Die Serie der Auslegung des Sonntagsevangeliums durch Dr. Martin Brüske geht weiter.

Anwalt, Lehrer, Tröster
Pfingsten: Ein Blick auf die Sprüche über den „anderen Beistand“ bei Johannes 

Jesus verheißt den „Geist der Wahrheit“. Er ist an Jesus gebunden, ist Gedächtnis der Kirche, Vermittler der Fülle der Wahrheit, prophetische Kraft im Blick auf das Kommende, in seinem Licht wird offenbar, was es mit der „Welt“ auf sich hat. Durch ihn ist Jesus neu gegenwärtig und leuchtet das Antlitz des Vaters. So ist er Anwalt, Lehrer, Tröster.

Vorbemerkung: Eine Einladung zur Betrachtung

An Pfingsten wird bekanntlich das eigentliche heilsgeschichtliche Festereignis in der Apostelgeschichte des Lukas erzählt: 50 Tage nach Ostern, an Schawuot, dem Wochenfest sieben Wochen nach Pesach, wird der Heilige Geist, der von Beginn der Schöpfung an gewirkt hat, in endzeitlicher Fülle ausgegossen. Die Kirche gewinnt ihre Gestalt und zeigt sich in Jerusalem präsent und zugleich – in der Aufhebung des Wirrwarrs der Sprachen von Gen 11 – in universaler Weite.

Die Auswahlmöglichkeit, die die Kirche im Lesejahr C für das Evangelium an Pfingsten bereitstellt, „wiederholt“ Texte, die, mit Ausnahme von zwei Versen, in der Osterzeit schon einmal gelesen wurden. Das ist durchaus sinnvoll: Sie beleuchten österlich das Geheimnis von Pfingsten und leuchten selbst von Pfingsten her noch einmal neu auf. Sie wurden aber deshalb am 2. und 6. Sonntag der Osterzeit hier schon ausgelegt.

Sie gleich noch einmal neu auszulegen – was angesichts ihrer unerschöpflichen Bedeutungsfülle durchaus möglich gewesen wäre – schien mir aber weniger sinnvoll (und welches der Evangelien zur Auswahl hätte man wählen sollen?) als eine andere Möglichkeit: Die zwei neuen Verse stammen aus dem ersten sogenannten „Parakletspruch“ der Abschiedsreden im Johannesevangelium. Es gibt fünf solcher Sprüche. In ihnen meditiert Jesus die Rolle des Heiligen Geistes nach seiner Erhöhung. „Paraklet“ ist das griechische Wort für Beistand (vor allem Rechtsbeistand), Anwalt, Tröster, aber auch Lehrer tiefer Weisheit. Das alles schwingt mit. Genau so reich ist deshalb, was Jesus über die künftige Rolle des „Parakleten“ sagt. Mich beeindrucken und bewegen diese Texte immer neu, besonders, wenn man sie im Zusammenhang liest. Ich habe sie Ihnen – anlässlich der beiden „neuen“ Verse in unseren Auswahlevangelien – einfach hier zusammengestellt. Damit verbinde ich die Einladung, das Geheimnis von Pfingsten, ausgehend von den fünf Parakletensprüchen, zu betrachten. Meditiert man sie, reden sie aus sich. Obwohl sie von großer Fülle sind, werde ich deshalb nur ganz wenige, die Aufmerksamkeit weckende Sätze hinzufügen.

Übrigens: Wer das Pfingstgeheimnis mit dem Rosenkranz durchbeten will, findet eine wunderbare, von Romano Guardini stammende Anregung HIER. Guardini schafft es mit den fünf so knappen Gesätzchen, also in allergrößter Konzentration, wirklich das Pfingstgeheimnis in seinen Dimensionen, in seiner Gestalt aufleuchten zu lassen.

