Gebet ist normal. Das sieht der Durchschnittskatholik vielleicht etwas anders, aber der Durchschnitt ist nicht die Norm. Die Betrachtung von Katharina Hauser erschien zuerst am 14.11.2023 bei der Tagespost unter „Junge Federn“.

Kürzlich war ich auf fünftägigen ignatianischen Schweigeexerzitien. Neben kurzen Impulsen gab es vor allem viel Zeit fürs Gebet. Einerseits für das persönliche Bibelstudium und ins Gesprächkommen mit Gott, andererseits Zeiten der stillen Anbetung, am Abend dann eine Heilige Messe. Neben dem klassischen Stundengebet fanden sich moderner Lobpreis, viel Stille, das lateinische Tantum Ergo zur Anbetung, Achtsamkeitsübungen und Psalmbetrachtungen am Morgen, eher meditative Musik während des Essens.

Gebet ist normal

Auch wenn es natürlich kein Alltag ist, fünf Tage lang zu beten und zu schweigen, zeigt es etwas: Gebet war hier normal. Viel Gebet war normal. Sakramente, Anbetung und Lobpreis Gottes, sowie das kritische Reflektieren meiner selbst in seinem Licht – alles selbstverständlich und anscheinend sehr normal.

Dagegen stelle ich mir das durchschnittliche Leben eines „normalen“ Katholiken in Deutschland vor. In die Kirche geht man auf jeden Fall zu Weihnachten und Ostern, wenn man Muße hat, auch mal sonntags. Beten tut man schon ab und zu, vor allem in der Not, und manchmal noch vor dem Essen.

Die kirchlichen Traditionen schätzt man sehr und heiraten muss man natürlich auch in der Kirche. Leibliche Auferstehung, Sexualmoral der Kirche, Beichte, kein Kommentar. Man will ein guter Mensch sein, einfach „normal katholisch“, und nicht zu extrem. Normal in der einen Blase ist also völlig unnormal für den Durchschnittskatholiken in Deutschland.

Normal versus Durchschnitt

„Der Durchschnittschrist im heutigen Europa ist, leider Gottes, bei Weitem nicht normal“, sagte einmal Kardinal Suenens von Mechelen, Belgien. „Normal katholisch-sein“ in seinem Sinn würde wohl heißen, den Glauben in allen Facetten ernst zu nehmen, die Schrift und Tradition, zu beten und zu beichten, regelmäßig die Heilige Messe zu besuchen, dem Glauben als Fundament des Lebens in jedem Bereich des Lebens eine Rolle zu geben.

Das durchschnittliche Katholisch-sein, das viele als das „Normale“ empfinden, ist vielleicht das Resultat einer Pastoral, die so tut, als würde sie das Zweite Vatikanum umsetzen, eigentlich aber den Kern davon noch nicht verstanden hat. Kein „Mehr“ von Christus, sondern ein „Mehr“ an einem Kirche-sein, in dem man selbst definiert, wer Gott und die Kirche ist, und wie der dafür gebastelte Jesus ins Leben passt, ohne zu sehr die eigene Autonomie zu stören. Manchmal vielleicht ein „Mehr“ an aktiver Beteiligung am Kirchenleben, aber leider oft nicht im Sinne einer größeren Nachfolge des Herrn, einem „Mehr“ an Innerlichkeit und einem Wachstum im geistlichen Leben, sondern im Sinne von wirklich gut gemeintem Aktivismus.

Viel lieben

Die Kirche von heute braucht vielerorts nicht mehr Aktionen, sondern mehr Liebe für den Herrn. Für alle, Durchschnitts- wie Normalkatholiken, sollte der Glaube an einen personalen Gott doch stets ein Aufruf zur eigenen Vertiefung sein. „Fertig“ ist man da nie und das „Normale“, wenn es um Gott geht, hat wenig mit Berechnung zu tun. Gibt es ein Zuviel, wenn es im Letzten um die Liebe geht? Normales Katholisch-sein jedenfalls heißt – so glaube ich – viel lieben, Gott, die Kirche und die Menschen.


Katharina Hauser,
27 Jahre alt, bringt viel Erfahrung in der kirchlichen Jugend- und Erwachsenenbildung in Pfarreien und Kontexten von Neuen geistlichen Gemeinschaften mit. Nach dem Sammeln beruflicher Erfahrung in Politik, Pfarrei und an der Universität ist sie nun als Theologin und Referentin für Neuevangelisierung im Bistum Passau tätig.

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