Nicht erst seit dem erneuten Mahnbrief von 74 Bischöfen zum Synodalen Weg, stellen sich viele die Frage: Wo steht der Papst in der Sache? Er distanziert sich vom Synodalen Weg, er distanziert sich nicht… Was stimmt denn nun? Und warum reagiert Rom so diplomatisch auf Aussagen des Vorsitzenden der polnischen Bischofskonferenz Stanisław Gądecki? Dorothea Schmidt ordnet ein.

In der vergangenen Woche veröffentlichte Vatican news ein Interview, in dem der Vorsitzende des polnischen Episkopats, Stanisław Gądecki, erwähnt – oder ausgeplaudert? – hatte, Papst Franziskus stehe dem Synodalen Weg distanziert gegenüber. Der könne zu einer Protestantisierung der katholischen Kirche führen, gegen die sich selbst Protestanten aussprächen.

Eine Bombenaussage, auf die viele gewartet hatten. Die polnischen Bischöfe haben sie bekräftigt. Und dann sprach in diese Dankbarkeit über ein deutliches Papst-Statement der Vatikansprecher Matteo Bruni diesen Satz: Die Haltung des Papstes sei unverändert dieselbe, die er 2019 in seinem Brief an das Pilgernde Volk in Deutschland dargelegt habe.

Das ist kein Dementi von Gądeckis Aussagen, sondern eine Bekräftigung – und ein diplomatischer Schachzug; findet der Papst in seinem Brief doch deutliche Worte, um den Synodalen Weg auf den richtigen Kurs zu bringen. Aber warum hat sich der Papst bei der Steilvorlage des polnischen Bischofs nicht deutlicher positioniert? Etwa aus Angst, die deutsche Kirche könnte ihm um die Ohren fliegen? Das wird sie sowieso. Wenn nicht jetzt, dann später. Bloß an den Brief zu erinnern, wird genauso viel bringen, wie er der Kirche in Deutschland bisher gebracht hat: Nichts.

Jeder liest heraus, was er will

Die Mehrheit (der Bischöfe) interpretierte ihn als Ermutigung, den Synodalen Weg wie gehabt fortzusetzen; ohne Evangelisierung im synodalen Programm, dafür mit Strukturveränderungen und dem Vertrauen auf eigene Kräfte. Hören auf den Geist Gottes und Unterscheiden wird auf ein abgelesenes Heilige-Geist-Gebet beschränkt. Zeichen der Zeit sind für die Synodalversammlung die Zeitgeist-Interessen und Lebensmodelle von heute und werden zu den Offenbarungsquellen hinzugerechnet. Dabei hatte der Papst vor all dem gewarnt – in seinem Brief.

Mit der Erinnerung an diesen hat der Papst erst einmal aufbrausende Gemüter besänftigt. Es sieht danach aus, als würde Rom die deutsche Situation falsch einschätzen und hoffen, einen Weg der Mitte finden zu können, ohne dass die Integrität der Lehre gefährdet wird. Im Herbst sind die deutschen Bischöfe zu einem Ad-Limina-Besuch in Rom vorgeladen.

Nur ist das reichlich spät. Gespräche hat es genügend gegeben. Trotzdem werden die Gräben innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland immer tiefer. Die Spaltung ist längst vollzogen und scheint immer deutlicher hervor. Allein das Zitat von Bischof Helmut Dieser auf der Bistumsseite seines Bistums (Aachen) zeigt dies sehr deutlich: „Menschen, die heute ganz anders leben, brauchen eine ganz andere Kirche.“ Kardinal Marx hat das 6. Gebot auch schon aufgehoben, wie man dem jüngsten Bunte-Interview entnehmen kann. Ganz auf der Linie des Synodalen Weges, setzt er sich für eine Sexualmoral ein, die außer-, neben-, vorehelichen sowie gleich- und verschiedengeschlechtlichen Geschlechtsverkehr katholisch legitimiert. Darauf kann sich eigentlich kein katholischer Bischof verpflichten, aber etliche tun eben dies.

Umgehungen statt Nachfolge

Dass viele Gläubige sich hier ein Machtwort wünschen, wie es damals Papst Johannes Paul II. in den Niederlanden getan hat, verwundert ebenso wenig wie die Tatsache, dass sich nun neben einigen deutschen auch ausländische Bischöfe die Zähne ausbeißen, damit die federführenden Reformprozessleiter begreifen, was sie da eigentlich mit der katholischen Kirche tun: Sie wollen der Krise beikommen, indem sie die Kirche von Jesus von Nazareth in eine reformierte Synodalkirche umfunktionieren und mit Spitzfindigkeiten versuchen, die Herausforderungen der Glaubenslehre und der Nachfolge Christi zu umgehen.

Freilich ermutigte Papst Franziskus die Gläubigen in Deutschland in seinem Brief, nach freimütigen Antworten auf die Krisen unserer Zeit zu suchen. Aber er hat mit keinem Wort erwähnt, man solle die Kirche auf den Kopf stellen. Sondern seine Ermutigung steht unter den Vorzeichen der Christusnachfolge und recht verstandener Synodalität.

Dass die Herren und Damen Synodalen seine Worte uminterpretieren und in eigene Formen gießen, dürfte auch der Papst bemerkt haben. Daher mochte es manche enttäuschen, dass er nun nicht beherzt und energisch eingegriffen hat.

Und so werden diejenigen weiterhin belächelt, ausgebuht oder verschmäht, die treu an der Lehre Jesu festhalten und den rechten Weg unter der Führung des Heiligen Geistes suchen. Macht nichts: Dieses Leiden braucht es wohl, damit die katholische Kirche auch in Deutschland wieder aufblühen, lebendig, froh und attraktiv werden und Jesu unzerstörbare Liebe zu allen Menschen wieder verkündet und weitergegeben werden kann. Darum dürfen wir die Situation trotz allem freudigen Herzen annehmen.

Die Kirche der Zukunft wird eine kleine sein, aber eben eine missionarische – wie bei den Christen aus Antiochien damals vor über 2.000 Jahren, die über Jahrzehnte als treue Jünger Jesu standhaft geblieben sind und zur Ausbreitung des Christentums entscheidend beigetragen haben. Denn, so schrieb der Papst in seinem Brief von 2019, „die Evangelisierung führt uns dazu, die Freude am Evangelium wiederzugewinnen, die Freude, Christen zu sein“.


Dorothea Schmidt ist Mitglied der Synodalen Vollversammlung,  Journalistin, junge Familienmutter, Mitarbeiterin  beiMaria 1.0 und Autorin des Buches: „Pippi-Langstrumpf-Kirche“ (2021).

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