Aktuell wird viel Kritik an sogenannter Lobpreismusik geübt, so zum Beispiel in Beiträgen auf den Portalen “feinschwarz.net” und “katholisch.de”. Wir veröffentlichen den subjektiven Einspruch des im süddeutschen Raum bekannten Lobpreismusikers Stefan Andrzejewski, der sich seine Betroffenheit und Empörung über die unbelegten Behauptungen von der Seele geschrieben hat.
Eine Replik
Der Musikwissenschaftler Janik Hollaender kritisiert das Phänomen der Lobpreismusik im Kontext der Anbetung auf dem Portal „feinschwarz”. Das Portal katholisch.de nimmt den Ball auf und stimmt in die Warnung Hollaenders mit ein. Als Leiter einer Lobpreisband und Musikliebhaber drängt es mich, vorliegender Argumentation entgegenzutreten.
Die zeitliche Positionierung auf „Feinschwarz“ ist natürlich kein Zufall. Immerhin naht das Weihnachtsfest und damit auch die Saison für mehr oder weniger kluge Artikel zum Christentum. Aber auch die „Mehr-Konferenz“ steht unmittelbar bevor, und damit ein frommes Event, das traditionell im akademischen Freiburg kritisch beäugt wird. Das Datum der Veröffentlichung weist eine erstaunliche Nähe auf zu ähnlichem Christen-Bashing der Sendung MONITOR mit dem Titel: “Radikale Christen in Deutschland: Kreuzzug von rechts”, die am 11.12.25 bei ARD ausgestrahlt wurde. Diese Beiträge haben gemeinsam, dass sie in einem normativen Rahmen argumentieren, der jedoch nicht offengelegt wird.
Nun aber zu meiner Replik:
Was Lobpreis ist und was es nicht ist
Lobpreismusik sei ästhetisch vereinfachend, theologisch verengend und politisch nicht unproblematisch. Lobpreismusik bediene lediglich das Verlangen nach Verbindlichkeit, Eindeutigkeit und Unmittelbarkeit. Der Musikwissenschaftler unterstellt der Lobpreismusik im Lobpreisgebet eine Gegenwartserzeugung Gottes. Wahrheit werde durch Authentizität ersetzt. Damit erfolge eine gefährliche Vereinfachung komplexer Zusammenhänge, welche letztlich – fast zu erwarten – „eine hohe Anschlussfähigkeit an rechtspopulistische Denkweisen“ erhöhe.
Es ist sportlich herausfordernd, auf eine Kaskade von Unterstellungen zu antworten. Holländer verkürzt in seiner Darstellung den Lobpreis auf den Träger einer politischen Botschaft.
Lobpreis ist aber GEBET. Der Beter politisiert nicht, wenn er sein Herz zu Gott erhebt. Es ist ein Eintreten in ein intimes Gespräch – vielleicht auch zusammen mit Anderen – mit Gott. Wer Gott kennt, wer ihn sucht und anbetet, der weiß, dass dies der vornehme erste Dienst des Christen ist:
Ihr Gerechten, jubelt vor dem Herrn; für die Frommen ziemt es sich, Gott zu loben. (Ps 33,1)
Meine Erfahrung: Sobald ich mich für dieses Gebet etwas aus dem Alltag herausnehme, der mich ständig zu überfluten droht, entspringt meinem Herzen ein Jubel und eine Freude über Gott, über Jesus und sein Erlösungswerk. Dies bricht in Form von Lobpreis aus mir heraus – ich kann und will das nicht zurückhalten.
Lobpreis ist eine bewusste Herausnahme aus der standardisierten Welt-Beschallung, um sich zu fokussieren. Das ist gerade keine Weltflucht, sondern eine Möglichkeit, Christ zu sein und zu bleiben in der Welt.
Dies als »Gegenwartserzeugung« zu bezeichnen, ist übergriffig. Jemand unterstellt dem Betenden, mit technischen Mitteln eine magische, numinose Gegenwart erzeugen. Derlei zeugt lediglich von einer anderen Theologie des Gebetes, von einem unterschiedlichen Verständnis über den Raum des Gebetes beim Autor selber. Davon kann er überzeugt sein, aber er kann das in der Debatte über eine Frömmigkeitsform nicht einfach voraussetzen.
Lobpreismusik ist – entgegen der Behauptung – eine nicht nur musikalisch, sondern auch poetisch gute Musik. Ausnahmen mag es immer geben. Selbst jenen sollte man aber vom Kern der Sache her Ernsthaftigkeit und Gottesliebe unterstellen.
Lobpreismusik als in sich gestelltes Medium zu betrachten, reicht zudem nicht aus. Sie ist stets eingebettet in Anbetung, in das Gebet. Musikalische Anbetung und Freude über Gott reicht zurück bis in das Alte Testament (z.B. Mirjams Lob nach dem Zug durch das Rote Meer). Wer aus Lobpreismusik ein Darbietungs- oder Inszenierungsgeschehen macht, verkennt den Charakter des Gebetes. Ja, eine solche Anmaßung würde zu einer gefährlichen Moralisierung des Betens überhaupt führen.
Im Lobpreis verbinden sich Affekt und Logos. Jede Musik ist emotional; dies gehört zum Wesen von Musik. Sie ermöglicht es, mit dem Transzendenten in Berührung und in Begegnung zu kommen.
Ja, Musik ist auch ambivalent – missbrauchbar. Mit Musik kann man das Herz zu Gott hin, oder auch sich von ihm abwenden, sich vor ihm verstecken, sich einlullen usw. Jedoch braucht es zu einer solchen Behauptung im konkreten Falle sehr differenzierte Beobachtungen und Belege.
