Disput über die Auferstehung
Auslegung des Evangeliums vom 32. Sonntag im Jahreskreis C Lk 20, 27-38

Der menschgewordene Gott disputiert über den Gott der Lebendigen. Er lässt sich ein auf Diskussion. Ernsthaft und fair. Das ist menschlich. Aber er antwortet aus einer Tiefe, die göttlich ist. Der Lichtglanz in seiner Rede erscheint im Disput als Brillanz des Arguments: Der Ewige und Lebendige ist der Gott der Lebendigen. Grund der Auferstehung.

Jesus in der theologischen Disputation

Jesus wird konfrontiert mit einer der großen theologischen Streitfragen seiner Zeit. Er hat in seiner Verkündigung längst Stellung bezogen zu dieser Frage. Die ihn angehen, wissen das. Sie versuchen, seine Position als absurd zu erweisen. Was geschieht nun? Wird Jesus einfach auf seine Autorität als Lehrer, als endgültiger Prophet verweisen, der aus der Vollmacht Gottes spricht? Oder wird er wieder – wie wir ihn zuletzt in den Sonntagsevangelien kennengelernt haben – in kunstvoller Ökonomie erzählen? Weder, noch! Heute sehen wir einen Jesus, der sich auf die Disputation einlässt. Der den Angriff glänzend pariert. Er verweigert die theologische Diskussion nicht – sondern zeigt die Überlegenheit seiner Position auf. Dabei argumentiert Jesus theologisch präzise, ernsthaft, genau und fair. Er führt das Florett meisterhaft und am Ende in überraschender Brillanz. Jesus, der Theologe, redet jedoch aus einer ganz anderen Tiefe, sein theo-logisches Wort ist wirklich Wort von Gott her: Im Aufleuchten seines Glanzes geschieht Offenbarung. Leider lässt die Auswahl der Perikope im Lektionar die Reaktion der anderen, umstehenden Theologen aus. Es sind solche, die Jesus in anderen Zusammenhängen auch schon herausgefordert haben – und das künftig lieber bleiben lassen. Aber sie freuen sich gleichzeitig, dass Jesus in diesem Fall den gemeinsamen Gegner aus dem Feld geschlagen hat: „Da antworteten einige der Schriftgelehrten und sprachen: Meister, du hast recht geredet. Denn sie wagten nicht mehr, ihn etwas zu fragen.“ (Lk 12, 39-40).

Eine rhetorische Brandbombe

Folgende Szene aus der Apostelgeschichte des Lukas bereitet mir, immer, wenn ich sie lese, ob der rhetorischen Kaltblütigkeit und Schlagfertigkeit des heiligen Paulus allergrößtes Vergnügen – und wir finden hier auch den Hintergrund unseres Sonntagsevangeliums in schöner Deutlichkeit: „Als aber Paulus erkannte, dass ein Teil Sadduzäer war und der andere Teil Pharisäer, rief er im Hohen Rat: Ihr Männer, liebe Brüder, ich bin ein Pharisäer und ein Sohn von Pharisäern. Ich werde angeklagt um der Hoffnung und um der Auferstehung der Toten willen. Als er aber das sagte, brach ein Streit aus zwischen Pharisäern und Sadduzäern und die Versammlung spaltete sich. Denn die Sadduzäer sagen, es gebe keine Auferstehung noch Engel noch Geist; die Pharisäer aber bekennen beides. Es entstand aber ein großes Geschrei; und einige Schriftgelehrte aus der Gruppe der Pharisäer standen auf, stritten und sprachen: Wir finden nichts Böses an diesem Menschen; vielleicht hat ein Geist oder ein Engel mit ihm geredet. Als aber der Streit groß wurde, befürchtete der Oberst, sie könnten Paulus zerreißen, und ließ Soldaten hinabgehen und Paulus ihnen entreißen und in die Burg führen. In der folgenden Nacht aber stand der Herr bei ihm und sprach: Sei getrost! Denn wie du für mich in Jerusalem Zeuge warst, so musst du auch in Rom Zeuge sein.“ (Apg 23, 6-11).

