Wieso sich die Kirche von der LGBTQ-Bewegung nicht überrollen lassen darf

Die gesellschaftliche Bewertung von Homosexualität hat innerhalb kurzer Zeit eine diametrale Wende erlebt. Dr. Peter Mettler analysiert den Werdegang einer erfolgreichen Lobby-Strategie, die gerade auch auf die katholische Kirche übergreift und begründet, warum die Kirche aus dem Selbstverständnis ihres Glaubens heraus Widerstand leisten muss.

Nach einer langen Geschichte der negativen Beurteilung hat sich das Verständnis von Homosexualität zumindest im westlich-nordamerikanischen Zivilisationskreis in sein Gegenteil verkehrt, und dies innerhalb von nur dreißig Jahren. Aus einem Strafbestand wurde ein Bestandteil der Menschenwürde, eines der in der Tat erstaunlichsten Phänomene der Gegenwart.

Wie ist dieser massive Bewusstseinswandeln zu erklären? Er ist mitverursacht durch einen tiefgreifenden Wandel lebensbestimmender, ethischer Überzeugungen seit dem Ende der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, der sich so tiefgreifend und schnell vollzog, dass einige von einem „Wertewandlungsschub“, andere von einem „Werteverfall“ sprechen[1].

Großen Einfluss auf den Bewusstseinswandel hinsichtlich der Homosexualität und Sexualität überhaupt hatten die nach ihrem Verfasser benannten Kinsey-Reporte, die nachweislich Meisterwerke des Marketings sind. Viele von Alfred Kinseys wichtigsten Ergebnissen sind nie in anderen, unabhängigen Forschungen bestätigt worden. Das ursprüngliche Datenmaterial wurde niemals anderen Forschern zur Prüfung hinterlassen. Viele Meta-Studien aus Experten-geprüfter Forschung kamen zu ganz anderen Ergebnissen, insbesondere was die Häufigkeit von Homosexualität in der Bevölkerung betrifft[2].

Erfolgreiche Lobby-Strategie

Entscheidend für den Bewusstseinswandel aber war die beispiellose Erfolgsstory der strategisch exakt geplanten und konsequent verfolgten Lobbyarbeit der Internationalen Gay- und Lesbianbewegung. 1972 wurde in Chicago bei einer Tagung der „National Coalition of Gay Organisations“ ein entsprechendes Grundmanifest beschlossen, welches die Ziele der Bewegung genau benannte: die völlige Akzeptanz homosexuellen Verhaltens als einer Variante normalen menschlichen Verhaltens und Homosexualität als alternativer Lebensstil[3].

Im Februar 1988 kamen in Warrenton, USA, 175 führende Homosexuellen-Aktivisten als Vertreter von Organisationen aus allen Landesteilen zusammen, um ein Vier-Punkte-Programm für die „Gay-Rights-Bewegung“ zu entwerfen. Im Anschluss an diese Konferenz verfassten die beiden Sozialwissenschaftler und Aktivisten Marshall Kirk und Hunter Madsen – beide ehemalige Harvard-Absolventen – ein Manifest mit der Forderung „die überholten Techniken der Bewegung durch eine sorgfältig kalkulierte PR-Propaganda zu ersetzen … und damit den Grundstein für die nächste Etappe der Homosexuellen-Revolution und ihren Endsieg über die Bigotterie zu legen.“[4]

Fragt man danach, ob es sich bei dieser Strategie und den anzuwendenden Mittel der „Kriegsführung“ um mehr als nur theoretische und akademische Überlegungen handelt, wird bald deutlich, dass es um konkrete Handlungsanweisungen ging und geht, die auch umgesetzt wurden und werden:

