Eine verführerische Einladung ins falsche deutsche Spiel
Die Satzung der geplanten deutschen „Synodalkonferenz“ steht im Widerspruch zum Abschlussdokument der römischen Weltsynode. Sie propagiert parlamentarische statt synodale Methoden und drängt sich an die Stelle der apostolischen Verantwortung. Gleichzeitig sollen die bisher unbeugsamen Minderheits-Bischöfe zur Mitarbeit in dem neuen Gremium gebracht werden. Martin Grünewald hat sich den Satzungstext näher angeschaut und nimmt die verfahrene Situation insgesamt in den Blick.
Es ist ein verführerisches Angebot an die römische Kurie und an die drei „widerständigen“ Bischöfe in Deutschland: Wenn sie der Satzung der „Synodalkonferenz“ zustimmen, gibt es für Rom keinen Ärger mehr mit dem deutschen Laiengremium ZdK und der ihnen gewogenen Mehrheit unter den Diözesanbischöfen; und die widerständigen Bischöfe bewegen sich aus der Schusslinie der Laien-Meinungsführer, deren Kritik und Diskriminierung sie derzeit ausgesetzt sind, wenn sie brav mitmachen.
Also ein wirklich verführerisches Angebot! Aber würden sich der Heilige Stuhl und die bisher aufrechten drei Bischöfe nicht zu Komplizen einer großen Täuschungsaktion machen? Würde das gläubige Gottesvolk nicht den Eindruck gewinnen, die Hirten seien müde und erschöpft von den jahrelangen Auseinandersetzungen?
Historie einer falschen Weichenstellung
Der Konflikt ist nicht neu:
- Auf den Beschluss zur Schaffung des deutschen „Synodalen Weges“ reagierte Papst Franziskus mit einem 19-seitigen Brief (19.6.2019) an die Kirche in Deutschland. Darin stellt er „die zunehmende Erosion und den Verfall des Glaubens fest mit all dem, was dies nicht nur auf geistlicher, sondern auch auf sozialer und kultureller Ebene einschließt“. Die Situation lade dazu ein, „sich dem zu stellen, was in uns und in unseren Gemeinden abgestorben ist, was der Evangelisierung bedarf“. Diese Beschreibung wird von einer repräsentativen Umfrage der beiden Kirchen bestätigt, wobei die Zahlen erschütternd sind: Nur knapp ein Drittel (32%) der Katholiken in Deutschland glaubt an Jesus Christus, 15 % beten täglich, 4 % fühlen sich eng mit der Kirche verbunden, 4 % lesen täglich oder mehr als einmal in der Woche in der Bibel. Und nur 6 % Prozent besuchen den sonntäglichen Gottesdienst. Der Brief des Papstes wurde von den Reformern des Synodalen Weges ignoriert; keines der Anliegen des Papstes wurde aufgegriffen.
- Am 4. September 2019 reagierte der Vatikan auf die Ankündigung des Synodalen Weges in Deutschland mit Stellungnahmen der Kongregation für die Bischöfe und des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte: Darin wird festgestellt, dass die vorgesehenen Themen nicht nur die Kirche in Deutschland, sondern die Weltkirche betreffen. „Sie können deshalb – mit wenigen Ausnahmen – nicht Gegenstand von Beschlüssen und Entscheidungen einer Teilkirche sein, ohne gegen die Einschätzung des Heiligen Vaters zu verstoßen“. Auch dieses vatikanische Schreiben ignorierten die deutschen Reformer.
- Papst Franziskus reagierte am 14. Juni 2022 mit Sorge auf die bereits gefassten Beschlüsse: „Dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Msgr. Bätzing, sagte ich: ‚Es gibt eine sehr gute evangelische Kirche in Deutschland. Wir brauchen nicht zwei von ihnen’ (lacht). Problematisch wird es, wenn der Synodale Weg von den intellektuellen, theologischen Eliten ausgeht und sehr stark von äußeren Zwängen beeinflusst wird.“ Der Hinweis des Papstes blieb ohne Einfluss auf die deutschen Reformer.
