Jetzt wollen sie es wissen:
Das Ultimatum

Jetzt kommt es drauf an: Gibt es in der Bischofskonferenz noch Köpfe, die politisch denken können? Im ZdK haben sich – angeführt von Irme Stetter-Karp – offensichtlich die radikalen Kräfte durchgesetzt. Die erfahrenen Funktionäre und Politiker fordern in ihrem Ultimatum implizit nichts anderes als die Unterwerfung der Bischöfe unter ihr Regime und nennen es „Zusammenarbeit“. Wenn es unter unseren Bischöfen auch nur einen Rest von theologischem und politischem Verstand gibt, dann sagen sie in aller Klarheit „Nein!“ zu dieser Zumutung. Von Martin Brüske

Legal und legitim

Wie es Martin Grünewald auf dieser Seite schon klargemacht hat: Die Nicht-Annahme der Nomination von Viola Kohlberger für das Amt der Bundeskuratin der DPSG durch den ständigen Rat der deutschen Bischöfe war nichts weiter als ein ganz normaler Vorgang. Eine Entscheidung, die legal und legitim zustandekommen ist. Die Bischöfe sind hier auch prinzipiell nicht rechenschaftspflichtig. Eine Nomination für dieses Amt brauchte das Vertrauen der Bischöfe für die Nominierte. Frau Kohlberger hat dieses Vertrauen nicht gewinnen können. Punkt. Der Grund dafür ist offensichtlich: Nicht – wie vom ZdK behauptet – weil sie sich in kirchlichen Gremien kritisch geäußert hat, sondern weil sie versucht hat, ohne es erhärten zu können, die persönliche Integrität eines Mitglieds der Bischofskonferenz zu beschädigen und dies unter Zuhilfenahme einer bestimmten, mittlerweile selbst in kirchlichen Kreisen wohlbekannten, „woken“ Rhetorik.

Auch die Angst vor dem neuen Pranger ist legitim

Man kann den Bischöfen nicht ohne Grund vorhalten, dass es besser gewesen wäre, den ohnehin offensichtlichen Grund auch klar zu benennen und für das eigene Votum einzustehen. Indes ist die Angst vor dem neuen Pranger, von dem auf dem Synodalen Weg, öffentlich dokumentiert, gleich mehrmals und variiert Gebrauch gemacht wurde, nicht nur verständlich, sondern auch legitim. Im Blick auf einen zwar symbolisch aufgeladenen, in der Sache aber eher trivialen Entscheidungsvorgang, muß sich jeder Bischof darüber klar werden, was er sich selber zumuten kann und will. Auch wenn er dann seiner Rolle als öffentlicher Zeuge nicht völlig genügt, ist das eine nicht anfechtbare Überlegung.

Die richtige Intuition des ZdK und sein Anspruch

Eines darf man aber ebenfalls nicht verkennen: Legalität und Legitimität des Verfahrens ist aus Sicht des ZdK gar nicht der entscheidende Punkt. Wie gesagt: Die Provokation, die diese Nomination darstellte, machte sie zugleich zum Testfall. Und so ist das bischöfliche Nein zur symbolischen aufgeladenen bischöflichen Selbstbehauptung gegen die Ansprüche des ZdK und seiner Mitgliedsverbände geworden: Bischöfe im Sinne des ZdK hätten diese Nomination klaglos abzunicken gehabt. Das haben sie verweigert. Es hätte ihnen am Endes des Tages auch nichts „genutzt“, ihre Gründe offen zu benennen – obwohl dies, dabei bleibt es, im Sinne der Ansprüche an das Amt des Bischofs, die deutlich bessere Variante gewesen wäre. Denn ihre Gründe hätten nicht sorgfältige Wägung, sondern laut inszenierte Empörung gefunden.

Formell: Teilung der Macht, faktisch: Dominanz

Die symbolische Verweigerung der Bischöfe, einfach nach der Pfeife des ZdK und seiner Mitgliederverbände zu tanzen, ist also dort richtig erkannt und genau registriert worden. Die – fatale – Machtlogik des ZdK will aber die gesicherte und verbindliche Anerkennung als gleichberechtigter „Partner“ der Bischöfe. Formell heißt das: Teilung der Macht, faktisch Dominanz. Ganz deutlich wurde dies zuletzt auf dem Katholikentag mit der dreisten Forderung des Vize Thomas Söding nach dem „gemeinsamen Haushaltsrecht“. Angesichts der Tatsache, dass das ZdK- und mit seinem „wir“ und „es ist unsere Kirchensteuer“ meinte Söding, obwohl taktisch vage formuliert, am Ende des Tages selbstverständlich das ZdK – keinerlei verfassungsrechtlichen Rang, bei Licht nicht einmal einen solchen Ort hat, kann man über die Chuzpe des Herrn Söding nur staunen. Spätestens mit dem Ultimatum, dass die Vollversammlung des ZdK als Reaktion auf die Causa Kohlberger in Richtung Bischöfe formuliert hat, wird deutlich: Der radikale Flügel im ZdK, der es „wissen will“, hat sich durchgesetzt und er stellt offen die Machtfrage.

