Bernhard Meuser kommentiert die Kirchenposse um den Ausschluss des Kölner Kardinals bei der Heiligen Messe zur Aachener Heiligtumsfahrt. Ein Comeback der Exkommunikation – quasi von unten – und zwar Frau gegen Mann. Wäre die Lage nicht so ernst, könnte man über diese Groteske lachen.

Lange dachte man, das Zeitalter der Bannflüche und Exkommunikationen in der katholischen Kirche sei vorbei. Weit gefehlt. Gerade erst wurde der Metropolit der Kölner Kirchenprovinz und Kardinal von Köln vom Aachener Bischof „exkommuniziert“; er durfte bei der Aachener Heiligtumsfahrt keine Heilige Messe feiern. Genauer betrachtet, haben wir es mit einer Exkommunikation von unten zu tun. Sie erfolgte auf Geheiß von 100 Damen des Diözesanverbandes der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands. Diese nämlich hatten gedroht, beim Auftauchen des Kölner Kardinals ihre 100 reservierten Plätze mit Sitzkissen zu belegen, auf denen „gleich & berechtigt“ zu lesen sein sollte. Der Bischof von Aachen schlug gehorsam die Hacken zusammen und hat nun nicht etwa die 100 Damen vom feministischen Lehramt von der Teilnahme an der Eucharistie ausgeschlossen -, sondern den Kardinal von Köln.

Da diese bischöfliche Hanswurstigkeit und theologische Satire sicher Schule macht, wird uns die Katholische Frauengemeinschaft demnächst ganz gewiss eine umfangreiche Liste von verstockten Priestern und Bischöfen vorlegen, die ebenfalls zu exkommunizieren sind, da sie sich Anordnungen von Frauen widersetzen und unliebsame Ansichten vertreten, wie etwa jene, dass es eine Frauenordination in der Kirche nicht geben könne, weil es „die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft“, wie Johannes Paul II. schon länger festgestellt hat. Ich erlaube mir jetzt schon den Hinweis, dass auch Papst Franziskus auf diese Liste gehört. Den Papst exkommunizieren – das wäre mal was! Da käme Pfiff in die rheinische Provinzposse!

Kampfzone Eucharistie

Die Feier der heiligen Eucharistie für den innerkirchlichen Parteienkampf zu instrumentalisieren, ist das Letzte. Mit Bezug auf die Canones 1367 und 1376 bestimmt der Katechismus in Punkt 2120 die Natur eines Sakrilegs: „Ein Sakrileg begeht, wer Sakramente oder andere liturgische Handlungen, gottgeweihte Personen, Dinge oder Orte entweiht oder verunehrt. Eine besonders schwere Sünde ist das Sakrileg dann, wenn es sich gegen die Eucharistie richtet, denn in diesem Sakrament ist der Leib Christi substantiell gegenwärtig.“ Bei Leuten die mit dem Sakrileg spielen, indem sie die Eucharistie als Politbühne missbrauchen, ist nicht auszuschließen, dass sie demnächst auf dem Volksaltar der Kölner Kathedrale tanzen – solange, bis der Böse ausgetrieben ist aus dem Kölner Heiligtum.

Weil er die falschen Ansichten hat …

Dass die kämpferischen Frauen den Kölner Kardinal für eine Unperson halten, für dessen Unschädlichmachung jedes Mittel erlaubt ist, hat nur vordergründig mit der Vertuschung von sexuellem Missbrauch zu tun; da rangieren ungefähr 14 Bischöfe vor ihm – allen voran der Münchner Kardinal, siehe Spiegel-Titelgeschichte der Ausgabe 50/2021. Nein, Rainer Kardinal Woelki vertritt die falschen Ansichten. Deshalb muss er weggemobbt werden.

Es geschieht dies unter souveräner Missachtung aller vier notae ecclesiae – also der konstitutiven Wesensmerkmale der Kirche: Einheit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität.

