Die katholischen Bischöfe Ostdeutschlands rufen zum Eintreten für die Demokratie auf und warnen vor der AfD – eine historisch-politische Einordnung bzw. sozialethische Katechese von Stephan Raabe.

Trennung von Staat und Kirche?

Warum melden sich Bischöfe auch politisch zu Wort? Kirche und Staat/Politik sind zwei unterschiedliche Bereiche. Die Aufforderung zur Unterordnung unter die staatliche Gewalt im Römerbrief (13,1) und das Wort Jesu: „So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!“ (Mt 22,21) sind frühe neutestamentliche Dokumente der Zuordnung und Verhältnisbestimmung. Der Kirchenlehrer Augustinus hat Anfang des fünften Jahrhunderts in seinem Werk „De civitate Dei“ (Von der Bürgerschaft Gottes) die Unterscheidung von „civitas dei“ und „civitas terrena“, also von religiöser und weltlicher Bürgerschaft, vor dem Hintergrund einer Welt- und Heilsgeschichte herausgearbeitet; ein einflussreicher geistesgeschichtlicher Entwurf. Im Investiturstreit des hohen Mittelalters im 11./12. Jahrhundert ging es um das Ringen von geistlicher und weltlicher Macht um die Oberhoheit. Martin Luther griff das Thema Anfang des 16. Jahrhunderts in seiner Lehre von den zwei Reichen oder Regimentern auf: dem kirchlichen und dem weltlichen, eine Positionsbestimmung der protestantischen Kirche in der aufziehenden Moderne. Im Zeitalter der Konfessionskriege im 16./17. Jahrhundert herrschte die Formel: „cuius regio, eius religio“ (wessen Herrschaft, dessen Religion) und sorgte für einen politisch-konfessionellen Separatismus mit regionalen Wirkungen bis heute. Mit der Aufklärung wurde die Frage von Vernunft und Glaube und damit auch wieder von Staat und Kirche in neuer Weise gestellt. Im protestantisch geprägten Deutschen Kaiserreich der 1870er Jahre strengte der neu gegründete Staat einen „Kulturkampf“ gegen die katholische Kirche an, um deren Einfluss einzuschränken: eine antikonfessionelle Reminiszenz in nationalstaatlicher Zeit oder eine Wegmarke zur Trennung von Staat und Kirche? Jedenfalls führte der neuzeitliche Republikanismus/Liberalismus schließlich ebenso wie die Französische Revolution und später der Sozialismus zur Trennung von Staat und Kirche, Politik und Religion. Teilweise übernahm die Politik im 20. Jahrhundert dabei sogar in Orientierung an den totalitären Ideologien des Sozialismus und Nationalsozialismus selbst eine quasi religiöse Funktion als profanes Heilsinstrument: ein fatal unheilvoller Weg.

Kirche und Politik heute und wie es geworden ist

Und heute in Deutschland? Seit der Weimarer Reichsverfassung von 1919 gelten die drei Grundsätze: Religionsfreiheit im Rahmen von Verfassung und Gesetzen, Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften sowie deren Selbstbestimmungsrecht. Dabei ist die Trennung allerdings mehr ein „getrenntes Miteinander“, weil die großen Religionsgemeinschaften – mit Ausnahme des Islam – als Körperschaften Öffentlichen Rechts vielfältige gesellschaftliche Aufgaben etwa im Sozial- und Bildungsbereich und die Seelsorge bei Polizei und Bundeswehr, in Gefängnissen oder Krankenhäusern übernehmen. Natürlich können sich die Vertreter der Religionsgemeinschaften genauso wie die Vertreter anderer gesellschaftlicher Gruppen und Organisationen auch gesellschaftspolitisch zu Wort melden. Dabei haben ihre Wortmeldungen zumeist einen doppelten Adressaten: zum einen die Mitglieder der eigenen Religionsgemeinschaft, zum anderen die allgemeine Öffentlichkeit und Politik. In der katholischen Kirche gibt diesbezüglich die moderne Soziallehre mit den Prinzipien der Personalität, der Subsidiarität als Kompetenzzuordnung, der Solidarität – auch im Sinne von Nachhaltigkeit – sowie des Gemeinwohls, Orientierung.

