Wie verbindlich sind die „verbindlichen Beschlüsse“
des Synodalen Weges?

Prof. Dr. Stefan Mückl

Der „synodale Weg“, auf den sich die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken am 1. Dezember 2019 gemacht haben, will nach seinem Grundverständnis „verbindlich“ sein. Nach der offiziellen Selbstbeschreibung soll er „der gemeinsamen Suche nach Antworten auf die gegenwärtige Situation“ dienen „und nach Schritten zur Stärkung des christlichen Zeugnisses“ fragen. Dabei, so heißt es weiter, ermögliche „der Synodale Weg eine konzentrierte, verbindliche Auseinandersetzung unter Einbeziehung von Laien und Priestern, von Frauen und Männern gleichermaßen“1. Der „synodale Weg“ nimmt selbst für sich nicht in Anspruch, eine Synode zu sein, sondern bezeichnet sich selbst als „Synodaler Weg sui generis“. Der ausschlaggebende Unterschied zu einer Synode soll darin nun darin bestehen, daß diese „ein vom Kirchenrecht her klar definiertes Format (ist), in dem von der Themensetzung bis zur Zusammensetzung der Teilnehmenden und deren Kompetenzen alles geregelt ist“2. Darüber, daß der „synodale Weg“ (kirchen)rechtlich überhaupt nicht geregelt ist, sind sich alle Beteiligten einig. Wie aber, so fragt dann der Neugierige, kann etwas Nicht-Geregeltes zur Verbindlichkeit führen?

Blicken wir zur Beantwortung dieser Frage zunächst kurz auf das Institut der Synode (I.) und vor allem ihren kirchenrechtlichen Rahmen (II.). In einem nächsten Schritt soll unsere Aufmerksamkeit der Satzung des „Synodalen Weges“ gelten (III.). Doch auch eventuelle Beschlüsse des „Synodalen Weges“ müssen sich am geltenden Kirchenrecht messen lassen, was konkrete Auswirkungen für die gegenwärtig in Frankfurt verhandelten Gegenstände zur Folge hat (IV.).

I. Was ist eine Synode?

Inzwischen darf es zur katholischen Allgemeinbildung zählen, daß „Synode“, ein aus dem Profangriechischen stammender und als Lehnwort ins Lateinische wie in die diversen Volkssprachen übernommener Begriff, wörtlich „Zusammen-Weg“ oder „gemeinsamer Weg“ bedeutet. In der Sache wird damit eine Versammlung zu Beratung bestimmter Gegenstände bezeichnet, seien sie weltlicher oder eben kirchlicher Natur.

Im kirchlichen Kontext wird der Ausdruck ab dem 3. Jahrhundert gebräuchlich, das griechische synodos wird im Bereich der lateinischen Kirche mit synodus oder (übersetzt) mit concilium wiedergegeben. Über weite Phasen der Kirchengeschichte fanden die Begriffe „Konzil“ und „Synode“ synonyme Verwendung, noch in den Dokumenten des II. Vatikanischen Konzils taucht an zahlreiche Stellen die Formulierung „Diese Heilige Synode“ auf.

Synoden, auch und gerade unterhalb der Schwelle von (allgemeinen) Konzilien hat es in der Kirchengeschichte immer gegeben, gewiß je nach Zeitumständen in unterschiedlichem Ausmaß. Doch ist Synodalität gewiß keine Errungenschaft der letzten Jahrzehnte oder gar der letzten Jahre. Gerade für eine notwendige Reform des kirchlichen Lebens wurde auf das Institut der Synode zurückgegriffen: Das Konzil von Trient verlangte eine häufige Einberufung von Diözesansynoden3. Speziell das 19. Jahrhundert brachte eine derartige Fülle von Diözesansynoden (sowie von Provinzial- und Plenarkonzilien auf überdiözesaner Ebene) hervor, daß das kirchliche Gesetzbuch von 1917 die Abhaltung einer Diözesansynode wenigstens alle zehn Jahre vorschrieb (c. 356 § 1).