- Kardinal Kasper erklärte am 21. Juni 2022: „Eine Synode ist die Unterbrechung der normalen Geschäfte der Kirche, um sich Zeit zu nehmen, um gemeinsam zu hören und sich darüber auszutauschen, was der Geist uns heute zu sagen hat. Genauer, was er uns über die Korrekturen sagt, die wir vornehmen müssen, und über die Richtung, welche wir einschlagen sollen. Auf diese Fragen kann es keine ideologisch vorgegebenen Antworten geben, die man durch Mehrheitsabstimmungen durchsetzt. Das Ergebnis muss vielmehr im gemeinsamen Hören und Beten und im aufmerksamen Gespräch miteinander wachsen und reifen. Synoden sind ein geistliches Ereignis. … Die Synode ist demnach eine außerordentliche Unterbrechung. Synoden lassen sich nicht institutionell auf Dauer stellen. Die Tradition der Kirche kennt keine synodale Kirchenregierung. Ein synodaler, oberster Rat, wie er jetzt in Aussicht genommen wird, hat in der gesamten Verfassungsgeschichte keinerlei Anhalt. Er wäre keine Erneuerung, sondern eine unerhörte Neuerung. … Ein solches Rätesystem ist keine christliche, sondern eine aus ganz anderem Geist oder Ungeist kommende Idee.“
- Der Heilige Stuhl reagierte auf die Reform-Beschlüsse des Synodalen Weges mit einer Erklärung vom 21. Juli 2022. Er präzisierte, dass die Gesprächsinitiative des Synodalen Wegs in Deutschland nicht befugt ist, „die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten“.
- Die 4. Vollversammlung des Synodalen Weges im September 2022 bildete die Geburtsstunde einer deutschen Nationalkirche. Sie stimmte Texten zu, in denen das Lehramt der Kirche unterminiert, die bischöfliche Vollmacht untergraben und die kontinuierliche Lehre der Kirche zur christlichen Anthropologie („geschaffen als Mann und Frau“), zu Liebe, Ehe und Sexualität zerstört wird. Gläubige und Priester, die sich mit dem verbindlichen Glauben der Kirche identifizieren, werden seitdem von der Mehrheit der deutschen Bischöfe allein gelassen und in die Defensive gedrängt.
- Durch praktische Umsetzung der Beschlüsse begannen deutsche Diözesen, trotz der römischen Mahnungen Fakten zu schaffen. Am 20. Januar 2023 veröffentlichte z.B. das Bistum Limburg neue Leitlinien zur Sexualpädagogik. Sehr umstritten ist auch das Hamburger Rahmenkonzept für sexuelle Bildung an katholischen Schulen (2025).
- In klarer Deutlichkeit hat die römische Kurie in einem Brief des Heiligen Stuhls vom 16. Januar 2023 den deutschen Katholiken in einem Brief mitgeteilt, dass niemand das Recht habe, einen Synodalen Rat in Deutschland als neues Entscheidungsgremium zu installieren.
- Am 27. Januar 2023 erklärte Kardinal Walter Kasper: „Die Theorie vom Selbstverzicht der Bischöfe ist in Wahrheit eine unredliche und in sich widersprüchliche Trickserei. Der Widerstand gegen das römische Schreiben oder seine trickreiche Umdeutung und Umgehung führen entgegen allen gut gemeinten Beteuerungen unausweichlich an den Rand eines Schismas und stürzen das Volk Gottes in Deutschland damit in eine noch tiefere Krise.“
- Im Ständigen Rat der Deutschen Bischofskonferenz erklärten die Diözesanbischöfe Gregor Maria Hanke (Eichstätt), Stefan Oster (Passau), Rudolf Voderholzer (Regensburg) sowie Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki (Köln), den geplanten Synodalen Ausschuss, dessen Aufgabe die Fortführung des Synodalen Wegs und Vorbereitung eines Synodalen Rates ist, nicht finanzieren zu wollen.
