Der deutsch-polnische Bischofsstreit und der Papst. Stephan Raabe hat das Schreiben des Vorsitzenden der Polnischen Bischofskonferenz an Papst Franziskus übersetzt und dokumentiert im Anschluss an den Text auch die Reaktion des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. Die Texte lesen sich als handelten sie von zwei verschiedenen Lehren.

Von „Irrlehren“ und „Verschwörungstheorien“

Der Ton wird schärfer, der Streit spitzt sich zu. Aus Anlass der Versendung der „Entscheidungen“ des deutschen „Synodalen Wegs“ an alle Bischöfe weltweit durch die Deutsche Bischofskonferenz schreibt der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz zu Beginn der Weltbischofssynode an den Papst. Auf drei Seiten äußert er die Sorge, dass die apostolische Tradition der Kirche durch eine woke Gendermoral und Irrlehren aus Deutschland infiltriert werden könnte und die Bischofssynode dazu missbraucht werde, „deutsche Thesen zu autorisieren, die offenkundig im Widerspruch zur Lehre der katholischen Kirche stehen“. Dabei wendet er sich gegen eine Dezentralisierung von Lehre und Konstitution der Kirche, die anderen Bischofskonferenzen dann möglicherweise als katholisch aufgezwungen würden, „trotz ihres eindeutig nichtkatholischen Charakters“.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz antwortet ihm auf mehr als vier Seiten entrüstet und verbittet sich diese – wie er meint – sachlich falsche und zudem „unbrüderliche“ Kritik, die er „als eine gewaltige Überschreitung seiner Befugnisse“ ansieht. Er spricht von „Missverständnissen“, Unverständnis, sogar von „Verschwörungstheorien“, „Verleumdung und Vorurteilen“, aber auch von einer „kritischen Situation der gegenseitigen Entfremdung und Verbitterung“, in der er „Zuhören und Dialog“ erfahren möchte von der polnischen Seite. Allerdings ist es damit von Seiten des „Synodalen Weges“ in Blick auf die Kritiker – den Papst, nicht wenige Bischöfe weltweit und Katholiken in Deutschland – auch keineswegs gut bestellt. Bezüglich der Durchsetzung der neuen Kirchenlehren aus Deutschland setzt er auf die Unterstützung der Weltbischofssynode sowie auf Vielfalt statt Einheit in der Kirche.

In einer persönlichen Arbeitsübersetzung aus dem Polnischen dokumentiere ich die Schreiben vom 9. Oktober und 21. November 2023, die beide am 26. November 2023 in der Rzeczpospolita, einer der großen Tageszeitungen in Polen, veröffentlicht wurden.1 Die Deutsche Bischofskonferenz hat die Briefe merkwürdigerweise „bisher nicht zugänglich gemacht, obwohl der Streit der Bischöfe nach Inhalt und Ton für Aufsehen sorgte. Es ist für die deutschen Katholiken aber ebenso wie für die polnischen Katholiken gut zu wissen, was und wie der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz 58 Jahre nach dem berühmten polnischen Bischofswort mit dem Satz: „Wir vergeben und wir bitten um Vergebung“ in Polen kommuniziert und was die polnischen Bischöfe über die Vorstellungen in wesentlichen Teilen der Kirche in Deutschland denken.

Ein Dokument des Zwiespalts in Teilen der Kirche

Denn der Briefwechsel ist ein Dokument des grundlegenden Zwiespalts in Teilen der Kirche, den Papst Franziskus gerade durch mehr Synodalität, also Weggemeinschaft, vermeiden will. Dabei geht es um die fundamentale Frage: „Macht die Wahrheit frei oder die Freiheit wahr“, so der Dogmatiker Karl-Heinz Menke2, die maßgeblich ausgehend von Deutschland in Kirche und Theologie mittlerweile zu einer dramatischen Polarisierung führt. Faktum ist dabei, dass der deutsche „Synodale Weg“, der keine kirchliche Synode ist, sich im massiven Widerspruch zur geltenden Morallehre und Konstitution der Kirche sowie im offenen Ungehorsam zum Papst befindet. Darüber schweigt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz wortreich.

