Warum die Kirche und die Medien in Deutschland die „Pilger der Hoffnung“ distanziert betrachten

Für die Jugend der Welt ein bedeutendes, ja vielleicht lebensprägendes Ereignis. Für die Deutschen nur eine Randnotiz. Stephan Raabe hat die Vor- und Nachberichterstattung in Deutschland untersucht. Es scheint, als würde in Deutschland der Anschluss an die Zukunft der Kirche verpasst werden.

Die Idee

Die Weltjugendtage (WJT) der katholischen Kirche, 1986 von Papst Johannes Paul II. in Rom ins Leben gerufen, sind zentrale Erlebnisorte einer weltumspannenden Kirche, bei denen der christliche Glaube und die kirchliche Gemeinschaft sehr lebendig und fröhlich gefeiert werden. Sie finden alle zwei/drei Jahre statt, wobei zwischendurch Treffen in den Diözesen organisiert werden sollen, so zumindest die Idee. Die Teilnehmerzahlen schwanken je nach Ort und Kontinent zwischen einer halben (Sydney 2008) und über vier Millionen (Manila 1995) Jugendlicher. Ich selbst war als Referent der Jugendseelsorge des Erzbistums Berlin mit mehreren Bussen voller Jugendlicher 1997 in Paris, 2000 in Rom und als Familienvater 2016 in Krakau dabei: unvergessliche Erlebnisse.

Hierarchie trifft Jugend zur Feier des Glaubens

Oft verbringen die Jugendgruppen zunächst einige Tage in einer Diözese/Pfarrei des Gastgeberlandes bei Gastfamilien oder schlafen in Schulen/Turnhallen. Dort lernt man sich kennen und kann die Kirche vor Ort erleben. Dann geht es für eine Woche zum Veranstaltungsort mit einem Programm von Gottesdiensten, Katechesen, Beichtmöglichkeiten, Anbetung, Austausch, Musik und Tanz. Gesänge und Sprechchöre hallen über Straßen und Plätze, in U-Bahnen, Straßenbahnen und Bussen. Gelegenheit, andere Gruppen zu treffen und mit Bischöfen aus dem eigenen Land oder anderen Ländern in Kontakt zu treten, gemeinsam mit dem Pfarrer oder pastoralen Mitarbeitern unterwegs zu sein: Hierarchie trifft Jugend, Jugend feiert den Glauben. Der Höhepunkt ist die Vigil, das Nachtgebet mit dem Papst, nach dem die Jugendlichen und ihre Begleiter auf freiem Feld übernachten, um am Sonntagmorgen mit dem Papst die Abschlussmesse zu feiern.

„WJT“ zum Heiligen Jahr

Aus Anlass des Heiligen Jahres und als Höhepunkt dieses Jahres fand vom 28. Juli bis 3. August 2025 ein außerordentlicher Weltjugendtag in Rom statt. An Vigil und Abschlussmesse mit dem neuen Papst Leo XIV. haben über eine Million Jugendliche aus 146 Ländern der Welt teilgenommen, die weitaus meisten aus Italien, dem Gastgeberland, aus Frankreich, Spanien und Polen. Als „Pilger der Hoffnung“ hatten sie zuvor die uralte Stadt für eine Woche in das Weltzentrum der Jugend verwandelt. Rund 4.000 Teilnehmer sind auch aus den USA angereist, dem Heimatland des neuen Papstes. Allein aus Deutschland sollen nur knapp 2.000 Jugendliche den Weg nach Italien gefunden haben. Genaue Zahlen gibt es nicht. In Lissabon 2023 waren es noch ca. 8.300, zuvor in Krakau gut doppelt so viele.