  1. Spruch (Joh 14, 15-17): Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten. Und ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll, den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt. Ihr aber kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird.
  2. Spruch (Joh 14, 25f.): Das habe ich zu euch gesagt, während ich noch bei euch bin. Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.
  3. Spruch (Joh 15, 26f.): Wenn aber der Beistand kommt, den ich euch vom Vater aus senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, dann wird er Zeugnis für mich ablegen. Und auch ihr legt Zeugnis ab, weil ihr von Anfang an bei mir seid.
  4. Spruch (Joh 16, 7-11): Doch ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich fortgehe. Denn wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen; gehe ich aber, so werde ich ihn zu euch senden. Und wenn er kommt, wird er die Welt der Sünde überführen und der Gerechtigkeit und des Gerichts; der Sünde, weil sie nicht an mich glauben; der Gerechtigkeit, weil ich zum Vater gehe und ihr mich nicht mehr seht; des Gerichts, weil der Herrscher dieser Welt gerichtet ist.
  5. Spruch (Joh 16, 12-15): Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in der ganzen Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird reden, was er hört, und euch verkünden, was kommen wird. Er wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden. Alles, was der Vater hat, ist mein; darum habe ich gesagt: Er nimmt von dem, was mein ist, und wird es euch verkünden.

Einige wenige Punkte, die man betrachten könnte

  • Das Wirken des Geistes ist ganz an Jesus gebunden. Er bezeugt Jesus. Er „nimmt“ von ihm und verherrlicht ihn. Im Geist ist Jesus auf neue Weise für uns gegenwärtig. Im Geist lässt uns Jesus nicht als Waisen zurück.
  • Der Geist deckt die Wirklichkeit der „Welt“ auf. Für Johannes ist die Welt durch den verfinsterten, lügnerischen Widerstand gegen Gott bestimmt. Dennoch („so sehr hat Gott die WELT geliebt“) ist das nicht das letzte Wort. Der Geist deckt beides auf: Das „Problem“ der Welt ist der Unglaube. Deshalb bedeutet Jesu Erhöhung und Vollendung zugleich „Unsichtbarkeit“ für die Welt. Dies ist gerecht und entspricht Gottes Plan. Aber der „Herrscher dieser Welt“, der Satan, „Vater der Lüge“ ist schon gerichtet und wird hinausgeworfen – und der „Geist der Wahrheit“ macht dies gegen alle Lüge, Wirrniss und Finsternis, die diese Welt noch bestimmen, klar und offenbar. Was für ein Trost!
  • Der Geist ist das Gedächtnis der Kirche, das die Kirche dauernd an Jesus erinnert. Der Geist erschließt die Wahrheit Jesu, die unendliche Fülle ist, immer tiefer und weiter. Der Heilige Geist hat prophetische Kraft in der Aufdeckung der Gegenwart auf die Zukunft Jesu hin. Der Geist ist so eine Art Tiefenbewusstsein der Kirche, das Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erschließt.

Dr. theol. Martin Brüske
Martin Brüske, Dr. theol., geb. 1964 im Rheinland, Studium der Theologie und Philosophie in Bonn, Jerusalem und München. Lange Lehrtätigkeit in Dogmatik und theologischer Propädeutik in Freiburg / Schweiz. Unterrichtet jetzt Ethik am TDS Aarau. Martin Brüske ist Mitherausgeber des Buches “Urworte des Evangeliums”.


Weitere Beiträge aus der Serie Fridays for FAITH:

Evangelium des ersten Fastensonntags

Evangelium des zweiten Fastensonntags

Evangelium des dritten Fastensonntags

Evangelium des vierten Fastensonntags

Evangelium des fünften Fastensonntags

Evangelium vom Palmsonntag

Evangelium der Osternacht

Evangelium des 2. Sonntags der Osterzeit

Evangelium des 3. Sonntags der Osterzeit

Evangelium des 4. Sonntags der Osterzeit

Evangelium des 5. Sonntags der Osterzeit

Evangelium des 6. Sonntags der Osterzeit

Evangelium des 7. Sonntags der Osterzeit

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