Was guter und was falscher Zauber in der Kirche ist, entscheidet sich an der deutschen Reformagenda? Während Bischof Bätzing konstatiert, dass der Papst kein Zauberer sei, zaubert er sich selbst und dem Kirchenvolk seine schöne neue deutsch-katholische Welt zurecht. Bernhard Meuser nimmt Bätzing “aufs Korn” und nebenbei die jüngsten Aussagen des DBK-Vorsitzenden und des Papstes unter die Lupe.
Zaubern kann nur Georg Bätzing …
Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz ist ein Meister der ungefähren Rede. Bei ihm muss man ein gutes Gedächtnis haben und genau zuhören, um herauszufinden, was wahr, was halb wahr und was eine gutgemeinte westerwälder Erfindung ist. Nehmen wir sein Interview im Stern oder seine letzte Pressekonferenz zur Eröffnung der Herbstvollversammlung der deutschen Bischofskonferenz! Wahr ist zum Beispiel der Satz „Der Papst ist doch kein Zauberer!“ Ein Zauberer ist ein Mensch, der die physikalischen Naturgesetze aufheben kann. Er kann beispielsweise frei im Raum schweben oder Dinge verschwinden lassen. Es ist allgemein bekannt, dass Leo XIV. das nicht kann, es auch nie von sich behauptet hat. Also: Stimmt, Bischof Bätzing! 100 Punkte! Alles wahr! Aber wer kann schon zaubern?
Georg Bätzing kann zaubern
Ich behaupte: Georg Bätzing kann zaubern. Einen besseren Illusionskünstler hatten wir nie auf dem Vorsitz. Regelmäßig fliegt er über die Alpen. Hinter verschlossenen Türen holt er sich beim Papst und den Organen des Heiligen Stuhls eine Abfuhr nach der anderen ab, die er zuhause nicht verkaufen kann. Aber sagten wir nicht, Bätzing kann zaubern? Kaum sitzt er im Flugzeug, war alles ganz anders, – vor allem: sehr, sehr „positiv“! Die Begegnung war „brüderlich“, die Sympathie „ungebrochen“, die Ermutigung zum Weitermachen „stark“ und der eingeschlagene Weg „richtig“. Bätzing schwebt. Er kommt gar nicht mehr runter. Seit Jahren erhebt er sich über geltende kirchliche Lehre. Er gleitet dahin über die Niederungen des Kirchenrechts. Mit leichtem Flügelschlag flattert er hinweg über universalkirchliche Anordnungen und päpstliche Einsprüche. Findet sie „wichtig“, nimmt sie in ihrem Anregungscharakter wahr. Bätzing schwebt über den Dingen, – manchmal wie ein etwas schwerfälliger teutonischer Engel. Aber er schwebt.
Nun ist nicht anzunehmen, dass Rom mit doppelter Zunge spricht. Sollte Papst Franziskus dem DBK-Vorsitzenden jemals das Gegenteil von dem gesagt haben, was er 2023 in einem Brief offenherzig bekundete: „Auch ich teile diese Sorge über die inzwischen zahlreichen konkreten Schritte, mit denen sich große Teile dieser Ortskirche immer weiter vom gemeinsamen Weg der Weltkirche zu entfernen drohen“? Es ist nicht anzunehmen. Es ist aber auch egal. Päpste können sagen, was sie wollen. Jenseits der Alpen.
Die Stan-Libuda-Reformstrategie
Dabei möchte Bätzing die Römer wohl am liebsten auf den Mond schießen. Kommt wieder ein Hammer aus Rom, kann man sich schon auf die wertschätzende Stellungnahme des Vorsitzenden freuen. Analysiert man dann das authentische Getue und den zuckrigen Jargon des deutschen Oberhirten, stößt man auf das, was Adorno einmal den „Zwang zur Positivität und eine Verfälschung der Wirklichkeit“ nannte. Ein wahrer Stan Libuda der Kirchenpolitik, der Bätzing nun einmal ist, täuscht er rechts an, um links vorbeizugehen. Geschickt hält er die Balance zwischen klerikaler Konformität und verdruckster Rebellion. So etwas macht man, wenn man seine eigentliche Intention verbergen möchte. Lass sie schwätzen! Wir machen einfach weiter! Die kriegen das schon nicht mit!
Die Masche kam in ihre besondere Bewährungsprobe durch den Tod von Papst Franziskus und die Wahl seines Nachfolgers, dem man „100 Tage Zeit“ ließ, sich auf die richtige – die deutsche – Linie einzustellen. Die Chance hat Leo verpasst. Nun hat der Papst ein Interview gegeben, das zwar moderat und einladend im Ton war, aber an Klarheit nichts zu wünschen übrig ließ und ungefähr alle Blütenträume deutscher Provenienz zerstörte. Dummerweise ist der neue Papst auch noch beliebt. Man kann ihm also unteroberhirtlich wieder einmal nur säuerlich zustimmen.