  1. Manipulation durch persönliche Diffamierung und Bedrohung. Andersdenkende – Wissenschaftler, Psychologen Therapeuten, Politiker, Theologen – werden eingeschüchtert, bedroht, durch öffentliche Bloßstellung persönlich herabgesetzt und zum Schweigen gebracht.
  2. Manipulation durch Sprachverfälschung. Zum wirksamsten Mittel der Kultur-Zerstörung gehört eine willkürliche Umprägung der gewachsenen Sprache und vertrauter Sprachbilder. So wurde „Diskriminierung“ zu einem politischen Kampfbegriff, um berechtigte Sachkritik abzuwehren, um die moralische Gleichwertigkeit und eine kritiklose Bejahung aller Lebensweisen einzufordern, um sich selbst in der Opferrolle darzustellen und durch den Vorwurf der Diskriminierung Druck auf Andersdenkende auszuüben.
  3. Manipulation durch falsche Zahlenangaben. Angeblich sollen nach Kinsey rund 10 Prozent der Bevölkerung homosexuell empfindend sein. Keine der nach Kinsey durchgeführten Studien konnte eine auch nur annähernd so hohe Zahl nachweisen.
  4. Manipulation durch Leugnen, Verschweigen und Umdeutung homosexueller Lebenswirklichkeit, hinsichtlich der Dauer der Beziehungen als auch der physischen und psychischen Folgen des homosexuellen Lebensstils. Auch in „festen“ homosexuellen Beziehungen ist eine nicht selten sogar offen kommunizierte Absage zu sexueller Treue alltäglich, man macht sich bewusst nicht jene Dauer und Verbindlichkeit zu eigen, die zum Selbstverständnis der Ehe aus christlicher Perspektive dazugehören. Nach Martin Dannecker und Helmut Kentler gehört die Partnervariation explizit zur Sexualität des Homosexuellen, da er eine andere sexuelle Natur habe[5].Aufgrund der unter homosexuell Lebenden gebräuchlichen Sexualpraktiken kommt es sehr häufig zu schweren körperlichen Erkrankungen, zu Infektionen, zu Wunden oder Beschädigung von Körperstrukturen[6]. Homosexuell Lebende haben auch ein substantiell höheres Risiko, an bestimmten emotionalen Problemen, unter anderem Selbstmordneigung, schwere Depressionen und Angstneurosen zu erkranken[7]. Hinzu kommt, was Jürgen Braun das Zauberwort „Vernetzen“ genannt hat[8].

So gelang es der Schwulenbewegung in relativ kurzer Zeit, Homosexualität nicht nur gesellschaftlich salonfähig zu machen, sondern medial auch als alltägliche oder gar vorzuziehende Lebensweise darzustellen. Ihr Verständnis von Homosexualität wird als allein wissenschaftlich behauptet und gegensätzliche Ansichten als pseudowissenschaftliche Scharlatanerie verleumdet oder gar als Diskriminierungstatbestände kriminalisiert. Es grenzt an Naivität und Feigheit, wie sich weite Teile von Politik, Wissenschaft, Gesellschaft und Kirchen eil- und dienstfertig dieser Strategie ergeben und unterworfen haben und so mitgeholfen haben, die Voraussetzungen für eine tiefgreifende Veränderung der Gesellschaft zu schaffen.

Das Grunddogma der Bewegung, Homosexualität sei eine angeborene Anlage und gehöre unveränderbar zum Wesen und zur Identität des jeweiligen Betroffenen, erweist sich jedoch bei genauer Prüfung als interessengeleitetes Konstrukt, das übrigens auch von der Gender-Theorie, die man sich zu eigen gemacht hat, nicht bestätigt wird. Keine der bisher vorliegenden Studien, die biologische Faktoren als Hauptursache für Homosexualität nachzuweisen suchen, ist in sich schlüssig oder eindeutig wissenschaftlich belegt; sie sind bestenfalls spekulativ. Es mangelt ihnen nicht nur an Widerspruchsfreiheit, sondern ihre Ergebnisse wurden bisher auch nicht durch andere unabhängige Studien wiederholt und bestätigt, ein in der Forschung unverzichtbares Erfordernis.