In Deutschland führte die politische Entwicklung zudem dazu, dass es von 1871 bis 1933 mit dem Zentrum als einer ersten Volkspartei und nach dem Zweiten Weltkrieg mit der konfessionsübergreifenden, aber doch stärker katholisch geprägten Christlich Demokratischen Union (CDU) und der Christlich Sozialen Union (CSU) in Bayern Parteien gab, in denen Katholiken ihren politischen Einfluss erfolgreich geltend machten. Dieser engere Zusammenhang von Katholizismus und Christlicher Demokratie hat sich zwar mit der politischen Pluralisierung im Katholizismus aufgelöst. Nach wie vor gewinnen CDU/CSU aber in katholischen Regionen und unter Katholiken überdurchschnittlich viele Wählerstimmen, wogegen Parteien vom linken oder rechten Rand hier bislang kaum Zustimmung finden. Flankierend dazu bezogen aber auch die Bischöfe und die Vertretung katholischer Laien in Verbänden und Diözesen in Form des „Zentralkomitees der deutschen Katholiken“ (ZdK) regelmäßig zu gesellschaftspolitischen Fragen Stellung, insbesondere vor Wahlen. Das Lebensrecht von Kindern im Mutterleib spielte dabei immer wieder eine prominente Rolle, ebenso die Familienpolitik, das Problem ausufernder Staatsschulden oder die Themen Freiheit, Frieden und Sicherheit sowie die Europäische Union.[1]

Hatte sich die katholische Kirche im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts lange Zeit kritisch gegenüber einem Demokratieverständnis verhalten, das von der kirchenfeindlichen Französischen Revolution, vom Liberalismus/Nationalliberalismus oder auch vom Sozialismus geprägt wurde, nutzten gleichzeitig die Katholiken in Deutschland die nach und nach durchgesetzten demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten, um Politik und Staat als Minderheit mitzugestalten und die Rechte der Kirche zur Geltung zu bringen. Als der Münchener Erzbischof Kardinal Faulhaber, ein Monarchist, 1922 auf dem Katholikentag vor 100.000 Menschen die Weimarer Republik scharf angriff, war es der 46jährige Kölner Oberbürgermeister, Konrad Adenauer, der ihm als Katholikentagspräsident widersprach und dazu aufforderte, die Demokratie zu nutzen, um auch bei Nichtkatholiken politische Bundesgenossen zu suchen.[2] Papst Pius XII. beschrieb dann am Ende des Zweiten Weltkriegs in seiner „Weihnachtsrundfunkbotschaft“ vom 24. Dezember 1944 die Demokratie ausdrücklich positiv in Ausrichtung an der Würde des Menschen als „Träger, Fundament und Zweck“ der Demokratie und wies damit den Weg in die Zukunft, zumindest dort, wo demokratische Freiheit herrschte.[3]

Das politische Selbstverständnis der katholischen Kirche

Das aktuelle Selbstverständnis der Kirche gegenüber Staat und Politik wurde schließlich 1965 während des Zweiten Vatikanischen Konzils in der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“ (Freude und Hoffnung) bestimmt. Hier werden die Christen als „Bürger beider Gemeinwesen“ aufgefordert, ihre politische Verantwortung im Geist des Evangeliums und bedacht auf das Gemeinwohl wahrzunehmen. Zugleich wird betont, dass Christen legitimerweise „bei gleicher Gewissenhaftigkeit in der gleichen Frage zu einem anderen Urteil kommen“ können und in solchen Fällen niemand das Recht habe, die Autorität des Evangeliums und der Kirche ausschließlich für sich und seine eigene Meinung in Anspruch zu nehmen (Nr. 43,10-11). Damit wird dem legitimen demokratischen Pluralismus Rechnung getragen.

Im Kapitel 76 über „Politische Gemeinschaft und Kirche“ wird darauf hingewiesen, dass es wichtig sei, dass „zwischen dem, was die Christen als Einzelne oder im Verbund im eigenen Namen als Staatsbürger, die von ihrem christlichen Gewissen geleitet werden (z.B. in Parteien oder Verbänden, Anm. des Verf.), und dem, was sie im Namen der Kirche zusammen mit ihren Hirten tun, klar unterschieden wird“ (Nr. 76,1). Die politische Gemeinschaft und die Kirche seien „auf je ihrem Gebiet voneinander unabhängig und autonom“, die Kirche selbst zudem an kein „politisches System gebunden“. Sie sehe sich jedoch in der Pflicht, „Zeichen und Schutz der Transzendenz der menschlichen Person“ zu sein (76,2-3). Insofern nehme die Kirche für sich das Recht in Anspruch: „Immer und überall … in wahrer Freiheit den Glauben zu verkünden, ihre Soziallehre kundzumachen, ihren Auftrag unter den Menschen unbehindert zu erfüllen und auch politische Angelegenheiten einer sittlichen Beurteilung zu unterstellen, wenn die Grundrechte der menschlichen Person oder das Heil der Seelen es verlangen“ (Nr. 76,7).