Juden aus der Diaspora der Provinz Asia haben Paulus bei seinem Aufenthalt in Jerusalem im Tempel entdeckt. In der Asia hat er gewirkt und ist dort zur Hassfigur geworden. Man packt ihn und weiß die Menge aufzustacheln. Man wirft ihm die Entweihung des Tempels vor: Er habe einen Nicht-Juden jenseits des Vorhofs der Heiden in den Tempel eingeführt – was unter Androhung des Todes verboten ist. Ein Lynchmord liegt in der Luft. Die in der Antonia stationierte römische Garnison unter ihrem Oberst greift ein. Paulus behält in erstaunlicher Weise kühlen Kopf und weiß die extrem gefährliche Situation Stück für Stück zu entschärfen. 

Nun steht Paulus vor dem Hohen Rat. Aus der erregten Menge ist er heraus. Aber die Situation ist immer noch gefährlich. Die römische Besatzungsmacht garantiert die Unversehrtheit des Tempelbezirks. Zwei Verbotstafeln mit Androhung der Todesstrafe sind archäologisch gesichert und heute noch zu bewundern. Nun hat er die politisch-religiöse Elite vor sich, der alles daran liegt, ihre restliche Autonomie und ihre Definitionsmacht, so eingeschränkt sie unter der Besatzungsmacht auch ist, zu bewahren. Die Christen und besonders Paulus sind da ein erheblicher Störfaktor. Und jetzt ist die Gelegenheit da, Paulus auszuschalten…

Paulus, der als Schüler Gamaliels die religiös-politischen Konstellationen bestens kennt, bemerkt die Zusammensetzung der Gruppe aus Pharisäern und Sadduzäern – und damit ihre verborgene Spaltung entlang einer entscheidenden theologischen Frage. Das weiß er kaltblütig und äußerst schlagfertig zu nutzen. Er wirft eine rhetorische Brandfackel in die Gruppe. Es gelingt ihm, die geschlossene Phalanx gegen sich aufzubrechen und einen Streit untereinander zu entfachen: Er outet sich als Pharisäer. Und er behauptet – was brillant ist und zugleich am Ende schlicht wahr: Wegen der Hoffnung und der Auferstehung der Toten stehe er da…. Lukas kommentiert für seine Leserschaft: „Als er aber das sagte, brach ein Streit aus zwischen Pharisäern und Sadduzäern und die Versammlung spaltete sich. Denn die Sadduzäer sagen, es gebe keine Auferstehung noch Engel noch Geist; die Pharisäer aber bekennen beides.“ 

Diese theologische Frontlinie ist offensichtlich damals so umkämpft, dass Paulus, indem er sich als Bekenner der pharisäischen Theologie outet, die für ihn so gefährliche Situation wenden und seine Gegner spalten kann. Genau entlang dieser Frontlinie bewegt sich auch die Disputation in unserem Sonntagsevangelium. Und auch Jesus bekommt am Ende Zustimmung von der pharisäischen Partei: „Meister, du hast recht geredet.“

Die Sadduzäer und ihre Argumentation

Wer sind diese Sadduzäer nun genau? Bevor wir zur eigentlich inhaltlichen Frage kommen, sollten wir uns die Gruppe anschauen, mit der Jesus ins theologische Gefecht geht. In dem Abschnitt aus der Apostelgeschichte hat Lukas ganz kurz ihr lehrmäßiges Profil charakterisiert. Sie lehnen den Auferstehungsglauben und noch manches andere ab – dazu im nächsten Abschnitt.

Das werden wir aber besser verstehen, wenn wir wissen: Was sind das für Leute, die hinter dieser Position stehen? Einiges spricht dafür, dass diese Gruppe ihren Schwerpunkt in der alten Priesteraristokratie und ihrem Umfeld hatte. So darf man vorsichtig sagen (die Quellenlage ist lückenhaft): Sie bilden einen wesentlichen Teil der politisch-religiösen Elite. Ihnen geht es vermutlich vor allem um die Bewahrung der politisch-religiösen Restautonomie, die ihnen die Besatzungsmacht zugestanden hat. Sie sind also nicht nur eine religiöse, sondern ganz wesentlich auch eine politische Gruppierung. Kulturell sind sie liberal, offen für hellenistische Kultur. Theologisch dagegen in bestimmter Hinsicht „konservativ“, anerkennen sie nur die Tora (also die fünf ersten Bücher der Bibel) als Norm an – und nicht die Propheten und die weiteren Schriften. Diese Mischung aus kulturell liberaler und theologisch „konservativer“ Haltung passt gut zusammen: Ihr „Konservativismus“ begrenzt die theologische Vorstellungswelt auf das Mindestmaß.

