30 Jahre Weltkatechismus – ein Wunder mit Fortsetzung

Am 11. Oktober vor 30 Jahren wurde der Weltkatechismus promulgiert. Es war damals genau 30 Jahre nach dem Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils, auf dem ein solches Projekt bereits angedacht worden war. Eines der „Kinder“ dieses Katechismus der Katholischen Kirche (KKK) ist der sog. YOUCAT. So nennt Bernhard Meuser (geb. 1953) die Übersetzung des Weltkatechismus für junge Rezipienten, der dieses Jugend-Projekt mitinitiiert hat. In seinem Beitrag hebt Meuser die Bedeutung des Katechismus für die heutige Zeit hervor und geht auch auf die Erfolgsgeschichte des YOUCAT ein. Gleichzeitig nimmt er Bezug auf die Diskussionen im Rahmen des „Synodalen Wegs“ in Deutschland, bei denen eine grundlegende Reform des Katechismus der Katholischen Kirche gefordert wird, um zu den erwünschten Erneuerungen der Kirche gelangen zu können.

Von Bernhard Meuser

Der 11. Oktober 1992 war für die Kirche ein bedeutender Tag. Aus der Sicht des damaligen Papstes, des hl. Johannes Paul II., ging an diesem Tag in gewisser Hinsicht das Zweite Vatikanische Konzil zu Ende. Wie das? Jeder kann doch im Internet nachsehen, dass es an einem 11. Oktober im Jahr 1962 begann und am 8. Dezember 1965 endete. Papst Johannes Paul, der ein Gespür für große historische Gesten hatte, wählte bewusst den 30. Jahrestag des Konzilsbeginns, um das letzte große Werk des Konzils zu vollenden: einen Katechismus für die Weltkirche, den KKK. Um diese Tat ins Werk zu setzen, wählte er sich den besten Theologen seiner Zeit, einen Erzbischof in München, der sich zunächst dagegen sträubte, seinen Posten zu räumen und nach Rom zu kommen. Aber der Papst ließ nicht locker – und so musste aus dem Erzbischof von München, Joseph Ratzinger, der Chef der Glaubenskongregation werden.

Sehr bald verstand der damals noch junge Theologe, wie klug und weitschauend der ebenfalls noch junge Papst die großen Linien auszog und hartnäckig dieses Werk von gewaltigen Dimensionen verlangte. Denn das Konzil, in das nicht nur die katholischen Christen so große Hoffnungen gesetzt hatten, schien an der Moderne abzutropfen wie Wasser von der Ölhaut. Eine bis heute anhaltende Flucht aus den Kirchen setze ein. Ganze Ortskirchen, wie die Kirche in den Niederlanden, schienen sich in Luft aufzulösen. Religionssoziologen prognostizierten, mit der Jahrtausendwende werde sich der christliche Glaube erledigt haben.

Aber lassen wir den „Macher“ des KKK selbst zu Wort kommen. Papst Benedikt XVI. hat den Jugendlichen der Welt selbst einmal erklärt, wie das war, als er sich an die Arbeit machte. Im Vorwort zum YOUCAT sagte er: „Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil und in der veränderten kulturellen Situation wussten viele Leute nicht mehr recht, was nun die Christen eigentlich glauben, was die Kirche lehrt und ob sie überhaupt etwas lehren kann und wie sich das Ganze in die von Grund auf veränderte Kultur einfügt. Hat sich nicht das Christentum als solches überholt? Kann man vernünftigerweise heute noch gläubig sein? Das waren die Fragen, die sich auch gute Christen stellten. Papst Johannes Paul II. hat damals einen kühnen Entschluss gefasst. Er entschied, dass Bischöfe aus aller Welt zusammen ein Buch schreiben sollten, in dem sie auf diese Fragen Antwort geben würden.

Wie ein Wunder …

Er vertraute mir die Aufgabe an, die Arbeit der Bischöfe zu koordinieren und dafür Sorge zu tragen, dass aus den Beiträgen der Bischöfe ein Buch würde – ein richtiges Buch, nicht eine Zusammenstellung von vielerlei Texten. Dieses Buch sollte den altmodischen Titel „Katechismus der Katholischen Kirche“ tragen, aber durchaus etwas Aufregendes und Neues sein. Es sollte zeigen, was die katholische Kirche heute glaubt und wie man vernünftigerweise glauben kann. Ich war erschrocken über diesen Auftrag. Ich muss gestehen, ich zweifelte, ob so etwas gelingen könne. Denn wie sollte das zugehen, dass Autoren, die über die ganze Welt verstreut sind, gemeinsam ein lesbares Buch zustande bringen? Wie sollten Menschen, die nicht nur geographisch, sondern auch intellektuell und spirituell auf verschiedenen Kontinenten leben, zusammen einen Text schaffen, der eine innere Einheit bilden sollte und auch über alle Kontinente hin verstehbar ist? Dazu kam, dass ja auch diese Bischöfe nicht einfach als individuelle Autoren schreiben sollten, sondern im Kontakt mit ihren Mitbrüdern, mit ihren Ortskirchen. Ich muss gestehen, dass es mir auch heute noch als ein Wunder erscheint, dass dieser Plan schließlich gelungen ist.

