Die Rettung der Seelen ist weitgehend aus der Kirche ausgewandert. Überhaupt überlässt man die „Seele“ gerne den Psychologen. Da lässt es aufhorchen, dass der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz das Ding mit der Seele wiederentdeckt und sich um das Seelenheil seiner Gläubigen bemüht; es scheint in große Gefahr zu sein. Bernhard Meuser schaut genauer hin.
Vorbild Volksmission
„Rette deine Seele!“ – war das große Schlagwort der Volksmissionen, wie es sie bis in die Fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts in der ganzen Welt gab. Zu diesen Volksmissionen kamen externe Prediger und Beichtväter in die Pfarrei, um den Leuten einmal richtig (manchmal allzu sehr mit der Hölle) einzuheizen und den Ehebrechern, Dieben und anderen schwarzen Vögeln in der Gemeinde Gelegenheit zu Buße und Umkehr zu geben, ohne dass der Pfarrer hinfort wusste, was sich hinter der Fassade seiner Honoratioren in Wirklichkeit verbarg. Tatsächlich kam es in den Volksmissionen zu wirklichen Lebenswenden. Das Missionskreuz mit Jahreszahl der Volksmission – es hing vielleicht im Seitenschiff – erinnerte die Bekehrten wie die Rückfälligen an die zentrale Botschaft: „Rette deine Seele!“
Von Seelsorge, Seelenrettung und Seelenfängern
An diese schöne Tradition knüpft nun der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz – Dr. Georg Bätzing – an, wenn er die Rettung der Seele wieder in den Vordergrund seelsorgerlicher Bemühungen rückt. Gleich zweimal warnt der Oberhirte in seiner Pressekonferenz zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung vor dem Verlust der Seele. Doch nicht vor der Hölle möchte Bätzing die deutschen Katholiken gerettet sehen, sondern vor der „AfD“. Hier, so meinte Bätzing, gehe es „um einen Kampf um die Seelen der Menschen.“ Dass er dabei die Grünen vergaß, bei deren politischen Aktivitäten man gleichfalls seine Seele, seine Identität und seine Hoffnung verlieren kann, ist eine seiner geringeren Auslassungen. Und halten wir ihm einmal zugute, dass es tatsächlich teuflische Programme, Gesetzesvorhaben, Methoden und politische Strategien gibt, von denen zu sagen wäre: „Damit arbeiten sie und fangen Seelen“ – so wären wir lange noch nicht bei der gründlichen Tiefe angelangt, die Volksmissionare mit ihren etwas derben Mitteln zu erreichen wussten, bei der Frage nämlich: Wie kann man seelisch überleben in seelenlosen Zeiten? Wie kann man Gerechtigkeit finden in Unrechtssystemen? Wie können wir individuell und sozial gerettet werden?
Versuch der „Quadratur des Kreises“
Darauf gibt ein souveräner Bischof immer die biblische Antwort: Durch Jesus „In keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen.“ (Apg 4,12) Weil Jesus nun einmal das Haupt seiner Kirche ist und er nirgendwo deutlicher zu finden sein müsste als in seinem Leib – eben dieser Kirche – müsste ein souveräner Bischof alles dafür tun, dass Menschen nicht massenhaft aus der Kirche austreten. Da Bätzing kein souveräner Bischof ist, laviert er hin und her zwischen liebedienerischen Kniefällen vor einem wildgewordenen Laienverband und apostolischer Treue zum Heiligen Stuhl. Er fährt also nach Rom, indem er seiner Klientel glaubhaft macht, er brächte die Quadratur des Kreises zustande: Grünes (oder mindestens gelbes) Licht für ein „Jein“ zu einem Gremium, in dem Laien zwar nicht richtig mitentscheiden können, aber irgendwie doch das Sagen haben. So sicher wie das Amen in der Kirche wird er sich in Rom die Klatsche noch einmal abholen, mit der er schon wiederholt abgewatscht wurde. Wo er sich in Deutschland nicht ehrlich machte, wird er in Rom ehrlich gemacht.
Vorsicht Falle!
Der darauffolgende Gesichtsverlust in der Heimat ist schlimmer denn je, denn er beschädigt zugleich die Bischöfe (die wie die unmündigen Kinder durch Rom wieder an Lehre und Recht erinnert und auf den Pfad der Tugend zurückgeführt werden), den Papst (dem der Schwarze Peter in die Schuhe geschoben wird) und das ZdK, das (noch einmal hingehalten und mit falschen Versprechungen gefüttert) endgültig abgebürstet wird. Bätzing führt die „23“ ungehorsamen Bischöfe mit wehenden Fahnen in die Falle. Und hinter all diesen nicht souveränen Bischöfen stehen die einfachen Katholiken, die zu ihren Bischöfen aufschauen, Zeitung lesen und der Tagesschau vertrauen, – all diese „Kleinen, die an mich glauben“, wie Jesus sagt, um seine Jünger mit eindringlichen Worten davor zu warnen, dass man ihnen um Gottes Willen kein „Ärgernis gibt.“ (Mt 18,6) Die Kleinen, die dem Seelenretter mit seinen falschen Versprechungen auf den Leim gingen, werden die Kirche endgültig verlassen, vielleicht sogar Gott. Seine Seele rettet der Seelenretter damit eher nicht, – obwohl, wir wollen der Barmherzigkeit Gottes nicht vorgreifen. Seinen Nachruhm jedenfalls sichert er nicht.
Bernhard Meuser
Jahrgang 1953, ist Theologe, Publizist und renommierter Autor zahlreicher Bestseller (u.a. „Christ sein für Einsteiger“, „Beten, eine Sehnsucht“, „Sternstunden“). Er war Initiator und Mitautor des 2011 erschienenen Jugendkatechismus „Youcat“. In seinem Buch „Freie Liebe – Über neue Sexualmoral“ (Fontis Verlag 2020), formuliert er Ecksteine für eine wirklich erneuerte Sexualmoral.