- Der frühere Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, hat die deutschen Bischöfe am 15.8.23 aufgerufen, verheiratete Männer „einfach mal“ zu Priestern zu weihen. Sternberg war auch maßgeblich an der Initiierung und Gestaltung des Synodalen Weges beteiligt. In einem Interview mit dem Kölner Domradio rief er zum Ungehorsam auf. Wörtlich sagte er: „So wie ich den Vatikan und seine unglaublichen Beharrungskräfte und Borniertheiten einschätze, kommt man nur weiter, indem man vollendete Tatsachen schafft.“
- Am 25.1.24 wird das Narrativ des Synodalen Weges in Deutschland zerstört. Der Forschungsbericht zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland widerlegt die von den Reformern behaupteten Ursachen: Missbrauch unter den Geistlichen in der katholischen und in der evangelischen Kirche hat in etwa das gleiche Ausmaß. Das war nicht zu erwarten, denn die Strukturen der beiden Kirchen sind grundverschieden. Die evangelische Kirche ist demokratisch verfasst, fast alle Leitungsämter werden demokratisch gewählt. Seit 1972 haben Frauen Zugang zu allen geistlichen Ämtern. Drei Viertel der Beschuldigten waren verheiratet. 99,6 Prozent der Beschuldigten waren männlich. Zölibat, Hierarchie und Verzicht auf das Weiheamt für Frauen bilden demnach keine Ursachen für sexuellen Missbrauch.
- Am Rande der Weltsynode hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz ausgeplaudert, was bereits vielfach vermutet wurde: Der Synodale Weg beruht auf einer Erpressung, nämlich der Drohung mit einer Kirchenspaltung. Die Gefahr dieses Schismas sei durch die Reformbemühungen des Synodalen Wegs gebannt worden. Das berichtete die Katholische Nachrichtenagentur (kna).
- Am 23. April 2025, zwei Tage nach dem Tod von Papst Franziskus, erschien auf der Internetseite der Deutschen Bischofskonferenz eine Handreichung für Seelsorgerinnen und Seelsorger für die Praxis der Segnung nicht kirchlich verheirateter Paare. Die bereits vielerorts geübte Praxis soll bestärkt werden, Geschiedene und Wiederverheiratete, Paare aller geschlechtlichen Identitäten und sexuellen Orientierungen sowie Paare, die aus anderen Gründen nicht das Sakrament der Ehe empfangen wollen oder können, mit einem Segen in ihre Partnerschaft zu begleiten. Diese Handreichung zur „Gestaltung von Segnungen“ beschränkt sich nicht auf Spontansegnungen im Sinne von „Fiducia supplicans“, sondern widerspricht den vatikanischen Vorgaben.
- Die Deutsche Bischofskonferenz veröffentlichte im Oktober 2025 das Dokument „Geschaffen, erlöst und geliebt. Sichtbarkeit und Anerkennung der Vielfalt sexueller Identitäten in der Schule.“ Ein offener und wertschätzender Umgang mit lesbischen, schwulen und bisexuellen sowie inter-, trans- oder non-binär geschlechtlichen Jugendlichen sei wichtig, so das Dokument. Es konkretisiert die Erklärungen der deutschen Bischöfe zur Schulpastoral und zum Profil katholischer Schulen und die beiden Handlungstexte des Synodalen Weges „Lehramtliche Neubewertung von Homosexualität“ und „Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt“. Es widerspricht der christlichen Anthropologie.
Abweichende Bischöfe sollen ihren Widerstand aufgeben
Angesichts dieser Entwicklung überrascht die öffentliche Aufforderung des ZdK-Präsidenten Thomas Söding, „es wäre für die abweichenden Bischöfe an der Zeit, ihren Widerstand aufzugeben und sich konstruktiv in die synodale Arbeit einzubringen“. Damit kehrt er die Verhältnisse ins Gegenteil, denn die romkonformen deutschen Bischöfe haben sich ständig eingebracht und ihre Bedenken vorgetragen; allerdings wurden sie von den Reformern ignoriert.
