„Der Mutterschoß ist heutzutage der gefährlichste Ort für ein Kind“ Ein Zitat aus einer Predigt, das wohl wahr ist. In diesen Tagen sollte diese vorgeburtliche Gefahr für Kinder in Deutschland noch verschärft werden. Helmut Müller teilt seine philosophischen Überlegungen zur Reform des § 218.

Pseudohumaner Pathos

An die berühmte Gedichtzeile von Paul Celan musste ich denken, als der deutsche Bundestag sich am 11. Februar 2025 anschickte, dem Tod ein anderes Mal den roten Teppich auszurollen. Parteienübergreifend, geschlechterübergreifend, erfüllt von humanem Pathos, befasste man sich mit dem Uterus von Frauen, um es Müttern noch leichter zu machen, ihre eigenen Kinder töten zu lassen. Philosophisch gesprochen geht es um drei Begriffe: „Mortalität“ – die Sterblichkeit des Menschen -, „Natalität“ – die Fähigkeit des Menschen, Leben zu schenken – und „Generativität“ – die Fähigkeit, sich fortzupflanzen.

Mutterschoß als Grab?

Natalität gehört in den Uterus, Mortalität ins Grab. Jetzt sollte es im Bundestag legal möglich werden, das Grab in den Uterus zu verlegen. Die Initiative ist Gottseidank gescheitert. Martin Heidegger war ein Mann. Hannah Arendt eine Frau. Heideggers „Sein zum Tode“  – ein echtes Stück Männerphilosophie – wäre auch von Frauen vulgär adaptiert und wirklich geworden, obwohl Hannah Arendt, die studentische Geliebte Heideggers, Natalität als wichtige Kategorie in die Philosophie eingebracht hat. Hannah Arendt sollte nie Generativität erfahren. Sie hat nie Kinder bekommen.

Ein Unsegen sollte seinen legalen Segen bekommen

Der Hebräer nennt all das – Geburt, Sexualität, Tod – mit einem Wort das „auf der ganzen Erde Gängige“[1]. Gerade in der Woche der Entscheidung im Bundestag war in den Tageslesungen der Schöpfungsbericht in Gen 1 Thema. Während es dort heißt,  Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde“, wurde in der Tagesschau berichtet, dass die angestrebte Legalisierung von Abtreibungen vorerst gescheitert“ sei. Es sollte offenbar etwas legalisiert werden – wie sich das anhört -, was den Segen der Lesung vom Dienstag wieder aus der Welt schafft; also ein Unsegen sollte legalisiert werden. Das hat mich verleitet, einmal genauer auf die Ungeheuerlichkeit zu schauen, die in dem Bedauern „vorerst gescheitert“ in der Tagesschaumeldung mitklingt. Vor 2500 Jahren, als der Bericht der Lesung verfasst worden ist, klang das ganz anders:

Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Bild, uns ähnlich! Sie sollen walten über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere, die auf der Erde kriechen. Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie. Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen!

Von legalen Absurditäten

Ich höre aus dieser Bibelstelle jedenfalls Freude und Stolz heraus und auch Größe und Gnade nach dem Bild des Urhebers des ganzen Universums geschaffen worden zu sein und nun irgendwie als „kleiner Gott der Welt um uns herum“ Verantwortung für anderes Geschaffenes tragen zu dürfen. Und nun das Ungeheuerliche: Die Fähigkeit, aus eigener Kraft fruchtbar zu sein und Ebenbilder Gottes in die Welt zu setzen – mir verschlägt’s die Sprache –, das wieder „legal“ rückgängig zu machen, sei vorerst gescheitert. Klar, mit der Größe und Gnade selbst Leben in die Welt zu bringen, ist wie schon im 3. Genesiskapitel vermerkt, auch die Verrücktheit verbunden, es wieder aus derselben zu schaffen – zu dem kein anderes Geschöpf in dieser Weise fähig ist: Ich bemühe einen Vergleich: Keine Maus der Welt käme auf die Idee, eine Mausefalle zu bauen. Wir tun Vergleichbares. Das hat schon der Verfasser des dritten Genesiskapitels betroffen feststellen müssen.

Wenn Lust Leiden schafft

Die Parteien, die noch in der letzten Parlamentssitzung vor den Wahlen Mortalität  – Gräber – legal in den Mutterleib bringen wollten, der vollkommen auf Natalität –  Wiegen – ausgerichtet ist, haben nichts begriffen. Die Lust, die der Schöpfergott mit der Ankunft von jedem von uns in die Welt verbunden hat, wollen sie ohne die Verantwortung genießen, die eben neues Leben mit sich bringt. Die Balance von subjektiver Lust und dem objektiven Ziel derselben in der göttlichen Architektur der Schöpfung, Leben hervorzubringen, wird gestört. Männlich und weiblich wollen sie nicht als zweigeschlechtliche Fruchtbarkeit von Mann und Frau begreifen, sondern eben nur als vielfältige, dazu noch fragmentierbare Varianten und Kompositionen von sexuellen Lustbarkeiten genießen – ich weiß gar nicht wie viele Kompositionen es mittlerweile gibt – und als Vervielfältigung von Geschlechtlichkeit auch schon legalisiert worden ist. Das Hymnische des ersten Schöpfungsberichts, der ständig wie im Refrain auf Fruchtbarkeit verweist, soll möglichst ohne Natalität verbunden bleiben, was allerdings manchmal wie am Abend vor der Bundestagentscheidung im ZDF als „Verhängnisvolle Leidenschaft“ in einer Folge von Herzkino (!) mit mehrmals betontem Ausschluss von Kindern endet. Deren verhängnisvolle Ursache wird in Genesis 3 in der Geschichte vom Sündenfall zum Thema: SündeKandidat für das Unwort der letzten Jahrhunderte seit Nietzsche – “Sünde”, mit Kierkegaard lapidar gesprochen, “kam durch Sünde in die Welt.”


[1] Das ist eine Übersetzung des hebräischen däräk kol hä’äräs, das Leben, Tod und auch ehelicher Verkehr in einem Ausdruck bedeuten kann. Vgl. dazu: Wolff, Hans Walter: Anthropologie des Alten Testamentes. München 31977, 150ff.


Dr. phil. Helmut Müller

Philosoph und Theologe, akademischer Direktor am Institut für Katholische Theologie der Universität Koblenz. Autor u.a. des Buches „Hineingenommen in die Liebe“, FE-Medien Verlag.
Helmut Müller ist Mitautor des Buches „Urworte des Evangeliums“.


Foto von Isaac Quesada auf unsplash

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