„Was ist Wahrheit?“ (Joh 18,38)
In der Johannespassion stellt Pilatus in der Karfreitagsliturgie diese Frage. Wahrheit ist offensichtlich etwas Überkonfessionelles. So verteidigt der evangelische Theologe Notger Slenczka in Zeitzeichen im Streit um die Wahrheit gegen seinen Erlanger evangelischen Kollegen Peter Dabrock die katholische Art, wie um Wahrheit gestritten werden kann. Er betont, dass er weiterhin ein liberaler Protestant sei. Wir dokumentieren Auszüge des Aufsatzes.
Slenczkas Worte und seine Positionierung in Fragen Wahrheit dürften aber bei manchen katholischen Kollegen ein Aufreger sein (wie er schon einmal in seiner Positionierung zum Alten Testament die ganze Theologenzunft aufgeregt hat) und auch die Mehrheitsbischöfe in Verlegenheit bringen. Kein Wunder, wenn es z. B. heißt:
„Das bischöfliche Amt […] mit dem Papst stellt die Garantie der Wahrheit dar.“
„Und darum habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, die Katholische Kirche zu verteidigen. Die Katholische Kirche ist auch für Außenstehende eine zutiefst verehrungswürdige Institution […] oder: „Die Katholische Kirche ist nach protestantischem Verständnis ein Teil der Kirche Jesu Christi, und zwar ein völlig legitimer. Das festzustellen ist kein Akt der ökumenischen Höflichkeit, zu der ich nicht neige, sondern ein Gebot der Wahrheitstreue. […] Das Besondere an der katholischen Kirche ist nicht dies, dass sie an der Vorgegebenheit und Unverfügbarkeit der Wahrheit festhält, sondern dies: dass sie besondere institutionelle Wege zur Verbürgung und zur Wahrung dieser Wahrheit beschreitet. Das bischöfliche Amt in der Gemeinschaft mit dem Papst stellt die Garantie der Wahrheit dar.“
Das dürfte den einen oder anderen Bischof peinlich berühren, wenn in Endlosschleife endgültige Entscheide immer wieder als ein kritisches „im Gespräch bleiben“ schön geredet werden. Er führt in diesem Sinne weiter aus:
„Diese Gemeinschaft umfasst nicht einfach die gegenwärtige Kirche…“
… und die gegenwärtig lebenden und lehrenden Bischöfe, sondern diese Gemeinschaft schließt die gesamte Kirche in Vergangenheit und Gegenwart ein, und das heißt: Es genügt nicht, dass ein Bischof, auch nicht: dass eine gegenwärtige Gemeinschaft oder gar nur eine relative Mehrheit von Bischöfen sich in einer Frage einig ist, sondern sie muss sich in ihrer Entscheidung ernsthaft einig wissen mit der ihnen vorausgehenden Gemeinschaft bis zurück zum Jüngerkreis Jesu. […] Nach katholischem Verständnis ist somit das bischöfliche Amt nicht der Ort, an dem über die Wahrheit, gar noch per Abstimmung, entschieden wird. Sondern in der katholischen Amtstheologie manifestiert sich im gemeinschaftlichen bischöflichen Amt und im Lehrprimat des Papstes ernsthaft die Unverfügbarkeit der Wahrheit. Als liberaler Protestant teile ich dies Verständnis der bischöflichen Lehrgewalt und der bischöflichen Autorität nicht. Aber es kann einen guten Sinn haben.“
„Das kirchliche Amt nach katholischem Verständnis ist eine große Idee“ schreibt Notger Slenczka, und führt aus:
„[…]Das heißt: die Wahrheit steht nicht zur Verfügung des Papstes. Der Papst ist vielmehr Hüter und Garant der in der Kirche lebenden und ihm vorgegebenen Wahrheit; aber er produziert sie nicht. […] Warum versuche ich als explizit liberaler Protestant, diese Überzeugung der katholischen Kirche geradezu werbend zu erläutern? Weil das bischöfliche Amt der katholischen Kirche einen rapiden Ansehensverlust auch unter den eigenen Gläubigen erlitten hat. Das ist eine Katastrophe, denn das bischöfliche Amt ist eine große Idee, die auch außerhalb der konfessionell katholischen Kirche Strahlkraft gewinnen kann. […] Das sollte nicht nur den Kirchengliedern klar sein, die vielleicht unter der Kirche der Gegenwart leiden. Sondern das muss einer Gesellschaft insgesamt klar sein.“
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