Existenz ist keine Wertung

Doch selbst, wenn biologische Ursachen der Homosexualität eines Tages nachgewiesen werden sollten, folgte daraus nicht automatisch, Homosexualität – oder jede andere menschliche Praktik und Handlung – sei automatisch aus einer christlichen Perspektive „natürlich“ im Sinne von schöpfungsgemäß, wünschenswert oder ihre Praktizierung ethisch gerechtfertigt. Der protestantische emeritierte Ethiker Ulrich Eibach fasst es so zusammen:

„Wenn man die vorfindliche Natur mit der Schöpfung Gottes identifiziert, dann wird alles natürlich Gewordene zum von Gott Geschaffenen und Bejahten. Eine solche Gleichsetzung der Natur mit dem Werk Gottes, der Schöpfung, leugnet, dass uns in der Natur nicht nur die von Gott gewollte Schöpfung, sondern auch das sie zerüttende Übel begegnet, das Gott nicht geschaffen und gewollt hat. Ethisch gesehen verfällt man einem naturalistischen Fehlschluss, weil man aus dem Vorfindlichen ableitet, dass es auch sein soll und – theologisch gesprochen – dem Willen Gottes entspricht.“[9]

Ignoranz gegenüber psychologischen Erkenntnissen

Psychologischen Faktoren und Erklärungen zum Ursprung von Homosexualität werden in diesen Studien dagegen keine oder kaum Aufmerksamkeit geschenkt, was auf Unprofessionalität hindeutet; gerade hier muss der Psychologie das Gewicht gegeben werden, das sie bis Anna Freud hatte, als noch kein Psychotherapeut oder Psychoanalytiker Angst haben musste, sich den Problemen sexuellen Identitätsstörungen bei ihren Klienten zu stellen.

Wer sich bisher noch nicht oder nur wenig mit Homosexualität aus psychologischer Perspektive befasst hat, den müssen konvergierende Einschätzungen der Klassiker der Psychologie – Siegmund Freud, Wilhelm Stekel, Alfred Adler, Carl Gustav Jung – erstaunen. Alle betrachten, wenn auch aus unterschiedlicher Perspektive, Homosexualität als eine Entwicklungsstörung auf dem Gebiet der geschlechtlichen Identität, die nicht angeboren, sondern unter bestimmten Bedingungen und Einflüssen erworben und deshalb auch grundsätzlich veränderbar ist.

Eine Betroffene, die Jahrelang in der Szene lebte und mittlerweile befürchten muss, ihren Klarnamen zu nennen, bekundete: „Mir ist keine einzige Geschichte in meiner ganzen Zeit begegnet, hinter der nicht ein konkretes Narrativ stünde.“ Der Wiener Psychiater Erwin Ringel etwa bezeichnete Homosexualität als neurotisches Symptom, resultierend aus einer belasteten Kindheitsentwicklung, welche zu einer problematischen Persönlichkeitsstruktur im gefühlsmäßigen Bereich führt. Homosexualität war für Ringel ein Musterbeispiel für eine sexuelle Symptomatik, hinter der sich in Wirklichkeit eine Persönlichkeitsstörung verbirgt[10]. Andere Psychologen und Ärzte wie Gerard J. M. van den Aardweg (NL), Lawrence Hatterer, Joseph Nicolosi, Richard Fitzgibbons und Robert L. Spitzer (USA) bestätigten diesen Befund durch eigene Beobachtungen und Studien.

Ideologische Einschränkung von „Forschung“

Seit die Amerikanische Psychiatrische Gesellschaft (APA) 1973 aber unter dem organisierten Druck einschlägiger Lobbygruppen und nicht etwa aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse Homosexualität aus der Liste psychischer Störungen strich, ist es nahezu unmöglich geworden, gegen den psychologischen Mainstream objektiv zu forschen und in freier Gebundenheit an empirische Ergebnisse zu lehren. Es gibt noch „Forschung“ nach den Ursachen von Homosexualität, aber sie bewegt sich immer öfter im engen Korridor politischer Vorgaben und ideologischer Setzungen und wird von anderen, nunmehr „dissidenten“ Wissenschaftlern als parteiische Verzerrung durch pro-homosexuelle Ergebnisforderungen angesehen. Bis heute wird die Auseinandersetzung mit dem Thema Homosexualität unter dem Druck der Prämissen und dem gewaltförmigen Verdikt einer identitätspolitisch organisierten Lobby geführt.

Aus einer verfolgten Minderheit wurde damit eine verfolgende Minderheit, die sich in Politik, Universitäten, Gesellschaft und Teilen der Kirchen eine Machtposition verschafft hat, welche die Religionsfreiheit zerstört, den Rechtsstaat untergräbt und die Wissenschaftsfreiheit mit Füßen tritt. Noch erfolgreicher als ihr „Marsch durch die Institutionen“ war ihr „Marsch durch die Definitionen“. Abweichende Meinungen werden inzwischen als „diskriminierend“ ins Abseits gestellt, als „Hassrede“ gebrandmarkt und als Verbrechen deklariert[11].

