Warum “Mutter” und “Geistkraft” in die Irre führen

“Geistkraft” statt “Heiliger Geist”, G*tt statt Gott, Gottvater und Gottmutter? Warum es problematisch ist, Gottes Namen in woker Sprachkreativität nach eigenem Geschmack zu verändern, darüber hat sich Aurelius Neumann Gedanken gemacht. 

Reden über Gott

Seit einiger Zeit ist zu beobachten, dass Gott in Gebeten, Glaubensbekenntnissen und verschiedenen anderen Texten gerade auch von Theologinnen und Theologen nicht mehr als «Vater, Sohn, Heiliger Geist» angesprochen wird. Zum einen wird Gott neu nun als «Mutter» angesprochen, zum anderen wird der «Heilige Geist» in eine nebulöse Kraft umgewandelt. So wähnt sich der Sprecher oder die Schreiberin modern, schließlich geht es ja um Gleichberechtigung, die Sichtbarmachung des Femininen und ganz einfach um den allgegenwärtigen Genderwahn. Mag das dahinterliegende Ansinnen auch noch so berechtigt sein, so ist es doch theologisch nicht haltbar.

Warum Gott nur als «Vater» angesprochen werden kann

Das grundlegendste Problem hinter diesem Sprechen von Gott ist zunächst dies, dass Gott gar kein Geschlecht hat. Gott ist weder Mann noch Frau. In der bekannten Dornbuschperikope (vgl. Ex 3) stellt sich Gott als der «Ich bin» vor, also als der Seiende. Gott ist. Punkt. Die Rede von «Mutter» und «Vater» gleichzeitig führt die Geschlechtlichkeit erst in das Wesen Gottes ein und schafft damit erst ein Problem, das die Sprache vorgibt zu lösen, aber das vorher gar nicht bestand. Gut, es gibt ältere Darstellungen von Gott als alter, greiser Mann mit Glatze und Bart. Tatsächlich lässt sich hier fragen, ob das so eine gute künstlerische Idee war und ob dies nicht gegen das Erste Gebot verstößt (Gottesbilderverbot). Sicherlich, das Wort «Vater» impliziert ja diesen alten Mann – oder etwa nicht? Hier zeigt sich eine simplifizierende und oft unbedachte Denkweise. Weshalb sprechen wir denn von Gott als «Vater»? Einzig deshalb, weil Jesus Gott als Vater anspricht und uns diese Rede so anvertraut: Abba – Vater! (vgl. Mk 14,36) Also, auch wir dürfen Gott als «Vater» ansprechen, wie es auch der heilige Paulus weitergibt (vgl. Röm 8,15, Gal 4,6). Dabei an einen körperlichen Mann oder einen leiblichen Vater zu denken, ist weder Absicht der Rede Jesu noch würde es irgendeinen Sinn ergeben. Da wir aber dem Evangelium verpflichtet sind und das, was Jesus uns anvertraut hat, nicht einfach nach unseren Vorstellungen ändern können, ist eine Rede von Gott als «Mutter» nicht statthaft.

Gegen die Logik

Aber wie steht es dann mit der Rede von Gott als «Vater» und «Mutter» gleichzeitig? Ein modernes Glaubensbekenntnis formuliert: «Einer ist Vater und Mutter…» Diese Rede führt uns sprichwörtlich in Teufels Küche, denn jetzt sehen wir uns mit der Problematik der Einheit und Einzigkeit Gottes konfrontiert. Auch wenn die Formulierung «einer» täuschen will, dass es nur um einen Gott gehen würde, so kontradiktiert die anschließende Pluralität von «Vater» und «Mutter» gerade diese Einheit Gottes. Es lässt sich fragen: Gibt es nun Vater und Mutter, Sohn und Tochter, Geist und Geistin? Also, ist Gott nun nicht dreieiner, sondern vielfältig einer? Zudem verstößt die doppelte Rede von «Vater» und «Mutter» auch gegen einen elementaren Grundsatz der Logik: Da «Vater» und «Mutter» jeweils ein je eigenes Spezifisches bezeichnen, kann nicht beides gleichzeitig wahr sein, ansonsten wäre diese Rede bedeutungslos im obigen Sinne. Das Problem wird manchmal auf zwei Arten zu lösen versucht: Einerseits durch ein Auslassungssternchen (G*tt). Das mag optisch hübsch sein, führt aber wieder zum Personenbegriff zurück, denn Gott ist eben persönlich Einer und nicht ein vielfältiges Auslassungssternchen.

“Ich bin” 

Gott hat nicht viele Geschlechter, sondern keines. Andererseits liest man auch, Gott sei «wie» Vater und Mutter. Damit wird aber sprachlich subtil eine Verschiebung vorgenommen von der Rede über unsere Relation zu Gott, hin zu einer Seins-Aussage. Nochmals zum Dornbusch zurück: Gott stellt sich vor als der «Ich bin» und nicht als der «Ich bin wie». «Vater» ist eben gerade nicht eine Aussage über das Wesen Gottes, sondern über die Beziehung zwischen uns und Gott. Zumindest muss dies sowohl in den Aussagen Jesu als auch in der Interpretation des heiligen Paulus so verstanden werden (siehe Stellen weiter oben).

