Kirche sollte sich aus Politik heraushalten und sich um die Verkündigung der frohen Botschaft kümmern, meint Patricia Haun. Der Fauxpas von Prälat Jüsten aus dem katholischen Büro Berlin gab Anlass zu dem Beitrag der Autorin, die sich auch über politische Einflussnahme durch Prediger in Gottesdiensten ärgert.

Schuster, bleib bei deinem Leisten

Jetzt ist wieder die Zeit, in der ich tatsächlich lieber Wochentagsmessen besuche. Da kann man sich so schön auf Jesus, das Wort Gottes und das Sakrament konzentrieren. Sonntagsmessen sind für mich immer wieder Aufreger. Nein, nicht wegen der Karnevalspredigten, die könnte man noch mit Humor nehmen. Die Wahlkampfreden mancher Prediger sind es, die ich unerträglich finde. Wären die Priester nur so eifrig dabei, das Evangelium zu verkünden, den Menschen Hoffnung, Trost und Freude zu schenken. Stattdessen ergehen sich manche in Missionseifer – auch anhand von Drohbotschaften -, dem anscheinend für dumm gehaltenen Kirchenvolk zu erklären, wen sie wählen und noch vehementer, wen sie nicht wählen sollten. Für mich ist das eine Art Missbrauch der Religion. Nichts gegen Übertragung der Bibelgeschichten in die heutige Zeit, aber bitte mit Augenmaß und nicht manipulativ.

Religionsmissbrauch

Ein Kirchenvertreter, der den Bogen in diesen Tagen überspannt hat, ist Prälat Jüsten vom Katholischen Büro in Berlin, der sich ungefragt zum Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz gemacht hat, indem er eine nicht abgestimmte Stellungnahme zum Vorstoß der CDU zur Migrationspolitik abgegeben hat. Die ersten Bischöfe distanzieren sich nun vom Eingriff in den Wahlkampf durch das katholische Büro. Nach außen gibt die Kirche damit mal wieder ein trauriges Bild ab. Nebenbei: Einheit und Einigkeit geht anders.

Ruhe vom Trubel

Von überall her werden wir beschallt mit Nachrichten, verschiedensten Meinungen und Diskussionen. Genau davor suche ich Zuflucht beim Herrn in einem Gotteshaus und im Gottesdienst. Für mich bedeutet der Besuch der heiligen Messe auch eine wohltuende Auszeit vom vielfältigen Wirrwarr des Alltags. Dort möchte ich mich stärken für das Leben draußen in der Welt. Ich möchte auch nicht noch am Sonntag in der Kirche mit den immergleichen Themen beschallt werden. Sonst kann ich mir stattdessen auch eine Talkshow im Fernsehen ansehen. Denn selbst die Eucharistie wird von einer weltlichen und manipulativen Predigt überschattet. Vorbei ist es dann mit Besinnung und innerer Sammlung. Schlicht unmöglich.

„Kommt zu mir, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch Ruhe verschaffen“,

hat Jesus gesagt. Ich denke, ich bin nicht der einzige Mensch, der sich danach sehnt.

Mündige Wähler – mündige Gläubige

Bitte, bitte, liebe Priester, nehmt Euch dies zu Herzen, wenn Ihr in den nächsten Wochen Eure Predigten vorbereitet! Die Zeiten sind vorbei, in denen die alten Mütterchen beim Pfarrer erfragt haben, wo sie am Wahlsonntag ihr Kreuzchen machen sollen. Ja, zumindest auf dem Land war das tatsächlich mal so. Vielleicht haben es die Leute einfach satt, bevormundet zu werden, noch dazu von Klerikern, die selbst kein Patentrezept haben, schuldig geworden sind und nicht aus der Kirchenkrise finden. Auch das könnte ein Grund des massenhaften Davonlaufens von Gläubigen sein. Wir leben heute in Zeiten von Bildung und Emanzipation. Aber leider auch in Zeiten von Indoktrination. Das geschieht schon zur Genüge in Schulen, im Fernsehen und auch via social media. Daran muss sich die Kirche nicht auch noch beteiligen.

Stellvertreter Christi

Liebe Seelsorger, parteipolitische Äußerungen sind einfach nicht Eure Aufgabe! Dadurch gewinnt die Kirche keine Gläubigen. Besinnt Euch auf Eure wunderbare Berufung und schaut, dass Ihr zuerst selbst Ruhe beim Herrn findet. Dann könnt Ihr Segen empfangen und diesen weitergeben! Seid wahre Stellvertreter Christi auf Erden! Ich denke, dass Papst Benedikt unter anderem das mit dem Begriff „Entweltlichung“ gemeint hat, die er so sehr empfohlen hat.

„Nicht die Politik ist das ,Geschäft’ der Kirche, sondern die Verkündigung des Evangeliums.“,

schreibt Dr. Christian Schaller in einem Beitrag über das Benedikt-Anliegen.

Seelsorger statt Meinungsmacher

Wir sollen mit beiden Beinen im Leben stehen, und das tun die meisten Menschen die meiste Zeit des Tages. Aber unser Kopf und unser Herz soll auch im Himmel daheim sein. Davon sollte der Sonntagsgottesdienst künden. Und ist nicht Letzteres Eure Berufung, Euer Alleinstellungsmerkmal oder der USP (unique selling point) der Kirche, wie man heute sagt, den Menschen zu Christus zu (ver)helfen? Politiker, Meinungsmacher und Ideologen haben wir schon genug. Es braucht Seelsorger, Heilsbringer, Frohbotschafter. Damit meine ich nicht Schönredner. Ganz im Gegenteil. Wir dürfen und sollen als Christen die wunden Punkte und Baustellen benennen. Aber überlasst es der Welt, die weltlichen Lösungen zu finden. Die Gläubigen brauchen keinen Vormund in der Welt durch Kleriker, aber einen Brückenbauer zu Christus. Wir Christen haben doch eine Hoffnung, die über diese Welt hinausgeht. Darüber wird viel zu selten gesprochen und gepredigt. Die Menschen brauchen Stärkung und Orientierung am Evangelium. Pilger der Hoffnung sollen wir sein. Das Heilige Jahr birgt Predigtstoff in Hülle und Fülle.

Ich schreibe das durchaus mit einer gewissen Wut im Bauch, aber auch mit großer Traurigkeit. Und ich bin mutig genug, eine Warnung auszusprechen: Liebe Bischöfe, liebe Kleriker, die Wähler werden mit den Füßen abstimmen – auch in der Kirche. Die Zahl der Kirchenaustritte ist jetzt schon immens, politische Bevormundung wird diese Zahl noch befeuern. Also bitte: Schuster bleib bei deinem Leisten, und Prediger, bitte bleibt beim Evangelium!


Patricia Haun
Jahrgang 1971, ist freie Journalistin, Mutter von vier Kindern und zweifache Großmutter. Sie ist Mitgründerin von EuroProLife und Gründerin der „Gebetsvigilien für das Leben“ in Aschaffenburg und Frankfurt. Sie arbeitete zuletzt als Redaktionsleiterin für Durchblick e. V. und wirkt mit bei der Initiative „Neuer Anfang“.

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