Warum „rechts“ nicht weniger oder mehr legitim als „links“ ist

Cancel Culture beim bischöflichen Internet-Portal? Stephan Raabe äußert sich als Betroffener und stellt hier zur Diskussion, ob sein bereits veröffentlichter Kommentar objektiv Anlass zur Löschung gab. Inhalt des Beitrags: rechts versus links

katholisch.de ist das Nachrichten- und Erklärportal der katholischen Kirche in Deutschland im Internet. Es arbeitet im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz. Man wird dem Portal nicht allzu sehr Unrecht tun, wenn man es eher im linksliberalen Bereich und bei den deutschen Kirchenreformisten verortet. Dementsprechend sind dort Queerness, Homosexualität, Weihe von Frauen, Zölibat, neue Lehren bezüglich der Kirchenkonstitution und kirchlichen Morallehre sowie die „Warnung gegen rechts“ bevorzugte Themen. Kürzlich erst wurde auf dem Portal einem emeritierten Salzburger Theologen das Forum geboten, um Papst Leo XIV. ob seiner nicht ausreichend an deutschen Reformvorstellungen orientierten Äußerungen als „Leichtmatrosen auf dem schlingernden Kirchenschiff“ zu disqualifizieren.[1] Recht bezeichnend für den Kurs und das Niveau, auf dem das bischöfliche Portal im Internet mitunter segelt.

Transparenz sieht anders aus

Pluralismus und Kontroversität gibt es bezüglich der Themenagenda des Kirchen-Portals kaum. Diese werden jedoch durch einen Teil der Leserschaft eingebracht, die sich angesichts der bevorzugten Streitthemen nicht selten deutlich kritisch zu Wort meldet. Allerdings geschieht das unter der strengen Kontrolle der Redaktion mit Bezug auf die eigene „Netiquette“. Das wiederum führt des Öfteren zu Löschungen kritischer Beiträge, wobei die Gründe dafür nicht immer deutlich sind. Fragt man bei der Redaktion nach, die einem immerhin die gecancelten Beiträge zur Verfügung stellt, so dass sie nicht ganz verloren gehen, dann heißt es nur: Einzelheiten der Moderation, die tatsächlich eine Zensur ist, würden nicht besprochen, eine Begründung wird also verweigert. Transparenz sieht anders aus. Auf diese Weise beteiligt sich die Redaktion des bischöflichen Internetforums in ziemlich beliebiger Weise an der mittlerweile oft beklagten Verengung der Diskussionsräume über das der „Nettigkeit“ geschuldete Maß hinaus und räumt kritische Beiträge einfach ab.

Ausgrenzung, getarnt als “Nettigkeit”

Dies traf auch meine kritische Reflexion über die undifferenzierte Verwendung der politischen Kategorie „rechts“ in der Überschrift und Einleitung zu einem „Standpunkt“, in dem zum wiederholten Male dazu aufgefordert wurde, wachsam zu sein „vor der Gefahr von Rechts für den Katholizismus“, da der „konservative Katholizismus nach rechts abdriften“ könne.[2] Durch dieses begriffliche Framing wird das rechte politische Spektrum, das in einer pluralistischen Demokratie weder mehr noch weniger legitim ist als das linke oder das der Mitte, diskriminiert und abgekanzelt, so dass mittlerweile „rechts“ nahezu unterschiedslos für rechtsradikal oder rechtsextrem steht, jedenfalls politisch als illegitim gilt. Es geht bei meiner Kritik also nicht um die durchaus vorhandenen Gefahren auch im rechten Spektrum der Politik, wie es sie ebenso im linken Spektrum gibt, sondern um die unbedarfte oder aber politisch absichtsvolle begriffliche Ausgrenzung „rechter“ oder auch „konservativer“ Politik bzw. eines konservativen oder rechten Katholizismus. Diese Form der einseitigen Politisierung ist für Kirche – mehr noch als die Politisierung generell – nicht gut und für ein bischöfliches Portal, das sich die Einordnung von wichtigen Debatten in Kirche und Gesellschaft auf die Fahnen geschrieben hat, unangemessen.

Aber bitte urteilen Sie selbst, ob es aus Gründen der „Netiquette“ im Umgang notwendig ist, folgende Zeilen zu unterdrücken, die auf dem Facebook-Account von katholisch.de bereits bei Lesern positiven Zuspruch bekommen hatten. Hier der gelöschte Beitrag:

Wachsamkeit vor der Gefahr von links

Schade, dass einige kritische Beiträge der Zensur durch katholisch.de zum Opfer gefallen sind. Klare Begriffe und klares Denken bedingen einander. Links und rechts sind Kategorien, die das politische Spektrum kennzeichnen. Ich habe mich immer als Christdemokrat verstanden, also als einer Volkspartei zugehörig, die ein weites Spektrum vom Sozialen über das Wirtschaftsliberale bis zum Wertkonservativen hat. Die Parteien, die links von der Christdemokratie stehen, haben uns gemeinhin als „rechts“ oder „konservativ“ etikettiert, wiewohl das nur zum Teil stimmt. In Zeiten, in denen der Kampf gegen „rechts“ ausgerufen wird, sage ich nun manchmal etwas provokativ: Ich bin „rechts“ und „wertkonservativ“. Ist das etwa weniger legitim als „links“ und „progressiv“ zu sein? Nur wer eine von links ideologisch beschränkte Demokratie befürwortet, die keine wirkliche Demokratie mehr ist, wird die Frage bejahen. Liberale Toleranz als Lebenselixier der rechtsstaatlich pluralistischen Demokratie degeneriert dann zur „repressiven Toleranz“ unter linken Auspizien. Anzeichen dafür erleben wir täglich und finden sich in der unbedachten oder aber absichtsvollen Parole des „Kampfes gegen Rechts“. Wachsamkeit und Widerständigkeit gegen diese Gefahr für die Demokratie von links ist notwendig.


[1] Theologe nennt Papst „Leichtmatrose“ und warnt vor Kentern der Kirche – katholisch.de

[2] Wachsam sein vor der Gefahr von Rechts für den Katholizismus – katholisch.de


Stephan Raabe
ist als Projektleiter in Bosnien und Herzegowina tätig. Er studierte Geschichte, Kath. Theologie, Philosophie und Politik für das Schullehramt in Bonn und München, machte einen Magisterabschluss, arbeitete anschließend zehn Jahre in der Jugendseelsorge im Erzbistum Berlin, war 2002/03 Bundesgeschäftsführer des Familienbundes der Katholiken und als solcher Mitglied im ZdK, ging dann für die Konrad-Adenauer-Stiftung nach Polen und Weißrussland und leitete danach das Politische Bildungsforum der Stiftung in Brandenburg. Publizistisch setzte er sich immer wieder kritisch mit der „Weiterentwicklung“ der Kirche in Deutschland auseinander. 


Beitragsbild: Adobe Stock

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