Präzise Machtlogik

Lässt man sich aus der Perspektive des ZdK auf die Logik dieser Machtfrage ein – einer Frage, selbstverständlich, die längst völlig unabhängig von irgendwelcher Bindung an die episkopal-sakramentale Verfassungsstruktur der Kirche gestellt wird, also jenseits jedweder theologischen Legitimität – dann fällt die Präzision dieses Ultimatums auf. (Übrigens: Pfarrer Werner Otto, Synodaler, scheint in Erfurt, folgt man der Berichterstattung, ganz unverhohlen von „Machtfrage“ gesprochen zu haben.) Man muss neidlos zugestehen: Der Nerv der Sache wird präzise freigelegt. Denn im Hintergrund aller Debatten und „Entscheidungen“ auf dem Synodalen Weg stand und steht eine ungeklärte Frage: Innerhalb der Verfassung der Kirche ist der Synodale Weg ein Nullum. Das heißt: Er besitzt aus sich keinerlei Autorität. Macht kann er nur auf revolutionärem Weg erlangen oder besser: erputschen. Unbeantwortet blieb aber bislang die Frage, was passiert, wenn einzelne oder viele oder am Ende alle Bischöfe sich besinnen und entweder sich der Vorgabe der „Entscheidungen“ des Synodalen Weges und seiner rechtlich erst recht null und nichtigen Nachfolgeinstitutionen (vgl. die rechtliche Beurteilung durch Heribert Hallermann) nicht fügen oder ihre Entscheidungen revidieren? Und was passiert, wenn Rom deutlicher als bisher, verbindlich oder gar unter Sanktionsdrohung eingreift? Wem folgen die Bischöfe dann? Genau an diesen Punkten legt das Ultimatum den Finger in die Wunde. Es stellt zwar keine unmittelbaren Forderungen, sondern macht Feststellungen und stellt „Fragen“, die bischöflich vor dem nächsten Ausschuss zu beantworten sind. Aber je nach Antwort, macht das ZdK den Vorbehalt, erneut über die Zusammenarbeit mit den Bischöfen zu befinden. Damit ist das gesamte Projekt infrage gestellt, wenn die Antworten nicht so ausfallen, wie das ZdK es für richtig hält.

Verbindlichkeit

Dabei geht es um einen einzigen Punkt, der sich allerdings in mehrere Unterpunkte ausfaltet: Das ZdK verlangt Verbindlichkeit. Das hört sich ja im ersten Augenblick nachvollziehbar an, dass man sich an Beschlüsse hält, die man „gemeinsam“ entschieden hat und sie entsprechend umsetzt. Das theologische und auch kanonistische Problem fängt an, wenn das Gremium, das diese „verbindlichen Entscheidungen“ getroffen hat, keinerlei theologische Legitimität besitzt, solche Beschlüsse zu treffen. Und so diese vermeintlichen „Beschlüsse“ aus sich heraus überhaupt keine  Verbindlichkeit beanspruchen können. Dabei faltet sich die geforderte „Verbindlichkeit“ in vier wesentliche Punkte aus:

  1. Verbindlichkeit der Durchsetzung bereits gefasster Beschlüsse.
  2. Verbindlichkeit der Zusage wirklicher Beschlusskompetenz für die neuen Gremien.
  3. Verbindlichkeit der Bindung der Bischöfe an in Zukunft gefasste Beschlüsse.
  4. Verbindlichkeit aller Beschlüsse gegenüber römischen Einwänden.

Man muss nur knapp wiederholen, was kompetente Beobachter wie die Kardinäle Schönborn und Kasper bereits angemerkt haben. Und man muss dem ZdK dankbar sein, dass es diese Punkte so deutlich auf den Tisch gelegt hat: Die Beantwortung dieser Fragen im Sinne des ZdK würde die Selbstaufgabe der Bischöfe im Blick auf ihr Amt bedeuten. Der Punkt 4 aber führt in letzter Konsequenz auf direktem Weg ins Schisma. Wenn unsere Bischöfe nicht von allen guten Geistern verlassen sind, können und müssen sie diese zerstörerische Zumutung zurückweisen.


Dr. theol. Martin Brüske
Martin Brüske, Dr. theol., geb. 1964 im Rheinland, Studium der Theologie und Philosophie in Bonn, Jerusalem und München. Lange Lehrtätigkeit in Dogmatik und theologischer Propädeutik in Freiburg / Schweiz. Unterrichtet jetzt Ethik am TDS Aarau.

Bildquelle: Imago Images

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