….das fragt Wolfgang Borchert hochemotional und blasphemisch in seinem Hörspiel „Draußen vor der Tür“.  Im Buch Jesaja ist umgekehrt aber von Emotionen Gottes die Rede: „Einen Augenblick nur verbarg ich vor dir mein Gesicht in aufwallendem Zorn; aber mit ewiger Huld habe ich Erbarmen mit dir, spricht dein Erlöser, der Herr. (Jesaja 54,8)
In diesem vielleicht 2500 Jahre alten Text zeigt Gott offenbar Emotionen – jedenfalls ist Israel davon überzeugt. Ein Gott aber, der solche hat, hat sicherlich auch Verständnis dafür, dass wir welche haben.

Was etwa im Sommer bei der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal geschehen ist, macht uns fassungs- und sprachlos. Der allmächtige Gott hätte doch diese Katastrophe gar nicht zulassen dürfen. Er ist ja – wie wir glauben – zugleich allgütig. Schon C. S. Lewiss wollte vor genau 60 Jahren, außer sich vor Wut, Steine werfen gegen den Himmel, genauso wie voller Verzweiflung ein Bauer mit einem Stock die Erde prügeln wollte im Roman Madame Bovary von Gustave Flaubert. Schon vor den Genannten wollte Georg Büchner eine ungeheure Faust ballen in den Himmel, Gott packen und ihn zwischen seinen Wolken schleifen. Da ist es geradezu harmlos, wenn Josef Roth Gott in seinem Roman „Hiob“ durch Schweinefleisch essen ärgern wollte. Blumenberg spricht mit wenig Emotion von einem „Absolutismus der Wirklichkeit“ oder Hans Urs von Balthasar vom „Blizzard des Daseins“.

In jedem Leben gibt es irgendwann ein „persönliches Ahrtal“

Im Ahrtal 2021, und in den genannten wütenden, blasphemischen Wortmeldungen ist es mehr als verständlich, dass auch Menschen unbändiger Zorn ergreifen kann beim Verlust von lieben Menschen und überhaupt in schlimmen Lebenslagen. Bei C. S. Lewis war es der Verlust der Ehefrau, ebenso im Roman von Gustave Flaubert.
Die vor 2500 Jahren Gott zugeschriebene Gemütsbewegung haben Menschen immer schon, sei es vor 200 Jahren, 60 Jahren, wenigen Monaten oder jetzt im Augenblick, wo jemand sein persönliches „Ahrtal“, vielleicht weniger schlimm erlebt und sich fragt wie Wolfgang Borchert als heimgekommener Soldat: „Wann bist du je lieb gewesen, lieber Gott“?
Wäre der Himmel leer, griffe die ungeheure Faust, die Georg Büchner ballen wollte, ins Leere. Dann wäre es auch sinnlos dahin Steine zu werfen oder die Erde zu prügeln, die dann auch niemand geschaffen hätte, sondern die bloß absichtslos geworden wäre. So oder so, Gott hin oder her, geschähen genau dieselben Dinge. Wir glauben als Christen allerdings nicht, dass der Himmel leer ist und sich die Erde, nur Naturgesetzen gehorchend, vor Jahrmilliarden aus der Sonne gelöst und seitdem in der Weite des Alls abgekühlt hat.

In dieser Welt ist Gott Mensch geworden!

In der rauen See des Lebens verlieren wir immer wieder Menschen, die uns nahestehen. Manche klammern sich verzweifelt an den „Felsen des Atheismus“ wie Georg Büchner. Vielleicht werden andere auch irgendwo an Land getrieben, wie ich selbst, nach Schiffbrüchen in meiner Biographie.
Seit es Menschen gibt, formulieren sie immer wieder ihre Hoffnung in der Art, wie sie mit Jesaja ein gläubiger Israelit formuliert hat: „Mit ewiger Huld habe ich Erbarmen mit dir, spricht dein Erlöser, der Herr.“ Ja, ich glaube, dass wir schlussendlich Hineingenommen sind in die Liebe eines allmächtigen und zugleich allgütigen Gottes. Wir hängen nicht hinaus ins Nichts, wie Heidegger und wohl viele Menschen in allen Zeitaltern sicherlich mit ihren guten Gründen, sich genötigt fühlten zu glauben.

Auch hinter dem gegenwärtigen, elenden Zustand, vor allem der Kirche in Deutschland, ist Gott bereit, uns seine Liebe zu schenken. Das haben Christen schon in schlimmeren Zeiten geglaubt und Weihnachten herbeigesehnt. In jedem Jahr gedenken wir liturgisch, dass der Mensch gewordene Gott seit dem 25. März im Bauch seiner Mutter zu uns unterwegs ist und die ganze Welt freut sich – auch wenn sie an nichts glaubt – schon im Advent auf Weihnachten, die Glaubenden an sein Erscheinen.

Was immer damals gewesen ist: Der Evangelist Lukas schreibt, dass Engel die verdutzten Hirten aufgeklärt haben, was sich gerade vor ihren Augen abspielt: Der Sohn Gottes kommt aus dem Schoß einer Frau ans Licht der Welt. Jeder gläubige Christ sollte diesen „Engelsjob“ heute machen, sagen, was der Grund seiner Freude ist – auch wenn wir als Kirche gerade nicht die beste Figur abgeben: „Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll“ (Lk 2, 10).

von Helmut Müller
Lesetipp vom Autor: „Hineingenommen in die Liebe“

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