Mit wem er rede, bestimme er schon noch selbst. So hat Bischof Timmerevers dem NEUEN ANFANG  das Gespräch verweigert. Diese Haltung nimmt er wohl auch gegenüber Mitbrüdern ein. Nachdem Stefan Oster mit seinen wohlfundierten Bedenken ins Leere lief, ist er öffentlich geworden. Herausgekommen ist ein grandioser Text. Wir verlinken ihn. Martin Brüske kommentiert.

Öffentlicher Dissens

Endlich, endlich formuliert ein deutscher Bischof einen massiven Lehrdissens in den Grundfragen der Anthropologie und Ethik in den Reihen der Deutschen Bischofskonferenz öffentlich, hochdifferenziert, feinfühlig und mit der nötigen Deutlichkeit. Die Distanzierung kann deutlicher nicht ausfallen: „Nicht in meinem Namen“ ist die Bilanz, die Bischof Stefan Oster am Ende seines grandiosen Papiers zum Papier der Schulkommission “Geschaffen, erlöst und geliebt – Sichtbarkeit und Anerkennung der Vielfalt sexueller Identitäten in der Schule” zieht. Der Text ist theologisch – Gott sei Dank! – schwergewichtig und anspruchsvoll. Er macht deutlich, um was es in Wahrheit geht: Nicht irgendwelche Einzelfragen, über die man mit Fug und Recht streiten könnte. Sondern um das biblische Bild des Menschen. Um Grundfragen der Anthropologie und Ethik also. Und zwar um solche, die das Ganze des christlichen Glaubens betreffen: Es geht um alles. Endlich, endlich wird das deutlich.

Einladung zum Studium

Deshalb: Lesen Sie diesen Text! Lesen Sie ihn mehrfach! Studieren Sie ihn! Tauschen Sie sich aus! Es lohnt sich. Hält man beide Texte nebeneinander, gehen einem Erschrecken und Freude durch Mark und Bein. Der Text der Schulkommission hat jede Bindung an eine seriöse theologische Anthropologie verloren. Stattdessen wird eine völlig säkulare Ideologie mit der unappetitlichen Sauce frommer Phrasen überhöht. Aber die inhaltliche Kritik finden Sie glanzvoll in Bischof Stefans Text. Er hat versucht, sie einzubringen und auch das positive Anliegen des Textes zu würdigen. Die vollkommene Unfähigkeit hinzuhören, welche die Bätzings und Timmerevers dieser Welt an den Tag legen, ließen ihn aber ins Leere laufen. Wie gesagt: Vergleichen Sie – und studieren Sie! Phrasenhafte Leere auf der einen Seite. Differenzierte Argumentation auf der anderen Seite.

Am Ende: Massive Kindeswohlgefährdung

Gern berufen sich Vertreter des Synodalen Wegs auf die Humanwissenschaften. Aber gerade dies geschieht auch hier wieder in der üblichen Mischung aus willkürlicher Selektion und Dürftigkeit. Bis auf wenige Zierzitate, die die eigene Option bestätigen sollen, bleibt man eine differenzierte Diskussion der entwicklungspsychologischen, medizinischen, pädagogischen und sexualwissenschaftlichen Fragen schuldig. An einer Stelle  wird das fatal – und absolut unverantwortlich. Die kritische Diskussion eines „rein affirmativen“ Umgangs mit Gender-Inkongruenz wird inzwischen weltweit mit der größten Intensität geführt. Alexander Korte hat sie auf fast 600 Seiten (E-Book) monographisch bearbeitet (“Hinter dem Regenbogen: Entwicklungspsychiatrische, sexual- und kulturwissenschaftliche Überlegungen zur Genderdebatte und zum Phänomen der Geschlechtsdysphorie bei Minderjährigen”). Diese Kritik ist durchschlagend und längst auch in der deutschen Ärzteschaft angekommen. Sie nicht zur Kenntnis zu nehmen ist entweder gewissenlos oder Anzeichen einer zum sachlichen Hören unfähigen Ignoranz. Am Ende ist es Kindeswohlgefährdung. Diesen Vorwurf wird sich Heinrich Timmerevers, der sich immer noch selbst aussucht, mit wem er spricht, wohl gefallen lassen müssen.

Um so mehr danke ich Bischof Stefan Oster für seinen großartigen Text!


Dr. theol. Martin Brüske
Martin Brüske, Dr. theol., geb. 1964 im Rheinland, Studium der Theologie und Philosophie in Bonn, Jerusalem und München. Lange Lehrtätigkeit in Dogmatik und theologischer Propädeutik in Freiburg / Schweiz. Unterrichtet jetzt Ethik am TDS Aarau. Martin Brüske ist Mitherausgeber des Buches “Urworte des Evangeliums”.


Bildquelle: Peter Esser, ChatGPT

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