Einmal katholisch — immer katholisch? Nein, der Charakter indelebilis trifft auf das Katholisch-Sein nicht zu. Dorothea Schmidt teilt ihre Gedanken über das Katholisch-Sein als Lebens- und Bildungsaufgabe und die zeitgeistliche Praxis einer „Theologie des Privaturteils“.
Bischof Franz-Josef-Overbeck beklagte in seinem Hirtenwort, dass Menschen im Zuge der innerkirchlichen Debatte um Reformen einander das Katholisch-Sein absprechen würden. Das dürfe es nicht geben und widerspreche dem Evangelium. Nun, ob es das geben darf oder nicht, ist nicht die Frage; es ist vielmehr Tatsache, dass das möglich ist und dass es das gibt: Es ist möglich, sein Katholisch-Sein abzustreifen. Nur die Sakramente wie zum Beispiel die Taufe oder Priesterweihe besitzen den Charakter indelebilis, sind der Person also unauslöschlich eingeprägt. Auf das Katholisch-Sein trifft dies nicht zu.
Zum Katholisch-Sein gehört, dass der Gläubige sich der Einheit mit der sichtbaren Kirche Christi verpflichtet, die nur zusammen mit dem Papst als Garant der Einheit des Leibes Christi gedacht werden kann und die auf der Tradition und Offenbarung der Kirche gründet. Dies scheint gerade vor dem Hintergrund des römischen Schreibens „Fiducia supplicans“ in Frage gestellt — zumindest fordert es viele Gläubige nun gewaltig heraus.
Etikett kann über den tatsächlichen Inhalt hinwegtäuschen
Bisher schien es ganz einfach und verständlich: Wer sich dem Papst und seinen Weisungen notorisch verweigert, wie es auf dem Synodalen Weg geschehen ist und nach wie vor geschieht, der entfernt sich bewusst oder unbewusst selbst von dem, was katholische Kirche konstitutiv meint – auch wenn er sich katholisch nennt. Auf dem Synodalen Weg hieß es, dass man die katholische Kirche in ihrem Amts- und Kirchenverständnis sowie ihrer Offenbarungslehre ändern müsse, weil Menschen die Lehre der Kirche nicht rezipieren, annehmen und leben (möchten).
Kann man das katholisch nennen? Oder ist das nicht vielmehr eine andere Kirche, die man im Namen und unter der Flagge der katholischen Kirche zu bauen versucht? Das Etikett kann über den tatsächlichen Inhalt gründlich hinwegtäuschen.
Die Sache mit dem persönlichen Lehramt
Dass Katholiken der katholischen Kirche den Rücken kehren, wenn sie den Weg der Kirche mit dem Papst aufgrund des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht weiter mitgehen wollen – auch wenn sie sich weiterhin als katholisch bezeichnen und der Lehre ansonsten anhängen -, schien auch den meisten einzuleuchten. Jene haben sich dazu entschieden, das, was sie persönlich für die richtige Lehre halten, dem Lehramt des Papstes vorzuziehen, ja ihr „persönliches“ Lehramt allein gelten zu lassen.
Man kann und muss auch fragen, ob es katholisch ist, wenn Kinder in den Kommunionunterricht getrieben werden — weil man das eben so macht —, deren auf den katholischen Glauben getaufte Eltern jedoch nach eigenem Bekunden nichts von Kirche und Glaube halten, sondern in den eigenen vier Wänden Magie betreiben. Das geistliche Prägemal durch die Taufe (Stichwort Charakter indelebilis) wird ihnen niemand mehr nehmen, denn Gott bleibt dem Menschen auch dann treu, wenn dieser ihm untreu wird (vgl. 2.Tim 2,13). Das ist die unauslöschliche Bundestreue Gottes. Das Katholisch-Sein dagegen können sie selbst von sich abstreifen.
Katholisch-sein ist mehr als ein Wort oder ein Gefühl
Während also die Taufe uns befähigt, Anteil zu haben an den göttlichen Geheimnissen und sie auszuüben, während die Firmung uns mit besonderer Kraft durch den Geist Gottes ausstattet und hilft, den Glauben noch entschiedener öffentlich zu bekennen, liegt es am Gläubigen selbst, ob er das, wozu er befähigt worden ist, auch tut und wachsen lässt — und er mit dem unauslöschlichen Charakter, der ihm durch die Sakramente eingeprägt worden ist, auch immer mehr eins wird oder nicht.
Insofern spricht niemand einem anderen das Katholisch-Sein ab, man kann nur anhand von klaren Bedingungen feststellen, was den katholischen Glauben ausmacht und was nicht und es dann annehmen oder ablehnen. Die Einheit der sichtbaren Kirche Christi auf Erden hat ihre Bedingung und ihr Kriterium in der Anerkennung des römischen Bischofs als Träger der Einheit dieser Kirche — auch dann, wenn er uns noch so herausfordert. Mit anderen Worten: Katholisch-sein ist viel mehr als ein Wort auf einem Stück Papier oder ein Zugehörigkeitsgefühl. Katholisch-Sein nach den genannten Bedingungen ist eine Lebens- und Bildungsaufgabe von Herz und Verstand.
Anspruch des Katholisch-Seins
Diskussionen, ein Ringen um die Wahrheit und dergleichen — wie zur Zeit des Konzils von Nizäa beispielsweise — darf und muss es geben, aber die Lehre darf weder durch den Zeitgeist noch durch eine Theologie des Privaturteils ersetzt werden.
Katholisch-Sein ist der Anspruch, mit dem Papst — nie ohne ihn — den ganzen Weg der katholischen Kirche mitzugehen. In dem festen Vertrauen in die Verheißung, dass der heilige Geist sie immer führen wird.
Der Kommentar erschien am 17.01.2024 in der Tagespost.
Dorothea Schmidt
arbeitet als Journalistin und regelmäßige Kolumnistin für diverse katholische Medien (Tagespost, kath.net, u.a.). Sie ist Autorin des Buches „Pippi-Langstrumpf-Kirche“ (2021). Sie war Mitglied der Synodalversammlung des Synodalen Weges und verließ gemeinsam mit weiteren Frauen Anfang 2023 das Gremium als Protest gegen die Beschlüsse des Synodalen Weges, die sich immer weiter von der Weltkirche entfernen. Schmidt ist Mutter von zwei Kindern und lebt mit ihrer Familie in Süddeutschland.