Das Luftschloss des „Synodalen Weges“ ist geplatzt. Dennoch halten die Verfechter an ihrem Vorhaben fest, anscheinend nach dem Motto „Augen zu und durch“. Am Montag startet die Vollversammlung der Bischöfe, in deren Rahmen der „Synodale Ausschuss“ beschlossen werden soll. Als „Neuer Anfang“ sehen wir uns geradezu genötigt, uns in einem flehentlichen „Hirtenwort“ an die Hirten zu wenden, um diesen Irrweg noch zu stoppen. Es ist die Zeit der Umkehr und die Zeit der Gnade.

Sehr geehrter Bischof!

Die freie Rede hat in der Katholischen Kirche leider keine große Tradition. Papst Franziskus blieb mit seiner Einladung zu „kühner Redefreiheit“ weithin ungehört. Als wir die Initiative „Neuer Anfang“ begründeten, hofften wir auf einen echten Dialog und einen Austausch der Argumente – leider fast ohne Ergebnis. Unsere unbequemen Einsprüche, die wir dann neben der hermetisch abgeschirmten katholischen Binnenkommunikation publizierten, haben trotzdem viele Katholiken erreicht und überzeugt.

„Freie Rede“, sagt die Essayistin Kübra Gümüşay, „bedeutet, eine sprachliche Architektur zu schaffen, die es einer pluralen Gesellschaft ermöglicht, facettenreich, perspektivreich und komplex in ihr zu existieren – sodass alle frei sprechen können.“ Weil es diese Architektur in der Kirche unseres Landes noch nicht gibt, weil so manche Stimme in der Kirche offiziell übersehen und administrativ überhört wird und weil persönliche Briefe an Bischöfe allzu oft mit Standardschreiben beantwortet werden, bringen wir unsere Sorge um den Kurs der Kirche einmal mehr in dem „Offenen Brief“ zu Gehör, den Sie in der Anlage finden. Die Lage der Dinge ist so, dass wir Sie herzlich bitten, eine Kapuzinerpredigt auch dann anzuhören, wenn sie einmal nicht von Kapuzinern verfasst wurde.

Ihnen eine gesegnete Fastenzeit und Mut zu ungewöhnlichen Lösungen in Augsburg.

Die Initiative „Neuer Anfang“

Bischöfe, macht Euch ehrlich!

In wenigen Tagen werden Sie in Augsburg zu Ihrer Frühjahrsvollversammlung zusammenkommen. Dort soll wohl der letzte Stein auf das vermeintlich größte Reformwerk der Katholischen Kirche, den „Synodalen Weg“, gesetzt werden. Der „Synodale Ausschuss“ soll offiziell zum Projekt der Bischofskonferenz werden, womit man den „Synodalen Weg“ auf Dauer stellen möchte (auch wenn das Endziel der durch Rom verbotene „Synodale Rat“ bleibt).

Zuvor möchten wir Sie – gut biblisch – einladen, Bilanz zu machen und zu schauen, ob noch irgendetwas an dem Gesamtprojekt „Synodaler Weg“ stimmt. Der Papst und seine römischen Instanzen haben nahezu alle ihre Forderungen und Beschlüsse als unvereinbar mit der Lehre der Kirche zurückgewiesen. Auf der Weltsynode ist der deutsche Sonderweg nie angekommen. Nun soll es der „Synodale Ausschuss“ richten, ein Gremium, in dem sich das ganze bis zum Platzen aufgestaute Machtinteresse des Zentralkomitees der deutschen Katholiken versammelt, weil man glaubt, hier den Hebel zu haben, um mitzuregieren, den Klerikalismus auszubremsen und den langsamen Umbau einer Kirche zu erzwingen, in der man – fern von Rom und im Ungehorsam – tut, was man auf anderskatholische Art tun will. Dass viele von Ihnen, liebe Bischöfe, dieses Spiel mitspielen, erschließt sich uns nicht. Glauben Sie wirklich noch, das Volk Gottes würde sich durch das Zentralkomitees vertreten fühlen? Durch Funktionäre wie Irme Stetter-Karp oder Gregor Podschun?

