Um die Erlösungs-Ordnung für Mann und Frau wirkmächtig zu vermitteln, erforderte es das Lebensvorbild eines Mannes: Jesus Christus. Der Sohn Gottes musste Mann werden, um Männern eine neue Lebensweise vorzuleben.
Unser biologischer Leib, seine physische Außenseite und seine beseelte Innenseite, ist kulturell in vielen Jahrtausenden geformt worden. Die Erfahrungen von uns Menschen in unserer Geschlechtlichkeit sind sozio-kulturell tief eingeschrieben in unsere Leiber. Grundkonstanten bleiben jedoch die biologischen Erfahrungen der zeitlich sehr kurzen Beteiligung des Mannes an der Entstehung menschlichen Lebens (Zeugung), die ihn zum Vater werden lässt; und der sehr intensiven, zeitaufwändigen Beteiligung der Frau (Empfängnis, Schwangerschaft, Geburt, Stillen, Hegen und Pflegen), durch die sie zur Mutter wird.
Jesus bringt eine neue Geschlechter-Ordnung
Jesus als Gottes Sohn kommt als Mensch auf die Welt und will eine neue (Erlösungs-) Ordnung in die Stellung der Geschlechter zueinander bringen: „Es gibt weder Mann noch Frau in Christus“ (Gal 3,28). Das bedeutet, dass es dort, wo das Christentum lehrt und gelebt wird, fortan kein Privileg mehr sein kann, als Mann auf die Welt zu kommen. In Christus soll es keine Wert-Unterschiede mehr geben: eine Minderbewertung von Frauen und eine Überbewertung von Männern – das gehört in die „gefallene Welt“, hat keinen Platz mehr in der „erlösten Ordnung“ des gelebten Christ-Seins.
Aber die Differenzen unserer Geschlechtlichkeit bleiben auch in der Erlösungsordnung real, in der Biologie und Psychologie, in der Anordnung der seelischen und geistigen Kräfte und in den aus unserem Leib folgenden Tätigkeiten, die wir in Ehe, Familie und Kirche ausüben. Denn der geschlechtlichen Differenz liegt eine symbolische Ordnung und damit ein SINN zugrunde, der nicht durch Gal 3,28 aufgelöst wird. Das Mann- und Frau-Sein wird „in Christus“ nicht abgeschafft und aufgelöst – sondern es wird er-löst; aber damit ist und bleibt es eine gültige und wertvolle – nicht etwa überflüssige – Kategorie.
Sündenfall und Geschlechterkampf
Nach dem Sündenfall – lernen wir aus der Bibel – stehen die Geschlechter im Kampf gegeneinander. Aber Gott selbst hat den Menschen eine Art „Waffenstillstands“-Ordnung gegeben: „der Mann herrsche über die Frau“ (Gen 3,16). Das ist zugleich ein Strafzustand, der jedoch vom Menschen selbst noch verschlimmert wurde, da diese „Herrschaft“ in vielen Kulturen durch die Sündhaftigkeit des Menschen entgleiste – und weiter entgleist – zur „Tyrannei“.
Man denke an die in China gebrochenen und abgebundenen Füße von kleinen Mädchen, in Afrika an die Verstümmelung der weiblichen Genitalien, und an die zahlreichen weltweiten Geschlechtshierarchien der Gegenwart, in denen bis heute Menschen aufgrund ihres Geschlechtes unterdrückt werden.
Unter-Ordnung, nicht Unter-Werfung
Jesus bringt durch sein Leben, Sterben und seine Auferstehung uns Frauen und uns Männern die „Erlösungs“-Ordnung: eine gegenseitige Unterordnung von Mann und Frau. Damit wird aus dem „Waffenstillstand“ ein konkreter Frieden möglich, der sich in der geistlichen Fruchtbarkeit des Miteinanders der Geschlechter auswirkt. Mann und Frau gehören in der Ehe einander, während vor der gelebten christlichen Erlösungsordnung die Frau „Habe“ daher Besitz des Mannes war, wie in anderen Religionen oder Kultur-Formen auch heute noch. Beide – Mann und Frau – sind einander Gabe, Geschenk: in der Ehe – aber auch prinzipiell. Jesus brachte uns diese neue Ordnung als eine gegenseitige Unter-Ordnung – nicht Unter-Werfung –, als eine Ein-Ordnung in die Geschlechter-Wirklichkeit, in das, was aus unserem wirklichen Frau-Sein und wirklichen Mann-Sein folgt: leibliches Mutter- und Vater-Sein – oder geistliches Mutter- und Vater-Sein.