Mangelndes Engagement in der katholischen Kirche in Deutschland

Offenbar ist das Engagement in der reichen und durchorganisierten deutschen Kirche, angefangen bei den Bischöfen über den Bund der Katholischen Jugend (BDKJ) bis hin zu den Jugendseelsorgestellen und Gemeinden nicht sehr ausgeprägt, Jugendlichen aus Deutschland dieses exorbitante Erlebnis von Welt-Kirche zu ermöglichen. Hier hat man andere Prioritäten. Bereits 2023 antwortete die Deutsche Bischofskonferenz auf die Frage, warum die deutsche Beteiligung beim WJT in Lissabon so gering ausgefallen sei, mit dem Hinweis auf „hohe Kosten“ und den langen Reiseweg.[1] In unserer kleinen Diaspora-Gemeinde in Oranienburg bei Berlin haben Eltern und Ministranten vor Jahren die Teilnahme an der Internationalen Ministranten-Wallfahrt nach Rom organisiert, wobei vorher Kuchen verkauft und Spenden gesammelt wurden, um die Reise zu ermöglichen. Wo ein Wille, da ist ein Weg. Und welche bleibenden Erfahrungen von kirchlicher Gemeinschaft gewinnen junge Menschen durch solche Wallfahrten für ihr Leben. Das ist aller Mühen und einiges Geld wert, jedenfalls wenn man sich der Bedeutung der Jugendpastoral und solcher Erlebnisse bewusst ist.

Wenig Begeisterung beim BDKJ

Doch manchen ist der WJT offenbar einfach zu „fromm“, zu „katholisch“, zu „päpstlich“, vielleicht auch zu begeisternd. Ich erinnere mich noch an die Vorbehalte, die der BDKJ in den 1990er Jahren im Erzbistum Berlin hatte. Erst als die „Jugendvertreter“ merkten, dass hunderte Jugendliche sich zu den Weltjugendtagen aufmachten und begeistert heimkehrten, wurden die Klügeren etwas nachdenklich. Ein Blick auf die Internetseite des Bundes-BDKJ zeigt, welchen Stellenwert der WJT im Heiligen Jahr dort genießt. Unter Aktionen taucht tatsächlich das Stichwort WJT auf, doch handelt es sich dabei um den WJT 2023 in Lissabon. Hinweise auf das Treffen in Rom, Möglichkeiten der Teilnahme – Fehlanzeige. Berichte über die deutschen Teilnehmer oder das Treffen an sich? Für den BDKJ kein Thema. Passt wohl nicht zur Themenpalette „Klimaneutralität“, „kritischer Konsum“, „fairer Handel“, „Aufarbeitung sexualisierter Gewalt“ etc. Aber Hoppla, etwas gibt es doch: Der BDKJ höchstselbst hatte am 30. Juli in Rom zu einem „Youth Hearing“ eingeladen, an dem rund 50 junge Menschen teilgenommen haben sollen. Das Bild zeigt einen sehr spärlich besetzten Raum mit 12 Personen im Publikum. Mit „klaren Worten und starken Forderungen“ soll es dabei um „Frauen in der Kirche“ gegangen sein. 98 Prozent der deutschen Teilnehmer hatten offensichtlich etwas Besseres zu tun und blieben der „Jugendanhörung“ des BDKJ in Rom fern. Welche Erfahrungen die Delegation des BDKJ vielleicht sonst noch in Rom sammeln konnte, ob sie überhaupt an dem Treffen teilgenommen hat, darüber gibt es keine Auskunft. Begeisterung, wie sie einem aus den Bildern des WJT entgegenschwappt, sieht anders aus.[2]

Magere Werbung seitens der offiziellen Kirche

Auf der Internetseite der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) erfährt der Leser, „eine große Delegation unter Leitung von Weihbischof Johannes Wübbe (Osnabrück), Vorsitzender der Jugendkommission“, wie auch „zahlreiche“ Pilger aus Deutschland seien nach Rom gereist. Daraus lässt sich schließen: die übrigen Bischöfe hatten offensichtlich anderes zu tun, als mit den Jugendlichen ihrer Diözesen „an dem größten Jugendereignis des Heiligen Jahres“ teilzunehmen. Es ist schließlich Urlaubszeit. Nur ein Vortrag von Weihbischof Würtz (Freiburg)zum seligen Giorgio Frassati“ im Rahmenprogramm wird noch erwähnt.

