Auf den Beitrag in der Herder-Korrespondenz über den Adoratio-Kongress in Altötting mit dem Titel „In frommer Soße ertränkt“, von Fabian Brand, antwortet Patricia Haun. Sie gibt „Butter bei die Fische“ bzw. Schweinsbraten und Kloß zur Soß und versucht, die etwas „dünne Soße“ des Autors anzureichern.

Lieber Fabian Brand,

genau wie Sie beobachte ich, dass Veranstaltungen wie der Adoratio-Kongress, die „Mehr“, aber z. B. auch Holy-Abende in Kempten, Nightfever, 24/7-Anbetung deutlich Zulauf haben. Menschen nehmen stundenlange Reisen und Kosten auf sich, um an solchen Events teilnehmen zu können.

Antworten auf Fragen unserer Zeit

Irgendetwas scheinen die Veranstalter ja richtig zu machen. Schauen wir einmal genauer hin:

Sie schreiben in Ihrem Teaser, die drängenden Fragen von Kirche und Welt blieben auffällig ausgeklammert. Das sehe ich anders. Ich denke, diese Fragen, auf die wir offenbar (noch) nicht die richtigen Antworten gefunden haben, wurden in Altötting und werden auch woanders im Gebet und übrigens auch häufig in stillen Zeiten vor den Herrn gebracht.

Was bedeutet denn Adoratio? Anbetung heißt für mich unter anderem, sich mit traurigem, freudigem, verzweifeltem und fragendem Herzen an den Herrn zu wenden.

„Ich schaue ihn an und er schaut mich an“,

hat der heilige Pfarrer von Ars den einfachen Akt der Anbetung mal beschrieben. Nun will ich Sie nicht belehren. Sie haben Theologie studiert und sind mir im Wissen darum sicher weit voraus. Aber haben Sie es einmal probiert und innerlich während der Anbetung Antworten auf drängende Fragen oder scheinbar unlösbare Knoten bekommen? Oder wenigstens „Freude und Hoffnung“ verspürt als Antwort auf „Trauer und Ängste“? Ich wünsche Ihnen diese Erfahrung von Herzen. Sie schreiben

„im Zentrum des Kongresses standen Gebet und Anbetung“.

Na wunderbar! Wer um Gottes Willen sollte denn bessere Antworten auf die Fragen unserer Zeit haben als der allmächtige Gott?

Fromm, aber nicht weltfremd, sondern perspektivisch

Neben Gebet gab es auch Vorträge und Workshops, also auch eine intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Thema Hoffnung. Die Workshops waren sogar teilweise sehr praktisch – es ging darum, was jeder einzelne neu entdecken oder an andere weitergeben kann. Es war nicht nur beabsichtigt für dieses Wochenende Hoffnung zu schöpfen, sondern diese in den Alltag jedes Einzelnen mitzunehmen und dadurch auch konkret dessen Umfeld zu bereichern.

Der Vortrag von Sophia Kuby hat in 24 Stunden bei youtube bereits 2900 Aufrufe. Vielleicht mögen Sie mal reinhören. Ich finde sowohl den Inhalt als auch die Art und Weise des Vortrags sehr authentisch und lebensnah. Nebenbei auch nah am Evangelium. Nicht frömmlerisch, aber durchaus fromm. Nicht weltfremd, sondern perspektivisch über diese Welt hinaus weisend.

Alle sind eingeladen

Sie behaupten, „dass der Adoratio-Kongress vor allem einem bestimmten Spektrum im Katholizismus ein Forum bietet“. Nach meiner Information sind „ALLE, alle, …“ eingeladen zu kommen. Und spricht man mit Besuchern solcher Veranstaltungen, wird man feststellen, dass sie aus allen Spektren der Kirche und der Welt kommen: (ehemalige) und neugierige Atheisten, Suchende, am Leben Gescheiterte und in Christus neu Aufgerichtete, ehemalige Teilnehmer des Synodalen Weges, Konvertiten und ja, auch fromme Traditionskatholiken. Unsere Welt ist bunt – auch in Altötting!

Sie haben das II. Vatikanische Konzil zitiert, das uns die Themen „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen“ nachdrücklich ans Herz gelegt hat. Die Auseinandersetzung mit diesen Themen wird nicht „weggebetet“, wie Sie behaupten, sondern vor Christus gebracht. Man setzt sich im Gebet und besonders in der Anbetung mit ihm zusammen und in ihm setzen wir uns mit den drängenden Fragen unserer Zeit auseinander. Außerdem sind wir eingeladen, unsere ganz persönlichen Anliegen vor ihn zu bringen. Und häufig erhält man in der Stille vor dem Herrn tatsächlich Antworten oder zumindest Impulse, Trost, Hoffnung und neue Freude. Einfach mal ausprobieren . . .

