Frau Nothelle-Wildfeuer kritisiert eine Stellenausschreibung für Mitarbeit „für Gemeindegründung mit Schwerpunkt Lobpreis“. Sie befürchtet Instrumentalisierung von Frömmigkeitspraktiken. Patricia Haun stellt ein Zeugnis dagegen und rückt die Chancen dieser Musikrichtung bzw. Liturgieform in den Fokus.
Besser “Highway to heaven” statt “Highway to hell”
„Highway to hell“ von AC/DC ist seit 1979 bis heute ein Partyhöhepunkt. Der Rhythmus ist wirklich mitreißend. Bei mir sinkt die Stimmung, wenn ich diesen Song höre. Denn sobald ich mir den Inhalt des Textes bewusst mache, wird mir mulmig. Wer den Song mitgrölt, sollte sich zumindest überlegen, ob er sich wirklich auch mitreißen und hinreißen lassen möchte zu dieser Höllenfahrt.
Auch die Jugend von heute lässt sich noch begeistern von diesen „Evergreens“, hinzu kommen neue düstere Kreationen. Als meine Kinder im Teenageralter waren, trieb mich die Sorge um, dass sich meine Kinder in dieser zunehmend aggressiven und gottlosen Zeitgeistmusik verlieren könnten.
Als ich 2014 von einem Hillsong-Konzert in Stuttgart erfuhr, fuhren wir als Familie mit drei Teenagern neugierig hin. Wir stellten fest, dass es auch durchaus mitreißende Musikgenres mit schönen, erhebenden Texten gibt. Die Interpreten machten auf uns den Eindruck, dass sie tatsächlich leben, was sie da singen und darbringen. Ja, wir hatten den Eindruck, dass diese Musik eine Form von Gebet ist. Die Lobpreis-Songs von Hillsong und anderen sind seither bei meinen Töchtern beinahe tägliche Begleiter zur Bibellektüre. Eine Tochter besuchte diesen Sommer sogar im Rahmen ihrer Hochzeitsreise Hillsong-Church in den USA. Dennoch ist sie ganz bewusst katholisch, weil sie um die Schätze der katholischen Kirche weiß.
Keine Konkurrenz, sondern Ergänzung
Nur auf Lobpreis zu bauen, wäre selbstverständlich zu wenig. Aber was zieht denn die jungen Menschen an? Was macht es denn attraktiv für sie, solche Veranstaltungen zu besuchen? Wo finden wir denn sonst Anknüpfungspunkte im Glauben? Sicher nicht in Stuhlkreisen und Gremiensitzungen und leider auch nicht im Religionsunterricht, der vielerorts vom Lehrfach zum Laberfach verkommen ist. Ich finde Lobpreis als Mittel zum Zweck der Evangelisierung keineswegs verwerflich, wie Frau Nothelle-Wildfeuer kritisiert. Schwierig finde ich, wenn man Frömmigkeitsformen gegeneinander ausspielt.
„Theologische Müdigkeit, statt theologische Mündigkeit“
Schade, dass Evangelisierung in manchen Kreisen ein Schimpfwort zu sein scheint. Doch was beobachten wir dort, wo es Neuaufbrüche und Erwachsenentaufen gibt? Die Erneuerung kommt von unten und zwar nicht in Form von „Wir sind Kirche“-Diskussionsrunden. Oft erleben Menschen etwas, das ihr Herz anrührt. Das passiert sehr häufig in sogenannten Lobpreisgottesdiensten. Selbstverständlich ist es aber auch kein Automatismus. Man kann das nicht machen oder erzwingen, es passiert einfach oder eben auch nicht. Prüft alles, das Gute behaltet! Wenn Frau Nothelle-Wildfeuer also theologische Mündigkeit einfordert, dann hat sie damit natürlich recht. Aber in der Lebenswirklichkeit finden wir derzeit leider eher eine theologische Müdigkeit. Vielleicht braucht es gerade deswegen andere Zugangsformen zu Theologie und Glaube. Warum sollte emotionale Stimmung nicht das Potential haben, zu inhaltlicher und theologischer Substanz zu gelangen bzw. eben hinzuführen? Ich kann keine Gefahr der Manipulation und Indoktrination sehen.
Niederschwellig Zugang zum Glauben schaffen
Wenn nun die Menschen in einer stark belasteten Welt mit Zukunftsängsten, Problemen allerorten und persönlichen Krisen Gefallen an Lobpreismusik mit christlichen Inhalten finden, dann ist das für mich Grund zur Freude. Und wenn diese Musikform auch noch Zugang zu Christus eröffnet, dann ist das Grund zum Jubel. Man kann alles schlechtreden. Aber vielleicht ist dieser Umstand, dass Evangelisation auf so einfache Art stattfindet, für eine Theologin zu banal. Sicher dürfen wir nicht Quantität gegen Qualität ausspielen. Aber wer vermag das denn zu beurteilen? Der Geist weht, wie und wo er will. Und es ist nicht zu leugnen, dass Aufbrüche oft genau auf solche Gottesdienstformen zurückgehen.
Pädagogisches Konzept: vom Leichten zum Schweren
Einerseits stellt man fest, dass reine Theologie heute vielen zu dröge ist. Andererseits finden wir oft ein Ausweichen auf einfache Antworten, indem man sich der Welt und den sogenannten Lebenswirklichkeiten angleicht, z. B. beim Thema „Sexuelle Vielfalt“. Solche Konzepte, wie sie beispielsweise beim Synodalen Weg produziert und propagiert werden, gehen aber am Evangelium vorbei. Die Kirche sucht händeringend einen Zugang zu den Menschen von heute, um den Anschluss nicht zu verlieren. Lobpreis könnte so ein Schlüssel sein, die Brücke vom Leichten zum Schweren zu bilden. Eines ist es sicher nicht: Konkurrenz zur klassischen Theologie.
Auch wenn Lobpreis nicht jedermanns Geschmack trifft – das muss es auch nicht -, freuen wir uns doch über dieses „Instrument“, Menschen an den Glauben heranzuführen und für Gott zu gewinnen. Ich freue mich jedenfalls darüber, wenn in Bistümern erkannt wird, dass ein „Mitarbeiter für Gemeindegründung mit Schwerpunkt Lobpreis“ eine Chance wäre. Was haben wir denn zu verlieren?
Patricia Haun
Jahrgang 1971, ist freie Journalistin, Mutter von vier Kindern und Großmutter von zwei Enkeln. Sie ist Mitgründerin von EuroProLife und Gründerin der „Gebetsvigilien für das Leben“ in Aschaffenburg und Frankfurt. Sie arbeitete als Redaktionsleiterin für Durchblick e. V. und wirkt mit bei der Initiative „Neuer Anfang“.

