„Seht, wie sie einander lieben!“ Diese Worte des antiken Schriftstellers Tertullian, mit denen er sich über das Miteinander der ersten Christen freute, rufen die Leute auch über meine (Traum-) Kirche der Zukunft aus. Vor der Kirche begrüßen sich fröhlich ganz unterschiedliche Menschen. Eine Sonntagsmesse, auf die ich mich die ganze Woche freue!
Eine Pfarrei, in der der Priester gerne mit den Laien, die mit ihm den Glauben an Christus in der Eucharistie und der Beichte praktizieren, zusammenarbeitet. Ein Priester, der in die Glaubens-Ausbildung von Laien investiert, in Männer und Frauen, um sie zu verantwortungsbewussten Mitarbeitern auszubilden, die eigenständig – in Rücksprache mit ihm – Bereiche in der Pfarrei organisieren und leiten: Die Arbeit mit Senioren und Kranken, den Dienst an Armen und Bedürftigen, die Arbeit mit Kindern, mit Familien, die Chöre und Bands, die Gebetskreise, die Jugendgruppen, Bibelkreise, Glaubenskurse und eine Erwachsenenbildung, die ausrüstet für den Dienst der Laien in ihren Berufen.
Gemeinsam Gemeinde erfahren
Eine Pfarrei, in der es Kleingruppen (Pfarrzellen) gibt, so dass man vertrauensvolle freundschaftliche Beziehungen aufbauen kann. So ist keine Messe mehr nur eine anonyme Fast-Food-Veranstaltung, nach der jeder fluchtartig den Ort verlässt, sondern eine würdige Feier unseres gemeinsamen Glaubens an den auferstandenen Christus, der sich uns im eucharistischen Opfer schenkt. Mit einer Predigt, in der Jesus Christus anhand der Bibel und der Lehre der Kirche verkündet wird, sein Leben, Leiden, sein Kreuz und seine Auferstehung lebendig werden, eine Predigt, die Kraft schenkt – und meinen Glauben weckt und vertieft! Eine Feier der Messe, in der man spürt, dass der Priester glaubt, was er betet. Er scheut sich nicht, von seinen eigenen Glaubenserfahrungen zu sprechen.
An der Kirchentür werde ich freundlich von zwei lächelnden Ehrenamtlichen Mitarbeitern – einer jungen Dame und einem älteren Herrn – willkommen geheißen. Hier spüre ich schon, dass Gott Menschen liebt – dass auch ich gemeint bin mit Seiner Liebe … Sie wünschen mir eine gute Andacht und drücken mir freundlich einen Newsletter in die Hand. Sie haben, bevor sie ihren Dienst antraten, gebetet: „Herr, ich tue diesen Dienst für Dich! Schenke mir Deine Liebe für die Menschen und wirke Du, Heiliger Geist, durch mich. Amen.“ Alle Mitarbeiter in der Pfarrei wissen, dass Gott durch sie wirken kann und will. Dass es um einen Dienst an Gott und an Menschen geht, nicht um eine Plattform zur Selbstdarstellung. Sie haben eine Ausbildung durchlaufen, die damit beginnt, dass sie die Mülleimer leeren, das Pfarrheim putzen und Kaffee kochen, bevor sie Lektoren und Kommunionhelfer werden. Aber vor all dem haben sie eine lebendige Beziehung zu Jesus Christus kennen gelernt, beten zu Hause in ihren Familien und finden es normal, in der Bibel zu lesen und nach Gottes Willen für ihr Leben zu fragen.
Näher zu Jesus
Ich höre, wie die Jugend-Band noch das letzte Lied probt. Sie können Gottesloblieder spielen – und die neuen geistlichen Lieder lernen sogar die Senioren neu kennen über den Beamer, der die Texte an eine Leinwand wirft. Die Musik und die anbetende Haltung der Musiker und Sänger zieht uns alle ins Gebet, näher hin zu Jesus. Egal, ob Jugendband, Blasmusik, Orchester oder der Chor – alle wissen, dass es um die Anbetung Gottes, nicht um sie und ihre schöne Performance geht.
Dann beginnt die Messe, der Höhepunkt der Woche in der Pfarrei, auf den ich mich jedes Mal freue, denn ich treffe dort Jesus – aber auch lauter Freunde, ältere, gleichaltrige, jüngere – obwohl ich nicht in dieser Stadt aufgewachsen bin. Zu Beginn der Messe bittet uns der Priester, uns umzuschauen, andere zu begrüßen, besonders die, mit denen wir noch nie gesprochen haben, die wir noch nicht gut kennen. Nach der Messe werde ich jemanden suchen, den ich neu ansprechen kann, damit sich auch dieser Mensch willkommen fühlt. Ich werde ihn mit anderen ins Gespräch bringen, damit er noch mehr Menschen hier kennen lernt und sich zu Hause fühlen kann. Nach der Messe bleiben wir zum Kirchenkaffee, manchmal gibt es auch ein Mittagessen und wir bleiben noch da zu Workshops in den Altersgruppen (Kinder, Pre-Teens, Teens, Erwachsene) zu verschiedenen Themen, um uns auszutauschen und miteinander zu lernen. Vor allem lernen sich so die Kinder kennen, denn jedes der Kinder, die noch in der Kirche gehen, ist das einzige in seiner Klasse und hat es nicht leicht, gegen den Strom zu leben. Ein Fest für meine Familie – mein Höhepunkt der Woche, für den ich gerne meine Sport- und Wanderfreude auf den Samstag verlege.
Freunde im Glauben
Während der Woche treffe ich mich mit einem Kreis von unterschiedlichen Menschen zu Gebet und Bibellesen und persönlichem Austausch. Wir beten für unsere Anliegen, aber auch für die Bekehrung der Nachbarn. Auch ein Mädchen, das mit ihrer gleichgeschlechtlichen Anziehung ringt und bisher buddhistische Meditation praktizierte, ist in unserer Pfarrzelle. Sie ist ganz jung im Glauben an Christus und öffnet sich – nach einem Jugend-Alphakurs – langsam, um aus dem gemeinsamen Bibellesen und von uns anderen, Singles, Familienmütter und -väter zu lernen. Denn: „Glaubensüberzeugungen werden nicht mit Predigten und durch Lehre verändert, sondern indem man Vertrauen aufbaut durch Beziehungen, durch Anteilnahme, durch Zugehörigkeit.“ (James Mallon, „Divine Renovation“ – Wenn Gott seine Kirche saniert) In diesem Kreis kann ich mich öffnen und auch einmal weinen – denn ich weiß, die anderen halten das aus und beten dann für mich. Und feiern gemeinsam mit mir die kleinen Fortschritte und manchmal sogar Erfolge, die ich in der Nachfolge Jesu erreiche.
Dr. Beate Beckmann-Zöller