fühlen. Sie sagen: „Damit haben wir verbindliche Strukturen geschaffen, durch die – nach der noch ausstehenden Bestätigung durch Rom – der Synodale Weg der Kirche in Deutschland dauerhaft Gestalt gewinnt.“ Lassen wir mal die salvatorische Klausel in Richtung Rom weg (mit der auch sonst der Text der Satzung bis an die Peinlichkeitsgrenze gespickt ist), dann steht Ihr forsches „Wir“ ziemlich schief in der Welt, weil ungefähr alles, was von diesem Wörtchen „wir“ zusammengebunden wird, falsch ist. Im Einzelnen:
- „Verbindliche Strukturen“ für alle in der Kirche zu schaffen, steht nicht in der Befugnis einer losen Vereinigung einiger (aber nicht aller) Bischöfe und einer, im ZdK gebündelten, elitären Interessengruppe von Laien (aber nicht aller Laien in der Kirche). Mehr ist ja der „Synodale Rat“ bei Licht besehen nicht, wiewohl er sich hier als verfassungsgebende Versammlung aufbläst und so tut, als repräsentiere er die „ganze Kirche“. Was diese Vorzeige-Laien betrifft: Das einst ruhmreiche und verdiente „ZdK“ spiegelt längst nicht mehr das Spektrum gläubiger Katholiken in Deutschland wieder und wird auch von einem Großteil der Gläubigen nicht als legitime Vertretung akzeptiert. Wer hat dieses sich selbst erhaltende Gremium von besoldeten Kirchenbeamten, liberalen Verbandsfunktionären und politiknahen Kirchensympathisanten denn gewählt? Ich kenne niemanden. Die Letzten, die diese sich tief in die Struktur der Kirche eingefressene Laienspielgruppe noch für „die Laien“ halten, sind Bischöfe, die die Zeichen der Zeit nicht erkennen und in Rom vortragen, die ganze deutsche Kirche bestehe aus A und B, DBK und ZdK.
- Während die Weltsynode die Katholische Kirche mit einem neuen Stil echter Partizipation voranbrachte, ist der deutsche „Synodale Weg“ mit Aplomb gescheitert. Wer – außer den Beteiligten und ihren unmittelbaren Sympathisanten – möchte, dass dieses luftgefüllte Millionengrab nun auch noch mit Kirchensteuermitteln „auf Dauer gestellt“ wird? Diesem (von Gläubigen zu bezahlenden Wunsch) verweigern sich nicht nur die Bischöfe der Südschiene – ergo: Liebe Speyerer, das zahlt Ihr! -, sondern auch eine zunehmende Zahl von Gläubigen, denen nicht einleuchtet, wofür die überstrukturierte Katholische Kirche in Deutschland nun auch noch die Funktionärsspielwiese einer „Synodalkonferenz“ braucht. Je länger sich der SW hinzog, desto größer wurde das allgemeine Desinteresse daran, während sich bei konservativen, charismatischen und romorientierten Katholiken wachsende Abstoßungsreaktionen zeigten. Wach wurde hingegen die Weltkirche, die das Gespenst einer zweiten Reformation aus Deutschland kommen sah. International angesehene Kardinäle erhoben warnend ihre Stimme, Theologen überführten die Texte ihrer Ideologiehaltigkeit und theologischen Dürftigkeit. Rom kippte nach und nach nahezu alle Beschlüsse der unbelehrbaren Deutschen. Fazit: Statt eine Welle gläubiger Reformbegeisterung auszulösen, zerriss der deutsche Synodale Weg die Kirche und ließ Misstrauen in die Bischöfe wachsen, – mindestens in jene, die sich als Erfüllungsgehilfen woker Denkspielen erwiesen oder sich für die Kirchenverbesserungsideen der liberalen Neuerer vereinnahmen ließen. Der „Synodale Weg“ vermochte nicht zu sammeln. Er spaltete die Gemeinschaft der Gläubigen bis in die letzte Gemeinde hinein. Statt die Kirche im Evangelium zu erneuern und zu einen, hat er sie in chaotische Zustände überführt, in der jeder machen darf, was er will …
