Das Bistum Limburg und sein Bischof Georg Bätzing setzen ihre kirchliche Amokfahrt mit nochmals erhöhter Geschwindigkeit fort. Die neuen Leitlinien zur Sexualpädagogik reissen gerade die letzten Grenzzäune ein. Mittlerweile werden ohne jede Scheu alle roten Linien der kirchlichen Lehre überfahren. Während die Strukturreform der Bistumsorganisation noch den Schein zu wahren versucht, indem sie die Entscheidungen des Leitungsteams an die Entscheidung des Bischofs rückbindet, fahren die veröffentlichten Leitlinien zur Sexualpädagogik alle Warn- und Stoppschilder über den Haufen.

Diese sogenannten „Leitlinien sexualpädagogische Kompetenz in der Pastotal/ in kirchlichen Handlungsfeldern“ wurden vom Bischof selbst in Kraft gesetzt und sind frei auch von Spurenelementen der kirchlichen Lehre zur Sexualität. Mehr noch: Sie negieren diese Lehre. Sexualität zwischen Männern und Männern, Frauen und Frauen, solchen, die sich weder als Frau und Mann fühlen, soll von der Kirche unterscheidungslos akzeptiert, begrüsst und gesegnet werden. Oberster und letzter Massstab ist allein die – bindungslos gedachte – Selbstbestimmung.

Der Schutz der Schwachen durch das Recht

Kardinal Walter Kasper hat einmal gesagt: Das Gegenteil der Rechtskirche ist nicht die Liebeskirche, sondern die Unrechtskirche. Wie richtig er damit lag, zeigen die jüngsten Vorgänge im Bistum Limburg. Unter dem Schein institutioneller Legitimität, zur Umsetzung in Kraft gesetzt durch den Bischof, entwickelt durch seine Behörden, hübsch und offiziell digitalisiert, wird hier nichts anderes als brutaler Gewissenszwang durch Willkürherrschaft etabliert. Der erzeugte Anschein der Legitimität erweist sich als leer. Es handelt sich in Wahrheit nur um die tribunalistische Scheinlegitimität fanatisierter Revolutionäre, die meinen auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen und denen deshalb alles erlaubt sei. Aber der Gewissenstäter, der sich meint, über das Recht hinwegsetzen zu können, weil er selbst Unfehlbarkeit für seine Ideen beansprucht, darf und muss sogar gestoppt werden.

Die Kirche ist als Glaubensgemeinschaft auch Rechtsgemeinschaft

Kirchliche Communio, kirchliche Gemeinschaft wird gebildet durch das Band des Glaubens, die gemeinsame Ordnung der Sakramente und die Einheit des Kollegiums der Bischöfe untereinander und mit dem Bischof von Rom insbesondere. Jede und jeder der zu Jesus Christus findet und sich taufen lässt oder die als Kind erfolgte Taufe bewusst für sich übernimmt, tritt in eine verbindliche Gemeinschaft des Glaubens ein. Diese Verbindlichkeit erzeugt zugleich Verlässlichkeit. Diese Verlässlichkeit ist wichtig. Denn die Bindung ist Heilsbindung an das als Wahrheit erkannte Glaubensgut. Wie sollte das möglich sein, wenn der angenommene und bekannte Glauben, dort wo er zuvor verbindlich vorgelegt wurde, plötzlich beliebiger Manipulation ausgesetzt ist? Deshalb ist die Kirche rechtlich geordnete Glaubensgemeinschaft. Das Recht schützt vor Willkür und Manipulation.

Das Lehramt des Bischofs, der der erste Lehrer seiner Ortskirche ist und der in der Bewahrung des anvertrauten Glaubensguts einer seiner vornehmsten Aufgaben hat, ist deshalb vor allem ein bezeugendes Amt. Es dient der verbindlichen Weitergabe, der steten Vertiefung und Vergegenwärtigung des anvertrauten Evangeliums. Deutsche Bischöfe haben bei der Erfüllung dieser Aufgabe, die den eigenen theologischen und spirituellen Durst und die immer erneute Stillung dieses Dursts an den Quellen voraussetzt, fast durchweg ein Defizit, das bei Licht besehen eine schwere Amtspflichtverletzung darstellt. Mir wären Bischöfe entschieden lieber, die weniger „busy“ wären, dafür geistlich erfüllte Herzen und theologisch gedankenreiche Köpfe hätten. Davon sind wir buchstäblich himmelweit entfernt.

Die brutale Willkür einer Privatmoral

Jedenfalls ist Lehramt und Autorität des Bischofs alles andere als eine Einladung zur Willkür und zur Manipulation. Nun gilt aber in der verbindlichen und rechtlich geschützten Glaubensgemeinschaft der katholischen Kirche eines ganz klar: Keine bischöfliche Ortskirche und auch keine Gruppe solcher Ortskirchen hat irgendwie das Recht, den lehramtlich verbindlich vorgelegten Glauben der Kirche in sein Gegenteil zu verkehren. Dies und nichts anderes ist aber nun in Limburg geschehen. Durch die verbindlich in Kraft gesetzten Leitlinien zur Sexualpädagogik, die in der Sache identisch sind mit der neuen Sexualmoral des Synodalforums 4, werden auch jene Mitarbeiter verpflichtet, die der gültigen und verbindlichen Sexualmoral der Kirche zustimmen – diese Verpflichtung der Limburger Bistumsmitarbeiter auf eine neudefinierte Sexualmoral bei der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, ist nichts anderes als willkürlicher Gewissenszwang, denn es wird

  1. die lehramtlich verbindliche Sexualmoral der Kirche vollständig negiert und ausser Kraft gesetzt.
  2. die responsio ad dubium von Anfang 2021 zum weiter gültigen Verbot der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare in ihrer Verbindlichkeit negiert
  3. die Erklärung des Heiligen Stuhls vom Juli 2022 missachtet, wonach man in Deutschland „nicht befugt“ sei, „die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten“.
  4. die Warnungen und Mahnungen der amtlich zuständigen Behördenchefs beim ad-limina Besuch der Bischöfe in Rom im November 2022 vollständig missachtet und in den Wind geschlagen.
  5. die bedeutende Minderheit der deutschen Bischöfe ins sehr unsynodaler Manier ebenfalls missachtet, die diese neue Moral in Bindung an den Glauben der Kirche ablehnen.

Bilanz

Für das Geschehen in Limburg gibt es keinerlei, wirklich und wahrhaftig keinerlei theologische und auch keinerlei rechtliche Legitimität. Es handelt sich um reine Willkür. Letztlich um Manipulation und Gewalt. Die Privatmoral Bätzings und seiner Mitstreiter soll mit allen Mitteln durchgesetzt werden. Bätzing ist überdies gewarnt worden – sehr klar, sehr deutlich. Kirchenrechtlich beginnt deshalb die Kategorie der Hartnäckigkeit zu greifen. Gezielte Provokation, weil der Bruch schon eingepreist ist? Ich hoffe, dass Rom den absoluten Ernst der Situation erkennt. Schliesslich: Dass Leute, die dauernd legitimatorisch von ihrem Kampf gegen Machtmissbrauch reden, denselben mit einer Schamlosigkeit ohnegleichen betreiben ist nur eines: der Ausdruck dreister Unverschämtheit.


Dr. theol. Martin Brüske
Martin Brüske, Dr. theol., geb. 1964 im Rheinland, Studium der Theologie und Philosophie in Bonn, Jerusalem und München. Lange Lehrtätigkeit in Dogmatik und theologischer Propädeutik in Freiburg / Schweiz. Unterrichtet jetzt Ethik am TDS Aarau.

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