Jesu Vorbild: der Stärkere dient dem Schwächeren
Um diese Erlösungs-Ordnung beiden Geschlechtern wirkmächtig zu vermitteln, reichte nicht die Predigt einer Frau („Jesa Christa“ – Dorothee Sölle ) Es erforderte das Lebensvorbild eines Mannes: Jesus Christus. Der Sohn Gottes musste Mann werden, um Männern eine neue Lebensweise vorzuleben. Nicht historisch-kulturell bedingt, sondern aus sachlich-phänomenologischen Gründen: Denn für uns Menschen – und das verbindet uns mit einem großen Teil des Tierreichs – ist Geschlechtlichkeit asymmetrisch organisiert.
Nur als Mann kann der Sohn Gottes in seinem menschlichen Vorbild den Männern zeigen, wie sie von nun an mit Frauen umgehen sollen – nämlich dienend, freiwillig dienend. Er sagt ihnen deutlich: „Bei Euch soll es nicht so sein“ (Mk 10, 43), dass nämlich Menschen unterdrückt werden durch Herrschende. So beginnt die Erlösungs-Ordnung – die eine lebendige Christus-Beziehung voraussetzt[1] – damit, dass Jesus den Männern als dem körperlich stärkeren Geschlecht, das auch die Physis hat, seine Hegemonie praktisch durchzusetzen, zeigt: Nur wenn der Stärkere sich freiwillig schwach macht, sich aus freien Stücken beugt, um dem Schwächeren zu dienen, z. B. ihm die Füße zu waschen, erlöst er den Schwächeren zu seiner je eigenen Stärke. So heißen unsere „Herrscher“ heute: Staatsdiener, Minister.
Größere Kraft – zartere Stärke
Stärker sind Männer grundsätzlich – unabhängig von der Körperstärke, weil Frauen im Bereich ihrer Sexualität verletzlicher sind: körperlich werden nur Frauen von Männern vergewaltigt, nicht Männer von Frauen. Und nur Frauen tragen das gesundheitliche Risiko von Schwangerschaft und Wochenbett. Frauen erleiden Formen von sexistischem Hass (Misogynie) und zugleich geschlechtsspezifischer physischer Gewalt: zertrümmerte Füße (China), verstümmelte Genitalien (manche afrikanische Länder), Säure-Verätzungen und Mitgift-Morde (Indien), u.a. Natürlich gibt es umgekehrt viele subtilere Formen von psychischer, aber auch verbaler Gewalt von Frauen gegen Männer (Misandrie), die jedoch weniger sichtbar sind und sich auch nicht in einer umgekehrten Hegemonie zeigen – außer vielleicht im „Westen“ der Gegenwart. Hildegard von Bingen hat die Komplementarität der Kräfte von Mann und Frau sehr schön ins Wort gebracht: „Gott schuf den Menschen, und zwar den Mann von größerer Kraft, die Frau aber mit zarterer Stärke.“[2] Die „zarte Stärke“ der Frau zeigt sich zum Beispiel in höherer Stressresistenz, Resilienz und Durchhaltevermögen.
Die männlichen Jünger haben vom männlichen Sohn Gottes zu dienen gelernt, daher dienen sie nun auch den Frauen – und so kommen die Frauen zur ihrer je eigenen Stärke. Erst so müssen Frauen nicht mehr sklavisch, sondern können frei dienen – und je nach Familien-Situation dienend leiten. Denn nun ist ein gegenseitiges, nicht mehr nur einseitiges Dienen möglich.
Anarchie statt Hierarchie?
Wenn der Mann nicht mehr über die Frau herrscht, sollte dann die Frau über den Mann herrschen? Die Lösung bei der Journalistin Margarethe Stokowski (Untenherum frei, 2018) für die Frage, wie der Umgang mit der Macht zwischen Mann und Frau neugeordnet werden kann, ist folgende: Es sollte Anarchie zwischen den Geschlechtern herrschen – also keine Hierarchie, auch keine umgekehrte Hierarchie. Daher sei auch die gesellschaftliche Form der Anarchie anzustreben, damit es zwischen den Geschlechtern keine Machtstrukturen mehr gibt. Auch die demokratische Form ist ja noch eine Machtausübung. „Anarchie“ kann jedoch nicht funktionieren, weil eine soziologische oder politische Gleichheit nur behauptet wird. Zugleich ändert sich die biologische und natürliche Verfassung aber nicht allein durch diese Behauptung, so dass Formen von Anarchie zwangsläufig durch die physische Stärke der Männer wieder in die Versklavung der Frau münden würden.
Frauen dienen „schon immer“ – Männer erlernen es durch Jesus
Jesu Lösung ist jedoch keine chaotische Anarchie, sondern die Aufforderung, dass wir einander dienen sollen, wie er uns gedient hat. Nicht ohne unseren Wert und unsere Würde zu kennen. Aber Männer müssen anfangen – weil sie die Stärkeren sind und weil Frauen „schon immer“ gedient haben. Allein ihre leibliche Vorgabe der Brüste, durch die sie ihre Kinder mehrere Jahre stillen können, setzt sie biologisch und kulturell überformt in die Lage, dem schwächsten Leben zu dienen, das kleine Leben aus sich heraus zu nähren, es an der Brust beim Stillen zu bergen und zu behüten, es durch ihre Nähe und Bestätigung zu fördern. Frauen sind quasi „gezwungen“ zu dienen, wenn sie ihrer Biologie folgen.