- Das Elitäre, Partikuläre und Gewaltsame der Vorgehensweise scheint Ihnen, Herr Bischof, nicht vor Augen zu stehen: die Verwandlung der Kirche in eine aufgeladene Politarena, die durchgepeitschten Beschlüsse, die Immunisierung gegen Kritik, die Diffamierung und Ausgrenzung der Skeptiker usw. Das alles scheinen Sie vergessen zu haben, wo Sie jetzt von einem „Weg echter Teilhabe“ und „gemeinsamer Verantwortung“ sprechen. Entschuldigen Sie, – aber das genau ist der verlogene Kirchenjargon, der denkende Menschen abstößt und junge Menschen von der Kirche fernhält. Wenn Sie wüssten, wie viele Priester, haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter und einfache Diözesanen sich beim „Neuen Anfang“ gemeldet haben, weil sie in den Strukturen Ihres linientreuen Bistums nicht mehr den Mund aufmachen konnten, ohne ausgegrenzt zu werden und mit beruflichen Folgen rechnen zu müssen. Die Gläubigen, die sich von Ihnen und Ihrem Apparat verlassen fühlen, sind in der Regel keine dumpfen „Rechtskatholiken“ (wie man neuerdings alle eher konservativen Katholiken beschimpft), sondern intelligente, diskursfähige Leute, die sich zuschulden kommen ließen, die gleiche Meinung zu haben wie das Zweite Vatikanische Konzil und alle Päpste seither. Lächelnd setzen Sie sich darüber hinweg. Sie glauben, das teure Desaster des deutschen „Synodalen Weges“ noch mit einer „Synodalkonferenz“ krönen zu dürfen? In Wahrheit prolongieren Sie die strukturelle Gewalt, die über Jahre hinweg alles erlaubte, bloß keine „echte Teilhabe“. Bischöfe und Weihbischöfe fühlten sich überfahren und ausgetrickst. International hoch angesehene Theologinnen wie Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, Katharina Westerhorstmann und Marianne Schlosser stiegen unter Protest aus. Und fanden darin die spontane Zustimmung von Papst Franziskus.
Warum erinnert mich das alles an die DDR?
1945, als es erste Planspiele für das gab, was 1949 die DDR wurde, ließ ein gewisser Walter Ulbricht seine Kampfgefährten wissen: „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“ Die DDR kennzeichnete nichts so sehr wie die Art, mit der man mit Andersdenkenden umging. Sie wurden eingemeindet, verschluckt von der Partei, die immer recht hat. Anfangs sah es noch nach wirklichen Parteien aus, am Ende stand eine waffenstarrende Einheitspartei: „echte Teilhabe“ und “gemeinsame Verantwortung“ gebündelt in einer Diktatur. Wer über die Grenze ging, wurde erschossen.
„Parteien“ sind Formationen, die es in der Kirche nicht geben dürfte: Zusammenschlüsse von Gleichgesinnten mit der politischen Absicht, die „Anderen“ aus dem Feld zu schlagen, die Macht zu erobern und zu bestimmen, wo es langgeht. Würde die Kirche aus Parteien bestehen, wäre sie eine auf Dauer gestellte Kampfzone. In der Politik darf die Mehrheit über die Minderheit triumphieren. „Bei euch aber soll es nicht so sein“ (MK 10,43) Zum Wesen echter synodaler Prozesse gehört der Konsens und nicht das Niederringen, Ausgrenzen, An-die-Wand-Spielen von Andersdenkenden. So sagt Kardinal Koch: „Während das demokratische Verfahren vor allem der Ermittlung von Mehrheiten dient, ist Synodalität ein geistliches Geschehen, das sein Ziel darin findet, in den Glaubensüberzeugungen und in den daraus fließenden Lebensweisen des einzelnen Christen und der kirchlichen Gemeinschaft auf dem Weg der Unterscheidung tragfähige und überzeugende Einmütigkeit zu finden. Die Synode ist deshalb „kein Parlament, wo man sich auf Verhandlungen, auf die Aushandlung von Absprachen oder Kompromissen stützt, um einen Konsens oder eine gemeinsame Vereinbarung zu erreichen. Die einzige Methode der Synode ist dagegen, sich mit apostolischem Mut, evangeliumsgemäßer Demut und vertrauensvollem Gebet dem Heiligen Geist zu öffnen, damit er es sei, der uns führt.“
Der letzte Akt in der großen Täuschung
In der Kirche darf es Menschen geben, die öffentlich sagen, dass sie den deutschen „Synodalen Weg“ für Täuschung, ja für die große Täuschung halten. Getäuscht wurden wir alle. Uns wurde „Synode“ vorgespielt, wo es in Wahrheit weder eine kirchliche Legitimation noch echte Entscheidungsbefugnis gab; man hatte sich kurzerhand selbst ermächtigt. Getäuscht wurden die Opfer sexueller Gewalt, deren Leid man benutzte, um eine fünfzig Jahre alte liberale Agenda durchzusetzen. Getäuscht wurden die Gläubigen von Bischöfen, denen man Erneuerung vorspielte, wo es verstrickten Hirten (mindestens auch) um Verwischung ihrer Spuren in Sachen Vertuschung ging. Getäuscht wurden die Gläubigen von ihren vermeintlichen Laienvertretern, denen es (mindestens