Die Serie der Auslegung des Sonntagsevangeliums durch Dr. Martin Brüske geht weiter.
Nur Verwalter!
Auslegung des Evangeliums vom 25. Sonntag im Jahreskreis C Lk 16, 1-13
Eine Geschichte über einen Verschwender und Kriminellen! Und Jesus lobt den Finanzbetrüger! Geht’s noch? Aber als unserem Gangster der Absturz ins soziale Nichts droht, handelt er klug, mit besonnener Entschlossenheit, um seine Haut zu retten. Handeln wir ebenso klug, besonnen und entschlossen, wenn es um unser wahres Gut, das Leben mit Gott, geht?
Ein skandalöses Gleichnis
Um seine Botschaft, hinter der immer die unbegreifliche Liebe Gottes zu verlorenen Sündern steht, zu vermitteln, kann Jesus ganz unterschiedliche Tonlagen von tröstlich bis schroff und provokativ wählen: Er lässt keine Möglichkeit aus, um die Herzen derer, die ihm zuhören zu erreichen. In unserem Evangelium erzählt Jesus ein Gleichnis, das es in sich hat: Da rettet einer auf unglaublich dreiste Weise seine Haut – und Jesus lobt den Mann. Mit diesem Gleichnis richtet er sich besonders an seine Jünger. Was soll also diese Jüngerbelehrung über einen Verschwender und Finanzbetrüger? Schauen wir hin!
Im Lebensraum Jesu gab es große Güter, deren Besitzer oft weit entfernt lebten und zur Bewirtschaftung ihres Besitzes Verwalter einsetzten. Eine Buchführung im modernen Sinn gab es dabei noch nicht, aber Rechtsgeschäfte wurden dokumentiert: Eine Schuldverschreibung trug die Handschrift des Schuldners und wurde beim Gläubiger deponiert. (Das wird noch wichtig!)
Auf die wilde Geschichte eines solchen Verwalters, eines solchen „Ökonomen“ richtet unser Skandalgleichnis seinen Blick. Der hat sich mit dem anvertrauten Besitz seines fernen Chefs bislang einen lauen Lenz gemacht und dessen Güter nicht zusammengehalten, geschweige denn vermehrt, sondern sie „verschleudert“ (so wie der verlorene Sohn das Erbe des Vaters). Und jetzt wurde er „verpetzt“. Er ist aufgeflogen – denn er sieht offensichtlich auch keine Möglichkeit, sich wirksam gegen die Vorwürfe zu verteidigen und versucht das auch gar nicht erst. Denn der Gutsbesitzer scheint bereits auf Grund der offensichtlich wohl begründeten Vorwürfe zu einem klaren Entschluss gekommen zu sein: Er wird seinen bisherigen Ökonomen rausschmeißen. Zuvor verlangt er aber noch eine Schlussabrechnung: Er will die Urkunden sehen, die den wirtschaftlichen Stand des Guts dokumentieren – im Blick auf das weitere Vorgehen und einen neuen Verwalter.
Entschlossener Betrug
Unserem Verschwender-Ökonomen droht, von einer recht ansehnlichen sozialen Position aus, der Absturz ins soziale Nichts: körperliche Schwerstarbeit (die er sich nicht zutraut) oder Bettelei (die Ehrverlust, die sich als Scham ausdrückt, bedeutet). Aber der schon beinahe gefeuerte Verwalter bewahrt kühlen Kopf und erwägt seine Situation. „Cool“ geblieben prüft er seine Möglichkeiten: Wenn er es allein nicht schafft, dem sozialen Absturz zu entgehen, dann braucht er „neue Freunde“, die ihm gewogen sind, weil er ihnen einen Dienst erwiesen hat, der wenigstens beim einen oder anderen die Bereitschaft zur Unterstützung aus Dankbarkeit erzeugt. So hat er die Chance, nicht in der Gosse zu landen, sondern in den Häusern derer aufgenommen zu werden, die er sich gewogen gemacht hat.
Das Ziel ist also: Aufgenommen werden in die Häuser, um nicht auf der Straße zu landen. Das Mittel dazu: Entschlossener Betrug! Sein „rettender Einfall“ ist schlicht und ergreifend unglaublich dreiste Urkundenfälschung zugunsten der Gläubiger seines Noch-Chefs…
Denn: Gerade eben noch hat unser nach der Verschwendung ziemlich skrupellos zum Betrug entschlossene Verwalter, der als letzten Akt seiner an ihr Ende gekommenen Karriere Rechenschaft ablegen soll, ja genau deshalb Zugriff auf die Dokumente, die die Schulden der Gläubiger dokumentieren. Sie tragen allein ihre Handschrift. Eine Verfälschung kann niemand nachweisen! Voraussetzung ist allerdings, dass der Schuldner seine Schuldverschreibung wieder in die Hand bekommt…. Genau dafür sorgt unser gerissener Verwalter, um seinen Absturz zu verhindern – und nutzt damit entschlossen die letzte Gelegenheit dazu! Der Geldbetrag des Schuldennachlasses, der den Naturalienschulden Öl und Weizen entspricht, ist übrigens ungefähr gleich: Je 500 Denare – eine nicht eben kleine Summe… Denn ein Silberdenar war der Tageslohn eines Tagelöhners.