Homosexualität in der Kirche

Insofern die Kirche Teil der Welt ist und umgekehrt, verwundert es nicht, dass die Problematik der Homosexualität auch innerhalb der Kirche voll zu Buche schlägt. Dabei scheint die neuentdeckte Liebe der Kirche zum Thema auch durch die im Vergleich mit der Gesamtbevölkerung überproportional hohe Zahl von homosexuell empfindenden und auch praktizierenden Seminaristen, Priestern und Ordensleuten motiviert zu sein, wobei die katholische Kirche in den USA eine gewisse Vorreiterrolle spielte. Diese Entwicklung muss dringend untersucht werden, da der Zusammenhang mit einer parallel überproportionalen gleichgeschlechtlich-männlichen Missbrauchsquote nicht abzustreiten ist. Jedenfalls kann man nicht davon ausgehen, die katholische Sonderproblematik sei dem allgemeinen Wertewandel in der Gesellschaft geschuldet. Sicherlich hat auch der gesellschaftliche Bewusstseinswandel nicht vor der Kirche Halt gemacht und diese verschont, sondern er zeigt, wie realistischer Weise zu erwarten war, Wirkung.

Die ausgesprochen hohen Zahlen sind aber offenbar zu einem nicht unerheblichen Teil hausgemacht. Viele, die in der Kirche an verantwortlicher Stelle stehen, handelten und handeln dabei in einer Praxis aus falsch verstandener Toleranz und Liebe. Die Realitätsverweigerung äußert sich in Lehre und Verkündigung – durch Verharmlosung, Verschweigung, stille Duldung und Aussitzen von Problemen – wahrscheinlich eher unbewusst, immerhin aber fahrlässig. Dies entschuldigt sie aber nicht und enthebt sie auch nicht ihrer Verantwortung.

Veruneindeutigung der Schöpfungslehre

Andere dagegen handelten und handeln bewusst und gezielt. Dies geschieht zum einen durch die immer neuen Uminterpretationen des in sich eindeutigen biblischen Zeugnisses, das konstant durch die kirchliche Tradition und Erklärungen des Lehramts bestätigt wurde, der zufolge Homosexualität als eine Störung im Verhältnis der Geschlechter galt und homosexuelle Praxis eine Verletzung der Schöpfungsordnung Gottes war. Erst im vergangenen Jahrhundert verließen Theologen erstmals diese klassische Position. Die neuen Ansätze erwiesen sich als uneinheitlich und führten bis heute zu keinem Wissenschaftskonsens.

Bisweilen hat man den Eindruck eines selektiven und übergriffigen Umgangs mit der Heiligen Schrift, wonach das Eindeutige veruneindeutigt, das Klare verunklart, das Fordernde entkräftet und die Weisung delegitimiert wird. Um eine Praxis im Heute zu entsündigen und in die „Ich-bin-okay-du-bist-okay-Welt“ einzupassen, wird aus dem Wort Gottes ein zeitbedingtes Dokument ohne substanzielle Wesensaussagen, das man beliebig formen und pressen kann, bis es den eigenen Vorstellungen entspricht. Exegese wird zur „Eisegese“, d.h. aus der Bibel wird herausgelesen, was zuvor hineininterpretiert wurde.

Homosexuelle Subkulturen in der Kirche

Zum anderen geschieht dies durch die Selektion von „geeigneten“ Seminaristen. In seinem Buch zitiert der Autor Martin S. Rose, ein ehemaliger Seminarist, seitenweise Beispiele von abgelehnten Priesteramtskandidaten, die wegen ihrer die Lehre der Kirche bejahenden Anschauungen zu Sexualität und Sexualmoral den Psycho-test, der oft von ungläubigen, kirchenfernen oder gar kirchenfeindlichen Psychologen ausgearbeitet und angewandt wurde, nicht bestanden: „sexuell unterentwickelt“ oder „zu dogmatisch“ hieß es in den Bewertungen.  Wer sich zum Zölibat bekannte und es ablehnte, Homosexualität als neutrale Normvariante von Sexualität zu betrachten, wurde wie einer betrachtet, der Zeichen sexueller Perversität zeige[12].