auch) um Funktionärsmacht und Hoheit über die Kasse ging. Getäuscht wurde die Öffentlichkeit, der man Reue und Demut vorspielte und bei der man mit gesellschaftspolitischer Ergebenheit um Kreditwürdigkeit bettelte. Getäuscht wurden Männer, Frauen, Familien, Kinder, deren ethisches Fundament man in einer permissiven Sexualethik preisgab. Und als sich die große Täuschung herausstellte, hat man zuletzt noch „die Satzung einer künftigen ´Synodalkonferenz´ verabschiedet, bei der mühsam versucht wurde, eine Art kirchlichen Parlamentarismus (in Wahrheit eine Oligarchie der Funktionäre) der Verfassungsordnung der Kirche äußerlich anzupassen.“ (Martin Brüske)
Es mag sein, Herr Bischof, dass Sie das alles nicht federführend betrieben haben, dass sie nur mitgelaufen sind, als der deutsche „Synodale Weg“ beschlossen wurde, dass Sie auch nur mit anderen die Hand gehoben haben, als man darüber abstimmte, ob die Versammlung auch Beschlüsse „gegen die Lehre der Kirche“ fassen dürfe, dass Sie niemals – oder täusche ich mich? – mit „Nein“ votierten, wo die synodale Mehrheit die kontinuierliche Lehre der Kirche verließ, dass Sie einer von denen waren, die ihre bischöfliche Alleinbindung an das Evangelium preisgaben und sich zur „Selbstbindung“ an Gremienbeschlüsse bereitfanden, dass in Ihrem Bistum und mit Ihrer Billigung fröhlich weitergesegnet wurde, als der Heilige Stuhl diese Akte verbindlich untersagt hatte, und, und, und … Können Sie Gläubige verstehen, die Ihre lächelnd vorgetragene Siegesmeldung in den habituellen Ungehorsam einordnen, mit dem nicht nur sie, sondern zum schlimmen Ende auch noch Rom und der Papst „bedubbt“ werden sollen?
Die Satzung, die nun mit barocken Bücklingen und hyperorthodoxer Rhetorik in Rom eingereicht wird, ist der x-te Versuch, die lästige Zentrale zu linken und den Widerstand der Universalkirche zu brechen. „Wie schon so oft im sogenannten ‚synodalen Prozess‘“, urteilt der angesehene Kirchenrechtler Heribert Hallermann, „wird auch an dieser Stelle deutlich, dass ganz bewusst mit Unschärfen gearbeitet wird, um das eigene Anliegen voranzubringen.“
Natürlich durchschauen die Römer das doppelbödige Spiel, wie sie auch in der Vergangenheit aufmerksam registrierten, was Bischof Bätzing von dem in Deutschland kommunizierte, was ihm in Rom untersagt wurde. Jetzt hoffen die im „Synodalen Rat“ Versammelten, dass ihr politisches Kalkül aufgeht, die liberalen Optionen durch die Hintertür und unterhalb der Radarschwelle doch kommen, weil endlich auch Rom weichgekocht ist und – so nicht aus Überzeugung, so doch genervt und aus staatspolitischer Klugheit – der Mogelpackung zustimmt. Danach freilich würde die Katholische Kirche in Deutschland nicht mehr die Katholische Kirche sein. Eine Zustimmung Roms wäre der Verrat an den eigenen Grundlagen in der Ekklesiologie und der Sexualethik. Es wäre die Toleranz der Lüge.
Tatsächlich ist es eine Versuchung. Kardinal Parolin, der Chef des Staatssekretariats (und die Nummer Zwei im Vatikan), der immer um die Gesichtswahrung der deutschen Bischöfe bemüht war, könnte vor den Folgen erschrecken, die ein finales Nein des Heiligen Stuhles auf die Statik der deutschen Bischofskonferenz, das Verhältnis zum Staat, die Beziehung der Gläubigen zum Papst und die sprungbereite öffentliche Meinung haben würde. Der „Schwarze Peter“ läge bei Rom. Die fraglichen Bischöfe wären bis auf die Knochen blamiert.
Tatsächlich wäre ein „Ja“ aus Staatsraison eine Lüge. Es wäre zu allem Elend auch noch die vatikanische Beteiligung an der großen Täuschung. Die vielen Gläubigen, die heute schon auf dem Sprung sind, die Kirche zu verlassen, werden ihr Vertrauen endgültig verlieren. „Die, die kirchlich fühlen und denken, werden sich in die innere Emigration zurückziehen und die Kirche in Deutschland wird still zerfallen.“ (Martin Brüske)
Entschuldigen Sie, Herr Bischof, wenn ich Sie (stellvertretend für andere) hart angehe. Mir ist Ihr Lächeln ins Gesicht gesprungen. Und leider ist mir dabei das Lachen vergangen.
Bernhard Meuser