Auf dem II. Vatikanische Konzil hat die (sic!) „Heilige Ökumenische Synode“ ihren Wunsch artikuliert, „daß die ehrwürdigen Einrichtungen der Synoden und Konzilien mit neuer Kraft aufblühen“, und zwar mit der Zielsetzung, „besser und wirksamer für das Wachstum des Glaubens und die Erhaltung der Disziplin“ zu sorgen4. Die von Papst Paul VI. eingerichtete Bischofssynode hat in gut 50 Jahren 15 ordentliche, drei außerordentliche sowie elf Sonderversammlungen gesehen. Weltweit fanden nach dem II. Vatikanischen Konzil rund 900 Diözeansynoden statt5, in Deutschland ganz vier6 (hinzu kommen die „Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland“, die von 1971-1975 in Würzburg tagte, sowie die „Pastoralsynode der Katholischen Kirche in der DDR“ in den Jahren 1973-1975).

Eine allzu große Vertrautheit mit dem Begriff und der Funktion einer Synode läßt sich also für das Deutschland der Gegenwart nicht feststellen. Bei „Synode“ denkt man eher noch an den Bereich des Protestantismus, zu dessen feststehenden Organen sie jedenfalls seit dem 19. Jahrhundert zählt. Ihr kommt auf der Ebene der Landeskirchen wie auf gesamtstaatlicher Ebene vor allem die Funktion der Gesetzgebung zu, ferner beschließt sie über den Haushaltsplan und wählt die Inhaber der anderen kirchenleitenden Ämter, wie die Landesbischöfe oder den Ratsvorsitzenden der EKD.

Da diese Synoden nur ein- bis zweimal jährlich tagen, also kein ständiges Organ bilden, wurden vielfach für die dazwischenliegenden Zeiten sog. Synodalausschüsse gebildet, welche die synodalen Rechte und Funktionen wahrnehmen sollen. Die Synoden protestantischen Verständnisses weisen erhebliche Ähnlichkeiten mit den kommunalen Vertretungskörperschaften sowie den staatlichen Parlamenten auf („Kirchenparlamente“). Dementsprechend läßt sich bei ihnen auch die Ausbildung von fraktionsähnlichen synodalen Gruppen beobachten.

II. Kirchenrechtlicher Rahmen für eine Synode

Das katholische Verständnis einer Synode ist ein grundsätzlich anderes. Eine kirchenleitende Funktion hat ausschließlich das Ökumenische Konzil, auf welchem Papst und Bischofskollegium zusammenwirken. Es kann nur mit und niemals ohne den Papst handeln: Ihm kommt die Einberufung, die Bestimmung der Verhandlungsgegenstände sowie die Genehmigung, Bestätigung und Veröffentlichung der Beschlüsse zu. Stimmrecht haben allein die Mitglieder des Bischofskollegiums zu, auch wenn andere Teilnehmer eingeladen werden können (Einzelheiten: cc. 338-341 CIC).

Ansonsten bestehen nach dem geltenden Kirchenrecht der lateinischen Kirche zwei Typen von Synoden, die Bischofssynode auf universaler und die Diözesansynode auf partikularer Ebene. Während die letztgenannte, wie erwähnt, auf eine lange historische Tradition zurückgreifen kann, entstand die Bischofssynode auf dem II. Vatikanischen Konzil, und zwar nicht durch einen synodalen, sondern durch einen primatialen Akt: Zwar war in der Konzilsaula über die Errichtung einer Bischofssynode diskutiert, aber noch nicht abschließend befunden worden. In dieser Situation zog Papst Paul VI. die Frage an sich und richtete, noch während der Konzilsberatungen, durch päpstliches Motu proprio das Institut der Bischofssynode ein7. Das zeitlich nachfolgende Dekret des Konzils nahm den päpstlichen Gesetzgebungsakt dann zitierend zur Kenntnis8.

Weder die Bischofs- noch die Diözesansynode sind „Kirchenparlamente“, vielmehr kommt in ihnen jeweils spezifisches Charakteristikum der Ekklesiologie zum Tragen: Die Bischofssynode dient, wie auch der Titel der 2018 vom Papst erlassenen Apostolischen Konstitution deutlich macht9, der wirksamen bischöflichen Kollegialität: sie soll „die enge Verbundenheit zwischen Papst und Bischöfen … fördern“, „dem Papst bei Bewahrung und Wachstum von Glaube und Sitte, bei Wahrung und Festigung der kirchlichen Disziplin mit ihrem Rat hilfreich beistehen“ und den Papst allgemein „bei Fragen bezüglich des Wirkens der Kirche in der Welt … beraten“ (c. 342). Sache der Bischofssynode ist es, zu beraten und Wünsche zu äußern, nicht aber, Entscheidungen zu treffen, außer sie werden ihr im Einzelfall vom Papst übertragen (c. 343). Analog hat die Diözesansynode den Sinn, dem Bischof zum Wohl der ganzen Diözesangemeinschaft „hilfreiche Unterstützung zu gewähren“ (c. 460). Darin kommt die gemeinsame Verantwortung des Volkes Gottes für die Sendung der Kirche zum Ausdruck. Alleiniger Gesetzgeber auch in der Diözesansynode ist, entsprechend den allgemeinen Regeln (cc. 129, 135, 381 § 1), der Diözesanbischof (c. 466).