Diese offene Diskriminierung heterosexueller und glaubenstreuer Seminaristen führte geradezu zwangsläufig zu dem, was im John-Jay-Report dokumentiert und von dem schwulen Soziologe Frederic Martel in seinem „Sodom“-Buch ebenso bestätigt wurde wie von Papst Franziskus, der offen die homosexuelle Subkultur und die homosexuellen Netzwerke im Seminar und im Klerus ansprach. Das musste und muss natürlich auf heterosexuelle Seminaristen und Priester eine destabilisierende und abstoßende Wirkung ausüben.

Auch in Deutschland verließen und verlassen Seminaristen bis heute aus den nämlichen Gründen die Ausbildungshäuser der Kirche; sie suchen noch Orden, bei denen sie nicht mit schwulen Subkulturen konfrontiert werden oder sie geben ihre Berufung ganz auf. Einige ergreifen ihre Berufung aus den genannten Gründen nicht. Mit der aktiven Förderung, ja Bevorzugung homosexueller Kandidaten hat die Kirche selbst einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zur Homosexualisierung des Klerus getan.

Bruch mit der Schöpfungsordnung

Wer fordert, Homosexualität als gleichwertige Schöpfungsvariante anzuerkennen, bewegt sich faktisch in einem anderen, vom biblischen Zeugnis abweichenden Menschenbild. Solche Forderungen und Absichten zielen ins Herz der Schöpfung und richten sich deshalb gegen den Schöpfer selbst. Der Mensch lehnt sich auf gegen seine eigene Natur. Er erfindet sich selbst neu. Er kämpft gegen seinen Schöpfer. Nicht dessen Ebenbild will er sein, sondern sein eigener Schöpfer und Herr. Deshalb kann durchaus von einem Gegen-Entwurf zu der von Gott ersonnenen und gewollten Grammatik des Lebens gesprochen werden. Kardinal Gerhard Ludwig Müller fasst es zusammen:

„Die Kirche kann gleichgeschlechtliche Handlungen niemals gutheißen (benedizieren) oder gar für in Ordnung erklären, ohne in Widerspruch zum Willen des Schöpfers zu geraten und damit dem Menschen gerade nichts Gutes zu tun. Man kann die innere Ausrichtung allen menschlichen Tuns auf das Gute nicht relativieren. Das ist nur ein Mangel an Gutem, ein minus malum, sondern ein Verhalten, das in sich selbst nicht in Ordnung ist. Man kann es nicht vergleichen oder nebeneinander stellen mit der Sexualität zwischen Mann und Frau, deren einzig legitimer Ort die Ehe ist. Die Ehe ist ausgerichtet auf Dauer, eingebettet in Liebe und Treue und sie nimmt an der Kreativität Gottes teil – dadurch, dass sie auf Kinder ausgerichtet ist, also auf neues Leben.“ [13]

Neue Definitionen auf dem Synodalen Weg

Die propagierte „neue Sexualmoral“ des „Synodalen Weges“, die keine Bibel mehr braucht und sich stattdessen auf den Zeitgeist und angeblich vorliegende, niemals in den freien Diskurs eingebrachte neue Ergebnisse der Humanwissenschaften stützt, und folglich auch keine Sünde und kein göttliches Gebot mehr kennt, sieht die Homosexualität in „verantworteten“ oder „gelungenen“ Beziehungen als erlaubt an, denn schließlich sei eine neutrale Form von Sexualität und Sexualität keine Sünde.