Heute ist es eine spezielle Entscheidung, der Biologie überhaupt folgen zu wollen, überhaupt Kinder zu bekommen und nicht die eigene Fruchtbarkeit ein Leben lang auszuschalten; nicht um des Reiches Gottes, sondern um der eigenen Komfortzone willen. Nur wenn Frauen den Dienst des Mannes an sich selbst erleben, wenn sie tatsächlich spüren, dass sie geliebt und wertgeschätzt werden, sind sie auch bereit, sich in diesen Dienst am schwächeren neuen Leben zu stellen.
Nicht Macht und Unterwerfung: Gegenseitiges Dienen
Auf diese Weise verwirklicht sich ein gegenseitiges Dienen von Mann und Frau, in dem keiner mehr über Macht und Unterwerfung, Ohnmacht und Revolte nachdenkt, sondern in einem Austausch der Liebe und des Dienens lebt und fruchtbar wird. Nur können Frauen nicht einfordern, dass Männer ihnen dienen und sie damit zu ihrem Dienst freisetzen. Den Aufruf dazu müssen Männer von Jesus bzw. letztlich von Gott-Vater selbst hören, damit sie verstehen, was sie tun sollen: auf den gegenseitigen Dienst von Männern und Frauen achten und keine Einseitigkeiten aufkommen lassen. Es gibt bis heute Frauenklöster, die das Angebot eines Mannes, das Geschirr abzuspülen, aus einem falsch verstandenen Geschlechter- und Dienst-Prinzip abweisen.
Dienen heißt nicht zu allem Ja sagen
Umgekehrt ist ein zahnloses „Ja-Sagen“ von Kirchenmännern – auch Bischöfen – zu den herrischen Forderungen von Frauen, etwa im Forum III des Synodalen Weges oder im kämpferischen Verein der „Marien2.0“ in der Kirche nicht am Platz. Es erscheint „liebedienerisch“ und nicht wirklich „dienend“ zu sein. Denn wahrhaftig dienend ist eine Handlung nur, wenn die spezifische Eigenart von Frauen als potenzielle Mütter und als Menschen mit ergänzender weiblicher Perspektive auf die Welt und die Kirche wertgeschätzt wird. Und zugleich von Frauen die männliche Eigenart nicht verleugnet oder abgewertet, sondern ebenfalls als ergänzend in ihrer positiven, vom Egoismus gereinigten Version geschätzt wird.
Authentische Männer – authentische Frauen
Es gibt die weibliche Perspektive eben auch in ihrer Negativ-Version als das Intrigenhafte, Verführerische, Täuschend-Zweideutige, so wie es die männliche als das Aggressive, Unterdrückende, Ausbeutende gibt – und beide keinesfalls „sauber“ und „geschlechter-stereotyp“ voneinander abgegrenzt werden können. Daher kommt es für jeden Mann und jede Frau darauf an, dass sie persönlich den Weg der Heiligung gehen, auch was ihre Selbstbildung hinsichtlich ihrer Geschlechtlichkeit betrifft. Es sollte ihnen bewusst sein, dass es zur Nachfolge Christi gehört, zu immer authentischeren Frauen und Männern zu werden.
Dazu gehört auch, dass man die eigenen geschlechtsspezifischen leiblichen Vorgaben akzeptiert und immer mehr annehmen lernt. Denn in einem Leben, das in der Kraft des Heiligen Geistes geführt wird, werden eigene und auch gegengeschlechtliche Charakterzüge freigesetzt und damit negativ-einengende Geschlechter-Grenzen überwunden. Nicht durch verbitterten Kampf gegen die eigene Geschlechtlichkeit und gegen das andere Geschlecht – aufgrund von inneren Verletzungen – sondern im Heil-Werden der Verwundungen unserer Geschlechtlichkeit durch die Wunden Christi und im Ja-Sagen zur Differenz, zum Gesetz von Schönheit und Fruchtbarkeit, wird unsere individuell ausgeprägte Geschlechtlichkeit freigesetzt. Erst so können Männer und Frauen immer klarer in Ergänzung zueinander – in der Kirche wie auch in der Familie und in der Gesellschaft – als Gottes Ebenbilder wahrgenommen werden.
von Dr. Beate Beckmann-Zöller
[1] Wenn sie nur kulturell bleibt (geregelt durch Menschenrechte und säkulare Gesetzgebung), wird es andere Schieflagen geben – z.B. weniger ausgeprägte Bindungsfähigkeit, weniger stabile Ehen und Familien usw.
[2] Das Buch vom Wirken Gottes: II, Vision I, n. 43, S. 272.