Tatsächlich wäre der „Synodale Weg“ aber eine Revolution in der Kirche, auch wenn das der Brief aus Deutschland in Abrede stellt. Das hat der Papst wie auch der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz klar erkannt. Während sie die hierarchische Ordnung der Kirche in Frage gestellt sehen, weist Bischof Bätzing das strikt zurück. Während das Lehramt die Möglichkeit der Untersuchung der Weihe von Frauen einräumt, fordert der „Synodale Weg“ diese einfach. Faktum ist ebenso: „Die einzige Objektivität des Glaubens ist die Subjektivität der Kirche“ mit und unter dem Papst, wie der große Theologe Karl Rahner einmal feststellte.3 Eine andere Objektivität haben wir nicht, schon gar nicht eine regional-kulturell-synodal beschränkte, wie zurzeit in Deutschland.


1 Rzeczposplita vom 26.11.2023: Deutsch-polnischer Bischofsstreit. Es geht um einen Brief an den Papst, Niemiecko-polski spór biskupów. Chodzi o list do papieża – rp.pl

2 Macht die Wahrheit frei oder die Freiheit wahr? Eine Streitschrift, Regensburg 2017.

3 „Denn die Objektivität des Glaubens ist garantiert durch den Geist Gottes, der alles beurteilt, von niemand aber beurteilt wird. Dieser Geist aber ist in der Kirche als ihre Subjektivität, und sonst nirgends. Das letzte Maß kann man nicht messen wollen.“ Karl Rahner: „Ich glaube die Kirche“, in: ders., Schriften zur Theologie, Bd. VII, Einsiedeln, Zürich, Köln 1966, S. 103 – 120, hier 113.

 


Rom, 9. Oktober 2023

Brief des Vorsitzenden der Polnischen Bischofskonferenz, des Erzbischofs von Posen, Stanisław Gądecki, an Papst Franziskus (Hervorhebungen vom Übersetzer)

Eure Heiligkeit,

am Tag des Synodenbeginns erhielt ich per E-Mail ein Dokument mit dem Titel „Entscheidungen des Synodalen Wegs der Katholischen Kirche in Deutschland“. Ausgangspunkt für die Analyse der Situation der katholischen Kirche dort ist die Krise des sexuellen Missbrauchs in der deutschen Kirche. Die Autoren schämen sich offenbar so sehr für die Art und Weise, wie deutsche Bischöfe auf Berichte über sexuellen Missbrauch durch Geistliche reagierten, dass sie beschließen, eine moralische und rechtliche Revolution in der Weltkirche durchzuführen. Es scheint jedoch, dass es sich dabei nicht um eine vom Evangelium, sondern vielmehr von linksliberalen Ideologien inspirierte Revolution handeln würde.

Im Instrumentum laboris (B 3.4) (zur Bischofssynode, Anm. des Übersetzers) wurde die Frage nach dem Grad der Lehrautorität gestellt, der der Urteilsfindung einer einzelnen Bischofskonferenz und einer kontinentalen Versammlung zugeschrieben werden kann. Die Frage ist, ob sie „als Einheiten mit spezifischen Kompetenzen, einschließlich einer gewissen authentischen Lehrautorität, verstanden werden können?“ Es scheint, dass wir bei der Suche nach einer Antwort nicht davon absehen können, was im Zusammenhang mit dem von Ihrer Heiligkeit angekündigten Synodenprozess passiert ist und was einen offenen oder verborgenen Einfluss auf den Verlauf der Sitzungen der Synode in Rom haben könnte.

Die drei Hauptthemen sind die Veränderung der Kirchenkonstitution, die Veränderung der Lehre zur Sexualmoral und die Ordination von Frauen zum Diakonat und zum Priestertum. Das erste ist eine unabdingbare Voraussetzung für das Erreichen der nachfolgenden Ziele. Ausgangspunkt ist das Prinzip der Inkulturation. Die Kirche soll der Welt möglichst ähnlich werden, die in ihrer liberal-demokratischen Variante ein Vorbild des Humanismus sei. Die Kirche „schätzt die Demokratie“, aber nur, wenn sie auf dem richtigen Menschenbild gründet. Sie erinnert uns auch daran, dass „[sie] (die Demokratie, Anm. des Übersetzers) leicht in offenen oder verdeckten Totalitarismus umschlägt“ (Centesimus anno 46) (Sozialenzyklika Papst Johannes Paul II. vom 1.5.1991, Anm. des Übersetzers). Es stellt sich die Frage: Wo funktioniert eigentlich Demokratie auf der Grundlage des richtigen Menschenbildes, also der Achtung des Rechts auf Leben jedes Menschen vom Augenblick der Empfängnis bis zum natürlichen Tod? Darüber hinaus ist die liberale Demokratie trotz all ihrer guten Eigenschaften sicherlich nicht das einzig gute System. Es genügt, sich an die Klassifizierung politischer Systeme durch Aristoteles zu erinnern.