Diese grundlegende Architektur des Verständnisses von Synode in der lateinischen Kirche hat die päpstliche Gesetzgebung wie Praxis auch der vergangenen Jahre bestätigt. Deutlicher akzentuiert und verstärkt wurden die Konsultationsprozesse, welche die Zielsetzung verfolgen, den Glaubenssinn der Gläubigen zur Geltung zu bringen (sensus fidei fidelium). Sie sind nicht zu verwechseln mit Meinungsumfragen, deren Ratifikation alleinige Aufgabe einer Synode wäre. Deutlich hat vor einem Jahr Papst Franziskus erklärt, es gehe „den falschen Weg“, wer meine „man könne die Kirche in Versammlungen machen, so als wäre sie eine politische Partei“. Gegenüber Versicherungen wie „Das ist wie eine Synode, ein synodaler Weg, den wir gehen müssen“, sei zu fragen: „Wo ist dort der Heilige Geist? Wo ist das Gebet? Wo ist die gemeinschaftliche Liebe? Wo ist die Eucharistie?“10

Auf einen Nenner gebracht, bedeutet Synodalität in der Kirche keine vollständige Kongruenz von Vorbereitung einer Entscheidung und dem Treffen der Entscheidung selbst. Den Unterschied zwischen decision-making und decision-taking hat vor drei Jahren die Internationale Theologische Kommission in ihrem Dokument über die Synodalität zum Ausdruck gebracht11. Wie dies in der Praxis aussehen kann, hat die Sonderversammlung der Bischofssynode über die Amazonasregion 2019 vor Augen geführt: Das Schlußdokument der Synode sprach sich, wenngleich unter bestimmten Kautelen, für die Priesterweihe von verheirateten Männern aus12. Der Papst hat in seinem nachsynodalen Schreiben Querida Amazonia dieses Anliegen nicht aufgegriffen.

III. Satzung des „synodalen Wegs“

Der „synodale Weg“ verfügt über eine Satzung, die 2019 durch getrennte Beschlüsse der Vollversammlungen von Deutscher Bischofskonferenz (25. September) und ZdK (22. November) verabschiedet worden ist. Diese Satzung soll, wie es am Ende der Präambel heißt, „einen Synodalen Weg eigener Art (beschreiben)“. „Oberstes“ Organ der Veranstaltung ist die Synodalversammlung, welche die Beschlüsse faßt, wobei alle Mitglieder gleiches Stimmrecht haben (Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 2). Die abschließende Feststellung der Beratungsergebnisse erfolgt durch Beschlüsse dieser Synodalversammlung, die nur bei Anwesenheit von wenigstens zwei Dritteln ihrer Mitglieder beschlußfähig ist (Art. 11 Abs. 1). Beschlüsse erfordern dabei eine doppelte Zwei-Drittel-Mehrheit: Diejenige aller anwesenden Mitglieder sowie zusätzlich der anwesenden Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz (Art. 11 Abs. 2).

Ausdrücklich bestimmt die Satzung, daß die Beschlüsse der Synodalversammlung „von sich aus keine Rechtswirkung“ entfalten, sondern vielmehr die Vollmacht der Bischofskonferenz und der einzelnen Diözesanbischöfe „unberührt“ lassen, „im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit Rechtnormen zu erlassen“ (Art. 11 Abs. 5). Der fehlende Rechtscharakter der Beschlüsse kommt auch darin zum Ausdruck, daß die Satzung lediglich ihre „Bekanntgabe“ vorsieht (Art. 12 Abs. 1), nicht aber – wie bei Rechtsnormen üblich – eine Promulgation.

