Seelsorger im Angestelltenverhältnis haben rein akademisch dieselbe Ausbildung wie Priester. Was ihnen fehlt ist die Weihe, doch mit Weihe wären sie keine Angestellten mehr. Die finanziell reiche Kirche in Deutschland leistet sich viele Angestellten. Wo und wie sich Priester und Angestellte unterscheiden, ist nicht banal. Und daraus ergeben sich Probleme, wenn man es nicht sauber trennt.
Die Kirche in Deutschland leistet sich in sehr hohem Maße angestellte Mitarbeiter in der Seelsorge. Das ist primär gesehen kein Problem. Die Kirchensteuer macht vieles möglich. Doch sehr schnell geraten in einer krisengeschüttelten Kirche die Aspekte der Seelsorge durcheinander. Die Mangelsituation örtlich fehlender Kleriker verändert die Sicht auf die Seelsorge. Warum, so kann man natürlich fragen, können Frauen keine Priesterinnen werden, wenn sie doch so gute Seelsorgerinnen sein können? Die Frage nach dem Priestertum der Frau und warum es das in der katholischen Kirche nicht geben kann, hat Bernhard Meuser umfassend bearbeitet. Wie gehen mögliche Zusammenhänge zwischen vielen Angestellten in der Seelsorge und Forderungen nach Abschaffung von Zölibat oder Priestertum der Frau damit zusammen?
Strenggenommen sind in der katholischen Kirche nur Priester Seelsorger im Vollsinn des Wortes (plena cura animarum, vgl. CIC can. 150). Der Grund ist nicht eine Geringschätzung der Laien, sondern die Tatsache, dass die Seelsorge in der Kirche im innersten Kern immer sakramental ist. Die Taufe (mit Erstkommunion und Firmung) initiieren den Menschen als Christen und gliedern ihn in die Gemeinde ein. Die Eucharistie stärkt den Christen in der unmittelbaren Begegnung mit Jesus Christus, heilt, vergibt Sünden und stärkt für den Glaubensweg. Die Beichte, die Ehe, und die Krankensalbung begleiten den Lebensweg des Menschen an unterschiedlichsten Stationen mit den Sakramenten der Kirche. Damit ist der innere Kern seelsorglichen Handelns umschrieben. Auch ständische Zuordnung in der Kirche ist sakramental in Gestalt der Ehe oder der Priesterweihe. Nun leben wir weltlich nicht mehr in einer Ständegesellschaft, aber in der Kirche spielt der Stand eine Rolle für die Verortung und Lebensaufgabe im pilgernden Gottesvolk.
Rund um die Seelsorge
Natürlich gehört zum Komplex der Seelsorge noch eine ganze Menge mehr rundherum (cura animarum). Katechese vor der Erstkommunion und der Firmung. Vorbereitung auf die Ehe. Vorbereitung der Taufe mit der Hinführung der Eltern und Paten auf die Sakramentenspendung bei Kindern und Säuglingen. Hilfe für Menschen, die an Sorgen tragen oder Schuld auf sich geladen haben. Begleitung und Trost von Menschen im Leiden oder mit Sorgen. Hilfe auf dem letzten Stück des Lebensweges. Begleitung und Trost von Trauernden. Bei genauem Hinsehen allerdings führt jedes dieser Elemente der Seelsorge – zumindest idealtypisch – zu einem Sakrament hin oder hat ein Sakrament im Kern dieses Handelns.
Im Innersten der Kirche ist dies vollkommen logisch, denn ist das Amt in der Kirche sakramental, dann muss auch das amtliche Handeln der Kirche in seinem Kern sakramental sein. Für eine Volkskirche bedeutete dies sehr einfach: Ein Dorf – ein Pfarrer, damit war alles seelsorgliche Handeln abgedeckt. Katechese bedeutete zusätzlich zu religiöser Erziehung im Elternhaus und schulischem Religionsunterricht dem Grunde nach nur noch einen Feinschliff. Es gab sie vor der Erstkommunion und an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Die Firmung erfolgte oft ohne eine besondere Katechese wenige Jahre nach der Erstkommunion. In der ostkirchlichen Praxis erhalten die Kinder die ganze Initiation Taufe – Firmung – Erstkommunion direkt als Säugling. Hier steht die Katechese ohnehin in einem ganz anderen Rahmen.