„Wenn ihr Bischöfe einen Turm bauen wollt, setzt ihr euch dann nicht zuerst hin und berechnet die Kosten, ob eure Mittel für das ganze Vorhaben ausreichen?“ (frei nach Lk 14,28)

  1. Sie haben bereits den „Synodalen Weg“ auf Sand gebaut

Erinnern wir uns: Der „Synodale Weg“ war die kirchliche Antwort auf die MHG-Studie, in welcher der „Sexuelle Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ untersucht wurde. Wie man heute weiß, zog man aus der erschütternden Faktenlage voreilige Schlüsse. Spezifisch katholische Faktoren für Missbrauch sollten es gewesen sein, die zu spezifisch katholischen Missständen und spezifisch katholischen Risikofaktoren führten. Deshalb müsse man radikal an Lehre und Verfassung der Kirche herangehen, um das Übel des Missbrauchs an der Wurzel zu packen – nämlich bei den Strukturen der Macht.

So trat der konkrete Missbrauch, der konkrete Täter und das konkrete Opfer immer mehr in den Hintergrund; der „Synodale Weg“ diskutierte darüber, wie „katholische“ Klerikermacht durch Demokratisierung, Gewaltenteilung und Mitbestimmung zu brechen sei, warum das Priesteramt umgebaut, der Zölibat abgeschafft und Frauen geweiht werden müssten, warum gar der Katechismus umgeschrieben werden müsse, um die menschenfeindliche katholische Sexualmoral für queere und „nonbinäre“ Lebensentwürfe zu öffnen …

Nur trug das Fundament nicht und das Grundaxiom des Synodalen Weges stürzte wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Nachdem mit „ForuM“ endlich eine vergleichbare Studie aus dem Raum der evangelischen Kirche vorlag, stellten unabhängige Beobachter fest: Es gibt keinen spezifisch katholischen Missbrauch. Der Historiker Thomas Großbölting auf Publik-Forum:

„Ich habe die Studie zum Bistum Münster geleitet und auf den spezifisch katholischen Risikofaktor Klerikalismus hingewiesen. Aber jetzt musste ich erkennen: Es scheint fast gleichgültig zu sein, ob Sie einen geweihten Priester oder einen ordinierten Pfarrer in einer lutherischen oder einer reformierten Gemeinde haben. Die Pastoralmacht ist in beiden Kirchen relativ ähnlich …“

Er hätte weiterdenken können: Macht ist wesenhaft asymmetrisch. Wo Macht ist, ist Missbrauch möglich.

Der Kultur- und Religionssoziologe Detlev Pollack staunt über die Tatsache, dass auch in der evangelischen Studie 99,6 % der Beschuldigten männlich sind, es folglich nicht am Zölibat und Klerikalismus liegen könne.

„Der Missbrauch“, sagt Pollack, „ist ein reines Männlichkeitsphänomen und insofern nicht allein ein kirchliches Problem, sondern ein Problem der gesamten Gesellschaft. Nicht schon die Wahrnehmung einer geistlichen Funktion in der Kirche bedingt den Missbrauch. Wichtiger ist das Sexualverhalten der Männer. Die zutage getretene Geschlechterdifferenz spielt in der Kirche eine Rolle, in der Familie, der Schule, im Kindergarten, im Sportverein, in Internaten und Heimen, im Jugendchor.“

Man wird Sie, liebe Bischöfe, fragen: Haben Sie 10 Millionen Euro Kirchensteuergeld in den Sand gesetzt, weil Sie unbesehen dem falschen Axiom folgten?

  1. Sie bauen gerade das nächste Kartenhaus

 Das nächste Kartenhaus heißt „Synodaler Ausschuss“, den der ebenso liberale wie sorgfältige Kirchenrechtler Norbert Lüdecke in Gestalt einiger „Kuriosa“ auseinandernimmt. Er nennt das Projekt eine „Simulation.“

Kuriosum 1:       Lüdecke sieht im „Synodalen Weg“ einen „Partizipations-Avatar“, ein taktisches Manöver, mit dem Bischöfe, die in Hinsicht auf den Missbrauch ihre „Leugnungs- und Hinhaltestrategie“ nicht mehr aufrechterhalten konnten, eine Spielebene einzogen, auf der „Laien sich entscheidungsbefugt fühlen sollten, ohne es zu sein. Tatsächlich ließ ein partizipatives Kommunikationsdesign Laien die hierarchischen Positionen vergessen und sich auf Augenhöhe wähnen auch wenn alle Steuerung systemgerecht in bischöflicher Hand blieb.“ So werde es auch dem „Synodalen Ausschuss“ ergehen. Alles Pseudo, alles geplante Frustration. Der Beschluss, einen „Synodalen Ausschuss“ (27 Bischöfe, 27 ZdK-Mitglieder, 20 Berufene) einzurichten, sei „wie alle auf dem Synodalen Weg abgestimmten Texte eine Empfehlung ohne jede Bindungswirkung.“