Halten wir kurz inne: Bereits die Satzung des „synodalen Wegs“ beansprucht für die Beschlüsse der Synodalversammlung „keine Rechtwirkung“ und respektiert die jeweilige Zuständigkeit von Bischofskonferenz und jedem einzelnen Diözesanbischof. Auch die Satzung geht augenscheinlich davon aus, daß manche Beschlüsse Themen betreffen können, über die der „synodale Weg“ gar nicht – in des Wortes eigener Bedeutung – „beschließen“ kann, nämlich soweit sie, wie es vornehm-verschleiernd heißt, „einer gesamtkirchlichen Regelung vorbehalten sind“. In diesem Fall sollen die „Beschlüsse“ dem Apostolischen Stuhl „als Votum des Synodalen Weges“ übermittelt werden (Art. 12 Abs. 2).

Ein „Beschluß“ des „synodalen Weges“ ist also rechtlich betrachtet eine Bitte oder Empfehlung, die – je nach Thema – an die Bischöfe oder an den Papst gerichtet ist. Damit stellt sich das Format des „synodales Weges“ in der Sache als eine institutionalisierte Modalität des innerkirchlichen Petitionsrechts dar. Schon nach universalem Kirchenrecht aber ist es „(d)en Gläubigen … unbenommen, ihre Anliegen, insbesondere die geistlichen, und ihre Wünsche den Hirten der Kirche zu eröffnen“ (c. 212 § 2).

All das ist in der Vergangenheit wiederholt geschehen, von der Würzburger Synode bis zum „Gesprächsprozeß“ der Jahre 2011-2015. Wenn die Homepage des „synodalen Weges“ als Unterschied zu jenem „Gesprächsprozeß“ benennt, bei letzterem habe es keine verbindlichen Beschlüsse gegeben13, dient das möglicherweise vor allem der Gesichtswahrung des ZdK, dessen Vollversammlung die Beteiligung des ZdK davon abhängig gemacht hatte, daß „die Verbindlichkeit der Beschlüsse durch die am Synodalen Weg beteiligten Partner gewährleistet“ ist“14.

In der Tat sind „Partner“ des „synodalen Weges“ Bischofskonferenz und ZdK, die auch deren Regelwerk (wie die Satzung) vereinbart haben. Diese Vereinbarungen binden nur sie allein und haben keine außenwirksame kirchenrechtliche Qualität: Mangels einer Gesetzgebungskompetenz der Bischofskonferenz ist die Satzung kein kirchliches Gesetz, der ZdK als eingetragener Verein ist nicht befugt, für Nicht-Mitglieder verbindliche Bestimmungen zu treffen15.

Selbst den inhaltlichen Anliegen des „Synodalen Weges“ publizistisch eng verbundene Kirchenrechtler gelangen zu geradezu vernichtenden Bewertungen: Für Thomas Schüller ist der „Synodale Weg“ nur „ein rechtliches Nullum“16, für Norbert Lüdecke ein „Partizipations-Avatar“ und dessen Beschlüsse „voice fiction“17. Er spricht gar von einem „potemkin’schen Synodaldorf“18.

IV. Kirchenrechtliche Grenzen einer eventuellen Umsetzung der Beschlüsse des „Synodalen Wegs“

Nach der Satzung des „synodalen Weges“ bedürfen dessen „Beschlüsse“ also eines rechtlichen Umsetzungsaktes durch die jeweils zuständige kirchliche Autorität – die einzelnen Bischöfe, die Bischofskonferenz und den Heiligen Stuhl. Offenbar betrachtet die Satzung des „synodalen Weges“ die kirchliche Autorität als eine bloße Ratifikationsstelle mit eher notarieller Funktion: Drei Jahre nach ihrer letzten Sitzung soll die Synodalversammlung erneut zusammentreten, um die „Umsetzung der Ergebnisse des Synodalen Weges“ einer „Evaluation“ zu unterziehen (Art. 13).

Was aber ist bei der eventuellen Umsetzung von Beschlüssen des „Synodalen Weges“ zu beachten – bestehen hier möglicherweise kirchenrechtlichen Grenzen?

Der Erlaß allgemein rechtsverbindlicher Akte – also Rechtsnormen, Gesetze – ist als Dimension der Leitungsgewalt an die Weihegewalt gebunden (cc. 129 § 1, 135 § 1). Originärer Gesetzgeber ist auf partikularer Ebene der Diözesanbischof (c. 381 § 1) und auf universaler Ebene der Papst (c. 331). Hingegen steht der Bischofskonferenz nur dann die Gesetzgebungskompetenz zu, wenn sie im universalen Recht ausdrücklich vorgesehen ist oder sie ihr im Einzelfall vom Apostolischen Stuhl verliehen worden ist (c. 455). Für die auf dem „synodalen Weg“ behandelten Gegenstände dürfte eine Kompetenz der Bischofskonferenz nicht in Betracht kommen.

