Untertitel: „Wenn die Hirten mit den Wölfen tanzen“. Wahrhaftig, die kleiner werdende Herde bedarf nach den neuesten Erhebungen mit einer halben Million Kirchenaustritten des Zuspruchs und wenn er nur – wie es im Evangelium heißt  – „Fürchte dich nicht du kleine Herde“ lautet. Dank an die Autorin für diesen Zuspruch im Haupttitel des Buches, meint Helmut Müller in seiner Empfehlung des neuesten Buches von Gabriele Kuby.

Ein Fähnlein von vier aufrechten Hirten

Denn die kleine Herde scheint 23 Mietlingen ausgesetzt zu sein und nur noch ein Fähnlein von – leider nur vier – aufrechten Hirten zu haben. Der Untertitel des neuen Büchleins zeigt aber auch, dass die Autorin außer Zuspruch auch bereit ist, ihre Finger in klaffende Wunden zu legen: Hirten verbünden sich offenbar mit den größten Feinden jeder Herde, den Wölfen. Im gleichnamigen englisch/amerikanischen Kinofilm Der mit dem Wolfe tanzt“ war das für den so Genannten ein Ausweis von Tapferkeit.

…unter 23 anderen, die mit den Wölfen heulen

Nach dem Duktus des kleinen Büchleins müsste es aber eher heißen, die mit den Wölfen heulen:

Statt Kinder vor Sexualisierung und sexuellem Missbrauch zu schützen, werden sie bereits in Kindergärten und in der Schule zwangssexualisiert und in ihrer geschlechtlichen Identität destabilisiert“ (15f).

Gerade in diesen Tagen ist das sogar der  Bild-Zeitung aufgefallen. Wo bleibt da die Stimme der Kirche? Gabriele Kuby weist darauf hin, dass die Kirche Für geschlechtliche Vielfalt (46ff) alle Mal ihre Stimme erhebt. Regenbogenfarben zieren sogar das Logo auf der Bistumsseite Limburgs. Nach dieser Problemanzeige zum Einstieg, zunächst eine ultrakurze Hirten-und-Herde-Philosophie:

Hirten-und-Herde-Philosophie

In Platons Dialog Nomoi – die Gesetze – erkennen drei Personen, die über eine ideale Organisation der menschlichen Gesellschaft nachdenken, auf dem Weg zum Berg Ida auf Kreta, der Wohnung von Zeus, dass ein Gott der eigentliche Lenker einer idealen Gesellschafts- und Staatsverfassung sein müsse. Nicht von ungefähr begegnen die Drei wohl den Resten der minoischen Kultur, der ältesten Hochkultur Europas und meinen: So wie der Mensch Schafe führe, brauche der Mensch auch für sich eine höhere Spezies, den Beistand der Götter, die „in diesen Dingen die Vernunft besitzen“ (Nomoi). Auch die Hl. Schrift des Juden- und Christentums sieht das so: Ebenfalls an einem Berg, dem Sinai, empfängt Mose von Gott die Nomoi, die Gesetzestafeln. Wie in einer Gebrauchsanweisung gibt die Hl. Schrift immer wieder Erklärungen dazu, etwa im Buch Micha: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist.“ Gleich zwei Säulen unserer Kultur, das jüdische und griechische Erbe werden von der gegenwärtigen Politik in Brüssel und Berlin um den Gottesbezug gekürzt wo es nur geht, und selbst die Bischöfe verkaufen ihre Vollmacht aus dem Weihesakrament (!) gegen das Linsenmus eines plebiszitären Votums: Genau darauf macht Gabriele Kuby aufmerksam:

Vollmacht aus dem Weihesakrament gegen Linsenmus eines plebiszitären Votums

Die durch die Weihe verliehene sakramentale Vollmacht kann nicht mit Laien geteilt werden, weder durch neue Institutionen noch durch einen freiwilligen Akt des Bischofs. Dies hat Rom im päpstlich autorisierten Schreiben vom 16. Januar unmissverständlich klargemacht. Die Teilung der Macht des Bischofsamtes mit Laiengremien säkularisiert das Amt. Selbst unter dem Aspekt weltlicher Demokratisierung ist es eine Irreführung, denn das ZdK und der BDKJ, die sich durch notorische Agitation gegen das Lehramt auszeichnen, sind nicht demokratisch gewählt“ (24f).