Söding behauptete in einem öffentlichen Aufsatz bei „Communio“: „Gott wirkt auch durch Institutionen“. Diese Behauptung lässt sich biblisch und auch theologisch nicht begründen. Kardinal Kasper hat ihr (s.o.) deutlich widersprochen. Söding bleibt bei seiner Sichtweise: „In der Kirche wird alles geteilt …, auch die Verantwortung, die Kirche zu leiten.“ Nach seiner Einschätzung besteht die begründete Aussicht auf eine vatikanische „recognitio“: eine offizielle Anerkennung der Satzung.
Angesichts der bisherigen römischen Einwände ist Södings Behauptung waghalsig. Aber vielleicht spürt er, dass er jetzt „auf´s Ganze“ (beim Glücksspiel „all in“) gehen muss.
„Gott wirkt auch durch Institutionen“, die vom apostolischen Amt/Auftrag abgekoppelt sind?
„Gott wirkt auch durch Institutionen“ – Eine steile Behauptung, die sich biblisch und theologisch nicht begründen lässt. Und seine Aussage steht in Konflikt mit der kirchlichen Lehre und dem Schlussdokument der Weltsynode: „In der Kirche wird alles geteilt …, auch die Verantwortung, die Kirche zu leiten.“
Wir kennen Mk 3,14: „Und er setzte zwölf ein, die er bei sich haben und die er dann aussenden wollte.“ Jesus beruft Menschen in Dienste und Ämter. Aber er beruft keine Institutionen. Bei seinem Abschied legt Jesus die gesamte Weitergabe seiner Offenbarung in die Hände von zwölf Männern, die er sich ausgesucht hatte und dann durch das gemeinsame Leben anleitete. Die wichtigsten Männer Petrus und Paulus durchliefen intensive Reifeprozesse.
Kann einem Menschen eine größere Verantwortung auferlegt werden, als zu diesen Zwölf zu gehören?
Kann diese Vorgehensweise Jesu anders definiert werden als durch die (persönliche) Übertragung von (persönlicher) Verantwortung?
Die Kirche ist – aus guten Gründen – bei der von Jesus bewusst gewählten und ausgeübten Praxis geblieben:
- Prüfung von geeigneten Personen für das jeweilige Amt
- Auswahl, Bildung/Qualifizierung und Beauftragung
- Supervision durch die Gemeinschaft der Glaubenden
Die geplante „Institution“ soll nach parlamentarischen Methoden tätig werden, die synodal etikettiert werden. Abstimmungen mit Mehrheitsentscheidungen, wie sie die Evangelische Kirche kennt, koppeln aber von persönlicher Verantwortung ab. Sie bilden ein Alternativmodell zur apostolischen Beauftragung. Besonders, wenn eine übergroße Zwei-Drittel-Mehrheit darüber beschließen möchte, was Bischöfe zu tun haben, ohne selbst Verantwortung zu tragen und ohne geprüft, berufen, qualifiziert und beauftragt zu sein. Zu den Mitentscheidern gehören z. B. auch Mitglieder des Betroffenenbeirates für sexuellen Missbrauch. Was qualifiziert diese Gruppe, Aufgaben und Verantwortung von Bischöfen zu übernehmen?
Thomas Söding behauptet: „Die bischöfliche Leitungsverantwortung besteht darin, diesen Prozess zu ermöglichen und zu fördern.“ Das ist allenfalls halb richtig: Die Weltsynode hat in ihrem Schlussdokument den Unterschied zwischen Beratung und Entscheidung klargestellt und die Bischöfe von ihrer Verantwortung nicht entbunden. Der Papst hat dieses Dokument zum Bestandteil des ordentlichen Lehramtes gemacht; der deutsche Sonderweg weicht frech davon ab!