Das wird in unserem Evangelium gut sichtbar. Denn ihr Argument entnehmen sie der für sie einzigen verbindlichen Quelle der Tora. Am Ende wird das Argument als rhetorische Frage formuliert, auf die sie wohl gar keine Antwort erwarten. Denn eigentlich zeigt diese Frage das Ergebnis bereits an: Die für die Sadduzäer jenseits ihrer theologischen Vorstellungswelt liegende Hoffnung auf Auferstehung führt, konfrontiert mit der Tora, zu absurden Konsequenzen. Tora und Auferstehungsglaube sind unvereinbar. Also ist die Auferstehung zu verwerfen. Sie meinen wohl, dabei mit überlegener Rationalität zu argumentieren und Jesus (und indirekt auch die Pharisäer, die mit Jesus den Auferstehungsglauben teilen) der Lächerlichkeit preiszugeben. Aber da haben sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht…

Ihr Argument? Die Leviratsehe: „Wenn zwei Brüder zusammenwohnen und der eine von ihnen stirbt und keinen Sohn hat, soll die Frau des Verstorbenen nicht die Frau eines fremden Mannes außerhalb der Familie werden. Ihr Schwager soll sich ihrer annehmen, sie heiraten und die Schwagerehe mit ihr vollziehen. Der erste Sohn, den sie gebiert, soll den Namen des verstorbenen Bruders weiterführen. So soll dessen Name in Israel nicht erlöschen.“ (Dtn 25, 5-6). Wichtig: Der Bruder des Verstorbenen geht zunächst, bis zur Geburt des ersten Sohnes, keine eigene Ehe mit der Schwägerin ein, sondern tritt genau an die Stelle des Bruders. Im Beispiel der Sadduzäer, die mit Jesus disputieren, wird also eine Ehe gleichsam versiebenfacht. Man kann also nicht sagen: Die Ehe mit dem letzten Bruder ist die gültige, weil ja alle anderen durch den Tod gelöst worden sind. So ist das Argument hinter der rhetorischen Frage der Sadduzäer eine „reductio ad absurdum“, eine Rückführung auf den absurden Widerspruch: Nehme ich gleichzeitig die Toranorm der Leviratsehe an und die Auferstehung der Toten führt das zu der absurden und widersprüchlichen Konsequenz, dass die eine Ehe des ersten Bruders sich in der Welt der Auferstehung versiebenfacht hat: „Wessen Frau wird sie nun bei der Auferstehung sein?“ Was in der Zeitfolge dieser Welt kein Problem ist, wird in der Gleichzeitigkeit der Auferstehungswelt zum absurden Widerspruch. Ist die Auferstehungshoffnung damit als inkompatibel mit der Tora erwiesen – und so erledigt?

Die umstrittene Auferstehung

Warum ist die Hoffnung auf Auferstehung im damaligen Judentum aber überhaupt ein umstrittenes Konzept? Die Antwort mag manche überraschen: Weil es ausdrücklich erst sehr spät auftaucht. Und dann nur in Schriften, die unsere Sadduzäer nicht als normativ anerkennen, im Buch Daniel etwa oder im zweiten Makkabäerbuch (aus dem die erste Lesung dieses Sonntags stammt). Gerade in der Tora, die ja für die Sadduzäer alleinige Norm ist, hat die ausdrückliche Hoffnung auf Auferstehung keinen Ort, ja nicht einmal eine allgemeine „Jenseitsperspektive“. Die Heilsgüter dort heißen Land, Segen, Nachkommenschaft. Insofern ist die Position der Sadduzäer völlig nachvollziehbar und konsequent. Jesus wird allerdings argumentieren: Die Auferstehungshoffnung ist eine tiefe Konsequenz des JHWH-Glaubens – und insofern gerade doch in der Tora begründet.

Skizzieren wir die Stationen zur Entwicklung der Auferstehungshoffnung ganz knapp.