Lüdecke berichtet: Das sehen selbst vom Sekretariat der Bischofskonferenz bestellte Fachleute einhellig so. Ihr Urteil ist so vernichtend, wie das von Prof. Heribert Hallermann: „Der Synodale Ausschuss besitzt keinen in seiner Satzung verankerten eigenständigen rechtlichen Charakter und ist insofern rechtlich inexistent: Er ist weder eine Vereinigung weltlichen oder kirchlichen Rechts noch eine Bischöfliche Kommission oder eine Dienststelle der DBK noch besitzt er eine andere rechtskonforme Existenzform.“ Wieso, liebe Bischöfe, wollen Sie dann eine Simulation von Ausschuss beschließen?

Kuriosum 2:    Lüdecke belegt die doppelte Illegitimität der Vorgänge um ein vermeintliches „konstituierendes Treffen des Synodalen Ausschusses“ (Irme Stetter-Karp), in dem Bischof Bätzing das Gremium sieht, „das die Brücke zu einer auf Dauer gestellten Synodalen Struktur bildet.“ Illegitim war bereits der Beschluss über eine Satzung, denn nach deren Wortlaut entfalten die Beschlüsse des Synodalen Ausschusses keine Rechtswirkung. Außerdem fehlt es am Träger: Weder der Verband der Diözesen Deutschlands (VDD), dem es an der nötigen Einstimmigkeit fehlte, noch die Deutsche Bischofskonferenz aufgrund ihrer fehlenden Trägerfähigkeit sind dazu in der Lage. Trotzdem wurde der Eindruck erweckt, man habe über Satzung und Geschäftsordnung einstimmig „entschieden“.

Illegitim war die Vorgehensweise auch in Hinsicht auf die Einbindung in die Gesamtkirche, hatte Papst Franziskus doch das kirchenrechtlich geltende Verbot eines „Synodalen Rates“ in einem öffentlichen Schreiben vom 23.11.2023 explizit auch auf die „Konstituierung des Synodalen Ausschusses, der die Einführung eines Beratungs- und Entscheidungsgremiums vorbereiten soll“ bezogen; dieses sei „in der im entsprechenden Beschlusstext umrissenen Form mit der sakramentalen Struktur der Kirche nicht in Einklang zu bringen. … dessen Einrichtung vom Heiligen Stuhl daher mit Schreiben vom 16. Januar 2023, das ich in spezifischer Form approbiert habe, untersagt wurde“. Wieso, liebe Bischöfe, gehen Sie sehenden Auges in den Ungehorsam gegenüber dem Papst?

Kuriosum 3:   Lüdecke sieht keinerlei genügende Rechtsgrundlage einer Trägerschaft des Synodalen Ausschusses „in gemeinsamer Verantwortung“ von Zentralkomitee und Bischofskonferenz. Bischof Oster habe recht mit seiner Frage: „Wenn … vier Bistümer nicht an der Trägerschaft des Synodalen Ausschusses mitwirken und damit auch der VDD nicht sein Träger ist, wie kann dann die ‚Deutsche Bischofskonferenz‘ als Ganze der Träger sein? Auf welcher rechtlichen Grundlage?“ Lüdecke: „Auf keiner! Die DBK kann nicht (Mit-)Trägerin des Synodalen Ausschusses sein.“ Nemo dat, quod non habet. Wieso, liebe Bischöfe, verlassen Sie den Rechtsrahmen Ihrer eigenen Verfassung?