War die Katechese in früheren Jahren ganz in der Hand der Priester, so entwickelte sich schon in den späten 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein Trend, vor allem die Erstkommunionkatechese zunächst an Lehrerinnen, Ordensschwestern oder ehrenamtliche Mitarbeiterinnen abzugeben. Die Einsicht in die Notwendigkeit, diese seriös auszubilden, schuf den Beruf der Gemeindereferentin mit einem Fachhochschulstudiengang in Religionspädagogik. Theologie als Vollstudium war, von wenigen Ausnahmen abgesehen, allein den Priestern vorbehalten. Später entwickelte sich das Berufsbild des Pastoralreferenten, der in zahlreichen Bistümern nicht an der Basis, sondern an Multiplikatorenstellen eingesetzt wurde. Eine gewisse Begriffsverwirrung brach sich Bahn, da in manchen Bistümern die Gemeindereferentinnen als Pastoralreferentinnen bezeichnet wurden.
Gute Ausbildung ist nötig
Auch bei den Gemeindereferentinnen, die als Pädagoginnen und Katechetinnen eingesetzt wurden, gab es zunächst eine klare Trennung zum Amt des Seelsorgers. Hier eher eine konzeptionelle und bildungsorientierte Arbeit, dort die persönliche, im Kern sakramentale Begleitung. Mit zunehmendem Priestermangel kam es hier zu einer immer tiefer greifenden Vermischung. So werden heute in aller Selbstverständlichkeit Gemeinde- und Pastoralreferenten beiderlei Geschlechts als Seelsorger oder eben Seelsorgerin bezeichnet. Auch wenn es im Kern nicht ganz zutreffend ist, hat sich diese Praxis durchgesetzt.
Das Drama dieser Praxis liegt im (drohenden) Verlust des Sakramentalen. Ein Ort, an dem es leicht auffällt, ist das Krankenhaus. Die Mehrheit der Krankenhausseelsorger oder -seelsorgerinnen ist heute Pastoral- oder Gemeindereferent (oder -referentin). Dies führt – am Rande bemerkt – dazu, dass in Krankenhäusern an manchen Orten fast keine Krankensalbung mehr gespendet wird. Da wird der Verlust des Sakramentalen sehr deutlich.
Im Gegensatz zum Priester sind die Gemeinde- und Pastoralreferenten im Angestelltenverhältnis bei einem Bistum. Dienstgeber ist das Bistum. Dienstvorgesetzter ist in der Regel der örtliche Pfarrer. Damit gelten alle rechtlichen Bedingungen, die gewöhnlich für Angestellte gelten. Im Gegensatz dazu ist der Priester kein Angestellter einer Diözese, sondern er wird mit der Weihe (oder der Inkardinierung) von seinem Bischof gegen Versorgungszusage in den Dienst genommen. Während also für die Gemeindereferentin selbstverständlich das Arbeitszeitgesetz gilt, gilt dies für einen Priester nicht. Während eine Gemeindereferentin Ansprüche auf tariflich geregelte Leistungen hat, hat ein Priester diese nicht. Während ein installierter Pfarrer nicht ohne validen Grund gegen seinen Willen versetzt werden kann, kann ein angestellter Pastoralreferent relativ leicht versetzt werden. Es gibt also, das kann man ohne weiteres sagen, deutliche Unterschiede zwischen den Angestellten eines Bistums und den im Bistum inkardinierten geweihten Amtsträgern.
Priester sind keine Angestellten
Je mehr Angestellte und je weniger Priester nun vor Ort in der Seelsorge tätig sind, umso mehr verschwimmt das Verständnis dafür, dass der Priester gar kein Angestellter ist. Mehr und mehr behandeln auch die Diözesen selbst die Priester wie gewöhnliche Angestellte, was sich dadurch äußert, dass sie gar nicht mehr Pfarrer werden, sondern in großen Seelsorgeeinheiten als untergeordnete Seelsorger unter einem Pfarrer tätig sind. Nebenbei geht dies deutlich gegen einen Teil des dreiteiligen priesterlichen Charismas vom Lehren, Leiten und Heiligen. Zugleich mutet man die Priestern in den Seelsorgeämtern und zum Teil schon in Pfarreien Laien als Fachvorgesetzte zu. Diese können auch weibliche Angestellte sein. Sie haben zwar meist keine Disziplinargewalt, sind aber in fachlichen Fragen u.U. durchaus weisungsbefugt dem Priester gegenüber. Auch der Umgang mit Priestern – Einsatz vor Ort, Versetzung, Übertragung von immer mehr seelsorgefremden Aufgaben, andererseits Beschneidung des priesterlichen Charismas hinsichtlich der Leitung etc., nähern den Priester immer mehr einem Angestelltenverhältnis an.