Der Synodale Weg fordert, dass die Kirche das heute im Westen vorherrschende politische System übernimmt, zusammen mit allen Funktionsprinzipien der demokratischen Bürokratie, angefangen bei der Aufsicht der Laien über den Klerus, der Transparenz der Entscheidungsprozesse und der Beteiligung von Laien an der Besetzung kirchlicher Ämter und der Bestimmung der Amtszeit. Die Macht des Papstes und der Bischöfe soll begrenzt sein und der Aufsicht der Laien unterliegen, die in einer parallelen Machtstruktur zur Hierarchie organisiert sind.

Das zweite Thema ist die Segnung verschiedener Arten nichtsakramentaler Verbindungen, einschließlich gleichgeschlechtlicher Verbindungen. Man könnte sich fragen, warum es nötig ist, Menschen, die in Sünde leben, zu segnen? Die Antwort ist relativ einfach: Diese Menschen beantragen den Segen selbst, und außerdem leben diese Menschen – wie die Autoren des Dokuments behaupten – nicht in Todsünde und sind nicht der Gnade beraubt. Eine Sünde ist es jedoch, wenn die Lehre der Kirche, die nicht nur als unbarmherzig und diskriminierend empfunden werde – so die Autoren, für die Verfolgung und den Selbstmord von Transgender-Personen verantwortlich gemacht wird. Der Kirche sei es nicht gestattet, menschliches Verhalten, das im Namen der Liebe unternommen wird, negativ zu bewerten. Liebe rechtfertige alles und mache alles gut. Alles, was Ausdruck von Selbstbestimmung sei, sei grundsätzlich gut und sollte von der Kirche als solches anerkannt werden. Anerkennung bedeutet hier, einen Segen zu geben. Dank der erlangten Benedictio (und nicht durch Bekehrung) wollen die Menschen ihr Leben auf Gott ausrichten, auch wenn ihr Handeln weiterhin im Widerspruch zu Gottes Gesetz steht.

Traditionell unterliegen in der Lehre der Kirche Beziehungen zwischen Menschen, auch sexuelle Beziehungen, einer moralischen Bewertung. Der Heilige Augustinus war erstaunt darüber, dass nicht nur Heilige und Menschen, die Gott von ganzem Herzen ergeben waren, sich in ihrem Leben von der Liebe leiten ließen, sondern auch hartgesottene Sünder. Denken wir nur an die Räuber auf den Straßen, die lieber schwerste Folter ertragen würden, als die Namen ihrer Kameraden preiszugeben. „Sie wären dazu nicht fähig, wenn sie nicht eine große Fähigkeit zur Liebe hätten“ (Facere tamen ista sine magno amore non poterunt)1. Es gibt jedoch zwei Arten von Liebe: „Gottes Liebe, die bis zur Selbstverachtung geht“ und „Selbstliebe, die sogar bis zur Verachtung Gottes geht“2. Daher rechtfertigt die Liebe nicht alles und macht nicht alles gut. Im Einklang mit dem katholischen Ansatz behandeln wir jeden Menschen mit Respekt, aber nicht jede menschliche Entscheidung.