Kinder der Welt und Kinder des Lichts
„Und es lobte der Herr den ungerechten Verwalter“. Welcher Herr ist das? Der Gutsbesitzer? Oder Jesus? Es gibt Argumente für beide Sichtweisen – und in der Bibelwissenschaft haben beide Positionen kluge Vertreter. Persönlich meine ich, dass die Gründe für die Zuordnung zu Jesus klar überwiegen. Welche Gründe sollte der doppelt geschädigte Gutsbesitzer haben, seinen frechen Ökonomen für den doppelten Schaden zu „loben“? Hat er selbst „Dreck am Stecken“, weil er, wenn er Jude ist (was nicht klar ist), mit dem Zins auf Naturalien das Zinsverbot der Tora auf verliehenes Geld umgeht? Aber dann würde er wohl das Verhalten seines Ökonomen eher zähneknirschend hinnehmen, als es mit Lob zu bedenken. Auch wenn es also Szenarien gibt, die das ein wenig plausibler machen, sie scheinen mir am Ende des Tages immer ein wenig gekünstelt.
Aber was bedeutet das dann, dass Jesus den frechen Betrüger lobt? Machen wir uns klar: Es handelt sich um ein Gleichnis! Bild- und Sachseite müssen unterschieden werden. Die Bildseite erschließt in Entsprechung geistliche Wirklichkeit. Welchen Aspekt in der Bild- und Erzählwelt seines Gleichnisses nimmt Jesus in den Blick, wenn er unseren gerissenen Finanzbetrüger lobt? Natürlich nicht den Betrug als solchen. Denn im Blick darauf wird der aufgeflogene Ökonom ausdrücklich „ungerecht“ genannt.
Vielmehr geht es um seine Klugheit. Wiederum ist hier nicht einfach die erste Kardinaltugend als sittliche Gestalt gemeint. Denn sie wird ja durch die Ungerechtigkeit des Verwalters demontiert: Es kann keine Tugend der Klugheit als Grundlage für Ungerechtigkeit geben! Und dennoch – wieder zeigt sich Jesus hier als göttlich-genialer Erzähler, der mit sparsamsten Strichen einen großen Zusammenhang auftut – werden im Verhalten des Betrügers einzelne Züge der Klugheit großartig klar, die für Jünger Jesu in der kommenden Königsherrschaft des Vaters größte Bedeutung haben. Und von denen Jesus weiß, dass die Kinder des Lichts sie nicht selten vernachlässigen. Und dann erweisen sich eben die Kinder der Welt tatsächlich als klüger – so dass in ihrem Verhalten etwas aufleuchtet, was für die Kinder des Lichts zum Gleichnis werden kann.
Klugheit
Klugheit ist, wie gesagt, die erste Kardinaltugend. Josef Pieper hat ihre Bedeutung großartig beleuchtet. Klugheit in diesem Sinne ist die Grundlage allen sittlichen Handelns. Sie ist die Muttertugend aller weiteren Tugenden. Sie besteht vor allem in der Fähigkeit, die Wirklichkeit in ihrer Bedeutung für das Handeln sachgemäß, ohne Verzeichnungen und Verzerrungen, ohne Illusion, Ideologie und Selbstbetrug zu erfassen und darin die Mittel zu erkennen, die einen wirksam zum Ziel führen.
Nun soll natürlich nicht behauptet werden, Jesus beziehe sich hier auf dieses ausgearbeitete praktisch-philosophische Konzept. Vielmehr stehen die praktische Weisheit Israels, in deren Tradition Jesus steht, und das Konzept der „Klugheit“ in natürlicher Entsprechung zueinander, weil sie sich auf die eine Wirklichkeit beziehen, in der Menschen handeln müssen – und Jesus hier als Offenbarer zugleich diese eine Wirklichkeit aufdeckt und bezeugt.
