Im Nebel der Rhetorik von Bischof Bätzing und ZdK-Vize Söding soll untergehen, dass nach der Weltsynode in Rom in Deutschland andere Fakten geschaffen werden. Die unterhalb des Radars verwirklichte Praxis soll zum Wahren werden. Bernhard Meuser hofft auf aufmerksame Zeitgenossen, die das nicht dulden.
Mit aufgeblasenen Worten verkünden Bischof Georg Bätzing und ZdK-Vize Thomas Söding bei der Weltsynode Durchbrüche, von denen in Rom niemand etwas weiß. Damit wollen sie offenbar Unterschiede zwischen dem geordneten synodalen Prozess in Rom und der pseudosynodalen Politveranstaltung in Frankfurt vertuschen.
Die Redensart „unter dem Radarschirm fliegen“ stammt ursprünglich aus der Luftwaffe und bezeichnet Flugtechniken, mit denen man bei Beobachtungs- oder Angriffsflügen unterhalb der gegnerischen Wahrnehmung operiert. An Tiefflugkünsten dieser Art versuchen sich gerade deutsche Teilnehmer der Weltsynode, die der erwartungsvollen Gemeinde Volltreffer und Landgewinne präsentieren müssen. Wozu haben wir Euch denn nach Rom fliegen lassen!? Nun ist das römische Radarsystem gerade nicht besonders effizient – und so gehört offenkundig nicht viel dazu, Durchbrüche zu vermelden, von denen in Rom niemand etwas weiß.
Keine einzige Zeile stützt die deutschen Planspiele
Während den Beteiligten in Rom noch einmal eingeschärft wurde, es werde definitiv keine Lehrveränderungen in der Sexualethik geben, auch keine Frauenordination, – es gehe freilich um eine neue Offenheit für das Wirken des Heiligen Geistes, ein gemeinsames Hinhören auf den Willen Gottes, eine bessere Pastoral, eine neue Wertschätzung für Frauen, ein empathischeres Wording und einen wahrhaftigeren Umgang mit allen Gläubigen (auch den Scheiternden) bemüht Thomas Söding eine „riesige Mehrheit auch der Bischöfe“, für seine eigene Lesart des Synthese-Textes, in dem – man lese selbst! – nun leider keine einzige Zeile die deutschsynodalen Planspiele stützt. Bei Söding klingt das so: „Es hat eine gewisse Dynamik gegeben, eine Klarheit, dass es Veränderungen braucht … (wahr!) … Aber, dass diese Veränderungen jetzt nicht sozusagen in einem revolutionären Aufstand, sondern in einem geordneten synodalen Prozess vonstattengehen.“ (Exegese!)
Dass der „geordnete synodale Prozess“ in Rom sich fundamental von der pseudosynodalen Politveranstaltung in Frankfurt unterschied, in der kirchlich Unbeauftragte glaubten, sie könnten parlamentarische Mehrheitsbeschlüsse zu Lehr- und Verfassungsfragen der Kirche in die Welt setzen, scheint an Thomas Söding wie an Georg Bätzing vorbeigegangen zu sein.
Die Deutungshoheit wiedergewinnen
Auch Georg Bätzing müht sich um eine Exegese, in der er die in Rom gerade verlorene Deutungshoheit wiedergewinnt, wobei er einmal mehr die berühmte „Wissenschaft“ bemüht: „Wenn die Synode sagt, dass bisherige Formulierungen in der kirchlichen Lehre vom Menschen hier nicht mehr ausreichen, und dass sie sich an diesem Punkt, auch mit Unterstützung aus der Wissenschaft, weiter bewegen muss, dann ist das ein enormer Schritt nach vorne.“ Nun schlugen aber den anderskatholischen Reformansätzen in Rom wenig Sympathien entgegen. Die „überwältigende Mehrheit der Weltkirche“ war durchaus offen für bessere Erklärungen geltender Lehre, für eine menschlichere Annahme in Grenzfällen, vor allem aber für eine tiefgreifende Bekehrung der Kirche. Das sagt der Text. Bätzing aber tut so, als habe es standing ovations für die Deutschen gegeben, indem er betont, dass eine „überwältigende Mehrheit einer Weltkirche diese Formulierung für sich gewählt und sich zu eigen gemacht hat. Das ist ein großer Schritt für die Weltkirche.“ So bläst man einen geplatzten Luftballon auf.
Das Faktische soll zum Wahren werden
Wozu das Ganze? Es soll in der deutschen Kirche einfach weitergehen mit dem Sonderweg, mit einer selbstgebastelten Moral, mit der laikalen Übernahme kirchlicher Macht, mit der Aushöhlung des Sakramentalen, mit dem Ausbau der kirchlichen Räterepublik. Dass dies gegen kirchliche Weisung und im faktischen Bruch mit der Weltkirche geschieht, soll – fern von Rom – im Nebel der Rhetorik untergehen. Es soll einfach passieren – und zwar unterhalb des Radarschirms. Anderskatholisch soll sich durch Routinen einschleifen. Das Faktische soll zum Wahren werden. Wo man die Burg der Orthodoxie nicht schleifen kann, soll sich dissidentes Handeln als Ortho-Praxis einschleifen.
Es wird auf Menschen ankommen, die ihre Kirche lieben, die über Jahre hin wachsam sind und sich von niemandem – auch nicht von einem Bischof – eine Kakopraxis (griechisch: kakos = falsch) als Orthodoxie verkaufen lassen.
Bernhard Meuser
Jahrgang 1953, ist Theologe, Publizist und renommierter Autor zahlreicher Bestseller (u.a. „Christ sein für Einsteiger“, „Beten, eine Sehnsucht“, „Sternstunden“). Er war Initiator und Mitautor des 2011 erschienenen Jugendkatechismus „Youcat“. In seinem Buch „Freie Liebe – Über neue Sexualmoral“ (Fontis Verlag 2020), formuliert er Ecksteine für eine wirklich erneuerte Sexualmoral.