Kuriosum 4:     Lüdecke geht auch auf die vollmundige Ankündigung des ZdK ein, man werde im „Synodalen Ausschuss“ keine Zweidrittelmehrheit der Bischöfe mehr tolerieren. Tatsächlich könnte das Gremium dann die Bischöfe majorisieren, was der apostolischen Struktur der Kirche widerspricht. Papst Franziskus hat immer wieder betont, alle seien zu synodaler Partizipation eingeladen, aber er hat nie Zweifel daran aufkommen lassen, dass die Kirche hierarchisch und episkopal aufgebaut ist. Beratung ja, Entscheidung nein (decision making / decision taking). Den Kurs der Kirche bestimmen zuletzt die Bischöfe, insonderheit der Bischof von Rom. Wer gibt Ihnen, liebe Bischöfe, das Recht, auf Ihre im Evangelium begründete apostolische Vollmacht zu verzichten? 

  1. Sie entfernen sich immer weiter vom Volk Gottes

Seit 2019 befassen Sie sich, liebe Bischöfe, fast ausschließlich mit dem „Synodalen Weg“. In einem unwürdigen Gerangel mit dem Zentralkomitee verbrauchen Sie Ihre letzten Kräfte, als wäre die epochale Gottes- und Glaubenskrise durch wackeren Sitzungskatholizismus und die Optimierung von Gremien zu beheben. Merken Sie eigentlich noch, dass Sie als mutige Hirten und kühne Leiter ganz wo anders dringend gebraucht werden? Draußen ist Krieg. Das Land steht vor einer demographischen, wirtschaftlichen und sozialen Katastrophe. Deutschland droht in die Unregierbarkeit abzugleiten. Hunderttausende von Menschen verlassen enttäuscht ihre geistliche Heimat – eine Katholische Kirche, die ihre geistliche Substanz, ihre intellektuelle Relevanz und ihre prophetische Leuchtkraft verloren hat.

Fragen Sie sich, ob Sie mit Ihrer institutionellen Selbstblockade und Ihren mühsamen Versuchen das Gesicht zu wahren, nicht genau das erzeugen, was Papst Franziskus einmal die „größte Bedrohung“ für die Kirche genannt hat: „den grauen Pragmatismus des kirchlichen Alltags, bei dem scheinbar alles mit rechten Dingen zugeht, in Wirklichkeit aber der Glaube verbraucht wird und ins Schäbige absinkt. Es entwickelt sich die Grabespsychologie, die die Christen allmählich in Mumien für das Museum verwandelt.“ (Evangelii Gaudium 83)

Verlassen Sie bitte einmal Ihre Kathedrale und begeben Sie sich inkognito in einen normalen katholischen Gottesdienst, ob in der Stadt oder auf dem Land. Und dann zählen Sie die Menschen, die jünger sind als Sie. Unfassbarer Weise kommen heute immer noch junge Leute zum Glauben, werden sogar katholisch. Die bohrenden Fragen, die eine solche junge Frau von Ende Zwanzig gestellt hat, mögen Sie in die Fastenzeit und in die Frühjahrsvollversammlung begleiten:

Wo finde ich eine Verkündigung, die den Namen verdient, eine Predigt, die von Gott spricht? Wo finde ich eine leuchtende Theologie, die aus den Quellen der Schrift schöpft? Wo ist eine Kirche, in deren Liturgie sich Himmel und Erde berühren? Wo ist die Gemeinde, die mich sieht, mich haben will, mich mit Liebe begrüßt und umarmt? Wo ist mein Platz in dieser Kirche? Ich wurde katholisch wegen der Wahrheit und der Schönheit – und finde sie verraten. Manches von dem, was ich in der Katholischen Kirche suchte, kannte ich viel besser von dort, wo ich herkam: Wertschätzung des Wortes Gottes, Sorgfalt seiner Auslegung, menschliche Wärme, Entschiedenheit für Jesus, Freude im Heiligen Geist …“

Die Fastenzeit ist die Zeit der Gewissenserforschung, der Reinigung und des neuen Anfangs. Niemand muss die alten Muster fortsetzen. Auch Sie als Bischöfe müssen das nicht tun. Mit der „kühnen Redefreiheit“, die Kardinal Bergoglio 2013 für die Kirche einforderte, sagen wir Ihnen: Bischöfe, macht Euch ehrlich!

 Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade“ (2 Kor 6,2).

Für die Initiative „Neuer Anfang“

Bernhard Meuser, Dorothea Schmidt, Martin Brüske


Beitragsfoto: Quelle: Imago Images

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