Bei der Ausübung der gesetzgeberischen Tätigkeit haben freilich sowohl der Diözesanbischof wie der Papst zwei Schranken zu beachten: Die Zuständigkeitsordnung und das göttliche Recht.

Der partikulare Gesetzgeber – der Bischof – kann nur im Rahmen seiner Zuständigkeit handeln, welche sich auf Angelegenheiten seiner Diözese beschränkt. Schon vor Erlaß der endgültigen Fassung der Satzung des „synodalen Weges“ hatte der Präfekt der Kongregation für die Bischöfe, Kardinal Marc Ouellet, in einem Brief vom 4. September 2019 an den damaligen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz darauf verwiesen, die für den „synodalen Weg“ vorgesehenen Themen könnten „mit wenigen Ausnahmen nicht Gegenstand von Beschlüssen und Entscheidungen einer Teilkirche sein, ohne gegen die Einschätzung des Heiligen Vaters zu verstoßen“19. Nach geltendem Kirchenrecht darf der untergeordnete Gesetzgeber kein Gesetz gültig erlassen, welches höherem Recht widerspricht (c. 135 § 2). Kein Gläubiger, ob Priester oder Laie, müßte es beachten.

Was heißt das konkret für die auf dem „Synodalen Weg“ traktierten Beratungsgegenstände?

– Unterstellen wir einen Beschluß hinsichtlich der „Freiwilligkeit“ des priesterlichen Zölibats. Könnte der mit der Zielsetzung einverstandene Bischof nun zur Weihe von Verheirateten schreiten? Das universale Recht hat die bestehende Ehe als Weihehindernis ausgestaltet (c. 1042 § 1). Davon kann zwar dispensiert werden, zuständig ist aber allein der Apostolische Stuhl (c. 1047 § 2 Nr. 3).

– Unterstellen wir einen weiteren Beschluß hinsichtlich der Zulassung von Frauen zur Diakonenweihe. Könnte der mit der Zielsetzung einverstandene Bischof nun zur Weihe von Frauen schreiten? Nach dem universalen Kirchenrecht empfängt „die heilige Weihe“ (und zwar in jeder der drei Weihestufen, c. 1009 § 1) gültig allein der getaufte Mann. Die gleichwohl vollzogene Handlung wäre also nicht nur ungültig, vielmehr zögen sich sowohl der betreffende Bischof wie die betreffende Frau die Exkommunikation als Tatstrafe zu (c. 1379 § 3 n.F.20), der Bischof setzte überdies seinen weiteren Verbleib im Klerikerstand aufs Spiel.

– Bei allen im Zusammenhang mit dem Sakramentenempfang verbundenen Fragen ist darauf zu verweisen, daß die „Sakramente für die ganze Kirche dieselben sind“ und darum allein die „höchste kirchliche Autorität zu beurteilen oder festzulegen hat, was zu ihrer Gültigkeit erforderlich ist“ (c. 841). Ihr steht auch die Einführung von neuen Sakramentalien zu (c. 1167). Kein Bischof kann also von dem Erfordernis absehen, daß ausschließlich Getaufte die Sakramente empfangen können (c. 849), und auch dies nur im Stand der Gnade. Ebenso wenig kann er ein Sakramentale einführen, das an die Stelle eines nicht möglichen Sakraments treten soll.

Vor diesem Befund macht sich nun eine vereinzelte Stimme unter den Kirchenrechtlern zur Fürsprecherin von Überlegungen auf dem „synodalen Weg“, bis zur „Umsetzung gesamtkirchlicher Gesetzesänderungen durch den Papst“ sollten sich die jeweiligen Rechtsträger (genannt werden die Diözesanbischöfe, die Domkapitel und die Pfarrer) in einer „freiwilligen Selbstbindung“ üben und „freiwillig auf ein (ihnen) zustehendes Recht zu Gunsten … von … anderen“ verzichten21.

