Viola Kohlberger hat am 22. April nicht die erforderliche Mehrheit im Ständigen Rat der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) gefunden. Dieser Vorgang wird gegenwärtig vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) skandalisiert. Die Nichtwahl wird nicht nur als „irritierend“ und „verstörend“ bezeichnet, sondern hat zu einer tiefen Vertrauenskrise geführt. Das ZdK hat auf seiner Vollversammlung am 28. Mai den Bischöfen ein Ultimatum gestellt: Es droht damit, die Zusammenarbeit mit der DBK einzustellen. Martin Grünewald ordnet die Vorgänge ein.

Keine Mehrheit für die Kandidatin

Viola Kohlberger war Kandidatin für das Amt der Bundeskuratin der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG), einer der größten katholischen Jugendverbände. Vor der Wahl durch die DPSG-Bundesversammlung sollten die deutschen Bischöfe über ihre „kirchliche Beauftragung“ entscheiden. So sieht es Nr. 28 der DPSG-Satzung vor, beschlossen von der 88. DPSG-Bundesversammlung am 4. Juni 2021.

Denn gemäß Kanon 305 des kirchlichen Gesetzbuches CIC unterliegen alle Vereine von Gläubigen der Aufsicht der zuständigen kirchlichen Autorität, die dafür zu sorgen hat, dass in ihnen unter anderem die Unversehrtheit von Glaube und Sitte bewahrt wird. Gemäß Kanon 324 bedürfen geistliche Berater einer förmlichen Bestätigung. Diese wurde seitens der DBK versagt, da die Bewerberin nicht die nötige Mehrheit erhielt.

Unkluge personelle Nominierung?

Der Vorgang ist nicht alltäglich, da die Verbände in der Regel Kandidaten aufstellen, bei denen das Vertrauen der Bischöfe vorausgesetzt wird. Viola Kohlberger hatte allerdings als Teilnehmerin des Synodalen Weges Konfrontationen mit mehreren Bischöfen. Ob es klug war, sie als Bundeskuratin zu nominieren, stellt eine berechtigte Frage dar. Es geht ja um eine Vertrauensstellung: um die Wahrnehmung der Aufsicht gemäß kirchlichem Gesetzbuch.

Da die kirchliche Zustimmung laut CIC erst nach der Wahl erfolgen muss, hätte die DPSG-Bundesversammlung auch eine andere, weniger kontroverse Persönlichkeit wählen können. Darauf wurde nun verzichtet – vermutlich, um die umstrittene Kandidatin doch noch durchzusetzen oder weil keine andere geeignete Person zur Verfügung stand.

Unangebrachte Einmischung des ZdK

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass sich das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) einschaltet und diesen Vorgang zum Anlass nimmt, die weitere Zusammenarbeit mit den Bischöfen infrage zu stellen. Denn bisher ging es um eine Angelegenheit zwischen DPSG und DBK. Die ZdK-Vollversammlung erhob dazu massive Vorwürfe und erklärte, der Ständige Rat der Bischofskonferenz habe durch seine Entscheidung „eine konstruktive, vertrauensvolle Zusammenarbeit im Synodalen Ausschuss massiv in Frage gestellt“.

Damit konstruiert das ZdK einen Zusammenhang, der bislang nicht bestand: An dem Vorgang der Nicht-Wahl war weder das ZdK noch der Synodale Ausschuss beteiligt, der zwar von ZdK und DBK gemeinsam ins Leben gerufen worden war, aber aus frei gewählten Mitgliedern besteht. Es gibt keinen sachlichen Anlass, den Konflikt in dieses Gremium zu tragen.

Personalentscheidungen erfolgen geheim!

Das ZdK kritisiert, dass seitens der Bischöfe keine Gründe für die Nicht-Wahl von Viola Kohlberger genannt werden. Nun ist es wahrscheinlich gar nicht möglich, Gründe zu nennen: Vertrauensabstimmungen finden in der Regel ohne Personaldebatte statt. So regelt beispielweise die Satzung des Synodalen Ausschusses: „Personalentscheidungen erfolgen geheim.“ Falls bei Wahlen eine solche Aussprache verlangt wird, bleibt sie vertraulich. Das ist eine in katholischen Verbänden geübte Praxis, die dem ZdK vertraut ist.

Drohung und Druck statt Demokratie

Dass trotzdem massive Vorwürfe erhoben werden, wirft Fragen auf: Das ZdK fordert demokratische Vorgehensweisen in den Gremien ein, hält sich in diesem Fall aber selbst nicht daran. Sondern es versucht, durch Drohungen Druck aufzubauen – ein gewiss undemokratisches Verhalten. Es verspielt damit selbst Vertrauen. Denn im Gegensatz zu den Bischöfen hält es sich nicht an die Regeln.

So verwundern die vorgetragenen „Argumente“ des ZdK, weil sie auffällig unsachlich sind. Warum sieht das ZdK eine „vertrauensvolle Zusammenarbeit im Synodalen Ausschuss massiv in Frage gestellt“? – Dieses Gremium ist völlig unbeteiligt (s.o.).

Weiter wird behauptet: „Nur durch dieses kritische Agieren kann es die katholische Kirche schaffen, sich grundlegend zu verändern und zu reformieren.“ – Auch in diesem Fall fehlt ein Zusammenhang.

Anmaßung und Übergriffigkeit

Mit der Behauptung „Wir sind als ZdK im Synodalen Ausschuss gleichwertige Partner der DBK“ wird versucht, Druck aufzubauen. Richtig ist: Der Synodale Ausschuss hat zwei Träger, kennt aber weder Parteien, Fraktionen noch „Partner“. Er entscheidet frei nach Mehrheit. Keiner der Träger verfügt über ein Vetorecht. Das ZdK maßt sich an, in die demokratische Entscheidung eines unbeteiligten Gremiums einzugreifen. Das ist kein Beitrag zur Stärkung von Demokratie und Synodalität.

Das ZdK behauptet: „Die Bischöfe haben durch ihre Entscheidung Zweifel aufkommen lassen, inwiefern sie die zentralen Beschlüsse des Synodalen Weges respektieren, sich selbst daran binden und als zentralen Bestandteil ihres Leitungshandelns verstehen.“ Dazu gibt es keine Begründung. Umgekehrt weckt vielmehr das ZdK Zweifel daran, ob es als Träger des Synodalen Ausschusses geeignet ist. Offenbar hat es sich radikalisiert und erscheint nicht mehr kooperations-, kompromissfähig und -willig.

Entscheidungsfrage für die Bischöfe

Die Bischöfe werden vor die Frage gestellt, ob sie Rom oder dem ZdK gehorchen, ob sie Bischöfe bleiben oder ihre Autorität definitiv abgeben wollen. Sich in dieser Situation dem Druck des ZdK zu beugen, wäre ein Akt der Selbstaufgabe, der von weitreichender, wahrscheinlich endgültiger Wirkung wäre.


Martin Grünewald
Der Journalist war 36 Jahre lang Chefredakteur des Kolpingblattes/Kolpingmagazins in Köln und schreibt heute für die internationale Nachrichtenagentur CNA. Weitere Infos unter: www.freundschaftmitgott.de

Melden Sie sich für unseren Newsletter an