Käme die Katholische Kirche Deutschlands als Verfilmung in die Kinos, bekäme Bischof Overbeck die Rolle des Spielers wie in dem Klassiker „The Gambler“. Denn genau wie jene Hauptfigur spielt er nicht mit eigenem Vermögen. Stattdessen sehen wir ein Roulette-Schauspiel, bei dem der Glaubensschatz der Kirche mit vollem Risiko verscherbelt wird.

von Bernhard Meuser

Wenn einer im Film der Katholischen Kirche „The Gambler“ ist, dann ist es der Bischof von Essen, Franz-Josef Overbeck. Wie die Hauptfigur, der Literaturprofessor Jim Bennett, im gleichnamigen Film von Rubert Wyatt, führt auch er ein Doppelleben. Wie Bennet ist Overbeck dem illegalen Glücksspiel ergeben; und wie dieser scheut er kein Risiko. Wie Bennet spielt auch Overbeck nicht mit eigenem Geld; er spielt mit kirchlich angehäuften Erträgen. Die Bank, von der er das Geld für die schwarzen und roten Jetons nimmt, ist die Kirche. Sein bischöfliches Spielgeld kommt vom Apostolischen Amt, von dem die konsekrierenden Bischöfe sagen, dass es „von den Aposteln auf uns gekommen ist und das wir dir heute durch Handauflegung übertragen.“

Deshalb wurde Kandidat Franz-Josef auch vor der Weihe auf seine Kreditwürdigkeit hin gecheckt: „Bist du bereit, das von den Aposteln überlieferte Glaubensgut, das immer und überall in der Kirche bewahrt wurde, rein und unverkürzt weiterzugeben?“ Wie ein Spieler unter Suchtdruck setzt Overbeck aber gerade alles, was ihm nicht gehört – den thesaurus ecclesiae, das Glaubensguthaben der Kirche – auf 17 rot. Er tut es in der hybriden Annahme, zukünftige Gewinne würde ihm recht geben – und nicht etwa der skeptischen Bank.

Schiffe versenken mit dem Synodalen Weg

Gerade war Franz-Josef Overbeck ad limina beim Papst. Dort wurde ihm und allen anderen deutschen Bischöfen per Lehramt klargemacht, dass ihr Kreditrahmen definitiv erschöpft ist. In Rom bekamen die apostolischen Franchise-Nehmer aus Deutschland nicht etwa breaking news zu hören; ihnen wurde nur – nachdem vorher schon alles gesagt war, aber noch nicht von allen – etwas ausführlicher dargelegt, was ihnen der Heilige Stuhl am 21.7.2022 schon bedeutet hatte: „Der ,Synodale Weg‘ in Deutschland ist nicht befugt, die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten.“ Papst Franziskus selbst wies einmal mehr auf seinen ausführlichen „Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland“ hin, forderte noch einmal Neuevangelisierung ein, schloss Lehrveränderungen kategorisch aus und wies stattdessen auf die Möglichkeiten der Pastoral hin.

Alle seine Minister rühmten den Reformeifer der Deutschen so sehr, wie sie gleichzeitig mit den Reformideen des Synodalen Weges Schiffe versenken spielten. Der ebenso feine, wie kluge Kardinal Ladaria blamierte die Bischöfe, indem er auf die handwerklichen Mängel der synodalen Gruppenarbeit hinwies. Kardinal Ouellet war es schließlich, der noch vor Weihnachten auch die letzte Kugel vom synodalen Christbaum abräumte, indem er Methode, Inhalt und Struktur des Synodalen Weges auseinandernahm.

Umdeutung der leeren Taschen

Langsam dämmerte den Bischöfen, dass sie mit nichts in den Händen nachhause kommen würden, was auch nicht wirklich viel ist. Ouellet war es auch, der die lineare römische Haltung auf die Formel „Moratorium“ brachte, was er gewiss nicht ohne Abstimmung mit dem Papst getan hat: Schluss mit der peinlichen Vorstellung! Gliedert euch ein in die Weltsynode! Angstschwitzende Episkopen konnten den Supergau durch die eilfertige Bekundung zukünftigen Wohlverhaltens gerade noch einmal verhindern. Der heimgekehrte Bischof Overbeck deutet das kleinlaute Mumumu der Bischöfe nun in eine kühne Heldentat um: „Wir haben den Plan eines ´Moratoriums´ verhindert, den der Präfekt der Bischofskongregation, Kardinal Marc Ouellet, verfolgt hat – ganz nach altem Muster.“

Der ad limina Besuch der deutschen Bischöfe endete nun keineswegs mit einem unverbindlichen Man-hat-sich-mal-die-Meinung-gesagt, sondern mit einem Ultimatum der Universalkirche und mit einer Deadline: bis März 2023. Bis dahin müssen die deutschen Bischöfe mitsamt ihrem Apparat dem Glücksspiel absagen und der verwegenen Annahme, die Kirche könnte sich zu ihren synodalen Optionen bekehren oder gar einem deutschen Sonderweg zustimmen. Der Synodale Weg darf weitergehen, sofern er ein ordentliches Abschlusspapier produziert, das kirchlich kompatibel ist.