  • Der Ausgangspunkt! Zunächst gilt: Dort, wo der Tod ist, ist JHWH nicht. Der Tod ist buchstäblich ein gottloser Bereich. Tod ist Beziehungsabbruch und Kommunikationsverlust („die Toten loben Gott nicht“, Ps 115), vertikal, zu Gott, horizontal, zum Mitmenschen. So kann man sich – wie in den Psalmen – als „tot“ erfahren, bevor man physisch gestorben ist (ganz bedrückend dicht Ps. 88). Anders als die Nachbarkultur Ägypten kennt Israel zunächst also keine positive Jenseitshoffnung. Näher ist man den anderen Nachbarn in Mesopotamien und den nördlichen, etwas weiter entfernten, im z.B. homerischen Griechenland: Die Toten gehen in ein Schattenreich isolierter, radikal verminderter Existenz. Allerdings: Das bedeutet keine Auslöschung. Aber es ist nicht eben ein erstrebenswerter Zustand… Welchen Sinn dieser Ausgangspunkt hat, zu der Frage komme ich gleich. 
  • Zweite Station! Die im vertrauenden Glauben geschenkte Beziehung zu JHWH, dem Gott des Lebens, der sich offenbart hat, wird als so stark erfahren, dass sie den kritischen Punkt der Todesgrenze überstehen muss. Das ist eine im erfahrenden Glauben gewonnene Erkenntnis, die eine ganz neue Hoffnung schenkt. Hier ist das paulinische „Nichts kann uns scheiden“ in der Verbindung zu JHWH vorweg genommen. Es ist weniger ein Unsterblichkeitsglaube als die sichere Hoffnung, dass die Beziehung zu JHWH hält und trägt, selbst noch im Tod. In einzelnen Psalmen wird das deutlich: „Ich war ein Tor ohne Einsicht, wie Vieh bin ich gewesen bei dir; aber ich bin doch beständig bei dir, du hast meine Rechte ergriffen. Du leitest mich nach deinem Ratschluss, danach nimmst du mich auf in Herrlichkeit. Wen habe ich im Himmel außer dir? Neben dir erfreut mich nichts auf Erden. Mag mein Fleisch und mein Herz vergehen, Fels meines Herzens und mein Anteil ist Gott auf ewig. Denn siehe: Die fern sind von dir, gehen zugrunde, du vernichtest alle, die dich treulos verlassen. Ich aber – Gott nahe zu sein, ist gut für mich, / ich habe GOTT, den Herrn, zu meiner Zuflucht gemacht. Ich will erzählen von all deinen Taten.“ (Ps 73, 22-28). „Doch Gott wird mich auslösen aus der Gewalt der Unterwelt, ja, er nimmt mich auf.“ (Ps 49, 16). Das hebräische Verb, das hier für die Aufnahme in den Lebensbereich JHWHs steht, ist übrigens dasselbe, das bei Elias Aufnahme in den Himmel verwendet wird. In der Hoffnung auf die Tragfähigkeit der Gottesbeziehung wird der Sonderfall des Propheten gleichsam „demokratisiert“ und zur Hoffnung für die Frommen, die der Bundesbeziehung treu sind.
  • Dritte Station! Schließlich wird diese Hoffnung auf die Stabilität der Gottesbeziehung auch im Tod ausgeweitet zu einer universalen Hoffnung, die auch die Leiblichkeit des Menschen und deshalb Geschichte und Schöpfung mit einbezieht. Der Katalysator für diese Entwicklung sind gerade radikale Erfahrungen des Bösen und der Bedrohung, wie sie in der ersten Lesung aufscheinen. Gott wird den Frommen nicht nur aus diesem Bösen herausretten. Er wird noch viel mehr Leib, Geschichte und Schöpfung nicht diesem Bösen überlassen, sondern der Herr über Geschichte und Schöpfung wird seine königliche Herrschaft zugunsten des Lebens durchsetzen und vollenden. Wer diese Hoffnung formuliert, der formuliert die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten und er weiß dadurch, dass Vollendung nicht anders geschehen kann als so. „In jener Zeit tritt Michael auf, der große Fürst, der für die Söhne deines Volkes eintritt. Dann kommt eine Zeit der Not, wie noch keine da war, seit es Völker gibt, bis zu jener Zeit. Doch zu jener Zeit wird dein Volk gerettet, jeder, der im Buch verzeichnet ist. Von denen, die im Land des Staubes schlafen, werden viele erwachen, die einen zum ewigen Leben, die anderen zur Schmach, zu ewigem Abscheu. Die Verständigen werden glänzen wie der Glanz der Himmelsfeste und die Männer, die viele zum rechten Tun geführt haben, wie die Sterne für immer und ewig.“ (Dan 12, 1-3).