Die Einheit der Kirche wird verletzt, indem der Bischof von Aachen die Communio mit dem Mitbischof sprengt, das Tischtuch der eucharistischen Einheit zerschneidet und die Gemeinschaft mit einer lokalen innerkirchlichen Pressuregroup für vorrangig hält.
Die Heiligkeit der Kirche wird verletzt, indem es ein Bischof zulässt, dass die Liturgie durch eine zweifelhafte Performance entweiht wird, ist doch „jede liturgische Feier als Werk Christi, des Priesters, und seines Leibes, der die Kirche …, in vorzüglichem Sinn heilige Handlung, deren Wirksamkeit keine andere Handlung der Kirche durch dieselbe Bedeutung und denselben Rang gleichkommt.“ (KKK 1070)
Es wird die Katholizität der Kirche verletzt, indem der Sondermeinung einer Gruppe mehr Präsenz eingeräumt wird, als einem bischöflichen Vertreter der Universalkirche, der Zeugnis dafür gibt, „dass die alte und allgemeine Kirche ihrem Wesen, ihrem Begriff, ihrem Anfang und ihrer überragenden Bedeutung nach nur eine einzige ist“ (Clemens von Alexandrien) und kein Sammelbecken diverser pluraler Versatzstücke.
Es wird die Apostolizität der Kirche verletzt, indem nicht mehr deutlich wird, dass Christus der Herr der Kirche ist, der durch die Apostel  versöhnend, rettend, richtend vollmächtig repräsentiert wird („Wir sind also Gesandte an Christi statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt.“ 1 Kor 5,20) – dass die Kirche mithin nicht auf der Schwarmintelligenz lokaler Gruppen aufbaut, sondern auf dem „Fundament der Apostel“ (Eph 2,20 gegründet ist.

Bätzing und das tote Pferd in Köln

Im Endeffekt ist das, was der Bischof von Aachen aus Feigheit vor dem Freund und mangelnder Zivilcourage angerichtet hat, nur ein weiterer Mosaikstein in der Kernschmelze der katholischen Kirche in Deutschland. Uns allen fliegen die Fetzen um die Ohren, weil Bischöfe die außer Kontrolle geratene Dynamiken nicht mehr einfangen, sondern sie in verantwortungsloser Weise sogar noch verstärken, weil sie selbst „Partei“ sind, zum Club und auf die „richtige Seite“ gehören wollen. Der Zerfall der Kirche in unversöhnliche Lager ist der direkte Weg in ihre Versektung. Sektiererische Ansichten gab es immer schon in der Kirche. Vor ihnen konnte man sich als katholischer Christ sicher fühlen, solange man die Bischöfe in authentischem Streben nach Einheit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität verbunden wusste. Wenn Bischöfe allerdings mainstreamdienlich werden, wenn sie dem Diktat der Menge dienen und das Mitschwimmen im Fluss der Zeit höher achten als Wesen und Wahrheit der Kirche, – wenn  sie also die Dogmatik vergessen und sich zu Handlangern von pastoralen Konventikeln machen, dann sind wir auf dem besten Weg in die Sekte.

Den Bischof von Aachen mag man freilich nicht entschuldigen durch den ungeheuerlichen Fauxpas, den sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, leistete, als er jüngst seinen Kölner Mitbruder noch übler abwatschte als Helmut Dieser in Aachen. Bätzing, der selbst im Glashaus der Missbrauchskrise sitzt, dessen Rolle im Trierer „Schwarzen Loch“ der Vertuschung erst in sechs Jahren beleuchtet werden wird, wenn auch dort der endgültige Missbrauchsbericht vorliegt. Bätzing, der auch in Limburg schweren Vorwürfen ausgesetzt ist – ausgerechnet dieser Bätzing also, beteiligte sich auf dem Evangelischen Kirchentag am Mobbing des Kölner Kardinals. Angesprochen, ob er, Bätzing, denn Woelki auf seine Versäumnisse in Köln angesprochen habe, meinte er: ja, er habe das schon häufiger getan. Und fügte hinzu: „Aber es gibt Menschen, auf die man wie auf ein totes Pferd einreden kann und findet kein Verständnis.“


Bernhard Meuser
Jahrgang 1953, ist Theologe, Publizist und renommierter Autor zahlreicher Bestseller (u.a. „Christ sein für Einsteiger“, „Beten, eine Sehnsucht“, „Sternstunden“). Er war Initiator und Mitautor des 2011 erschienenen Jugendkatechismus „Youcat“. In seinem Buch „Freie Liebe – Über neue Sexualmoral“ (Fontis Verlag 2020), formuliert er Ecksteine für eine wirklich erneuerte Sexualmoral.

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