Mit Blick auf die Niederungen kirchlichen Denkens

Das dürfte die Quadratur des Kreises sein, angesichts der Tatsache, dass eine Reihe von Bischöfen das „anders katholisch sein“ von Bischof Bätzing bereits rechtswidrig implementiert haben. Unzucht muss man aber weiterhin nicht nur in Krakau oder Rom beichten, sondern auch in der Sankt Quintin Kathedrale in Essen. Was aber, wenn der Bischof im Beichtstuhl sitzt?

Der denkt nämlich im Traum nicht daran, den Auflagen der Bank zu folgen. Er müsste seinen Generalvikar einfangen, Maria 2.0 reinen Wein einschenken, die LGBTQI-Hotline kappen und den Katechismus wie das Kirchenrecht in Essen wieder einführen. Stattdessen macht er weiterhin die Leute rebellisch. In schöner deutsch-idealistischer Tradition begibt er sich in eine geschichtsphilosophisch „höhere Warte“, von der aus er über die Niederungen kirchlichen Denkens und kirchlicher Weisung ja schon hinaus ist.

Ochs und Esel sind im Lauf

Eigentlich hätte er gar nicht nach Rom fahren müssen. Der Heilige Geist hat ja nichts mit dem präilluminierten, autoritären Terror des römischen Lehramts zu tun: Overbeck weiß ihn dort, wo die Aufklärung und die von Pluralität und Autonomie beschenkten Aufgeklärten hausen – nämlich in der Moderne und dem geschichtlichen Fortgang des humanen Bewusstseins. „Im Kern“, doziert Overbeck, sei die „ungeklärte Frage, wie eine ´synodale Kirche´ sich zu der in Jahrhunderten gewachsenen hierarchischen Kirche verhält.“

Nach fünf Tagen Rom identifiziert der Essener Oberhirte das pseudo-parlamentarische Hauen und Stechen in Frankfurt immer noch mit „Synodalität.“ So kann er Kardinal Ouellet in die antimodernistische Kiste tun, und – wo Papst Franziskus als Messias der Kirchenreform in den Sack haut – weiß Overbeck, das, „was unter Papst Franziskus aufgebrochen ist, ist trotz aller Widerstände unumkehrbar, weil die Welt auch in der Kirche nicht stillsteht.“ Den Neokatholizismus in seinem Lauf, halten weder Ladaria noch Ouellet auf.

Overbeck als selbsternannter Volkstribun

Mit diesem Ansatz arbeitet Overbeck natürlich nicht mehr am „Aufbau der Kirche, des Leibes Christi“, wo er doch einst versprochen, „zusammen mit dem Bischofskollegium unter dem Nachfolger des heiligen Petrus stets die Einheit der Kirche zu wahren.“ Overbeck, der Gambler, ignoriert schlicht die Bank, die ihm doch die Mittel zur Verfügung gestellt hat. Eigentlich steht er bei der Kirche tief in Kreide, müsste verspieltes Vertrauen zurückzahlen. Stattdessen besorgt er sich Schwarzgeld bei der Basis, leitet sein Mandat vom vermeintlichen Zorn des Volkes Gottes ab, den er medial noch auflädt und auf den vermeintlich unterbelichteten Vatikan und das tumbe Kollegium der Apostel lenkt: „Eine Totalverweigerung würde nicht nur in Deutschland zu einem Aufstand der Gläubigen führen, sondern auch in vielen anderen Teilen der Welt Proteste hervorrufen.“ Der selbsternannte Volkstribun agiert mit Druck von unten.

Eine gesuchte Provokation

Overbeck ist ein Hasardeur. Er legt Feuerchen, eskaliert, spielt mit der Einheit der Kirche, akzeptiert das Stoppschild lehramtlicher Entscheidungen nicht, animiert sogar zu ihrer Missachtung. Man muss von einer gesuchten Provokation Roms sprechen. Zielvorgabe: Schaffe eine Situation, in der du die Schuld am Schisma dem Vatikan in die Schuhe schieben kannst. Rom soll etwas „sehr Böses“ tun, etwas, das den medial befeuerten Volkszorn hochkochen lässt. Rom könnte zum Beispiel einen Helden absetzen, damit einen Märtyrer der „Kirche der Menschenrechte“ schaffen. So hätte man das perfekte Alibi, das latente Schisma in ein offenes Schisma zu verwandeln. Dann bräuchte es den geborenen Leader, der die Gerechten aus der römischen Knechtschaft in das Gelobte Land der Altkatholischen Kirche führt. Dort gibt es alles, was die Jakobiner unter den Synodalen wollen.

Zwischenzeitlich ist zu einem ungehorsamen Bischof nur zu sagen: Niemand muss auf einen Hirten hören, der sich dem Lehramt entzieht. Menschen im Bistum Essen sind nicht zu beneiden.

 


Bernhard Meuser
Jahrgang 1953, ist Theologe, Publizist und renommierter Autor zahlreicher Bestseller (u.a. „Christ sein für Einsteiger“, „Beten, eine Sehnsucht“, „Sternstunden“). Er war Initiator und Mitautor des 2011 erschienenen Jugendkatechismus „Youcat“. In seinem Buch „Freie Liebe – Über neue Sexualmoral“ (Fontis Verlag 2020), formuliert er Ecksteine für eine wirklich erneuerte Sexualmoral.

 

 

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