Good guy – bad guy
Über die theologisch irreale Priesterweihe der Frau sprach der Papst gar nicht erst, – und was die kontroverse Möglichkeit für ein eigenes Diakonat der Frau betraf, so bekundete Leo, er habe „derzeit nicht die Absicht, die Lehre der Kirche zu diesem Thema zu ändern.“ Peinlich, dass Bätzing noch vor ein paar Tagen im STERN vom Priesteramt der Frau träumte: „Ich wünsche es mir.“ Er werde die Pfarrerin am Altar vielleicht noch erleben. Wie gehabt: Illusionstheater vor interessiertem Publikum. Der Good Guy geht an Limburg, der Bad Guy an Rom!
Zu vielen Gelegenheit hat Bätzing Änderungen in der Sexuallehre der Kirche eingefordert, hatte sich für eine Totalrevision der Sexualmoral der Kirche stark gemacht, auch für eine Abschaffung des Zölibats, vor allem aber für eine Neubewertung von Homosexualität und für eine Öffnung des Familienbegriffs jenseits traditioneller Modelle. Aus alldem wird nun nichts. Papst Leo:
„Ich habe bereits über die Ehe gesprochen, ebenso wie Papst Franziskus, als er noch Papst war; darüber, dass eine Familie aus einem Mann und einer Frau in feierlicher Bindung besteht, gesegnet im Sakrament der Ehe.“ Familien, sagt der Papst, „müssen unterstützt werden – das, was man als traditionelle Familie bezeichnet.“
Ganz bitter für Bätzing & Co, wenn der Papst bekräftigt:
„Die Familie besteht aus Vater, Mutter und Kindern. Ich denke, dass die Rolle der Familie in der Gesellschaft, die in den vergangenen Jahrzehnten zeitweise gelitten hat, wieder anerkannt und gestärkt werden muss.“
Und schließlich kassiert Leo auch noch mit einem Streich die Anstrengungen des deutschsynodalen Milieus für die Segnung Gleichgeschlechtlicher. Der Papst sagt:
„In Nordeuropa werden bereits Rituale zur Segnung ‚von Menschen, die sich lieben‘, wie es dort heißt, veröffentlicht, was ausdrücklich gegen das von Papst Franziskus genehmigte Dokument ‚Fiducia Supplicans‚ verstößt. Dort heißt es im Wesentlichen, dass wir natürlich alle Menschen segnen können, aber dass es nicht darum geht, eine Art Segnungsritual zu schaffen, da dies nicht der Lehre der Kirche entspricht.“
Von einem Ritual und liturgischen Rezepten weiß Bätzing nichts. Aber vielleicht meint der Papst ja auch Lappland oder Nordnorwegen?
Und dann lässt uns Bätzing noch wissen, das Ding mit der „Handreichung“ sei fein abgestimmt mit dem Dikasterium für die Glaubenslehre. Im Klartext. Der Papst ist dagegen, aber die Glaubenskongregation hat einen Haken drunter gemacht? So, so …! Das glauben wir nicht, bis zum Beweis des Gegenteils. Dieses Papierchen möchten wir sehen!
Im Ganzen staunt Bätzing:
„Manchmal frage ich mich, was ist eigentlich die Erwartung, die Menschen haben an einen solchen neuen Papst, dass der jetzt wie ein Zauberer alle Dinge auf die eine Seite oder die andere Seite löst.“
Was die Leute nur haben! Wollen die doch tatsächlich von einem weißen Mann in Rom wissen, wo es lang geht in der Kirche. Leute …! Da könnte man doch in Deutschland nachfragen! Ich kann mich allerdings gut an Zeiten erinnern, in denen der liberale Reformflügel auf Knien um ein Zauberwort von Papst Franziskus bettelte. Als es ausblieb, moserte Bätzing im Deutschlandfunk:
„Ich gebe zu, ja, der Papst enttäuscht mich auch.“
Merke: Was guter und was falscher Zauber in der Kirche ist, entscheidet sich an der deutschen Reformagenda.
Bätzing kann doch zaubern …
Jawohl! Er kann Dinge aus der Welt zaubern, Wirklichkeit verschwinden lassen, Worte ungesagt machen. Georg Bätzing kann machen, dass es für die Katholische Kirche in Deutschland einfach nicht gibt, was Papst Leo in Rom an Meinung in die Welt gesetzt hat. Einmal den Zauberstab der Pluralität erheben, das Sim-Sala-Bim der Vielfalt sprechen, und weg ist der römische Quatsch. Gönnerhaft urteilt Bätzing:
„Der Papst sieht, dass es Spannungen in der Kirche gibt, dass es Polaritäten gibt, und er will verbinden. Das ist die ganz klare Botschaft, die er setzt. Und das ist auch sein Auftrag, bei dem wir ihn unterstützen wollen.“
Sätze wie fette Sauce – zu viel davon, kann man nicht vertragen! Langsam mag man´s nicht mehr hören …
Bernhard Meuser
Jahrgang 1953, ist Theologe, Publizist und renommierter Autor zahlreicher Bestseller (u.a. „Christ sein für Einsteiger“, „Beten, eine Sehnsucht“, „Sternstunden“). Er war Initiator und Mitautor des 2011 erschienenen Jugendkatechismus „Youcat“. In seinem Buch „Freie Liebe – Über neue Sexualmoral“ (Fontis Verlag 2020), formuliert er Ecksteine für eine wirklich erneuerte Sexualmoral. Bernhard Meuser ist Mitherausgeber des Buches “Urworte des Evangeliums”.