Das ist das kirchlich-sozialethische Selbstverständnis, mit dem sich katholische Bischöfe auch heutzutage politisch zu Wort melden, wohl wissend, dass es zum einen eine „Autonomie der irdischen Wirklichkeiten“ gibt (Nr. 36) und zum anderen kirchliche Seelsorger keineswegs „immer in dem Grade kompetent (seien), dass sie in jeder, zuweilen auch schweren Frage, die gerade auftaucht, eine konkrete Lösung … haben könnten oder die Sendung dazu hätten“ (Nr. 43,9). Das baut einem kirchlichen Integralismus vor, der von religiöser Warte in unzulässiger Weise in Staat und Politik eingreifen möchte, ist zugleich aber auch selbstbewusste Legitimation, als Kirche gesellschaftspolitische Verantwortung wahrzunehmen.

Die AfD ruft die Ost-Bischöfe auf den Plan

Die enorme Zustimmung für die AfD im Osten Deutschlands, wo sie sich laut Umfragen momentan mit über 30 Prozent zur führenden politischen Kraft mausert, hat jetzt die Ost-Bischöfe mit einem Hirtenwort auf den Plan gerufen, das am Sonntag, dem 21. Januar 2024, in den Gottesdiensten verlesen wurde. Die Ost-Bischöfe sehen durch die AfD die Grundrechte und die Demokratie in Gefahr.[4] Damit stehen sie keineswegs allein, sondern in der Phalanx aller anderen politischen Kräfte gewarnt von den Verfassungsschutzbehörden, die tatsächlich ein Gefahrenpotential durch die AfD für unsere Demokratie aufweisen. Immerhin wird die AfD vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ offen und verdeckt beobachtet und in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen von den dortigen Verfassungsschutzbehörden sogar als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft, ebenso wie die AfD-Jugend in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, wo die Partei bislang noch ein „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ ist.[5] Deshalb ist die Stellungnahme der Bischöfe grundsätzlich zu begrüßen. Offensichtlich befürchten sie ein Eindringen der AfD auch in die kleine Schar der Katholiken im Osten, die ohne Berlin gerade einmal vier Prozent der Bevölkerung ausmacht (mit Berlin 4,8 %). Weil der Anteil nichtchristlicher Einwohner im Osten aber über 80 Prozent beträgt, ist allerdings kaum zu erwarten, dass die Warnung der katholischen Bischöfe dort einen größeren Eindruck hinterlässt. Für praktizierende Katholiken, die sich in der AfD engagieren, ist die Stellungnahme der Bischöfe jedoch ein Problem.[6]

Die sechs Ost-Bischöfe von Berlin, Dresden-Meißen, Erfurt, Görlitz, Magdeburg und Hamburg (für Mecklenburg), von denen nur zwei (Wolfang Ipolt/Görlitz und Gerhard Feige/Magdeburg) aus dem Osten stammen, beklagen:

„Demokratische Prozesse und Institutionen werden angezweifelt und verächtlich gemacht. Populistische, rechtsextremistische und antisemitische Positionen werden zunehmend salonfähig. Misstrauen, Hass und Hetze treiben die Gesellschaft auseinander.“

Wer will das in Abrede stellen? Dass es darüber hinaus auch ein Problem mit einem salonfähigen Linksextremismus gibt, dessen Gefährdungs- und Gewaltpotenzial laut Verfassungsschutz „nach wie vor hoch“ ist, wäre zu ergänzen.[7] Die Ost-Bischöfe stellen weiter fest: Politische Parteien, die die unantastbare Würde des Menschen in Frage stellen, können nach kirchlichem Verständnis keine Alternative sein.[8] Gewarnt wird vor „kruden Ausweisungsphantasien für Migranten“, vor der „Ablehnung von Schutzangeboten für Geflüchtete“, vor der „Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung“, vor dem „alleinigen Fokus auf Leistungsfähigkeit“, vor der „Leugnung des menschengemachten Klimawandels“ und vor der „pauschalen Verächtlichmachung von politischen Akteuren und Institutionen“. Interessant ist, dass die Bischöfe die AfD nicht auf Grundlage der politischen Faktenlage, wie sie vom Verfassungsschutz festgehalten wird, als nicht wählbar einordnen, sondern eine subjektiv konnotierte Formulierung wählen: vor dem Hintergrund ihres „eigenen Gewissens“ könnten sie die Positionen extremer Parteien, zu der sie die AfD zählen (neben den rechtsextremistischen Kleinstparteien III. Weg und Heimat, früher NPD), „nicht akzeptieren“, heißt es. Damit appellieren die Bischöfe an die Katholiken, der bischöflichen Gewissensentscheidung zu folgen.

