Lauterkeit im interreligiösen Dialog:
Papst Franziskus in Singapur
Unter der Aufregungskultur, die die Gegenwart erfasst hat, leidet auch die Kirche. Hier heißt die Sau, die durch die Stadt Gottes getrieben wird, nicht selten „Häresie“. Manche scheinen nur darauf zu warten, den Papst bei selbiger zu erwischen. Gerade wieder wird das H-Wort laut gebrüllt. Martin Brüske meint: Nichts als heiße Luft aus dem Tal der Ahnungslosen.
- Bislang existiert meines Wissens keine offizielle Version und ebensowenig eine offizielle Übersetzung des spontanen Dialogs, den Papst Franziskus in Singapur mit jungen Menschen einer christlichen Schule, die auf interreligiösen Dialog Wert legt, geführt hat. Die englischen Versionen unterscheiden sich erheblich. Auf was für einen Text bezieht man sich eigentlich?
- Zur unbedingt gebotenen menschlichen und theologisch-handwerklichen Redlichkeit würde es gehören, die Aussagen eines Papstes in den Kontext seiner übrigen Lehre einzuordnen, besonders in Zusammenhänge, wo er explizit zu dem angesprochen Problem Stellung bezieht. Die Beachtung einer solchen Regel der Redlichkeit lassen viele Beiträger vermissen.
- Ergeben sich Spannungen oder Unklarheiten, dann ist der katholische Theologe verpflichtet, bis zum Beweis des Gegenteils wohlwollend und auf Kohärenz hin zu interpretieren. Was für eine unmögliche Haltung wird deutlich, wenn man mit Gewalt das Haar in der Suppe finden will – auf unzulänglicher Textbasis, oft mit nur sehr dürftigem theologischem Hintergrundswissen, aber mit umso lauterem Häresiegeschrei? Zum theologischen Sachstand: (Der Beitrag ist noch in Vorbereitung, ein Link erscheint an dieser Stelle, oder beim Aufruf unseres Blogs oder in unserem Newsletter.)
Ein spontanes Gespräch ist kein Akt des Magisteriums
- Ein spontanes Gespräch ist kein Akt des Magisteriums. Wiederum: Was ist das für eine Haltung, die in einem solchen Zusammenhang immer gleich den großen Glaubensabfall wittert, anstatt dem Papst zuzugestehen, dass er in einer solchen Situation auch einmal ins Unreine formulieren darf?
Metapher auf unterschiedlichen Ebenen
- Ja, die Wegmetapher ist mehrdeutig. Der Text erlaubt es aber keinesfalls, sie einer bestimmten religionstheologischen – etwa pluralistischen – Theorie zuzuordnen. Dazu ist er viel zu kurz und unbestimmt. Wer das behauptet, betreibt sichtlich Eisegese und liest seine Ressentiments ohne guten Grund in die kolportierten Aussagen hinein. Die bloße Rede von einer Mehrheit von Wegen reicht da nicht. „Es gibt so viele Wege zu Gott, wie es Menschen gibt.“ schreibt Josef Ratzinger im „Salz der Erde“. Leugnet er damit, dass Jesus in einzigartiger Weise „Weg, Wahrheit und Leben“ ist? Natürlich nicht! Die Wegmetapher kann auf ganz unterschiedlichen inhaltlichen Ebenen spielen.
- Bei den bislang nur unklar übermittelten päpstlichen Äußerungen sind der Gesprächszusammenhang und die Sinnspitze genau zu beachten. Eine Deutung muss behutsam und vorläufig erfolgen.
Wie kann interreligiöser Dialog gelingen?
- In aller Vorsicht also: Worum ging es dem Papst unter Beachtung dieser hermeneutischen Regeln? Der Kontext ist eine katholische Schule, in der junge Menschen mit unterschiedlicher religiöser Herkunft eine Bildung und Erziehung erfahren, die ihnen aus einer Haltung des Dialogs einen guten, friedlichen Umgang mit der religiösen Pluralität ermöglichen soll. Wenn ich richtig verstehe, möchte der Papst an der entscheidenden Stelle klären, wie ein solcher Dialog gelingen kann – und wie eben nicht. NICHT gelingen kann er – und hier liegt die Sinnspitze des Textes – wenn er von religiösen Besitzansprüchen und ihrer Hierarchisierung geprägt wird („mein Gott ist wichtiger als deiner“). Darauf zu verzichten ist aber nicht nur eine Frage der Höflichkeit, nicht einmal allein der Ethik, sondern der Wirklichkeit und Wahrheit.
Die Pluralität der „Wege“ und „Sprache“ ist nicht ein „Besitz“, der mir gehört und den ich deshalb zur hierarchisierenden Abgrenzung von meinem Mitmenschen benutzen kann. Das wäre gerade aller dieser „Wege“ und „Sprachen“, die ja alle beanspruchen, über sich hinaus zur Wirklichkeit zu führen, unwürdig. Die Rede von „meinem“ und „deinem“ Gott ist sinnlos, weil es nur einen Gott gibt, auf den alle Menschen durch ihr Geschöpfsein bezogen sind. Diesen, den Menschen transzendierenden Wirklichkeitsbezug zu realisieren (auch wenn es meine religiöse Sprache anders ausdrücken mag), ist die Bedingung der „Lauterkeit des interreligiösen Dialogs“ (wie es mein Freund Peter Esser wunderbar auf den Punkt gebracht hat.) Der Papst redet dazu aus dem Horizont einer Schöpfungstheologie wie sie sich etwa in der Areopagrede des Paulus in Apg 17 findet.
Dieser Text bildet tatsächlich so etwas wie die Hintergrundfolie der päpstlichen Aussagen. Legt man diesen Kontext und diese Sinnspitze in aller Vorsicht zugrunde, dann ist die Vorstellung, der Papst könnte hier eine häretische, relativistische Theologie der Religionen vertreten und die Bedeutung Jesu als des einzigen Mittlers zwischen Gott und den Menschen geleugnet haben, geradezu grotesk.
Dr. theol. Martin Brüske
Martin Brüske, Dr. theol., geb. 1964 im Rheinland, Studium der Theologie und Philosophie in Bonn, Jerusalem und München. Lange Lehrtätigkeit in Dogmatik und theologischer Propädeutik in Freiburg / Schweiz. Unterrichtet jetzt Ethik am TDS Aarau.
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