Der Bischof ist sicher der oberste Dienstherr aller Angestellten seines Bistums, er soll jedoch der Vater des Priesters sein. Dem Priester bleibt aber oft genug die Tür und das Ohr des Vaters verschlossen, der sich selbstverständlich mit Laien in Diözesan- und Finanzräten, Abteilungsleiterinnen und (persönlichen) Referentinnen regelmäßig austauscht.
Wenn wir uns nun fragen, warum die Stimmen, die eine Priesterweihe für Frauen im selben Satz wie die Aufhebung des Zölibats fordern, finden wir hier einen – und sicher nicht den geringsten – Baustein. Je mehr der Priester einem Angestellten der Diözese gleicht, je mehr Aufgaben von Laien beiderlei Geschlechts übernommen werden, umso weniger wird der Ausschluss von Frauen und verheirateten Männern vom (sakramentalen) Amt plausibel. Angestellte dürfen nicht diskriminiert werden. Aber ein Ausschluss diskriminiert doch! Oder nicht? Warum kann in der Firma Erzdiözese XYZ Frauen, die in der Seelsorge tätig sind, das Amt des Priesters vorenthalten werden? Dies gilt umso mehr, wenn sich in der Seelsorge angestellte Frauen ebenso als Angestellte verstehen, wie sich inzwischen der Pfarrer wie ein Angestellter fühlen muss, weil das Bistum ihn so behandelt.
Es fehlt die Klarheit
Der Grund ist in der Tat eine mangelhafte Klarheit im Umgang mit Priestern und im Umgang mit dem sakramentalen Amt insgesamt. Es geht hier nicht darum, Gemeinde- oder Pastoralreferenten pauschal zu bashen. Viele leisten sehr gute Arbeit.
Es geht auch nicht um Klerikalismus, dass der Priester gar mehr wert sei als die Gemeindereferentin. Vielerorts verdienen die Priester inzwischen schlechter als der Pastoralreferent, der im selben Team arbeitet. Wertschätzung drückt sich in unserer Gesellschaft auch pekuniär aus.
Liegt es nun am Einsatz von angestellten Mitarbeitern in der Seelsorge, die bei sich überschneidenden, teilweise deckungsgleichen Aufgabenfeldern ein echtes Problem haben, ein gesundes Verständnis von Ordinatio sacerdotalis zu gewinnen? Wie soll man der Tochter eines Sterbenden erklären, dass die Krankenhausseelsorgerin, die den Vater seit Wochen besucht, ihm nun nicht die Sterbesakramente spenden kann? Ja mehr noch, wie oft ist gar kein Priester bereit oder in der Lage, ans Krankenhausbett eines Sterbenden zu kommen? Diese Fragen sollte man ernst nehmen! Man sollte sie allerdings nicht dazu missbrauchen, die ständige und fortgesetzte Lehre von der Männern vorbehaltenen Priesterweihe zu unterminieren. Kardinal Marx reitet mit seinem Postulat voll und ganz die Populismuswelle, wenn er sonderbare Ankündigungen für die Zukunft macht. Und er bedient damit natürlich vergebliche Hoffnungen angestellter Mitarbeiterinnen auf ein lukratives Pfarramt. Das macht den Populismus des Kardinals doppelt böse.
Kein triviales Problem
Das Problem ist nicht trivial, und es wäre zynisch zu sagen, die sinkende Kirchensteuer werde das Problem von selbst lösen. Das wird sie zweifellos. Als das Bistum Aachen in Finanznöte geriet, saßen in Paderborn mehrere Jahrgänge an der FH, die keine Aussicht auf einen Job hatten. Aus finanziellen Gründen auf Priesterweihen zu verzichten, das fiele hingegen keinem Bischof ein. Es muss, damit sich die Pastoralassistentin heute nicht im Kopf darauf vorbereitet, 2030 ihre Primiz zu feiern, wieder eine klarere und deutlichere Trennschärfe – auch in der Ausbildung – zwischen Priestern und Angestellten der Kirche geben. Nicht um einer mehr weniger großen Wertschätzung willen ist dies nötig, sondern vor allem, um die jungen Menschen auf ihren je unterschiedlichen Berufsweg hier und Berufungsweg dort vorzubereiten. Allen Unkenrufen zum Trotz werden sich dank der Kirchensteuer in Deutschland die Diözesen noch für lange Jahre mehr Angestellte in der Seelsorge leisten können, als sich bei ihr bewerben.
Peter Winnemöller
Journalist und Publizist. Autor für zahlreiche katholische Medien. Kolumnist auf dem Portal kath.net. Im Internet aktiv seit 1994. Eigener Weblog seit 2005. War einige Jahre Onlineredakteur bei „Die Tagespost“. Und ist allem digitalen Engagement zum Trotz ein Büchernarr geblieben.