Gott ist Person und nicht Kraft

Eine weitere Verschiebung im Sprechen über Gott, besonders wenn es um den Heiligen Geist geht, ereignet sich darin, dass neu die «heilige Geistkraft» bemüht wird. Hier erfüllt sich ein weiteres modernes Diktum einiger Theologen, nämlich die Auflösung der Rede von Gott als «einer in drei Personen», was ein zentrales Glaubensbekenntnis des Christentums darstellt. Und dies im Jubiläumsjahr des Konzils von Nicäa! Gott ist nicht mehr Person, sondern eine Energie, eine undefinierbare Vielfältigkeit. Da spielt es dann auch keine Rolle mehr, ob nun «Vater» oder «Sohn», denn auch dem Heiligen Geist wird seine Persönlichkeit aberkannt, indem er einfach zur «heiligen Geistkraft» entpersonifiziert wird. Dabei findet sich im gesamten Neuen Testament nicht ein Anklang, der ein solches Sprechen rechtfertigen würde. Es gibt tatsächlich verschiedene biblische Bezeichnungen für den Heiligen Geist. Jesus nennt ihn den «Parakleten», den Herbeigerufenen, den Tröster, den Beistand (vgl. bspw. Joh 14,16.26) Auffällig ist hier, dass diesen Begriffen die Person-Dimension inhärent ist. Der hl. Paulus nennt den Heiligen Geist auch «Geist der Verheißung» (vgl. bspw. Eph 1,13), «Geist der Sohnschaft» (vgl. bspw. Röm 8,15) oder «Geist Christi» bzw. «Geist des Herrn» (vgl. bspw. Röm 8,9 oder 2 Kor 3,17). Es ist klar: Hier geht es um Beziehung. Wie aber kann zu einer «Kraft» oder «Energie» eine Beziehung aufgebaut werden? Das Reden von der «heiligen Geistkraft» unterminiert in wesentlicher Hinsicht das Person-Sein Gottes. Das ist auch nicht mehr vereinbar mit der Lehre der Kirche, wie sie im Artikel 8 des Katechismus dargelegt ist.

Vermischung von Genus und Sexus

Nun wird manchmal argumentiert, die «heilige Geistkraft» beziehe sich auf das, was im Alten Testament mit «Ruach» bezeichnet wird, also der «Hauch» oder «Wind» Gottes. An manchen Stellen des Alten Testaments wird das Handeln Gottes tatsächlich in diesen Zusammenhang gestellt. Eine solche Interpretation hat aber mindestens zwei erhebliche Probleme: Zum einen wird hier die modern-woke Sprachtheorie bemüht, wonach es einen Zusammenhang zwischen dem Genus eines Wortes und der Biologie gäbe. Das im Hebräischen weibliche Wort «Ruach» wird dann zur femininen Dimension Gottes stilisiert. Das ist aber im Hebräischen genauso falsch wie im Deutschen. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen dem Genus eines Wortes und dem Sexus der Materie. Erst die in manchen Kreisen geläufig gewordene woke Sprache führt zu dieser Vermischung und macht damit denselben Fehlschluss, wie schon weiter oben beschrieben: Man gibt vor, ein Problem lösen zu wollen, macht es aber erst durch das entsprechende Sprechen überhaupt zum Problem.

Zum anderen gibt es aber auch einen exegetischen Gesichtspunkt: Hier wird aus einer christlichen Perspektive den jüdischen Texten eine spezifische Interpretation übergestülpt. Wer mit Menschen jüdischen Glaubens spricht, wird schnell merken, dass die Identifikation der «Ruach» mit dem «Heiligen Geist» nicht ohne weiteres statthaft ist. Und auch aus christlicher Perspektive ist der «Heilige Geist» nicht einfach die handelnde Dimension Gottes, sondern eine eigenständige Person innerhalb der Dreieinigkeit. Der Heilige Geist ist eben gerade nicht die Relation innerhalb der göttlichen Personen, sondern hat selbst Anteil an diesem innerpersonalen Geschehen, da er eben selbst Person ist.

Gefährdung der Ökumene

Es ist sicher richtig zu sagen, dass alles Sprechen über Gott immer nur bruchstückhaft ist. Unser heutiges Sprechen reiht sich aber ein in eine lange Tradition. Was Menschen vergangener Generationen im Wort fixiert haben, trägt zur einheitlichen Rede über Gott bei – schafft also Gemeinschaft. Dabei ist dieses Reden eben nicht willkürlich, sondern basiert auf den biblischen Texten und orientiert sich wesentlich an den Aussagen der ersten Generationen von Christen. Das heißt also an jenen Zeugen für Christus, die ihn selbst in seinem irdischen Wirken kannten (Apostel und erste Jünger) oder die von diesen gelernt haben und von ihnen missioniert worden sind (Apostelschüler und erste Kirchenväter). Das Sprechen über Gott, das auf dieser Grundlage steht, verbindet alle Christen und ist damit bis in unsere Zeit Grundlage von dem, was wir Ökumene nennen. Das sprachliche Ausscheren aus dieser Communio beschädigt alle Bemühungen um die Einheit der Christen.

Worte mit Bedacht wählen

Aus all diesen Gründen ist es nicht nur wünschenswert, sondern geboten, dass gerade Amtsträger wie Bischöfe ihre Worte mit Bedacht wählen. Sie sind die in einer langen Linie stehenden «Apostel» unserer Zeit und dürfen den Grund, den ihre Vorgänger bereitet haben, nicht verlassen. Es ist hochgradig fahrlässig, wenn das Reden über Gott zur persönlichen Geschmackssache wird.


Aurelius Neumann
ist Priester in einer deutschsprachigen Diözese. Er hat an verschiedenen Universitäten studiert und schließlich promoviert. Er setzt sich für eine Erneuerung der Kirche auf der Grundlage der biblischen Schriften sowie der Lehre und Tradition der Kirche ein.

 

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