Jedenfalls: Genau darin besteht die paradoxe Vorbildlichkeit unseres gerissenen Betrügers! Er erkennt in gnadenlosem Realismus die Ausweglosigkeit seiner Situation, wenn er nichts unternimmt; erkennt ebenso, dass er sofort handeln muss, dass ihm die Situation eine letzte Gelegenheit bietet, dem sozialen Untergang zu entgehen; er lässt sich aber nicht in Panik versetzen, die die Wahrnehmung der Wirklichkeit verzerrt; er bleibt vielmehr besonnen und ergreift entschlossen die Mittel, die ihm verheißen, dem sozialen Absturz zu entgehen und statt in der Gosse in den Häusern seiner dankbar gewogenen Gönner zu landen.
Deshalb handelt er in der Weise der „Kinder dieser Welt“ klug. Und ebenso wirklichkeitsgerecht, situationsgerecht, besonnen und entschlossen sollen auch die „Kinder des Lichts“ handeln. Denn erst dann handeln sie tatsächlich wahrhaft klug. Vor allem sollen sie begreifen: Angesichts der in Jesus hereindrängenden Gottesherrschaft, in der ihnen aus unbegreiflicher Barmherzigkeit neues Leben für verlorene Sünder zugespielt wird, sollen auch sie die Situation ihres Lebens als letzte Gelegenheit ergreifen. Zeit ist Frist. Wer das begreift und entschlossen die Konsequenzen zu Umkehr und Nachfolge in Glaube, Liebe und Hoffnung zieht, der handelt klug.
Besitz
Von dieser Basis der „Klugheit“ ausgehend, spinnt Jesus die Ausdeutung des Gleichnisses im Blick auf den klugen Umgang mit Besitz und Geld noch weiter. Man hat gemeint, hier wären gleich mehrere unterschiedliche Deutungen des Skandalgleichnisses über Stichwortassoziation aneinandergereiht worden, weil man versucht habe, diesen skandalösen Gehalt einzuhegen. Auf der Grundlage unserer bisherigen Auslegung scheinen mir die folgenden Sprüche aber tatsächlich eher eine organische Fortspinnung des offenen Sinngefüges des Gleichnisses zu sein.
Es sind drei Punkte!
Der erste: Kleb nicht am Besitz, zuletzt, wenn es zu Ende geht (und dieses Ende bestimmt unser ganzes Leben: Zeit ist Frist! Das Leben ist letzte Gelegenheit!), nützt er dir nichts. Mach dir stattdessen himmlische Freunde damit. In deren Wohnungen kannst du dann eingehen (wir bleiben hier noch unmittelbar in der Bildwelt des Gleichnisses). Also sei großzügig! Gib spontan und selbstverständlich! Das verschafft dir die himmlischen Freunde. Ganz in der Nähe steht die Erzählung vom armen Lazarus. Sie bildet das Kontrastbild: Der Reiche bleibt stumpf bei seinem Besitz, nimmt die Not des armen Lazarus vor seiner Tür nicht einmal wahr – und ist am Ende gänzlich ohne „himmlische Freunde“.
Der zweite: Aller materielle Besitz ist uns tatsächlich nur zur Verwaltung anvertraut. Er ist gegenüber dem, worauf es wirklich ankommt, klein und unbedeutend. Dennoch müssen wir in dieser Welt sorgfältig damit umgehen. Die Bewährung im Umgang damit bereitet uns auf unser wahres Gut vor, das uns nicht, wie jeder Besitz, letztlich äußerlich bleibt, sondern zutiefst zu eigen wird: Leben in und mit Gott als unsere tiefste Erfüllung!
Der dritte: Was du verwaltest, betest du nicht an! Mach den Besitz nicht zum Gott! Setze nicht darauf dein Vertrauen und häng dein Herz nicht daran. Du musst dich entscheiden. „Kind der Welt“ oder „Kind des Lichts“. Mischformen funktionieren nicht. Am Ende landest du beim einen oder anderen.
Ambrosius hat den Gedanken, dass wir nur Verwalter irdischer Güter sind und das unser tiefstes Leben woanders liegt, wunderbar auf den Punkt gebracht:
„Fremd sind uns die Reichtümer, denn sie gehören nicht zu unserer Natur; sie werden nicht mit uns geboren und sie vergehen auch nicht mit uns. Christus aber ist unser, denn er ist das Leben der Menschen, wenn er schließlich in sein Eigentum kommt.“
Dr. theol. Martin Brüske,
geb. 1964 im Rheinland, Studium der Theologie und Philosophie in Bonn, Jerusalem und München. Lange Lehrtätigkeit in Dogmatik und theologischer Propädeutik in Freiburg / Schweiz. Unterrichtet jetzt Ethik am TDS Aarau. Martin Brüske ist Mitherausgeber des Buches “Urworte des Evangeliums”.