Hollaender spricht von stilistischer und inhaltlicher Vereinheitlichung hinsichtlich des ökumenischen Potentials von Lobpreismusik. Beispielhaft nennt er das weltweite Format Nightfever, den Adoratio-Kongress oder die MEHR-Konferenzen des Gebetshauses Augsburg.
Ich weiß nicht, ob der Autor jemals eine solche Veranstaltung besucht hat. Jeder Christ, gefirmt oder konfirmiert, ist zur sorgsamen Unterscheidung gerufen. Wir haben tatsächlich Übereinstimmungen in unseren Konfessionen. Eine davon ist die Anbetung und Verehrung Gottes – auch mit Hilfe der Musik. Diese Gemeinsamkeiten dürfen betont werden; das ist keine Weise eines wie auch immer vermuteten Synkretismus, den ohnehin die Theologen und Zelebranten dieser Kongresse unterbunden hätten.
Wiederholungen mit Herz und Verstand
„Die Texte kreisen um wenige und sich immer wiederholende Motive“, musikalisch dominierten Konformität und Wiederholung, so ein weiterer Vorwurf.
Einem Musikwissenschaftler dürfte man folgende Kenntnis abverlangen: diese Form nennt man ostinato! Sie ist u.a. bekannt von den Gesangs-Gebeten aus Taizé. Das Wiederholende ist jeder kontemplativen Tätigkeit gemein. Die Wiederholungs-Komponente entspricht dem, was man in der lectio divina das Wiederkäuen nennt (ruminatio); es ist z.B. belegt, dass Bernhard von Clairvaux seine Schüler mit diesem Prinzip zum ständigen Gebet ermunterte. Das Jesus-Gebet und der Rosenkranz leben aus dieser Form.
Die Wahrheit und Realität Gottes ist so groß, so schön, so gewaltig und so geheimnisvoll, dass es hilfreich ist, sich durch jene kurzen und beständigen Wiederholungen mit Herz und Verstand zu nähern – hörend und anbetend. Große Mystiker wie Johannes vom Kreuz oder Theresa von Avila sind unserer Kirche Lehrer in dieser Praxis des Gebetes.
Rechts-Labeling
Dass ausgerechnet in solchem Kontext das Narrativ rechtspopulistischer Denkweisen bedient wird, offenbart eher eine Tendenz des Rechts-Labelings, wenn inhaltliche Argumente und stichhaltige Belege fehlen oder schlicht nicht erbracht werden können. Das ist ein wissenschaftlich unlauter und dient letztlich nur der Diskreditierung des anderen. Anhand eines vermeintlich überzeugenden Kriteriums vergewissert sich eine In-Group, zu der die Charismtiker nicht dazugehören.
In meinen vielen Jahren als Lobpreisleiter und -musiker konnte nicht einen solchen Fall von Rechtspopulismus ausmachen. Dazu ist Lobpreis auch schlicht nicht geeignet: Er wirft dich im Gebet auf dich selbst zurück – kritisch, entlarvend, fehlend, aber dennoch geliebt, zur Versöhnung gerufen mit Gott und den Menschen.
Was der Darstellung Hollaenders auffällig fehlt, ist eine positive theologische Bestimmung von Lob. Dabei ist Lobpreis kein charismatisches Add-on, sondern biblisch grundgelegt (sogar in einem eigenen Lobpreisbuch: den Psalmen), liturgisch konstitutiv (Gloria, Sanctus), patristisch zentral (vgl. Augustinus: cantare amantis est) und zudem eschatologisch orientiert (Offb 4-5).
Abgesehen von einer tiefergehenden Theologie des Lobpreises an dieser Stelle sei abschließend resümiert, was Lobpreis mittels Lobpreismusik ist:
Lobpreismusik ist ein Mittel Gott zu dienen; er dient nicht dazu, Menschen etwas vorzugaukeln. Sie holt Menschen durch ihre Schönheit und die transzendierende Kraft ihres Wesens in das Gespräch mit Gott – ins Gebet. In ihrer emotionalen Gefasstheit kann sie das Herz öffnen, sogar Mauern um das Herz herum zum Einsturz bringen, damit Jesus Christus eintreten kann. Und dies ist beileibe nicht immer einfach oder angenehm, sondern setzt eine Haltung der Demut voraus. Versprochen wird dir gar nichts; Gottesbegegnung im Gebet ist und bleibt ein Gnadengeschehen. Welchen Veranstalter dürfte ich denn um Rückerstattung bitten wollen, wenn meine Erwartungen die falschen sind? Aber auch: Wer Lobpreismusik nur zur Berieselung hört oder allein des Gruppengesanges wegen einen Lobpreisgottesdienst aufsucht, geht in der Regel nicht beschenkter nach Hause, als ein stiller Beter ohne musikalische Komponente. Aber die Gottesbegegnung im Gebet und zusammen mit Musik ist oft tiefer.
Vermeintlich einfache Sätze oder Worte entpuppen sich allzu oft während des wiederholten Durch-Singens, des Durch-Betens als harte Brocken. Daraus erwächst aus bisher unbemerkter Schönheit der Worte, zunehmend Klarheit, wer Gott ist.
Gemeinsames Lobpreisgebet stiftet das, was allem Heilswirken Gottes und seines Sohnes Jesus Christus innewohnt: Gemeinschaft zu haben mit dem Menschen und mit Gott selbst.
Freilich eröffnet sich diese Dimension dem, der zuerst Gott sucht – in Demut und Liebe.
Stefan Andrzejewski ist Theologe, Musiker und Lehrer. Er leitet die Lobpreisband “Psalm 151”.
Beitragsbild: Stefan Andrzejewski copyright: Thomas Esser