Wir trafen uns etwa drei- oder viermal im Jahr eine Woche lang und diskutierten leidenschaftlich über die einzelnen Stücke, die in der Zwischenzeit gewachsen waren. …“

Ein Wunder mit Fortsetzung

Der KKK ist eine der großen Erfolgsgeschichten einer Kirche, die – global gesehen – von 265 Millionen Mitgliedern im Jahr 1900 auf 1,34 Milliarden Mitglieder heute gewachsen ist und in vielen Ländern vitale Zuwachsraten hat, während sie in der westlichen Hemisphäre geradezu wie in einem Todeskampf liegt. Letzteres hat nur vordergründig mit dem beschämenden Faktum von Missbrauch in der Kirche zu tun. Es hat mit einem radikalen Autonomiedenken („Ich lasse mir nichts mehr sagen, was ich nicht selber weiß und selber will“) und einer fundamentalen Gotteskrise in den westlichen Ländern zu tun. Man braucht keinen Herrn mehr über sich.

Bezeichnenderweise spielt der Katechismus in den Ländern, in denen der Glaube jung ist und wächst, in denen die Kirche fröhlich und zuversichtlich in der Bedrängnis ist und immer neue missionarische Dynamiken entfaltet, eine bedeutende, ja vielleicht die Schlüsselrolle. In den Ländern, die den Katechismus am nötigsten hätten, spielt er keine Rolle, ja wird er von Theologen verächtlich gemacht und sogar von Bischöfen mit spitzen Fingern angefasst.

Doch zuvor möchte ich von dem zweiten Wunder sprechen, das Kardinal Schönborn einmal „das kleine gelbe Wunder nannte“ – dass als dankbares Kind des KKK ein Jugendkatechismus, der YOUCAT, entstehen konnte, der heute in 70 Sprachen der Welt lizensiert ist, zuletzt auf Mongolisch erschien, und bis jetzt über 10 Millionen mal in die Hände junger Menschen kam. Zu diesem Wunder muss man noch hinzuaddieren, dass in den Jahren seit 2011, als die Jugendlichen auf dem Weltjugendtag in Madrid den YOUCAT vorfanden, eine Fülle weiterer katechetischer Werke für junge Leute entstanden: eine Y-Bibel, der DOCAT (= Sozialkatechismus), YOUCAT for Kids, ein Firmkurs, ein Glaubenskurs, ein Jugendgebetbuch usw. – und während ich diese Zeile schreibe, ist ein Buch „Lieben – Alles, was du wissen musst auf dem Weg zur Ehe“ in Approbation, während wir von YOUCAT und „Kirche in Not“ mit internationaler Beteiligung einen Elementarkatechismus erstellen, der vielleicht „YOUCAT Basics“ heißen wird. Bischöfe aus Asien, Lateinamerika und Afrika hatten immer wieder nach einem „Minimus“ gefragt, wie ihn seinerzeit schon der hl. Petrus Canisius vorlegte – einen Katechismus für ganz einfache Menschen…

Als ein Team von zwei Priestern und zwei Laien 2006 die Arbeit am YOUCAT aufnahm, hatte uns Kardinal Schönborn einen genialen Satz mit auf den Weg gegeben: „Wenn man etwas für junge Leute tun möchte, muss man es mit jungen Leuten tun.“ Dieses Prinzip der Partizipation haben wir bis heute mit eiserner Disziplin durchgehalten, auch wenn es eine Menge Zeit und eine Menge Geld kostete und höchst aufwändig auch in der Kommunikation war – denn es musste nicht weniger als ein weltweites Netzwerk junger Katholiken betrieben und unterhalten werden, das sich nicht zuletzt mit der Mammutaufgabe Catechism goes digital befasste. Ausgerechnet Kardinal Lehmann war es, der das Neue am YOUCAT anerkannte: „Die Jugend selbst ist in einem hohen Maße durch ihre Fragen, aber auch durch einzelne sprachliche Vorschläge zum ,Subjekt‘ des YOUCAT geworden. Dies ist ein außerordentliches Zeugnis für die Erneuerung der Katechismus-Tradition, das man nicht genügend hervorheben kann.“

Heute fällt mir auf, dass sowohl die Väter des KKK wie auch wir bei YOUCAT etwas betrieben und noch betreiben, was derzeit in aller Munde ist: „Synodalität“ – das gemeinsame Suchen nach der Wahrheit im Hören auf das Wort Gottes, das nicht eher endet, bevor nicht Einmütigkeit da ist. Dagegen ist Parlamentarismus ein Kinderspiel.