Anscheinend wagen etliche junge Leute dieses Experiment und finden Gefallen daran. Nun könnte man denken, das ginge doch auch zu Hause im Dorfkirchlein. Das geht. Jesus ist ja überall. Gleichzeitig wirkt die Zusammenkunft und die Gemeinschaft beflügelnd, begeisternd und verbindend, ja und ansteckend. Zumindest bei Menschen, die dafür offen sind. Die steigenden Teilnehmerzahlen haben Sie ja selbst bescheinigt, lieber Fabian Brand.

Genug debattiert?

„Liberale Formate gibt es in dieser Größenordnung bisher nicht.“,

bedauern Sie weiter im Text. Ja warum denn nicht? Vielleicht, weil die jungen Leute die Nase voll haben von „Jugend debattiert“?! Vielleicht, weil sie verstanden haben, dass die Kirche Christi weit über die Probleme und auch die Lebenswirklichkeiten unserer heutigen Zeit hinausgeht. Sie verstehen die Kirche Christi als ewige Kirche, gestern, heute und auch in der Zukunft. Sie spüren möglicherweise, dass die Kirche Jesu Christi Verlässlichkeit und Orientierung bietet; und dass Beten vor allem auch Hören bedeutet. Hinhören, was Christus durch den Heiligen Geist mir persönlich zu sagen hat. Sowohl Hilfestellung auf meine persönlichen Fragen und Nöte, aber auch Anregungen, was mein Beitrag zur Auferbauung seines Reiches in dieser Welt sein könnte. Vielleicht brauchen wir tatsächlich weniger Podiumsdiskussionen, weniger Debattenkultur und mehr Gebet. Zumindest sollte dieses an erster Stelle stehen. Menschen, die Gebetskongresse besuchen, sind ja nicht weniger gebildet und argumentationsfreudig als andere, schon gar nicht desinteressiert. Aber vielleicht sind sie es leid, bereits totdiskutierte Themen weiter im Kreis zu drehen. Dass viele junge Leute von heute „Pilger der Hoffnung“ sind und lieber beten statt debattieren, zeigte übrigens auch das sehr gut besuchte diesjährige Jubiläum der Jugend in Rom.

Kleine Soßenkunde

Ich denke, diese haben „das Bessere gewählt“, um Jesus in der Erzählung von Martha und Maria zu zitieren. Was Sie, Herr Brand, als „fromme Soße“ bezeichnen, ist vielleicht das Wichtigste an der Mahlzeit. Bei uns in Franken ist das jedenfalls so. Weißbrot ist gut, Schwarzbrot ist nahrhafter und auch lecker. Aber Kloß mit Soße ist doch die leckerste Beilage zum Schweinsbraten, die man sich denken kann. Vielleicht konnte ich das Bild von der Soße etwas zurechtrücken. In der Form, wie Sie es verwenden, habe ich es als beleidigend empfunden.

Einheit statt Kulturkampf

Sie bedauern, dass man die „Federführung“ den eher konservativen Kreisen überlässt, „während das liberale Spektrum zunehmend zu verstummen droht.“ Das klingt für mich wie ein Kampf, zumindest wie ein Wettlauf oder Kräftemessen. Wozu ist das nötig? Es erinnert mich an 1. Korinther über die Spaltungen in der Gemeinde: „Ich halte zu Paulus – ich zu Apollos – ich zu Kephas – ich zu Christus. Ist denn Christus zerteilt?“ Sind wir nicht zur Einheit berufen? Lassen Sie uns doch das katholische UND Leben: „Ora et labora“. Aus dem Gebet wächst die Tat, Nächstenliebe und Werke der Barmherzigkeit. Streiten, Vergleiche und gegenseitiges Aufrechnen hat Gott uns nicht aufgetragen. Verzeihen Sie, aber zwischen Ihren Zeilen lese ich einen Anflug von Neid. Das ist nicht nötig. Christus lädt alle ein. Lasst uns gerne diskutieren, konservative wie liberale Meinungen austauschen, jedoch bitte synodal im gegenseitigen Aufeinander-Hören und besonders im Hören auf den Heiligen Geist. Möglicherweise finden wir überraschende Antworten auf die Fragen unserer Zeit. Und wenn das liberale Spektrum stumm wird? – Nun ja, vielleicht gehen ihm der Atem oder die Argumente aus? Es heißt in der Schrift:

“Prüft alles, das Gute behaltet!” (1. Thessalonicher 5,21)

Früchtchen und Früchte

Gerne teile ich noch eine selbst erlebte Geschichte, an die mich Ihr Kommentar erinnert:

Ein eher liberaler Priester sagte einmal zu einer Bekannten: „Wissen Sie, Frau Mayer, mir gefällt nicht alles, wie Sie in Ihrer Familie so leben, mit Rosenkranz, Anbetung, striktem Kirchgang usw. Aber wenn ich mir Ihre Kinder so ansehe, dann sind die außergewöhnlich gut geraten, stehen mitten im Leben und versprühen Zuversicht und Freude. Anscheinend machen Sie ja irgendetwas richtig.“ Meine Bekannte antwortete schlagfertig: „Tja, Herr Pfarrer, schon in der Bibel steht: An ihren Früchtchen werdet ihr sie erkennen.“

So lade ich auch Sie, Herr Brand, ein, schauen Sie auf die Früchte des Adoratio-Kongresses und ähnlicher Veranstaltungen. Im Grunde haben Sie es ja schon selbst in Ihrem Kommentar beantwortet. Wachstum, Verkündigung, Impulse, ansteckende Begeisterung, findet man bei solchen Events. Und ich möchte hinzufügen: Zuversicht und Hoffnung.