Informiert wird darüber, dass die Arbeitsstelle für Jugendseelsorge (afj) der DBK parallel zum offiziellen Programm „eigene Veranstaltungen für deutschsprachige Jugendliche, darunter ein jugendpastorales Zentrum, deutschsprachige Messen und Katechesen“ gestaltet habe und es Aktionen des BDKJ (s.o.) und der Initiative Jugend 2000 gegeben habe.[3] Schaut man auf die Seite der afj, ist von einem jugendpastoralen Zentrum keine Rede. Hingewiesen wird auf „Katechesen mit Bischöfen aus dem deutschsprachigen Raum“ in Kooperation mit Österreich und der Schweiz mit anschließender Messe und „Nightfever“ getragen von Gruppen aus Deutschland.[4]

Nun denn, vielleicht gibt es in den Bistümern mehr Engagement für das Jubiläum der Jugend. Ruft man die Seite des Bistums Limburg, wo der Vorsitzende der DBK Georg Bätzing Bischof ist, auf, gelangt man unter „Themen & Veranstaltungen“ und „Events“ auf das „Heilige Jahr“ und hier zum „Jubiläum der Jugend“. Eine eigene Jugend-Pilgerfahrt des Bistums oder einen Hinweis auf Fahrten von Gemeinden gibt es nicht. Verwiesen wird auf die afj, die ebenfalls keine Pilgerfahrt anbietet und auch nicht auf solche verweist.[5]

Wenn die so gut organisierte und strukturierte, mit hauptamtlichem Personal gesättigte Kirche in Deutschland – sieht man von den Priestern und Ordensleuten ab – derart stiefmütterlich mit dem „größten Jugendereignis des Heiligen Jahres“ umgeht, zeigt das den Stellenwert, den dieses Ereignis der Welt-Kirche genießt. Da muss man sich über die nur knapp 2.000 Teilnehmer aus Deutschland nicht wundern. In Deutschland kapriziert man sich kirchlich stattdessen mit viel Aufwand auf Räte und Strukturen, neue Lehren und Menschenbilder, was letztlich ein Stück weit als Selbstaufgabe der Kirche erscheint.

Medien ohne Interesse

Journalisten aus allen Erdteilen berichteten über „die größte kirchliche Veranstaltung der Welt“. Nur die mit sehr viel Geld durch Pflichtabgaben ausgestatteten öffentlich-rechtlichen Medien hatten kaum Interesse an diesem Ereignis und noch weniger Sachverstand. Der neue Papst sei gefeiert worden, hieß es immer wieder in den Nachrichten. Dass die jungen Menschen mit dem Papst und vielen Bischöfen aus aller Welt vor allem ihren Glauben an den dreieinigen Gott in Vigil und Messe feierten, geht den verantwortlichen Journalisten mangels religiöser Bildung nicht auf. Die Hoffnung, dass wenigstens eines der vielen Programme der ARD – vielleicht der Bayerische Rundfunk – die Vigil oder Abschlussmesse übertragen würde, erwies sich als falsch. Immerhin: „tu felix Austria“, im Österreichischen Rundfunk wurde mit guter Kommentierung übertragen. Und Gott sei Dank gibt es mittlerweile alternative Angebote, die über das Internet zu empfangen sind, wie Vatikan News und K-TV Katholisches Fernsehen, die die von den öffentlich-rechtlichen Sendern nicht mehr gewährleistete Grundversorgung im religiösen Bereich leisten.