Der Wiener Priester Dr. Joachim Heimerl erläutert dazu: „Dies freilich ist so kurz gegriffen, wie es falsch ist: Es gibt keine subjektive Verantwortung, die Gottes Gebote aufheben könnte, und auch „Humanwissenschaften“ können dies nicht. Nicht wir sind es, die bestimmen, was von Gott gewollt ist und was nicht, sondern Gott selbst ist es. Dass Gott dem Menschen die Sexualität geschenkt hat, ist wahr. Wahr ist aber auch, dass er ihm dafür einen konkreten Rahmen gegeben hat: die Ehe und die Weitergabe des Lebens. Dass außerhalb dieses Rahmens Sexualität nie einfach etwas aus sich selbst heraus „Gutes“ ist, zeigt der sexuelle Missbrauch als ein Beispiel von vielen. Gerade weil die Heilige Schrift und die Überlieferung außereheliche Sexualität in diesem Sinn ebenso eindeutig verwerfen wie den homosexuellen Akt, kann die Kirche diese von sich nicht „neu bewerten“ oder ihre Lehre „weiterentwickeln“. Sie kann aus Sünde nichts Heiliges machen oder was wenigstens nicht sündhaft ist. Sie hat keine Autorität aus sich selbst und kann nur weitergeben, was sie von Gott her empfangen, nicht weniger und nicht mehr. Alles andere würde bedeuten, dem falschen Versprechen der Schlange auf den Leim zu gehen: „Ihr werdet sein wie Gott“ (vgl. Genesis 3, 5).[14]

Die Unterscheidung zwischen der Norm und dem davon abweisenden Verhalten kann die Kirche nicht aufgeben. An dieser Stelle liegt für die Kirche die Grenze. Wer sie dazu drängt, ihre Lehre in dieser Frage zu ändern, muss wissen, dass er ihre Spaltung betreibt. Die Situation, in der sich die aus der „Reformation“ hervorgegangenen kirchlichen Gemeinschaften sowie der katholischen Kirche in Deutschland befinden, bestätigt dies mit aller Deutlichkeit.

In Wahrheit ein Homosexualitäts-Skandal

Die Fälle von sexuellem Missbrauch überwiegend postpubertärer männlicher Heranwachsender durch Priester und Ordensleute, die der Kirche einen immensen moralischen Schaden zugefügt haben, stehen in einem engen Zusammenhang mit der skizzierten Entwicklung. Von betroffener Seite wird dies zwar vehement bestritten, ist aber bei nüchterner Betrachtung der statistischen Ergebnisse verschiedener Missbrauchsberichte unübersehbar. Bei dem als Pädophilie-Skandal bekannt gewordenen sexuellem Missbrauch handelt es sich in Wahrheit eher um einen Homosexualitätsskandal.

Für den brasilianischen Moraltheologen Frei Antonio Moser OFM ist es auffällig, dass diese Skandale sich vor allem in der angelsächsischen Welt ereignen, die sich in der Vergangenheit durch ihre Sittenstrenge und heute durch ihren ungebremsten Konsum, die ungebremste Suche nach „Selbstverwirklichung“ und eigenem „Glück“ sowie einer niemals dagewesenen Übermacht auszeichnet. „Man muss sich fragen, ob die gehäufte Zahl dieser Fälle gerade in diesen Nationen der nördlichen Halbkugel ein reiner Zufall ist, oder ob sie nicht auch ein Indikator für offenbar mächtige, aber in Wirklichkeit dekadente Gesellschaften ist“ [15]

Diese Überlegungen und Fakten erweisen das in der von Papst Benedikt XVI. approbierten Instruktion der Kongregation für das katholische Bildungswesen vom 29. November 2005 erneuerte Weiheverbot von Männern, die Homosexualität praktizieren, tiefsitzende homosexuelle Tendenzen aufweisen oder sie sogenannte Gay-Kultur unterstützen als begründet und gerechtfertigt.

Die Instruktion differenziert genau und verurteilt nicht in Bausch und Bogen alle homosexuell empfindenden Männer als „weiheunfähig“, sondern nur jene, die Homosexualität praktizieren, die tiefsitzende, homosexuelle Tendenzen aufweisen und die die sogenannte Gay-Kultur unterstützen. Sie spricht nicht von denen, die eine homosexuelle Orientierung haben, aber keusch leben, einen guten Dienst an Gott und seinem Volk leisten, die Sexualethik der Bibel kennen und verkünden, die Gebote Gottes zu leben versuchen, ihre Mitbrüder nicht mit Strafanzeigen überziehen und mit homosexuellen Netzwerken, und mit dem Regenbogen-Hype und Missbrauch nicht das Geringste im Sinn haben.