In Christus und in der Welt

Übrigens wirken diese Menschen in unserer Welt, weil sie ja durchaus mitten im Leben ihre Frau und ihren Mann stehen, als Familienmütter, Lehrer, Krankenpfleger, IT-Spezialisten, Manager, Handwerker usw. „Gehet hinaus und verkündet . . .“ Und mal ehrlich: Was ist denn ansprechender als ein von Gottes Geist erfüllter, glaubenssprühender junger Mensch mit strahlenden Augen? So jedenfalls erlebe ich die Leute auf besagten Events, übrigens auch Sophia Kuby bei ihrem Vortrag. Bei Minute 30 zitiert sie aus „Gaudium et spes“:

„Die Zukunft der Menschheit liegt in den Händen derer, die stark genug sind, den kommenden Generationen Gründe zum Leben und Hoffen zu geben“.

Danach blickt sie mit den Zuhörern auf aktuelle Studien und Statistiken über Jugendliche, die von Ängsten, Depressionen und Hoffnungslosigkeit geplagt sind. Kuby weist mit Rückblick auf die Heilsgeschichte und die Historie der Kirche darauf hin, dass es immer wieder unerwartete Wendungen in aussichtsloser Situation gab. Sie bekundet überzeugend: „Wir wissen, dass die Geschichte am Ende gut ausgeht.“ Dies unterscheidet uns Christen von der Welt. Ich finde, dass Sophia Kuby sich in ihrem Vortrag sehr wohl mit der „Welt und der Gegenwart auseinandersetzt“, was Sie ja (auch) für sehr wichtig halten, lieber Herr Brand. 

Die Welt ist schon erlöst

WIR müssen die Welt ja nicht erlösen. Daran sind viele vor uns bereits gescheitert und wir werden es auch nicht schaffen. Jesus Christus hat die Welt und auch uns bereits erlöst. Das macht es für uns einfach. Vielleicht sollten wir alle weniger aus uns selbst heraus, sondern aus Christus und dem Evangelium leben. So jedenfalls verstehe ich das II. Vatikanische Konzil und „Gaudium et spes“.

Gelebter Glaube in der Lebenswirklichkeit

Wenn ich jetzt beim Angelus-Läuten den „Engel des Herrn“ bete, dann in der Gewissheit, dass dieses uralte Gebet mir neue Kraft für den Nachmittag dieses Tages gibt. Ich darf darauf vertrauen, dass die Kirche Jesu Christi nicht untergehen wird und alle Stürme der Zeit – auch unserer Zeit – überstehen wird. Das ist nicht nur fromm, sondern richtig verstanden, für mich gelebter Glaube mitten im Alltag. Dieses Gebet verbindet mich mit der Weltkirche. Was allerdings aus der selbstgebastelten „Kirche“ der Menschen in Deutschland wird, vermag ich nicht zu sagen.

“Die Gegenwart Christi inmitten dieser Welt”

Und ein Letztes: Aus dem letzten Abschnitt Ihres Artikels lese ich die Unterstellung bzw. Kritik, dass Menschen auf dem Adoratio-Kongress die Gegenwart Christi nur in der konsekrierten Hostie suchen. Sicher nicht nur, aber vor allem dort. Denn das ist ja ein Alleinstellungsmerkmal der katholischen Kirche, dass Jesus uns in den Sakramenten Werkzeuge und sichtbare Zeichen seiner Gegenwart schenkt. „Würde es nur um Begeisterung und Gemeinschaft gehen, wäre ich längst bei den Freikirchlern“, hat neulich ein Bekannter gesagt. „Aber den Schatz der Sakramente finde ich nur in der katholischen Kirche.“ Der USP der Kirche ist nun mal Jesus Christus. Und die Aufgabe der Kirche ist es, den Menschen einen Zugang zu einer lebendigen Christusbeziehung zu ermöglichen. Ich hoffe, darin sind wir uns einig, Herr Brand. Dass es verschiedene Zugänge zu ihm gibt, ist auch klar. Nur sollten diese doch nicht in Konkurrenz stehen.

Es grüßt Sie – in Christus und im Gebet verbunden –

Patricia Haun


Patricia Haun
Jahrgang 1971, ist freie Journalistin, Mutter von vier Kindern und Großmutter von zwei Enkeln. Sie ist Mitgründerin von EuroProLife und Gründerin der „Gebetsvigilien für das Leben“ in Aschaffenburg und Frankfurt. Sie arbeitete als Redaktionsleiterin für Durchblick e. V. und wirkt mit bei der Initiative „Neuer Anfang“.


Beitragsbild: ©TVsatzstudio via Adobe Stock

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