Die Autoren des Dokuments erwarten, dass die Kirche neben der sakramentalen Ehe als gut und zur Heiligung führend auch „freie Lebenspartnerschaften“, zivile Lebenspartnerschaften, partnerschaftliche Beziehungen, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften usw. anerkennt. Ihre gesellschaftliche Akzeptanz muss – nach ihrer Meinung – in der Liturgie der Kirche zum Ausdruck gebracht werden. Wenn man sich das anhört, muss man bedenken, dass angesichts der Dynamik dieses Prozesses in der säkularen Welt die Legalisierung von Lebenspartnerschaften nur der erste Schritt auf dem Weg zur „Ehe für alle“ ist. Die vorgeschlagene vacatio legis, also heute eine Entscheidung zu treffen und diese „erst“ im März 2026 umzusetzen, soll den Widerstand der Gläubigen schwächen (hier es geht um die Einsetzung eines Synodalen Rats in Deutschland, die der Papst untersagt hat, Anm. des Übersetzers). Laut des Synodalen Weges sollte die gesamte Lehre der Kirche zum Thema Gender grundlegend geändert werden, da sie nicht dem Selbstverständnis von Transgender-Menschen entspricht. Sie enthält nur – wie sie sagen – kirchliche „Unterstellungen“. Die Agenda umfasst auch eine Neuinterpretation der Bibel, einschließlich Genesis 1:27.

Die Autoren des Dokuments machen eine Reihe praktischer Vorschläge, die von der Nichtangabe des Geschlechts des Kindes in der Taufurkunde über die Möglichkeit, den Namen und das Geschlecht in der Taufurkunde zu ändern, bis hin zur Gewährung des Zugangs zu den Sakramenten, einschließlich des Priestertums und des geweihtes Leben, für Transgender reichen, bis hin zur Verpflichtung, in der Kirche eine nichtdiskriminierende Sprache zu verwenden und Schulungen für Geistliche im Umgang mit Transgender-Menschen durchzuführen. Alles im Namen der sogenannten neuesten Errungenschaften der Sozialwissenschaften. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die von dem Synodalen Weg zitierten wissenschaftlichen Erkenntnisse falsch sind, ähnlich wie im Fall einer anderen einmal populären Theorie des Rassismus.

Wenn den Bischofskonferenzen oder Kontinentalversammlungen Lehrkompetenz zuerkannt würde, würden die oben genannten Thesen als katholisch gelten und – möglicherweise – trotz ihres eindeutig nichtkatholischen Charakters anderen Konferenzen der Kontinentalversammlung aufgezwungen werden.

Als Vorsitzender der Polnischen Bischofskonferenz, mit kindlicher Hingabe und Respekt für das apostolische Amt des Nachfolgers des hl. Petrus und gleichzeitig mit Besorgnis und Trauer über die Entscheidungen des deutschen Synodalen Weges, möchte ich den Heiligen Vater auf diese äußerst inakzeptablen und unkatholischen Thesen des Synodalen Weges aufmerksam machen, im Vertrauen darauf, dass die apostolische Überlieferung, deren Hüter und Treuhänder Ihre Heiligkeit ist, intakt bleiben wird.

Das Bewusstsein um die Kraft, die in der Wahrheit liegt, weckt in mir die Hoffnung auf die laufende Synode, dass sie nicht in irgendeiner Weise manipuliert und dazu missbraucht wird, deutsche Thesen zu autorisieren, die offenkundig im Widerspruch zur Lehre der katholischen Kirche stehen.

Ich vertraue das Leben und den Dienst Eurer Heiligkeit der Mutter der Kirche an, versichere Sie der Gebete der Gläubigen und Hirten der Kirche in Polen und bitte Sie um Ihren apostolischen Segen.

Mit kindlicher Hingabe

+ Stanisław Gądecki

Metropolitan-Erzbischof von Posen
Vorsitzender der Polnischen Bischofskonferenz

(Erzbischof Gądecki ist promovierter Exeget und war langjähriger Hochschuldozent für Biblische Theologie. Er spricht italienisch, englisch, französisch und deutsch, Anm. des Übersetzers)


Anmerkungen:

1 Heiliger Augustinus, Discorsi III/2 (151-183) sul Nuovo Testamento, Citta’ Nuova Editrice, Roma 1990, 169, 11, 14, s. 794.

2 Fecerunt itaque civitates duas amores duo, terrenam scilicet amor sui usque ad contemptum Dei, caelestem vero amor Dei usque ad contemptum sui. Denique illa in se ipsa, haec in Domino gloriatur (Heiliger Augustinus, Vom Gottesstaat, XIV, 28, Antyk-Verlag, Kęty 1988, s. 546).