Mit der „Synodalkonferenz“ soll ein neues Gremium geschaffen werden, das es noch nicht gibt. Die aus Bischöfen und mehrheitlich aus Laien gemischte Synodalkonferenz soll Beschlüsse fassen und Entscheidungen treffen, die bisher allein Aufgabe der Bischöfe waren. Und sie soll auch über die Finanzen bestimmen. Söding: „Die strategischen Schwerpunktsetzungen trifft die Synodalkonferenz; der VDD muss sich an ihnen orientieren.“
Bei einer Institution wie der Synodalkonferenz funktionieren die o.g. Mechanismen der apostolischen Verantwortung nicht. Es handelt sich um keine persönliche Berufung, sondern um die Wahl/Entscheidung durch eine Mehrheit. Es handelt sich bei den Entscheidern nicht um die Nachfolger der Apostel, sondern (überwiegend) um Beteiligte aus dem Volk Gottes. Berufungen werden durch Wahlen ersetzt und erfolgen anonym; die apostolische Verantwortung wird teils ohne Prüfung oder gar Kenntnis der Gewählten übertragen. Dies steht in krassem Widerspruch zur 2000-jährigen Kirchengeschichte!
Mutige Veränderungen nach hoffnungserweckenden Experimenten?
Nun könnten die in Deutschland durch den Synodalen Weg gewonnenen Erfahrungen dazu auffordern, neue Wege zu gehen und zu erproben. Wie sind diese Erfahrungen zu bewerten? Berechtigen sie zu neuen, mutigen Veränderungen, die Abweichungen von der apostolischen Verantwortung erlauben?
Zu den wichtigsten Erfahrungen des Synodalen Weges gehört:
- Die im Brief von Papst Franziskus enthaltenen Bitten/Aufforderungen wurden vom Synodalen Weg und den in der Konferenz Beteiligten ignoriert. Auch eine kleine Minderheit, welche die Impulse des Papstes gerne aufgegriffen hätte, verfügte nicht über die nötige Handlungsmacht. Dazu wären eine Mehrheit oder ein echtes synodales Arbeiten nötig gewesen, das auch die Einwände von Minderheiten aufgreift und Lösungen sucht, gegen die keine relevanten Einwände mehr bestehen.
- Das deutsche Tagungsmodell unterschied sich diametral vom Modell der wirklich synodal arbeitenden Weltsynode. Es folgte parlamentarischen, aber keinen synodalen Vorgehensweisen. Es gab vor allem keine Berücksichtigung der Anliegen von Minderheiten.
- Nicht einmal parlamentarische Regeln wurden eingehalten. Das erlaubte allein die zeitliche Enge nicht. Dies wurde auf einer Pressekonferenz von den beiden Präsidenten der Versammlung ausdrücklich eingeräumt.
- Der Synodale Weg war geprägt von Angst und Einschüchterungen. Ein Bischof sagte: „Wir sind massiert worden, das nur nicht scheitern zu lassen. … Ich halte das nicht aus, so unter Druck zu sein.“
- Missbrauch von Handlungsmacht: Der Synodale Weg hatte sich eine Satzung gegeben. Als es einmal darauf ankam, sie anzuwenden und zum Minderheitenschutz auf Antrag eine geheime Abstimmung durchzuführen, wurde dieses Recht verweigert.
- Trotz der Warnungen der Kurie, weltkirchliche Themen zu behandeln, fasste der Synodale Weg – sich selbst ermächtigend – Beschlüsse, die sich gegen die Lehre der Kirche richteten, darunter zur Gender-Theorie/Zweigeschlechtlichkeit und zur Priesterweihe von Frauen (im Widerspruch zu Ordinatio Sacerdotalis).