Die Ursachen angehen

Nicht eingegangen wird leider auf die Gründe für den politischen Boom der AfD, der trotz aller Warnungen, Abgrenzungen, „Brandmauern“ und Proteste stattfindet, und dem damit korrespondierenden Vertrauensverlust der arrivierten Parteien. Die Bischöfe begnügen sich mit dem allgemeinen Hinweis: Viele Menschen verstünden „politische Entscheidungen nicht mehr“. Sie seien „verunsichert, wütend“ und hätten „Angst vor dem sozialen Abstieg.“ Warum ist das aber so? Warum haben die ehemals großen Volksparteien SPD und CDU derart an Integrationsfähigkeit eingebüßt und die Interessenparteien FDP, Grüne und Die Linke einen derart schwachen Stellenwert im Osten? Könnte es sein, dass sich hier Repräsentationslücken gebildet haben, so dass größere Teile der Wählerschaft sich von den Parteien des Mitte-Links-Spektrums nicht mehr recht angesprochen fühlen? Jedenfalls ist eine große Mehrheit aktuell mit den Entscheidungen der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP nicht einverstanden und davon trauen wiederum viele auch der lange Zeit regierenden CDU eine politische Wende anscheinend nicht zu. Welche politische Alternative haben diese Wähler dann aber, zumal wenn sie eine eher rechte, konservativere Politik bevorzugen und sich durch andauernde undifferenzierte Kampagnen „gegen rechts“ diskriminiert sehen? Deshalb befinden sich gerade zwei weitere Parteien in der Gründung: die Partei von Sarah Wagenknecht, die lange Jahre Sprecherin der extremistischen Kommunistischen Plattform in der PDS/Die Linke war, und die bislang der CDU/CSU nahestehende „Werte Union“ unter ihrem Vorsitzenden, dem ehemalige Verfassungsschutzpräsidenten Georg Maaßen. Vor allem aber bemüht sich die CDU unter dem Vorsitz von Friedrich Merz, einem bewussten Katholiken, sich mit einem klaren Gegenentwurf zur Ampelregierung als Opposition zu profilieren und die Integrationsfähigkeit auch im rechten politischen Spektrum wieder zurückzugewinnen. Mit Warnungen oder „Brandmauern“ gegen die AfD oder einem Verbot der Partei ist das politische Problem eben nicht gelöst, sind die Gründe für ihre Hochkonjunktur nicht beseitigt. Dazu bedarf es einer entschiedenen persönlichen Auseinandersetzung gerade auch in den öffentlich-rechtlichen Medien und deutlich erkennbarer seriöser Alternativangebote auch für das rechte politische Spektrum, worauf ein kluger Beobachter wie der frühere Bundespräsident Joachim Gauck hinweist.[9]

Ein zweiter, aktuell brisanter Grund für die hohen Umfragewerte der AfD ist das ungelöste Problem der irregulären und weitgehend ungesteuerten Migration, die zum Flüchtlingsstrom aus der Ukraine hinzukommt und erneut zu erheblichen Systemüberforderungen in den Bereichen Wohnen und Bildung, Gesundheit und Soziales, Justiz und Verwaltung, Integration und Finanzen führt. Bei aller Schwierigkeit der Problematik spricht viel für die These: Solange die Regierung keine pragmatische und effektive Politik zur Steuerung und Reduzierung der Migration umsetzt und auch die Opposition nicht als Lösung des Problems gilt, wird die AfD weiter reüssieren. Da hilft es wenig, die „Ablehnung von Schutzangeboten für Geflüchtete“ zu beklagen, die überwiegend unterstützt von bezahlten Schleusern in großer Mehrzahl als junge Männer durch etliche sichere Länder nach Deutschland „flüchten“, nur zu gut fünfzig Prozent einen Schutzstatus erhalten (davon aktuell 1,4 % Asyl, 52 % subsidiärer Schutz, 32 % Flüchtlingsstatus, 16 % Abschiebeverbot), aber trotz allem zu nahezu 100 Prozent in Deutschland bleiben, und deren Zahl sich über die Jahre mit unzureichenden Integrationsmaßnahmen potenziert.