 


Bonn, 21. November 2023

Brief des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing, an den Vorsitzenden der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanisław Gądecki (Hervorhebungen durch den Übersetzer)

Lieber Herr Erzbischof, lieber Bruder im bischöflichen Amt,

mit einiger Bestürzung und großer Enttäuschung habe ich die Nachricht von dem Brief zur Kenntnis genommen, den der Herr Erzbischof (polnisch: Priester Erzbischof, Anm. des Übersetzers) am 9. Oktober 2023 an den Heiligen Vater sandte und der kürzlich veröffentlicht wurde. Wir haben in den vier Wochen der Synode mehrmals miteinander gesprochen. Es ist – erlauben Sie mir bitte, es offen zu sagen – ein sehr unsynodales und unbrüderliches Verhalten, dass der Herr Erzbischof in diesen Gesprächen kein Wort über diesen Brief an mich verloren hat. Statt Dialog wählte der Herr Erzbischof einen Brief an Papst Franziskus, in dem er sich mit großer Heftigkeit und mit ungenauen und falschen Aussagen über den Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland beklagt.

Der Herr Erzbischof hat mir diesen Brief weder in dem Kontext vorgelegt, in dem er verfasst wurde, noch hat er dies vor seiner Veröffentlichung getan. In seinem fast dreiseitigen Brief beurteilt der Herr Erzbischof nicht nur die 326-seitige Textsammlung, sondern insbesondere den über drei Jahre währenden Synodalen Weg der Katholischen Kirche in Deutschland, bei dem Tausende von Gläubigen, Hunderte von Menschen aus verschiedenen (speziellen) Fachdisziplinen sowie alle Bischöfe der Kirche in Deutschland engagiert waren. Übrigens blicke ich mit Freude und Dankbarkeit darauf zurück, dass auch ein Vertreter der Kirche Ihres Landes an mehreren Synodalversammlungen in Frankfurt teilgenommen hat.

Ich lehne dieses Verhalten des Herrn Erzbischofs, den Ton seines Briefes sowie die Art und Weise, wie er die Fakten dargelegt hat, entschieden ab und wähle daher einen anderen Weg, indem ich direkt an den Herrn Erzbischof schreibe und den Heiligen Vater darüber informiere. Die Öffentlichkeit – auch die polnische – werde ich zu einem späteren Zeitpunkt informieren.

In seiner Darstellung legt der Herr Erzbischof großen Wert darauf, der eigenen Katholizität den Widerspruch zur katholischen Lehre gegenüberzustellen, den er der katholischen Kirche in Deutschland vorwirft. Allerdings stelle ich mir die Frage, nach welchem Recht der Vorsitzende der Bischofskonferenz einer bestimmten Kirche es wagt, über die Katholizität einer anderen Ortkirche und ihres Episkopats zu urteilen. Lassen Sie mich daher klar zum Ausdruck bringen, dass ich den Brief des Herrn Erzbischofs als eine gewaltige Überschreitung seiner Befugnisse betrachte.

Der guten Sache halber möchte ich jedoch auf die wesentlichen inhaltlichen Aspekte des Briefes des Herrn Erzbischofs eingehen, denn es ist mir wichtig, diese Angelegenheiten nicht sich selbst zu überlassen.

Ich möchte zunächst sagen, dass die E-Mail, mit der die Texte der Beschlüsse des Synodalen Weges der katholischen Kirche in Deutschland verschickt wurden, an alle Bischöfe weltweit ging und nicht an alle Mitglieder der Synode. Sie wurde nicht am ersten Tag der Synode, dem 4. Oktober 2023, verschickt, sondern einige Tage früher, am 29. September 2023. Dieses Datum war allein auf die Arbeit zur Vervollständigung des Textbandes zurückzuführen, es ist mir aber während der Synode aufgefallen, dass hier eine weitere Absicht angenommen wurde, die nicht bestand. Anlass für den Versand war der Wunsch, Transparenz über die Ergebnisse des Synodalen Weges zu gewährleisten. Allerdings ist in den Texten nirgendwo die Absicht zu finden, eine Revolution in der Weltkirche durchzuführen.