Warum wir den Katechismus brauchen wie das täglich Brot

Der Erzbischof von München ist kein besonderer Freund des Mediums Katechismus; mit mir selbst haben sich gewiss viele über den abwertenden Satz „Der Katechismus ist nicht der Koran“ aufgeregt.

Vordergründig stimmt er; der Katechismus ist nicht vom Himmel gefallen. Er ist auch nicht die Heilige Schrift. Er ist nicht einmal eine Sammlung unfehlbarer Dogmen. Er ist – wie es der hl. Johannes Paul II. einmal ausdrückte – „die sichere Norm für die Lehre des Glaubens“. Man kann es auch auf eine etwas umfänglichere Formel bringen: „Der Katechismus ist ein Buch, in dem all das zusammenhängend benannt, durch die Vernunft erhellt und durch die Kirche verbürgt wird, was man begründet erhoffen darf, notwendig glauben muss und konsequent tun sollte, um ein Christ zu sein.“

Die Äußerung des Münchner Kardinals hat deshalb so großen Unmut ausgelöst, als sie in einem Kontext gefallen ist, in dem etwa Marc Frings, der Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken davon spricht, der „Synodale Weg“ sei „eine bewusste Ansage gegen den Katechismus der Katholischen Kirche“. Es geht um die Punkte 2357-2359 im KKK, wo es heißt, dass „homosexuelle Handlungen in sich nicht in Ordnung sind“, dass sie „gestützt auf die Heilige Schrift“ eine „schlimme Abirrung“ sind und dass homosexuelle Menschen „zur Keuschheit gerufen sind“. Dagegen geht der Kampf – und er wird mit einer Heftigkeit geführt, dass nicht nur der Katechismus, sondern auch die Personen, die hinter ihm stehen, mit Angriffen geradezu überschüttet werden. Die theologische und menschliche Diskreditierung traf zunächst Papst Johannes Paul, dann Papst Benedikt, zuletzt Papst Franziskus, der Barmherzigkeit gegenüber Betroffenen nicht auf Kosten der Prinzipien einhandelte. Der Bannstrahl der selbsternannten Reformkräfte traf ihn, als er sagte: „Zu homosexuellen Menschen wiederhole ich, was ich auf der Reise nach Rio de Janeiro sagte. Es steht im Katechismus der Katholischen Kirche.“

Zum Thema „Synodaler Weg“ und Katechismus muss man noch Folgendes anmerken: Der beste Beweis, warum die deutsche Kirche nichts dringender als intensives Studium des KKK benötigt, sind zwei Fragen, deren sich die Synodalversammlung allen Ernstes annahm: 1. Braucht die Kirche wirklich den geweihten Priester? 2. Gehören zur Ehe notwendig Mann und Frau? Das kann man für lachhaft, traurig, bekloppt oder skandalös halten. Es erweist nur die Tatsache, dass sich Leute erdreisten die Kirche reformieren zu wollen, die nicht einmal „katechetisiert“ sind, also nicht einmal mit den Anfangsgründen im Glauben vertraut sind.

Wer für die Kirche der Zukunft arbeiten möchte, wird wissen, wo der Schwerpunkt der nächsten Jahrzehnte liegen muss: „Studiert den Katechismus mit Leidenschaft und Ausdauer! Opfert Lebenszeit dafür! Studiert ihn in der Stille Eurer Zimmer, lest ihn zu zweit, wenn Ihr befreundet seid, bildet Lerngruppen und Netzwerke, tauscht Euch im Internet aus. Bleibt auf jede Weise über Euren Glauben im Gespräch! Ihr müsst wissen, was Ihr glaubt. Ihr müsst Euren Glauben so präzise kennen wie ein IT-Spezialist das Betriebssystem eines Computers“ (Papst Benedikt XVI., Vorwort zum Youcat).

Der Artikel ist auch veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 10/Oktober 2022/ www.kirche-heute.de


Bernhard Meuser
Jahrgang 1953, ist Theologe, Publizist und renommierter Autor zahlreicher Bestseller (u.a. „Christ sein für Einsteiger“, „Beten, eine Sehnsucht“, „Sternstunden“). Er war Initiator und Mitautor des 2011 erschienenen Jugendkatechismus „Youcat“. In seinem Buch „Freie Liebe – Über neue Sexualmoral“ (Fontis Verlag 2020), formuliert er Ecksteine für eine wirklich erneuerte Sexualmoral.

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