Wenn man die Allgemeinheit fragt, wird die Kirche oft mehr mit „christlichen Werten“ als mit der frohen Botschaft eines menschgewordenen Gottes identifiziert. Doch das, was Kirche attraktiv macht, ist Jesus Christus. Er ist das Alleinstellungsmerkmal, der USP (Unique selling point) der Kirche. Darüber denkt Katharina Hauser nach und lädt zum Adoratio-Kongress nach Altötting ein.

„Für deutliche Mehrheit haben christliche Werte kaum Bedeutung.“ So betitelt der MDR eine Studie von 23.000 Befragten aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Wenn man weiterliest, stellt man fest, dass Werte wie Nächstenliebe, Solidarität, Barmherzigkeit sehr wohl eine wichtige Bedeutung für die Befragten haben, diese jedoch oft nicht mehr mit dem Christentum oder gar der Kirche in Verbindung gebracht werden. Auch für so manche Katholiken sind „christliche Werte“ das Aushängeschild ihres Glaubens, das Credo und Jesus Christus als Mittelpunkt haben da gar nicht so viel zu suchen. Allen voran geht es um den Höchstwert der Stunde, die „Totaltoleranz“ –  „Wir finden alles und jeden gut, genauso, wie er lebt und ist. (Außer jemand kritisiert das, den finden wir dann blöd.)“ Katholiken, die diesen Wert hochhalten, hätten gerne, dass die Kirche ein Ort der Totaltoleranten wird, inklusive Umformung der Sakramente und des ganzen kirchlichen Lebens. Biblisch gesehen war Jesus sicher der Mensch, der total und umfassend einen Menschen geliebt hat, der zu ihm kam. Er war aber sicher nicht tolerant im heutigen Sinn. Er war vielmehr manchmal ganz schön hart, wenn es darum ging, wie jemand gelebt hat. Er hat nicht einfach „Ja und Amen“ zu allem gesagt, sondern hat mit der Liebe des Vaters geliebt, der auch Grenzen setzt, gerade, weil er seine Kinder liebt und nicht einfach nur „nett“ zu ihnen ist.

Werte ohne Quelle

Sätze wie „Wir brauchen die Kirche, weil sie gute Werte vermittelt.“ oder Anliegen wie „Ich möchte mein Kind taufen lassen, weil ich möchte, dass es mit christlichen Werten aufwächst.“, sind verständlich, berühren aber nicht den Kern dessen, wofür Kirche da ist. Christliche Werte wie Nächstenliebe, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Freiheit sind die Folge des Evangeliums. Sie kommen von einem Glauben an einen personalen liebenden Gott, der Mensch wurde, durch Tod und Auferstehung ewiges Leben eröffnet hat, der als Heiliger Geist heute noch in seiner Kirche lebt und wirkt und unter uns ist. Dass die christlichen Werte in unserer westlichen Gesellschaft wichtig und selbstverständlich sind, hängt mit der jahrhundertelangen Prägung durch die Kirche zusammen, auch wenn das manche nicht wahrhaben wollen. Man kann nicht das Wasser haben und die Quelle komplett wegstreichen.

Der USP

Früher war die Quelle der Werte deutlicher. Glaube war mehr oder weniger selbstverständlich. Der Gottesdienst in einem Dorf war der Ort von Gemeinschaft. Hier hat man Neuigkeiten mitbekommen, hier wurde man geistig herausgefordert, der Pfarrer war eine gebildete Autorität, von der man viel lernen konnte. Heute kann man lernen, was und wo man will, man kann Tausenden Leuten auf YouTube zuhören und Glauben schenken, Neuigkeiten trudeln per WhatsApp und Instagram herein und Gemeinschaft kann man über Ländergrenzen hinweg online leben. Dass Glaube und Kirche eine Möglichkeit von Vielen geworden ist, ist Tatsache, auch wenn sie in der Sache ein Sinnes-Fundament ist, das alle anderen grundlegt und übersteigt. (aber das wissen Leute ja nicht, die das nie erfahren haben). Wenn also Kirche ein Angebot von Vielen ist, ist ihr eigener USP umso wichtiger. Was ist das Besondere? Was macht den Unterschied? Nicht so schwer eigentlich, das steckt ja schließlich im Namen. Der USP der Kirche ist Jesus Christus und nichts Anderes. Er ist es, der die Kirche attraktiv macht. Seine Auferstehung ist es, die eine neue Perspektive auf das Leben und die Ewigkeit gibt. Sein Tod zeigt uns, dass es kein Leiden gibt, bei dem er nicht mit uns wäre. Wenn wir ihn vergessen und uns nur auf mehr oder weniger christliche Werte fokussieren ohne Transzendenzbezug, verschließen wir nach und nach die Quelle, verdrehen den Kern des Evangeliums und berauben uns selbst der Hoffnung.

 Jesus im Mittelpunkt fordert heraus

Wenn er die Mitte ist, geht es um die Frage, wie mehr Menschen ihn als Mitte erkennen, und nicht wie wir es uns als Kirche schön gemütlich einrichten können. Und vielleicht muss sich jeder einzelne Katholik selbst fragen, wie sehr er dem Mittelpunkt des Glaubens Platz gibt. Oder ob der Kern nicht doch manchmal überdeckt wird von liebgewonnen Traditionen, von der eigenen Vorstellung, wie Kirche im Detail schon immer war und zu bleiben hat, oder werden muss. „Nur das kranke Auge sieht sich selbst.“, sagte Viktor Frankl. Ein gesundes Auge sieht seine Umgebung. Kirche krankt im Herzen, wenn sie um den eigenen Bestand im Hinblick auf Zahlen, Geld, Strukturen besorgt ist. Eine gesunde Kirche sieht durch die Augen Christi die Menschen, für die sie das sichtbare Zeichen der Liebe Gottes in der Welt ist. Wie passend, dass eines der Bilder für die Kirche der Leib ist. Was ausstrahlen wird innerhalb der Kirche und zur restlichen Welt sind fröhliche Menschen, die die Wahrheit in Liebe verkünden und die Jesus Christus den Platz in der Kirche geben, der ihm gebührt, nämlich den ersten, den letzten und den in der Mitte.

Ein Kongress für mehr Hoffnung

Der Adoratio-Kongress in Altötting will ein Ort sein, bei dem es genau darum geht: Jesus in die Mitte stellen und gemeinsam an der Erneuerung der Kirche mitarbeiten, und das mit Freude und Hoffnung. Er findet von 14. bis 16. Juni 2024 in Altötting statt und wird von den Bistümern Augsburg, Eichstätt und Passau organisiert. Es werden ca. 1500 Teilnehmer vor Ort erwartet und hunderttausende zuhause vor den Bildschirmen. Der Kongress findet zum fünften Mal statt und steht diesmal unter dem Thema „Das Geheimnis des Glaubens“. Es gibt Vorträge, Workshops, Zeiten des gemeinsamen Gebets und die Möglichkeit zur Begegnung mit anderen Gläubigen. Mehr Infos auf: www.adoratio-altoetting.de


Katharina Hauser,
28 Jahre alt, bringt viel Erfahrung in der kirchlichen Jugend- und Erwachsenenbildung in Pfarreien und Kontexten von Neuen geistlichen Gemeinschaften mit. Nach dem Sammeln beruflicher Erfahrung in Politik, Pfarrei und an der Universität ist sie nun als Theologin und Referentin für Neuevangelisierung im Bistum Passau tätig.


Foto von Matea Gregg auf Unsplash

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