Stellen wir einen Augenblick die Frage zurück, ob der Papst überhaupt die ersehnten Gesetzesänderungen vornehmen könnte, und überlegen wir, ob dieser Ansatz tragfähig ist. Die erwähnte Stimme selbst räumt bereits ein, niemand könne „zu einer solchen Selbstbindung verpflichtet“ werden – eine „Verbindlichkeit“ der Beschlüsse des „synodalen Weges“ ließe sich also auch so nicht herbeiführen. In tatsächlicher Hinsicht ist darauf hinzuweisen, daß bei zahlreichen der auf dem „synodalen Weg“ artikulierten Desiderate gerade ein aktives Handeln des jeweiligen Rechtsträgers erforderlich wäre, nicht nur ein passiver Verzicht und Gewährenlassen anderer. Rechtlich gesehen sind, wie auch im staatlichen Bereich, bestehende Kompetenzen auszuüben, grundsätzlich aber nicht aber auf andere zu verlagern. Zwar kennt das Recht unter bestimmten Möglichkeiten das Institut der Delegation, doch gerade für die Gesetzgebung ist sie ausgeschlossen (c. 135 § 2).

Was aber ist nun mit dem Papst? Könnte nicht er, bewogen und bewegt von den Voten des „synodalen Weges“, Remedur machen und mit einem Federstrich des Gesetzgebers dem beklagten „Reformstau“ abhelfen? Gewiß vermag der Papst kraft seines Jurisdiktionsprimats sowohl in der Gesamtkirche wie über alle Teilkirchen seine vorrangige Leitungsgewalt auszuüben und sich dabei auch des Erlasses von Gesetzen bedienen. Er ist dabei aber, entgegen sich hartnäckig haltender Fehlvorstellungen, nicht gänzlich frei und kann nicht einfach das „machen, was er will“. Eine unüberwindbare Hürde setzt auch ihm das göttliche Recht, also all das, was sich auf den natürlichen oder geoffenbarten Willen Gottes zurückführen läßt.

Selbst wenn ein konkreter Papst es wollte – er könnte nicht auf den päpstlichen Primat zugunsten eines reinen „Ehrenprimats“ verzichten, die hierarchische Struktur der Kirche in ein demokratisch-partizipatives Rätesystem transformieren oder die Sakramente neu und vor allem anders konzipieren. Die 1994 von Johannes Paul II. getroffene Feststellung von der fehlenden Vollmacht der Kirche, Frauen das Sakrament der Priesterweihe zu spenden, gehört zum Glaubensgut der Kirche und wurde folgerichtig von den beiden Nachfolgerpäpsten, Benedikt XVI. und Franziskus, wiederholt als endgültig und irreversibel bestätigt.

5. Zusammenfassung und Ausblick

Zahlreiche der auf dem „synodalen Weg“ artikulierten Postulate beruhen auf der Annahme einer „reformunfähigen Kirche“. „Katholische Gläubige“, die „immer weiter Reformen erhoffen“, werden gegen eine eben dies verweigernde Hierarchie in Stellung gebracht22 Aber handelt es sich im Wortsinn tatsächlich um eine Reform (die die Kirche in der Tat immer benötigt – Ecclesia semper reformanda)? Was genau soll wieder in eine Form gebracht werden, aus der es entglitten ist? Oder handelt es sich nicht doch um kategorial Anderes? Wenn nun, nach 2000 Jahren Kirchengeschichte, in zentralen Fragen des Glaubens und des kirchlichen Lebens das exakte und kontradiktorische Gegenteil des zuvor Geltenden verfochten wird, stellt die Sprache dafür eine andere Bezeichnung zur Verfügung: Revolution.

Für eine solche aber ist eine zwischen zwei Partnern bilateral vereinbarte Satzung mit erklärtermaßen nicht rechtsverbindlichen Beschlüssen ein Mittel, das man nicht zwingend als unmittelbar zielführend empfinden muß. Schon der erfahrene Revolutionär war über ein entsprechendes Talent in deutschen Tagen skeptisch: „Revolution in Deutschland? Das wird nie etwas, wenn diese Deutschen einen Bahnhof stürmen wollen, kaufen die sich noch eine Bahnsteigkarte.“


Prof. Dr. iur. Stefan Mückl, Staatsrechtler, Professor für Kirchenrecht, Rom. Vortrag vom 7. November 2021 im Rahmen des 3. Online-Studientages der Initiative NeuerAnfang.online. Der Vortrag kann auch als Video auf dem Youtube-Kanal von NeuerAnfang angesehen werden unter diesem Link: und steht als PDF-Download hier zur Verfügung:

  1. Sämtliche Zitate des Abschnitts finden sich auf www.synodalerweg.de/was-ist-der-synodale-weg.↩︎
  2. www.synodalerweg.de/faq, zur Frage „Warum wurde ein Synodaler Weg beschlossen und keine Synode?“.↩︎
  3. Konzil von Trient, Sessio XXIV, Decretum de reformatione, can. 2.↩︎
  4. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe Christus Dominus, 28. Oktober 1965, Nr. 36.↩︎
  5. Arbeitspaper „Synodalität. Strukturprinzip kirchlichen Handelns“ zur Vollversammlung des ZdK am 18. /19. November 2016, S. 2.↩︎
  6. Hildesheim (1968-1969), Rottenburg-Stuttgart (1985-1986), Augsburg (1990), zuletzt Trier (2013-2016).↩︎
  7. Paul VI., Motu Proprio Apostolica sollicitudo, 15. September 1965, AAS 57 (1965), 775-780.↩︎
  8. Dekret Christus Dominus, (FN 4), Nr. 5.↩︎
  9. Franziskus, Apostolische Konstitution Episcopalis communio, 15. September 2018, AAS 110 (2018), 1359-1378.↩︎
  10. Franziskus, Ansprache bei der Generalaudienz in der Bibliothek des Apostolischen Palastes, 25. November 2020, L’Osservatore Romano (deutsch) v. 4. Dezember 2020, S. 2; s. ferner die Ansprache an Bischöfe der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche, 2. September 2019, L’Osservatore Romano (deutsch) v. 6. September 2020, S. 3.↩︎
  11. Internationale Theologische Kommission, Die Synodalität in Leben und Sendung der Kirche, 2018, Nr. 69.↩︎
  12. Bischofssynode – Sonderversammlung für Amazonien, Amazonien. Neue Wege für die Kirche und für eine ganzheitliche Ökologie, Schlußdokument (hrsg. von Adveniat und Misereor), 2019, Nr. 111.↩︎
  13. www.synodalerweg.de/faq, zur Frage „Was unterscheidet den Synodalen Weg vom Gesprächsprozeß 2011 bis 2015?“.↩︎
  14. ZdK, Pressemitteilung, 10. Mai 2019, s. www.zdk.de/veroeffentlichungen/pressemeldungen/detail/ZdK-Vollversammlung-befuerwortet-Beteiligung-am-Synodalen-Weg–1252p.↩︎
  15. Stephan Haering, Wie in der Politik? Zur kirchenrechtlichen Einordnung der Synodalität, in: Christoph Binninger/Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz/Karl-Heinz Menke/Christoph Ohly (Hrsg.), „Was Er euch sagt, das tut!“ Kritische Beleuchtung des Synodalen Weges, F. Pustet, Regensburg 2021, S. 66 (67).↩︎
  16. Thomas Schüller, Grenzen und Chancen des Synodalen Weges – eine kirchenrechtlich-theologische Analyse, Lebendige Seelsorge 71 (2020), 74.↩︎
  17. Norbert Lüdecke, Die Freiheit des „Herrn Woelki“, 4. Februar 2020, unter www.feinschwarz.net/die-freiheit-des-herrn-woelki/#more-24053.↩︎
  18. Norbert Lüdecke, Die Täuschung. Haben die Katholiken die Kirche, die sie verdienen? Theiss, Stuttgart 2021.↩︎
  19. Abdruck des Briefes unter www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/dossiers_2019/2019-09-04-Schreiben-Rom-mit-Anlage-dt-Uebersetzung.pdf.↩︎
  20. Die Strafbestimmung war seit 2010 außerhalb des CIC geregelt (Art. 5 der Normen zu Straftaten, die in den Zuständigkeitsbereich der Kongregation für die Glaubenslehre fallen oder Straftaten gegen den Glauben, ferner die schwerwiegenden Straftaten, AAS 102 [2010], 419-434), die Reform des VI. Buches des CIC hat sie 2021 „kodifiziert“.↩︎
  21. Sabine Demel, „Der Herr gebe Macht seinem Volk“ (Ps 29,11). Rechtliche Möglichkeiten von Macht und Gewaltenteilung in der katholischen Kirche, in: Bernhard S. Anuth/Georg Bier/Karsten Kreutzer (Hrsg.), Der Synodale Weg. Eine Zwischenbilanz, Herder, Freiburg 2021, S. 116 (126 f.).↩︎
  22. Lüdecke (FN 17), S. 13.↩︎

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