Der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer sieht sich veranlasst, mit großer Geste und medialem Getöse auf Facebook Hass und Hetze gegen einen Priester anzuprangern und dagegen zu intervenieren. Dieser hatte seine sexuelle Vorliebe offengelegt. Bei genauem Hinsehen war jeder Schritt dieser Aktion vorhersehbar. Wem nützt das, fragt sich Peter Winnemöller
Dem Sachartikel ein persönliches Bekenntnis vorweg: Aus wohlerwogenen Gründen poste und kommentiere ich auf sogenannten Sozialen Medien so gut wie gar nicht. Wortbeiträge erstelle ich entweder auf einer eigenen Plattform oder in redaktionellen Kontexten. In beiden Fällen bin ich damit nicht dem Wohl und Wehe der modernen Hexenjagd aka „Kampf gegen Hass und Hetze“ ausgesetzt. Eigene Blogartikel oder Texte in redaktionsgeführten Portalen unterliegen außer der Meinungsfreiheit auch der Pressefreiheit und sind weitaus schwerer anzugreifen.
Gutes Benehmen bitte
Ad rem: Auf dem Sozialen Medium Facebook hat das Bistum Essen einen Post veröffentlicht, welcher Jens Watteroth aus Bochum-Wattenscheid zeigt. Dieser wird mit einem Zitat über das sogenannte „Queer-sein“ in Gestalt eines Meme zitiert. Watteroth steht als Priester im Dienst des Bistums Essen und hat seine sexuelle Orientierung offengelegt. Bei einem Priester löst dies sogleich eine gewisse Nachdenklichkeit aus, da nämlich der Priester bei seiner Weihe sexuelle Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen verspricht. Insofern erstaunt es, von welchem Interesse die sexuelle Ausrichtung eines Priesters sein sollte.
Klaus Pfeffer, Generalvikar des Bistums Essen, erklärte nun im Nachrichtenportal katholisch . de, er habe sich sogenannten „queerfeindlichen“ Kommentaren entgegengestellt. Es sei ihm wichtig, „laut und deutlich zu widersprechen, wenn Gott oder die Bibel benutzt und missbraucht werden, um Hass gegen queere Menschen zu schüren und ihre persönliche Würde mit Füßen zu treten“. Dem ist nichts hinzuzufügen. Es gehört zu den guten Manieren, man kann auch sagen Kinderstube oder guter Erziehung, einen anderen Menschen nicht zu beleidigen, zu beschimpfen oder herabzuwürdigen. Jeder, der sich in den Sozialen Medien bewegt, weiß jedoch, dass sich dort der Meinungsbodensatz des argumentenunfähigen Prekariats mit defizitärer Orthografie und Grammatik austobt. Warum geht man in die Küche, wenn man die Hitze nicht verträgt? Was könnte der tiefere Sinn der Äußerung Pfeffers sein?
Schlechte Manieren allenthalben
Wichtig ist Pfeffer, Diskriminierung und Ausgrenzung zu überwinden. Dazu sei ihm geraten, am kommenden Samstag ins Stadion an der Hafenstraße zu gehen und sich gegen die Diskriminierung der zweiten Mannschaft des VfB Stuttgart durch Mitglieder der Diözese Essen einzusetzen. Die Folgen dürften interessant sein. Es kommt eben auf den Kontext an. Das von katholisch de erwähnte Statement von Herrn Pfeffer kann auf Facebook nicht jeder sehen, von daher kann hier nur auf die Sekundärquelle Bezug genommen werden.
Die Notwendigkeit gegen Diskriminierung und Ausgrenzung zu sein, das zeigten laut Pfeffer nun leider ganz besonders die teilweise erschreckenden Kommentare unter dem aktuellen Statement von Pastor Watteroth auf den Social-Media-Plattformen des Ruhrbistums. Da werde, so Pfeffer, mit aufgeregten „Sünde, Sünde!“-Rufen nur so um sich geworfen. Zitate aus dem Alten Testament würden in fundamentalistischer Manier aus dem Zusammenhang gerissen, um mit Gottes Fluch und sogar der Todesstrafe zu drohen, behauptet der Essener Generalvikar. Das Bistum löscht nun teilweise schneller, als man die Kommentare ansehen kann, insofern ist hier die Behauptung der einzige Beweis. Es sei einfach nur unfassbar, moniert der Bistumsmanager, der sich zudem echauffiert, dass auch das ganze Bistum Essen als „nicht mehr katholisch“ diskreditiert werde. Da gebricht es gewaltig an Selbstvertrauen. Warum der Generalvikar eines Bistums sich von solchen Behauptungen anfechten lässt, gälte es einmal ernsthaft zu untersuchen. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt, doch ist daran etwas wahr?
Des Pudels Kern – hier kein fahrender Scholast
Am Ende offenbart es sich, wenn Pfeffer schlussfolgert: „Hier zeigt sich einmal mehr, wie überfällig eine Erneuerung der römisch-katholischen Sexualmoral ist.“ Da haben wir es doch endlich. Und man sehe es mir nach, wenn es nun ein wenig brutal wird. Da muss der arme schwule Pastor Watteroth aus Bochum-Wattenscheid sich auf Facebook hinsichtlich seiner sexuellen Orientierung nackig machen, damit sein Generalvikar die LGBTQ-Agenda in die Kirche tragen kann. Die Sexualmoral der Kirche ist schöpfungsgemäß. Gott hat den Menschen als sein Abbild erschaffen, als Mann und Frau, die aufeinander hin geschaffen sind. Das Band zwischen Mann und Frau ist so bedeutend, dass es sogar ein Sakrament ist, ein Zeichen des Heils. Dieses Sakrament ist genau die Kehrseite der gleichen Medaille, auf deren Rückseite die Keuschheit um des Himmelreiches willen steht. Darum nämlich, um das Erlangen des ewigen Lebens geht es und nicht um eine diesseitige immer nur kurzzeitige Ekstase. Auch diese hat ihren Wert, doch wer – gerade moraltheologisch – dabei stehenbleibt, greift zu kurz. Nicht zuletzt, um dies zu begreifen, ist die Theologie des Leibes ein so großes Geschenk.
Dies aber ist ein so sensibles Feld des menschlichen Lebens, dass es sich verbietet, es im Morast der Sozialen Medien dem geil-gierigen Schlammcatchen des Pöbels preiszugeben. Wer dies tut, giert doch nur danach, eben jenen Hass und jene Hetze zu ernten, über die man sich anschließend moralisch hoch erhaben chauffieren kann. Die Taktik von Herrn Pfeffer und seinen Mannen in der Stabsabteilung Medien ist so erbärmlich und durchschaubar, dass sie schon fast wieder lächerlich wirkt. Vermutlich hat man das Statement des Generalvikars schon formuliert, während an einem anderen Tisch das Meme gebaut wurde. Wer nur ganz wenig von den Mechanismen der Sozialen Medien versteht, kann beinahe jeden der Kommentare unter dem einschlägigen Post vorhersagen und damit die Reaktion schon mal vorbereiten. Man liegt wohl nicht ganz daneben, wenn man annimmt, dass diese Nummer wohlorchestriert war.