Ausgangspunkt des Synodalen Weges war die tiefe Besorgnis über Fälle sexueller Gewalt in der Kirche und die höchst problematische Art und Weise, wie sie in der Kirche behandelt wurden. Dabei geht es nicht um „Scham“, sondern um die Auseinandersetzung mit den systemischen Bedingungen in der katholischen Kirche, die solchen Missbrauch begünstigen. Damit zeigen wir, dass wir der Bischofssynode völlig zustimmen, in deren Zusammenfassung wir unter Punkt 1.e lesen: „Wir haben noch einen langen Weg zu Versöhnung und Gerechtigkeit vor uns, der eine Auseinandersetzung mit den strukturellen Bedingungen erfordert, die solche Missbräuche ermöglicht haben, und der gleichzeitig konkrete Gesten der Buße setzt.“ Trotz aller Probleme, die dieses Thema in Deutschland mit sich bringt, ist es nach allem, was wir darüber wissen, fraglich, ob die Situation hier schlimmer ist als in anderen Ländern. Deshalb sei „der Weg der Buße und Erneuerung“ (Präambeltext Nr. 1) nicht nur in Deutschland dringend notwendig.

Der Herr Erzbischof verknüpft seine Kritik mit der These, dass durch den Synodalen Weg demokratische Grundsätze in die Kirche eingeführt werden. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass es in der katholischen Kirche bereits viele Strukturelemente gibt, die den in modernen rechtsstaatlich-demokratischen Staatsstrukturen geltenden Abläufen und Strukturen entsprechen. Es lag daher auf der Hand, dass am Ende der Bischofssynode eine ausführliche und formal korrekte Abstimmung über die Annahme des Synthesetextes durchgeführt wurde. Es besteht daher kein Widerspruch zur kirchlichen Lehre, bewährte Verfahren einzuführen, die der Transparenz der Kirchenleitung und der Beteiligung der Gläubigen dienen.

Die Synode schreibt in diesem Zusammenhang unter anderem: „Aus der Perspektive des biblischen Ursprungs der kirchlichen Gemeinschaft: Wie lassen sich die beratenden und zur Entscheidung führenden Aspekte der Synodalität miteinander verknüpfen? Auf der Grundlage des Zusammenwirkens von Charismen und Diensten im Volk Gottes: Wie integrieren wir die Aufgaben der Beratung, der Unterscheidung und der Entscheidung in den verschiedenen partizipatorischen Gremien?“ (Synthese 18. g) Um jedoch ein weiteres Missverständnis in dieser Hinsicht zu vermeiden: An keiner Stelle der Beschlüsse des Synodalen Weges in Deutschland wird die hierarchische Struktur der katholischen Kirche grundsätzlich in Frage gestellt. Ziel des Synodalen Weges ist die Stärkung des Episkopats und des Papsttums, nicht ihre Schwächung. Selbstverständlich muss ein Diskurs über die zeitgemäße Organisation von Leitung möglich sein. Die Kirche hat hier stets die notwendigen Anpassungen vorgenommen.

Ich bin besorgt über die distanzierte Haltung des Herrn Erzbischofs gegenüber der modernen parlamentarischen Demokratie, für die neben den Grundsätzen der verfassungsmäßigen Ordnung, der Volkssouveränität, der Rechtsstaatlichkeit, der Gewaltenteilung, des Minderheitenschutzes und des Wohlfahrtsstaates die Anerkennung der Menschenwürde und der Menschenrechte besonders wichtig ist. Gerade angesichts des weltweiten Trends zu zunehmend autokratischen und sogar diktatorischen Regierungsformen sollte unsere Nationen, die unter Diktaturen gelitten haben, das Anliegen vereinen, welches darin besteht, demokratische Errungenschaften zu stärken und sie nicht zu schmälern.