Das von den Bischöfen angeführte Unverständnis, die Verunsicherung und Angst unter Bürgern, sind also nur die eine Seite des Problems, ungelöste politische Probleme und eine mangelnde Integrations- und Überzeugungsfähigkeit der Parteien, die unseren Staat tragen, die andere Seite. Vor diesem Hintergrund wäre nicht nur der Aufruf der Ost-Bischöfe zu einer christlich reflektierten Wahlbeteiligung, zum Eintreten für unsere Verfassung, zu einem respektvollen Umgang miteinander und ihr vorbildliches Bekenntnis zur Demokratie notwendig, sondern ebenso ein eindringlicher Appell an die politischen Verantwortungsträger, die gewiss „großen und komplexen Herausforderungen“ nicht nur in der Migrationspolitik, sondern auch in der Wirtschafts-, Finanz-, Infrastruktur-, Sozial-, Bildungs-, Sicherheits-, Europa- und Klimapolitik pragmatisch und effektiv anzugehen und dabei die Belange der breiten Bevölkerung, also des Gemeinwohls als eines Kernbegriffs katholischer Soziallehre, nicht aus dem Auge zu verlieren. Unserer Demokratie ist am besten mit einer umsichtigen, sachorientierten, möglichst überzeugenden Politik gedient, über die offen gestritten werden muss und über die die Wähler dann in freier und geheimer regelmäßiger Wahl abstimmen. Dafür bedarf es notwendigerweise Bürger, gerade auch Christen, die durch ihr politisches Engagement überzeugend für die Demokratie eintreten. Es ist gut, dass die katholischen Ost-Bischöfe vor den anstehenden Wahlen aus christlicher Verantwortung daran erinnern.


[1] Vgl. Hans Buchheim, Felix Raabe (Hg.): Christliche Botschaft und Politik. Texte des Zentralkomitees der deutschen Katholiken zu Politik, Staat, Verfassung und Recht, 3. Auflage Paderborn 1997.

[2] Vgl. https://www.domradio.de/artikel/katholikentag-als-buehne-im-streit-um-kirche-und-demokratie

[3] https://www.iupax.at/dl/pqNnJmoJOLLJqx4KJKJmMJmNMn/1944-pius-xii-weihnachtsrundfunkbotschaft_pdf

[4] Eintreten für die Demokratie. Gemeinsames Wort der katholischen „Ost-Bischöfe“ vom 19.01.2024: https://www.erzbistumberlin.de/medien/pressestelle/aktuelle-pressemeldungen/pressemeldung/news-title/eintreten-fuer-die-demokratie-9317/

[5] Gründe dafür habe ich in dem Beitrag angeführt: Björn Höcke und sein Kampf. Von falschen Rettern und Wahrnehmungen, in: Die Neue Ordnung 2 (2017) 137-142, http://web.tuomi-media.de/dno2/Dateien/NO217-6.pdf

[6] Im Deutschen Bundestag geben elf von 78 AfD-Abgeordneten (14 %) römisch-katholisch als Konfession an, darunter Stefan Keuter und Sebastian Münzenmaier, zwei von vier stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden.

[7] Vgl. https://www.verfassungsschutz.de/DE/themen/linksextremismus/linksextremismus_node.html (abgerufen 22.1.2024).

[8] Aus diesem Grund galt 1986 das Tischtuch der katholischen Kirche mit den Grünen als zerschnitten, weil diese die Abschaffung des Abtreibungsparagrafen 218 im Strafgesetzbuch forderten, was aktuell erneut Anliegen der grünen Familienministerin Lisa Paus ist, vgl. https://www.domradio.de/artikel/die-katholische-kirche-die-gruenen-und-ein-unvergessenes-zitat-ex-zdk-praesident-maierhttps://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/paragraf-218-107.html

[9] phoenix persönlich: Bundespräsident a.D. Joachim Gauck zu Gast bei Theo Koll, 19.01.2024, https://www.youtube.com/watch?v=r1A4IfbvAVg


Stephan Raabe,
M.A. studierte Geschichte, Katholische Theologie, Philosophie und Politikwissenschaften in Bonn und München. Nach der Wiedervereinigung war er zehn Jahre in der Jugendseelsorge im Erzbistum Berlin tätig. Als Bundesgeschäftsführer des Familienbundes der Katholiken gehörte er 2002/03 dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken an. Dann ging er als Projektleiter und Berater für sieben Jahre nach Polen und Belarus und arbeitet seitdem in leitender Funktion in der Politischen Bildung in Brandenburg.

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