Der Synodale Weg hat also nicht vorbildlich und beispielgebend gehandelt, sondern verlief so abstoßend, dass sich mehrere Teilnehmerinnen weigerten, weiterhin mitzuarbeiten. Daraufhin schrieb Papst Franziskus den vier Frauen einen persönlichen Brief (10.11.2023): Er teile die „Sorge über die inzwischen zahlreichen konkreten Schritte, mit denen sich große Teile dieser Ortskirche immer weiter vom gemeinsamen Weg der Weltkirche zu entfernen drohen“. Eine dieser Frauen hat ihre Erfahrungen in einem Buch beschrieben.
Diesen Eindruck hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, bestärkt. Nach dem Ad-limina-Besuch im November 2022 sagte Bischof Georg Bätzing zur Gefahr einer Protestantisierung der katholischen Kirche in Deutschland bei der anschließenden Pressekonferenz in Rom: „Wir wollen katholisch sein“, „aber eben anders katholisch“.
Hinweise zu problematischen Regelungen der Synodalkonferenz-Satzung
Präambel: Sie beruft sich auf die Weltsynode (2021-2024), auf die Sorge um Marginalisierte und auf die Bekämpfung von Missbrauch. Alle drei Themen lassen – mit einer systemwidrigen Ausnahme – keinen Zusammenhang zu den anschließenden Bestimmungen erkennen.
Art. 1 Synodalkonferenz: Das Abschlussdokument der Weltsynode (Nr. 127) unterscheidet zwischen der „Beteiligung aller (des heiligen Gottesvolkes) und dem Amt einiger (des Bischofskollegiums)“. Damit entfällt bereits das Fundament des gesamten Konstrukts der Satzung, die vorsieht, dass eine Minderheit von Bischöfen (ein Drittel) von einer Mehrheit von weiteren Mitgliedern überstimmt werden kann. Die Weltsynode hat vielmehr bekräftigt: gemeinsame Beratung, aber alleinige Entscheidung der Amtsträger! Bei apostolischen Entscheidungen kommt es aber entscheidend auf die Berufung an, nicht auf die Mehrheit.
Art. 2 Aufgaben der Synodalkonferenz: Die dort beschriebenen Zuständigkeiten kollidieren mit den apostolischen Aufgaben der Bischöfe. Eine Abgrenzung erscheint praktisch kaum möglich.
Art. 3 Zusammensetzung der Synodalkonferenz: Die Katholische Kirche verbindet Amt und Verantwortung: Can. 129 ff. CIC. Dieser Zusammenhang gilt bisher untrennbar. In der Kirche gilt nicht das Prinzip der Selbstermächtigung, sondern der Berufung. Das gilt nicht nur für geistliche Amtsträger (Klerus), sondern auch für die Laien (vgl. Can 230/231 CIC). Verantwortung durch Amtsübertragung oder Beauftragung wird durchgängig zusätzlich an Qualifizierung gebunden.
Das Prinzip der Wahl durchbricht diese Koppelungen und entbindet von den gültigen Voraussetzungen. Daraus entsteht ein Konflikt, sobald eine Wahl die Wahrnehmung von Leitungsaufgaben und -verantwortung überträgt. So sieht die deutsche Satzung Privilegien durch Geschlechter- und Generationengerechtigkeit sowie die Zugehörigkeit zu einem Betroffenenbeirat vor. Derartige Kategorien stehen in keinem Zusammenhang mit kirchlichen Kriterien wie Berufung und Qualifizierung.
Außerdem bleibt die Zusammensetzung der Synodalkonferenz in der Satzung unbestimmt. Erfolgt sie nach parlamentarischen oder synodalen Kriterien? Bereits bei der Auswahl zur Teilnahme am Synodalen Weg herrschte Willkür, was zu einer Eliten-Oligarchie führte, die Papst Franziskus kritisierte. Diese Unbestimmtheit lässt eine Wiederholung befürchten.