katholisch.de berichtet que(e)r

Ein besonderer Fall ist das Portal der Deutschen Bischofskonferenz katholisch.de. Dieses verfolgt seine eigene Agenda einer vor allem queer reformierten Kirche. Da bleibt trotz einer Vielzahl von Beiträgen jeden Tag kaum Platz für eine seriöse Berichterstattung über das Jubiläum der Weltjugend, am besten mit einem Reporter vor Ort, der auch die deutschen Gruppen begleitet. So wurde am 4. August nur kurz über die Bilanz der Organisatoren berichtet, wobei die wichtige Nachricht nicht fehlen durfte, „fünf Personen“ seien bei diesem Megaereignis wegen Diebstahls verhaftet worden. Am 3. August war eine deutsche Gruppe beim Jubiläum der Jugend mit Regenbogenfahne einen eigenen Beitrag wert, was nicht anders zu erwarten war. Die Teilnehmer pflegen sonst durch Nationalflaggen ihre Herkunft kenntlich zu machen. Zudem wurde berichtet, der Papst habe die Abschlussmesse mit der Jugend genossen. Drei weitere Beiträge gehen immerhin auf die Botschaft des Papstes ein: „Strebt nach Großem, nach Heiligkeit“ und auf seinen Aufruf zu „christlichen Lebensentscheidungen“ sowie auf das Fazit von Weihbischof Wübbe: „Ein Fest des Friedens“. Ansonsten wurde vom Tod einer jungen Pilgerin berichtet und mit einigem Erstaunen, dass „tausende Jugendliche beichten“. Zudem war am 31. Juli die boulevardeske Nachricht wichtig: „Jugendliche liefern Papst Leo XIV. Pizza ins Papamobil“. Am 29./30. Juli wurde die Eröffnungsmesse mit dem Papst durch zwei Meldungen der Katholischen Nachrichtenagentur bedacht. Ansonsten Flaute. Keine Berichte über deutsche Teilnehmergruppen, über das Programm, die Stimmung, die Erfahrungen der Teilnehmer. Kein Kommentar der sonst so meinungsstarken wie kirchenkritischen Kommentatoren zum Phänomen dieses großen Glaubenszeugnisses und der Verbundenheit mit der Kirche. Ein Weltereignis der katholischen Kirche, das vom Portal der Deutschen Bischofskonferenz unter ferner liefen abgehandelt wurde.

Das ist die Zukunft der Kirche

Bei all dem darf nicht vergessen werden: Diese Jugend, die sich in Rom fröhlich betend und feiernd versammelt hat, wie viele Millionen vor ihr seit 1986, ist die Zukunft der Kirche. Ihr Aufmerksamkeit und damit Wertschätzung entgegenzubringen, ist wichtiger als vieles andere, wichtiger, als die vielen Randthemen immer wieder zu bespielen. Ihr die Erfahrung von Welt-Kirche zu ermöglichen, das Erlebnis der Gemeinschaft, einer Begeisterung, die prägt und trägt, ist grundlegend für die Zukunft der Kirche gerade auch in Deutschland. Dies ist eine Frage der richtigen Prioritäten, die leider in der deutsch-katholischen Kirche aus den Augen geraten zu sein scheinen.


[1] Vgl. Warum so wenige Deutsche zum Weltjugendtag nach Lissabon reisen – katholisch.de (vom 1.8.2023).

[2] Vgl. https://www.bdkj.de/ (abgerufen 5.8.2025).

[3] Vgl. Jubiläum der Jugend in Rom geht zu Ende: Deutsche Bischofskonferenz (abgerufen 5.8.2025).

[4] Vgl. https://jugendpastoral.de/jubilaeum-der-jugend (abgerufen 5.8.2025).

[5] Vgl. Bistum Limburg: Heiliges Jahr (abgerufen 5.8.2025). 


Stephan Raabe
ist als Projektleiter in Bosnien und Herzegowina tätig. Er studierte Geschichte, Kath. Theologie, Philosophie und Politik für das Schullehramt in Bonn und München, machte einen Magisterabschluss, arbeitete anschließend zehn Jahre in der Jugendseelsorge im Erzbistum Berlin, war 2002/03 Bundesgeschäftsführer des Familienbundes der Katholiken und als solcher Mitglied im ZdK, ging dann für die Konrad-Adenauer-Stiftung nach Polen und Weißrussland und leitete danach das Politische Bildungsforum der Stiftung in Brandenburg. Publizistisch setzte er sich immer wieder kritisch mit der „Weiterentwicklung“ der Kirche in Deutschland auseinander.  


Beitragsbild: imago images

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