Zur Diskussion um den Lehrbrief „Ordinatio sacerdotalis“ (Apostolisches Schreiben von Papst Johannes Paul II. vom 22.5.1994 über die priesterliche Weihe, Anm. des Übersetzers) und seine Aussagen zur Zulassung von Frauen zur Priesterweihe erklärte das Dikasterium für die Glaubenslehre kürzlich, „dass eine klare und verbindliche Doktrin über die genaue Natur einer ‚endgültigen Erklärung‘ noch nicht vollständig entwickelt worden ist. Es handelt sich nicht um eine dogmatische Definition, obgleich sie von allen akzeptiert werden muss. Niemand darf ihr öffentlich widersprechen, und doch kann sie Gegenstand von Untersuchungen sein, wie im Fall der Gültigkeit von Weihen in der Anglikanischen Gemeinschaft.“ („Dubia-Antworten“ 4. c; Vatikanische Nachrichten vom 2. Oktober 2023).

Mit dieser Formulierung sehen wir die Möglichkeit entsprechender Untersuchungen. Andererseits befasste sich die Bischofssynode mit dem Thema der Ordination von Frauen als Diakoninnen und beschloss, dieses Thema im Oktober 2024 erneut aufzugreifen (vgl. Synthese 9. n.). Dieses Thema ist auch ein gutes Beispiel für die Funktionsweise des Synodalen Wegs: Kern des Konsultationsergebnisses ist ein Auftrag an uns Bischöfe, die oben genannten Themen in den weltweiten kirchlichen Diskurs einzubringen. Selbstverständlich habe ich dies während der Synode getan und war positiv überrascht von der Erfahrung, dass diese Frage auch in anderen Teilkirchen gestellt wird.

Auch im Hinblick auf gleichgeschlechtliche Paare, die sich der Kirche zuwenden, möchte ich auf die Worte der Synode verweisen: „Auf unterschiedliche Weise bitten auch Menschen, die sich aufgrund ihrer Ehesituation, ihrer Identität und ihrer Sexualität an den Rand gedrängt oder von der Kirche ausgeschlossen fühlen, darum, dass ihnen zugehört wird und sie begleitet werden und dass ihre Würde verteidigt wird. Auf der Vollversammlung wurde ein tiefes Gefühl der Liebe, der Barmherzigkeit und des Mitgefühls für Menschen wahrgenommen, die sich von der Kirche verletzt oder vernachlässigt fühlen und die sich einen Ort wünschen, an dem sie ‚nach Hause‘ kommen und sich sicher fühlen können, wo ihnen zugehört wird und sie respektiert werden, ohne dass sie Angst haben müssen, verurteilt zu werden. Zuhören ist eine Voraussetzung für die gemeinsame Suche nach dem Willen Gottes. Die Vollversammlung bekräftigt, dass Christen die Würde eines jeden Menschen zu achten haben.“ (Synthese 16 h)

Besonders dieser letzte Halbsatz erscheint mir entscheidend. Erforderlich ist der Verzicht auf ein Urteil statt beispielsweise einer böswilligen Gleichsetzung mit Banditen, die ich leider in der Argumentation des Herrn Erzbischofs gelesen habe. Die Position der Synode steht völlig im Einklang mit den Worten von Papst Franziskus, der in Amoris Laetitia (Nachsynodales Apostolisches Schreiben vom 19.3.2016, Anm. des Übersetzers) sagte: „Es ist wahr, dass wir uns manchmal ‚wie Kontrolleure der Gnade und nicht wie ihre Förderer [verhalten]. Doch die Kirche ist keine Zollstation, sie ist das Vaterhaus, wo Platz ist für jeden mit seinem mühevollen Leben‘.“ (Nr. 310) Vor diesem Hintergrund stellt sich in anderer Weise die Frage, ob es möglich ist, Paaren, die darum bitten, einen Segen zu verweigern. Ich muss nicht betonen, dass es eine klare Unterscheidung und Abgrenzung zur sakramentalen Ehe gibt. Aus der Perspektive des Synodalen Weges ist dies offensichtlich.

Aus anthropologischer Sicht kann ich nur betonen, was auch die Synode gesagt hat: „Manchmal reichen die anthropologischen Kategorien, die wir entwickelt haben, nicht aus, um die Komplexität der Elemente zu erfassen, die sich aus der Erfahrung oder dem Wissen der Wissenschaften ergeben, und erfordern eine Vertiefung und weitere Untersuchungen.“ (Synthese 15g ). Daher kann ich die Gleichsetzung seriöser Experten und Wissenschaftler, denen die Einhaltung präziser wissenschaftlicher Standards am Herzen liegt, mit den Rassenideologen der Vergangenheit nur als böswillige Diffamierung ablehnen.