Praktizierte und propagierte Homosexualität ist dagegen nicht mit dem Weihesakrament und dem Glauben der Katholischen Kirche vereinbar, außer man wollte sich in Kirche und Theologie in vielfältige Widersprüche verwickeln.

Der Wahrheit verpflichtet

Verbote und Dokumente allein sind aber ungenügend. Entscheidend wird sein, ob alle in der Kirche der vom heiligen Papst Johannes Paul II. eingeforderten Verpflichtung nachkommen, der „Fülle der christlichen Wahrheit hinsichtlich der Sexualmoral“ verpflichtet zu sein und so zu einer wirklichen Erneuerung von Priestertum, Ehe und Familie und Kirche beizutragen. Es ist nachdrücklich zu betonen, dass Wahrheit vor der Liebe steht, und zwar in diesem Sinn: erstens die Wahrheit, und zweitens die Liebe als deren Folgerung. Die Tatsache, dass die Deutsche Katholische Bischofskonferenz den diesjährigen katholischen Medienpreis dem Autorenteam des Films „Wie Gott uns schuf – coming out in der katholischen Kirche“ zugesprochen hat, lässt diesbezüglich wenig hoffnungsvoll in die Zukunft blicken und verstärkt noch weiter die häretischen und schismatischen Tendenzen der katholischen Kirche in Deutschland, welche durch die Beschlüsse der IV. Vollversammlung so offensichtlich geworden sind, dass sie als Apostasie bezeichnet werden müssen.

Nach Donald Cozzens sind die seelische Krise des Priestertums und folglich auch die seelische Krise der Kirche zum Teil eine Krise der sexuellen Orientierung: „Früher oder später wird diese Frage objektiver angegangen werden als in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Aber je länger dies dauert, umso größer wird der Schaden für das Priestertum und für die Kirche sein.“[16]

Damit ist nicht gesagt, dass Heterosexualität qua Heterosexualität automatisch zum Weiheempfang genügt und befähigt. Auch in Bezug auf die Einstellung zur Heterosexualität und ihrer Ausübung müssen die biblisch-theologischen Kriterien der Kirche bejaht und gelebt werden, damit ein Kandidat zum Empfang der Weihe zugelassen werden kann.

„Dass sie gelebt werden müssen“, das heißt: sie sind aufzunehmen in einen spirituellen und humanen Prozess der Reifung, deren Ziel und Norm die affektiv, moralisch und geistlich integrierte Persönlichkeit ist. Denn sie allein ermöglicht einen fruchtbaren priesterlichen Dienst.

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Dr.  theol. Peter Josef Mettler,
geboren am 06. Juni 1955 in Morbach (Hunsrück). 1974 Eintritt in die Ordensgemeinschaft der Missionare von der Heiligen Familie (MSF), 1975-1980 Studium der Theologie in Mainz und Trier. Priesterweihe am 06. September 1981 in Wanne-Eickel. 1982-1987 Kaplan in Düren und Neuss. 1988 Aussendung nach Brasilien in die Diözese Januaria/Brasilien, dort verschiedene pastorale Dienste als Kaplan, Pfarrer und Seelsorger in einem Indio-Reservat. 2001-2003 Lizentiat in Kirchenrecht (Rio de Janeiro). 2007 Promotion zum Dr. theol. in Freiburg. 2008-2019 Dozent für Kirchenrecht an der theologisch-philosophischen Fakultät in Belo Horizonte/Brasilien und zwischen 2012-2017 dort auch Offizial am Interdiözesanen Kirchengericht. 2019 Rückkehr nach Deutschland. Seither in Münster in pastoralen Diensten und Diözesanrichter am Offizialat.


[1] Vgl. Klages, H. Wertedynamik. Über die Wandelbarkeit des Selbstverständlichen. Zürich 1988; Ders. Wertorientierungen im Wandel. Frankfurt a. M 1984; Inglehardt, P. Kultureller Umbruch. Wertewandel in der westlichen Welt. Frankfurt a. M. 1989; Kraus, Josef. 50 Jahre Umerziehung. Die 68er und ihre Hinterlassenschaft. München 2018.