Wenn wir von hier auf den Ausgangspunkt zurückblicken, dann erschließt sich der heilspädagogische Sinn dieses Weges: Ohne die Gottesbeziehung gibt es keine davon losgelöste „Unsterblichkeitshoffnung“ (wie in Ägypten). Alle Hoffnung kommt aus der Hoffnung auf den Gott, der absolut lebendig ist und der Leben schenkt. Schlussendlich soll alle Wirklichkeit in diese Beziehung des Lebens hineingenommen werden. Genau dies heißt Auferstehung von den Toten.

Jesus löst den Widerspruch auf

Jesu ebenso konzentrierte wie brillante Antwort muss genau im Licht des gerade Skizzierten gelesen werden. In diesem Licht wird sie ganz durchsichtig. Seine Antwort hat zwei Teile. Der erste Teil argumentiert: Eure Prämisse ist falsch und deshalb geht eure These nicht auf, dass die Auferstehungshoffnung im Licht der Tora zu absurden Konsequenzen führt. Ihr deutet die „himmlische“ Bedeutung der Leviratsehe falsch, weil ihr nicht wirklich verstanden habt, was Auferstehung überhaupt meint.

Jedenfalls: Auferstehung bedeutet radikale Verwandlung der Welt und nicht, dass diese Welt „auf ewig“ weiterläuft. Die Ehe gehört allein dieser zeitlichen Ordnung an. Sie hat ihren Ort in der Welt des Werdens und Vergehens, der Fortpflanzung und des Todes. Dort allein hat sie ihren Sinn. In der Welt der Auferstehung aber ist das Leben in der Beziehung zu Gott engelgleich verstetigt. Das heißt nicht: Ohne personale Liebe auch zu geliebten Menschen. Aber die „Institution“ der Ehe als Ordnung der Geschlechtlichkeit hat hier keinen Sinn mehr. Das Auferstehungsleben ist also leiblich, geschöpflich und welthaft. Aber nicht mehr in der Weise der Zeit und des Werdens, eines bloßen „Weiterlaufens“, sondern in der Weise der Vollendung, der vollendeten Leiblichkeit, vollendeter Geschichte, vollendeter Schöpfung: In der Unmittelbarkeit zu Gott, durchflutet von seinem Licht und Leben, total davon bestimmt. Und deshalb auch anders, zwar mit sich selbst identisch, aber verwandelt.

Genau so redet auch Paulus und bringt es auf seine Weise auf den Punkt: „So auch die Auferstehung der Toten. Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Schwachheit und wird auferstehen in Kraft. Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib. Gibt es einen natürlichen Leib, so gibt es auch einen geistlichen Leib.“ (1Kor 15, 42-44).

Diese Andersheit nennen wir theologisch „Verklärung“. Wie gesagt: Dies alles wächst daraus, dass die licht- und lebensvolle Beziehung zu Gott, die unsere Existenz dann total bestimmt, durchdringt und formt. Auferstehung heißt dann nichts anderes als einzugehen in diesen Vollendungszustand unserer Gottesbeziehung. Deshalb sind, wie Jesus sagt, die „Kinder der Auferstehung“ die (vollendeten) „Kinder Gottes“.

Und deshalb kann Jesus die Auferstehung dann auch in der Tora entdecken – der Grundlage, die die Sadduzäer für die theologische Argumentation akzeptieren: Wenn der Gott des absoluten Lebens seinen heiligen Namen offenbart und sich vorstellt als der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und Gott Jakobs, dann kann in dieser Selbstoffenbarung keine Spur von Tod sein. Denn wo dieser Gott ist, dort ist Leben und Licht schlechthin. Es ist reine, uneingeschränkte Gegenwart von Licht und Leben. Wer in diese Beziehung aufgenommen ist, wird von dieser einfachen Gegenwart bestimmt, jetzt noch verborgen, aber wirklich, in der Auferstehung unmittelbar und offenbar. Und deshalb verweist die Rede vom Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs auf die Gegenwart des Lebens, redet von in Gott jetzt Lebendigen und nicht von Toten einer immer ferneren Vergangenheit. Das wäre des lebendigen Gottes schlicht und ergreifend unwürdig: „Denn für ihn leben sie alle.“


Dr. theol. Martin Brüske
Martin Brüske, Dr. theol., geb. 1964 im Rheinland, Studium der Theologie und Philosophie in Bonn, Jerusalem und München. Lange Lehrtätigkeit in Dogmatik und theologischer Propädeutik in Freiburg / Schweiz. Unterrichtet jetzt Ethik am TDS Aarau. Martin Brüske ist Mitherausgeber des Buches “Urworte des Evangeliums”.


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