Bei der Auslegung der Bibel verweise ich generell auf das Konzilsdekret Dei verbum und auf das Dokument der Päpstlichen Bibelkommission „Auslegung der Bibel“ vom 15. April 1993. Die Erwägung des Herrn Erzbischofs zur angeblichen „vacatio legis“, die Absicht, den Widerstand der Gläubigen zu schwächen, kann nur als völliges Missverständnis angesehen werden. Es scheint, dass der Herr Erzbischof in dieser kurzen Zeit etwas nicht verstanden hat. Niemand in Deutschland hat das geringste Interesse daran, den „Widerstand der Gläubigen“ zu schwächen. Solche Missverständnisse könnten im Gespräch leicht geklärt werden.

Um weitere Missverständnisse am Ende dieser Ausführungen zu vermeiden, möchte ich betonen, dass die zahlreichen Berührungspunkte zwischen dem Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland und der Bischofssynode sowohl thematisch als auch perspektivisch nicht darauf zurückzuführen sind, dass deutsche Bischöfe den Weltepiskopat oder die Bischofssynode unterwandert, indoktriniert oder sogar korrumpiert haben. Solche Ideen gehören einfach in den Bereich komplizierter Verschwörungstheorien. Die Berührungspunkte ergeben sich aus der Tatsache, dass an vielen Orten in der Gesamtkirche und in vielen Ortskirchen sehr ähnliche Themen auf sehr vergleichbare Weise auftreten. Daher ist es gut und richtig, diese Fragen in den Diskurs der Weltkirche einzubringen, auch wenn dies für viele Bischöfe unbequem ist und manchen sogar als beleidigend erscheint. Darüber hinaus gibt es ein Bewusstsein, das auf der Synode sehr deutlich wurde: „Es ist notwendig, eine Sensibilität für den Reichtum der Vielfalt der Ausdrucksformen des Kirche-Seins zu entwickeln. Dies erfordert ein dynamisches Gleichgewicht zwischen der Dimension der Kirche als Ganzes und ihren lokalen Wurzeln, zwischen der Achtung des Bandes der Einheit der Kirche und der Gefahr einer Homogenisierung, die die Vielfalt erstickt.“ (Synthese 5g)

Vor diesem Hintergrund kann ich Sie nur ermutigen, die Katholizität der gesamten Weltkirche sowie der einzelnen Teilkirchen anzuerkennen und den Dialog ohne Verleumdung und Vorurteile zu suchen. Ich möchte an die positiven Erfahrungen erinnern, die deutsche und polnische Bischöfe im langjährigen Dialog gemacht haben, der auf einem epochalen Briefwechsel nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs beruhte. Auch jetzt, in dieser kritischen Situation der gegenseitigen Entfremdung und Verbitterung, rufe ich zur Fortsetzung dieses Dialogs auf. Suchen wir das Gespräch untereinander, denn die Sprache ist, wie uns Thomas von Aquin lehrt, „ein besonderes Werk der Vernunft“ („[locutio] est proprium opus rationis“ STh I 91, 3 ad 3)!

Wir werden sicherlich Gelegenheit haben, diesen Prozess auf der Plenarversammlung der Europäischen Bischofskonferenz in Malta zu diskutieren. Synodalität bedeutet Zuhören und Dialog, und das möchte ich von Ihnen erfahren, zumindest im Anschluss an Ihren Brief über uns an den Papst.

Mit freundlichen Grüßen

Bischof Dr. Georg Bätzing


Stephan Raabe M.A.

studierte Geschichte, Katholische Theologie, Philosophie und Politikwissenschaften in Bonn und München. Nach der Wiedervereinigung war er zehn Jahre in der Jugendseelsorge im Erzbistum Berlin tätig. Als Bundesgeschäftsführer des Familienbundes der Katholiken gehörte er 2002/03 dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken an. Dann ging er als Projektleiter und Berater für sieben Jahre nach Polen und Belarus und arbeitet seitdem in leitender Funktion in der Politischen Bildung in Brandenburg.


Foto von Florencia Viadana auf Unsplash

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