[2] Vgl. Jones, S. L. / Yarhouse, M. A. Homosexuality: The use of scientific research in Church´s Today´s Moral Debate. Downers Grow, 2000. Nach Kinsey hatten 37 % der gesamten männlichen Bevölkerung zumindest einige psychische homosexuelle Erlebnisse bis zum Orgasmus zwischen Pubertät und Greisenalter … Dies bedeutet nahezu zwei von fünf Männern. 10 % der Männer sind mehr oder weniger ausschließlich homosexuell … durch mindestens drei Jahre im Alter von 16 bis 5 Jahren. Das ist einer von 10 der weißen Bevölkerung. 4 % der weißen Männer sind ihr ganzes Leben hindurch ausschließlich homosexuell nach Beginn der Pubertät. Kinsey A.C u.a. Sexual Behavior in the Human Male. Philadephia, London, 1948. Fünf Jahre später erschien ein zweiter Rep vom selben Verfasser: Sexual Behavior in the Human Female. Philadelphia, London 1953.

[3] Mosen, H. Homosexualität, Gesellschaft und Politik: Bericht eines Insiders, In Homosexualität und christliche Seelsorge. Ein ökumenisches Symposium. Neukirchen-Vluyn, 1995, 160-194.

[4] Kirk, M./Madsen H. After the ball: how America will conquer its fear and hatred of gays in the 90s. New York 1989.

[5] Vgl. Dannecker, M. Sexualwissenschaftliches Gutachten zur Homosexualität. In Basedow, J. u.a. Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften. Tübingen 2000, 335-350; Kentler, H. Die Menschlichkeit der Sexualität. Berichte, Analysen, Kommentare, ausgelöst durch die Frage: Wie homosexuell dürfen Pfarrer sein, München 1983.

[6] „Was geschieht, wenn die Kamera weitergeht, ist oft etwas ganz anderes als das, was zwischen heterosexuellen Partnern geschieht, besonders bezüglich des Risikos der Beteiligten, sich körperlich zu verletzen oder krank zu werden.“ Schmidt, T. E. Der Preis der Liebe. In Hilliard, R./Gasser, W. (Hgg.) Homosexualität verstehen 2. Medizinische, verhaltensgenetische und theologische Aspekte. Zürich 1998, 4-23.

[7] Bailey, J. M. Homosexuality and Mental Illness. In Archive of General Psychiatry 56 (1999) 883ff. Fergusson, D. M. u.a. Is Sexual Orientation Related to Mental Health Problems and Suicidality in Young People? In Archives of General Psychiatry 56 (1999) 867-874. Sandford, T.G.M. u.a. Same-Sex Sexual Behavior ans Psychiatric Disorders. In Archives of General Psychiatry 58 (2001) 85-91.

[8] Vgl. Mettler, P. Die Berufung zum Amt im Konfliktfeld von Eignung und Neigung. Eine Studie aus pastoraltheologischer und kirchenrechtlicher Perspektive, ob Homosexualität ein objektives Weihehindernis ist. Frankfurt u. a. 2008.

[9] Eibach, U. Gleichgeschlechtliche Liebe – Gleichwertigkeit der Lebensformen der Geschlechter? In Pastoraltheologie. Monatsschrift für Wissenschaft und Praxis in Kirche und Gesellschaft 87 (1998), 155-167, 157.

[10] Ringel, E. Selbstschädigung durch Neurose. Psychotherapeutische Wege zur Selbstverwirklichung. Eschborn 2004.

[11] Vgl. Coleman, P. Zensiert. Wie europäische „Hassrede“-Gesetze die Meinungsfreiheit bedrohen. Basel 2020.

[12] Rose, M. S. „GoodBye! Good Men! How Catholic Seminaries Turned Away Two Generations of  Vocations From The Priesthood“. Cincinatti 2002.

[13] Kardinal Müller/Lohmann, Wahrheit. Die DNA der Kirche. Ein Gespräch, Kisslegg, 2020, (S. 150).

[14] Heimerl, Joachim, Homosexualität: Zwischen Keuschheit, Sünde und „neuer“ Moral, in: kath.net vom 15.06.2022.

[15] Moser, A. Pedofilia: primeiras reacoes e interpelacoes, in: Revista Eclesiastica Brasileira 62 (2002) 515-547, 520.

[16] Cozzens, D. Das Priesteramt im Wandel. Chancen und Perspektiven, Mainz, (2003, S. 143)

 

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