Die Hirten sind im Begriff, sich zu Leithammeln der Herde zu machen, sich durch Herdenbriefe Hirtenbriefe diktieren zu lassen. Gabriele Kuby fragt sich:

Wollen die Bischöfe ihre Vollmacht aufgeben und ihre Macht teilen, weil sie nicht mehr allein im Sturm stehen, sondern ihre Verantwortung an Gremienbeschlüsse abgeben? Die deutsche Sprache hat dafür eine vielsagende Wendung: sich aus der Verantwortung stehlen. Wer bestohlen wird, ist das gläubige Volk, das Hirten braucht, die es vor den Wölfen schützen“ (24f)

und nicht mit ihnen heulen, wie es Bischof Bätzing mit Verbalattacken gegenüber seinem Mitbruder Kardinal Woelki schon öfter getan hat. Mittlerweile steht er damit im Verbund der Giordano Bruno Stiftung, die ein wirklich unsägliches Spektakel mit Karnevalswagen vor dem Kölner Dom finanziert hat.

Unterleibsfixiertheit eines sich kirchlich nennenden Gremiums

Wenn man sich die Verlautbarungen des Synodalen Weges anschaut – die Autorin weist schon im 1. Kapitel darauf hin – Der synodale Weg im Kontext der sexuellen Revolution – sticht einem die Unterleibsfixiertheit dieses sich kirchlich nennenden Gremiums buchstäblich in die Augen. Der Hinweis im letzten Kapitel Hotline zum Hl. Geist  zeigt, dass da jemand seine Stimme prophetisch erhoben hat – wütende Reaktionen werden wohl die Folge sein: Sie schreibt:

Was hat König David zu Fall gebracht und dazu geführt, dass das Schwert bis zum Ende nicht mehr von seinem Haus wich (2 Sam, 10)? Das Begehren der Frau eines anderen. Was hat König Salomon um seine Weisheit gebracht: siebenhundert Frauen und dreihundert Nebenfrauen, die „sein Herz abtrünnig machten“ (1 Kön 11,3). Was hat Johannes dem Täufer den Kopf gekostet? Dass er dem König sagte, dem Bruder die Frau wegnehmen, das geht nicht. (Mk 6,18) Es hat verheerende Folgen, wenn das sexuelle Begehren die Herrschaft übernimmt, damals wie heute. Die Ent-moralisierung der Sexualität ist ein Rückfall ins Heidentum, eine Wiederkehr der Götter Baal und Astarte“ (92).

Wölfe im gewärmten Kulturstall Europas

Es macht einen fassungslos – wenn ein Gremium antritt mit der Agenda, den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche aufzuarbeiten und eine geradezu naive Auffassung von Sexualität an den Tag legt. Eine ihrer ersten Früchte, die Neufassung des Arbeitsrechts war, das 6. Gebot regelrecht abzuschaffen. Das haben die Hirten beschlossen aus purer Angst vor den Wölfen, die in (!) Arnold Gehlens „gewärmten Kulturstall Europas“ „ethische Formeln flüsternd“ weiterhin ihr Unwesen treiben und Freuds Diktum Kultur ist Triebverzicht in ihr Gegenteil verkehren. Die „neue Sexualmoral“ ist wohl eine dieser nicht mehr geflüsterten ethischen Formeln, sondern es handelt sich um lautstark auf dem Synodalen Weg geforderte Parolen.

Hotline zum Hl. Geist

Gabriele Kuby ist so gesehen eine prophetische Stimme wie es sie im Alten und Neuen Testament immer wieder gegeben hat. Sie ist keine reine Unheilsprophetin – was Jeremia zur Verzweiflung brachte, sondern hat die Hoffnung auf Umkehr (71ff) nicht aufgegeben. Sie empfiehlt, statt der ethische Formeln flüsternde Raubtiere Gehlens, eine Hotline zum Heiligen Geist. In diesen schweren Zeiten könnte man sich und anderen etwas Gutes tun und durch Kauf oder Verschenken dieses Büchleins Zuversicht tanken.


Dr. phil. Helmut Müller

Philosoph und Theologe, akademischer Direktor am Institut für Katholische Theologie der Universität Koblenz-Landau. Autor u.a. des Buches „Hineingenommen in die Liebe“, FE-Medien Verlag, Link: https://www.fe-medien.de/hineingenommen-in-die-liebe

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