In der vergangenen Woche haben DBK und EKD das gemeinsame Projekt vorgestellt. Ein ehrlicher Blick zeigt, dass der gute Ansatz noch in vielen Punkten ausbaufähig ist, meint Peter Winnemöller.
Der Titel ist zunächst einmal verwirrend, es handelt sich nicht um ein einfaches Kartenwerk, das Kirchen aufspürt. Vielmehr handelt es sich um ein soziologisch-demoskopisches Werkzeug, das die kirchliche Situation in verschiedenen Regionen des Landes in Zahlen und numerischen Verhältnissen darstellt. Anzeigen lassen sich Bundesländer, Kreise und Regierungsbezirke. Unterschieden wird nach Katholisch, Evangelisch und Sonstige. In der jeweiligen Auswahl wird dann die Bevölkerungsverteilung entweder relativ oder absolut dargestellt, je nach getroffener Auswahl. Die absolute Darstellung gibt auch einen grafischen Eindruck von der Dichte der Besiedlung der Gebiete. Außer nach dem Glaubensbekenntnis lassen sich auch noch Nationen darstellen. Deutsche Staatsangehörige kann man sich nicht anzeigen lassen. Es wird unterteilt nach Österreich/Schweiz, andere europäische Staaten, außereuropäische Staaten, postsowjetische Staaten sowie USA/Kanada/Australien/Neuseeland. Anzeigen lassen sich ferner Zuwanderungen nach Konfessionen und nach Alter. Taufen im Verhältnis zu Geburten und Kasualien. Ferner können auch Aufnahmen und Austritte dargestellt werden.
Gedacht ist der Ökumenische Kirchenatlas als ein Arbeitsinstrument für alle, die in pastoralen Handlungsfeldern Entscheidungen treffen müssen. Seien es Pastoralpläne, Personalpläne, Einsatz von Ressourcen oder Geldmittel, die erstellt und geplant werden müssen. Zwar lassen sich aus dem reinen Zahlenwerk von evangelischen und katholischen Einwohnern oder ähnlichen Zahlen keine unmittelbaren Handlungsoptionen ableiten, doch die Einwohnerstruktur spielt sicher eine Rolle bei der Entwicklung von Handlungsoptionen. Entscheider wie auch Planer können diese in die Prozesse einspeisen.
Die Zahlen hängen in der Luft
Dem Atlas fehlt leider eine Legende, mithin lässt sich nicht exakt ermitteln, für welche Zeiträume die Zahlen stehen. Ferner lassen sich die Angaben auf Kreise oder Kreisfreie Städte anzeigen, ebenso für Bundesländer und für ganz Deutschland. Das sind jedoch nicht die kirchlich relevanten Entscheidungsgrößen. Eine Darstellung auf Bistümer, Dekanate und Pastorale Räume wäre nicht nur wünschenswert, eine solche Option verliehe dem Werk überhaupt erst kirchliche Relevanz. Gleiches gilt natürlich für die Landeskirchen und deren Unterteilungen äquivalent. Eine dynamische Darstellung der Veränderungen über die Jahre könnte zudem bei Überprüfung gefällter Entscheidungen im Rückblick helfen.
Ein erheblicher demoskopischer Fehler ist die vorgenommene Grobrasterung Katholisch, Evangelisch und Sonstige. Weder über Angehörige der Ostkirchen, der Kirchen des Orients noch über Mitglieder von Freikirchen, die gerade eine besondere Dynamik entwickeln, gibt es Zahlen. Ferner werden die Zugehörigen anderer Religionen nicht erfasst. Gerade die Frage nach dem muslimischen Anteil an der Wohnbevölkerung wäre zurzeit eine interessante Kennzahl. Auch Zahlen und Daten zu jüdischem Leben fehlen leider völlig. Fast 60 Jahre nach Nostra aetate sollte ein Ökumenischer Kirchenatlas zumindest ansatzweise die interreligiöse Dynamik in seinem Erfassungsbereich darstellen. Immerhin gehören auch Optionen bezüglich des interreligiösen Dialoges zu den Handlungsfeldern der Pastoralplaner. Je heterogener die Bevölkerung wird, umso wichtiger wird dies.
Rechtliche Fehler der Seite sind peinlich
Dass der ökumenische Kirchenatlas weder ein Impressum noch eine Datenschutzerklärung enthält, mithin nicht einmal einem Mindestmaß rechtlicher Anforderungen an Webseite, die in Deutschland gehostet wird, aufwarten kann, darf als veritabler Skandal angesehen werden. Vermutlich schützt die Betreiber vor einer teuren Abmahnung bislang nur das vollkommen marginale Interesse an dem Projekt. Trotzdem sollte dieser Mangel schleunigst abgestellt werden. Abgesehen davon wird es spannend zu beobachten, wohin sich das Projekt entwickelt und wie es genutzt werden wird.
Peter Winnemöller
Journalist und Publizist. Autor für zahlreiche katholische Medien. Kolumnist auf dem Portal kath.net. Im Internet aktiv seit 1994. Eigener Weblog seit 2005. War einige Jahre Onlineredakteur bei „Die Tagespost“. Und ist allem digitalen Engagement zum Trotz ein Büchernarr geblieben.
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