Art. 4 Rechte der Mitglieder: Eine Synodalversammlung ist kein Parlament – auch wenn beides von den Akteuren in Deutschland seit Jahren vertauscht wird. Der Glaube und seine Umsetzung lebt von Bindung – an Gott, an seine Gebote und an die von ihm gestiftete Gemeinschaft (Kirche). Sie ist nicht der Willkür unterworfen.
Art. 6 Beschlussfassung der Synodalkonferenz: Die Regelung über die Beschlussfassung unterscheidet zwischen zwei Abstimmungsmodi: einfache Abstimmung und „Schlussabstimmungen“. Das erweckt scheinbar den Eindruck einer Sperrminorität und somit Veto-Möglichkeit. Praktisch ist beides nahezu ausgeschlossen.
Art. 7 Umsetzung der Beschlüsse: Diese Regelung ist ungewöhnlich und dürfte weder in einem parlamentarischen noch einem kirchlichen Gremium bekannt sein. Sie versucht, einen Konflikt zu umgehen, der nicht lösbar ist. Der Hintergrund dieser „Regelung“ dürfte im Kirchenrecht verankert sein, dem die Satzung einerseits (dem Schein nach) nicht widersprechen darf, es andererseits aber inhaltlich tut. Kardinal Walter Kasper hat mehrfach die „Tricksereien“ der deutschen Reformer benannt und bemängelt. Hier liegt erneut ein solcher Fall vor: Die Synodalkonferenz will Bischöfe durch Mehrheitsbeschluss zu Handlungen zwingen, die kirchenrechtlich allein in der Amtspflicht des Bischofs verankert sind. Da die demokratische Entscheidung den Vollzug eben nicht erzwingen kann, soll ein Bischof zu einer „Rechenschaftspflicht“ einschließlich Begründungspflicht verpflichtet werden. Das hat mit echter Synodalität natürlich nichts zu tun, sondern entspricht der Praxis des Synodalen Weges in Deutschland, über dessen psychischen Druck („Angst“) beteiligte Bischöfe geklagt haben. Verantwortung und Umsetzung von Beschlüssen werden faktisch entkoppelt.
Art. 8 Geschäftsordnung und Wahlordnung: An dieser Stelle erfolgt der Verweis auf weitere, noch unbekannte Rechtsquellen, deren Inhalt unbestimmt bleibt, im Falle der Wahlordnung aber konstitutive Wirkung entfaltet. Das verhindert Klarheit und ermöglicht Willkür.
Art. 9 Geistliche Begleitung: Diese Bestimmung weist darauf hin, dass bei diesem Gremium nicht geistliche, sondern parlamentarische Vollzüge vorgesehen sind und deshalb eine geistliche Begleitung erforderlich ist.
Art. 11 Evaluation und Änderungen der Satzung: Wer die erwähnte Evaluierung übernimmt, bleibt offen. Es ist zu befürchten, dass von einer Selbst-Evaluierung ausgegangen wird.
Art. 12 Schlussbestimmung: Die Satzung soll dem „zuständigen Dikasterium zur Erteilung einer Recognitio ad experimentum vorgelegt“ werden. Die Weltsynode hat in Nr. 9 aufgefordert, in den Ortskirchen neue Wege der Synodalität zu erproben. Dies bezieht sich ausdrücklich auf die Phase der Beratung, nicht der Entscheidung. Die Schöpfer der Satzung meiden eine Auseinandersetzung mit dieser zentralen Frage. Vielmehr vermischen sie beides und führen damit zu einer Regelung, die dem Auftrag der Weltsynode klar widerspricht. Das offenbart die Unredlichkeit des Vorhabens.
Martin Grünewald
Der Journalist war 36 Jahre lang Chefredakteur des Kolpingblattes/Kolpingmagazins in Köln und schreibt heute für die internationale Nachrichtenagentur CNA. Weitere Infos unter: www.freundschaftmitgott.de
Martin Grünewald ist Mitautor des Buches „Urworte des Evangeliums“.
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