Versucht das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) den Erfolg der Weltsynode in Rom für sich propagandistisch auszuschlachten? Dieser Eindruck drängt sich auf, denn deren Erfolgsgründe werden weiterhin abgelehnt. Synodalität und Parlamentarismus sind unvereinbar, meint der Journalist Martin Grünewald.

Bereits der Anblick unterschied sich fundamental, obwohl die Gesamtzahl der Versammelten vergleichbar war: In Rom trafen sich jetzt die Teilnehmer der Weltsynode in der Audienzhalle zu acht bis zwölf Personen an runden Tischen, darunter Papst Franziskus, der keineswegs als einziger in Weiß gekleidet war. Beim deutschen sog. „Synodalen Weg“ in Frankfurt gab es einen Block für das Tagungspräsidium sowie vier Blöcke für die Teilnehmer, die an langen Tisch- und Stuhlreihen Platz genommen hatten. Beide Bestuhlungsarten haben eine eigene Fachbezeichnung. Die erste heißt Bankettbestuhlung. Sie wird bevorzugt bei Mahlzeiten oder wenn die Interaktion der Teilnehmer untereinander im Vordergrund steht, beispielsweise bei Gruppenarbeit im Unterricht, bei Workshops oder Großgruppenveranstaltungen. Die zweite heißt Parlamentarische Bestuhlung.

So unterschiedlich die Art der Bestuhlung, so unterschiedlich ist auch die Methode der Kommunikation. An den runden Tischen gibt es einen Austausch in kleinen Gruppen, während im parlamentarischen Modus im Plenum zu allen Teilnehmern gleichzeitig gesprochen wird. Im einen Fall findet ein Dialog statt, im anderen ein Monolog.

Der äußere Rahmen greift also tief in das Geschehen ein: Im ersten Fall kann unmittelbar auf das Gesprochene eingegangen und geantwortet werden; andere Anwesende können sich direkt einschalten. Auch die Sprache ist anders: Im Kleinen kommt es weniger auf rhetorische Kunststücke und Massenwirkung an.

„Wenn man mit verschiedensten Menschen aus allen Erdteilen und Horizonten am Tisch sitzt und sehr persönlich miteinander ins Gespräch kommt, dann lernt man intensiv, über den eigenen, engen Tellerrand hinauszuschauen.“

Mit diesen Worten charakterisierte Bischof Stefan Oster in einem EWTN-Interview die Erfahrung mit der in Rom angewandten Methode. Alle fünf in Rom teilnehmenden deutschen Bischöfe zogen ein positives Fazit der Weltsynode.

Redeschlachten und gezückte Rote Karten

Nach den synodalen Treffen in Frankfurt war die Wirkung gegenteilig; sie haben den bislang vorhandenen Konsens der Bischöfe in der Öffentlichkeit gesprengt. Das geschah, obwohl das Arbeiten in Kleingruppen auch in Frankfurt zwar vorhanden war, aber nicht wie in Rom prägend im Mittelpunkt stand. Im deutschen Synodalmodell waren die parlamentarisch geprägten Plenumsveranstaltungen entscheidend für den Gesamteindruck. Da gab es Redeschlachten mit Beifall, Buh- und Zwischen-Rufen und demonstrativ hoch gehaltenen Roten Karten. Viele Teilnehmer berichteten von Angst und psychischem Druck bei den Beratungen. Da wurde über die Anwendung von Statut und Geschäftsordnung gestritten, Rechte von Minderheiten wurden nicht geschützt.

Trotzdem sieht das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) im vierwöchigen ersten Teil des Zusammentreffens eine „Bestätigung für den Synodalen Weg in Deutschland“. So steht es in der aktuellen Pressemitteilung des ZdK-Präsidiums. Es ist sogar vom „Beginn eines Kulturwandels“ die Rede. Allerdings bezieht das ZdK seine Bewertung allein auf die in Rom behandelten Themen. Auf den tatsächlichen Kulturwandel im Miteinander und in der Kommunikation geht es mit keinem Wort ein. Wie ist ein solch elementarer Fehler möglich? Wird damit nicht ein vollständiges Ausblenden der römischen Errungenschaften deutlich? Fast sieht es so aus, als wolle das ZdK den Erfolg der Weltsynode für sich propagandistisch ausschlachten.

Keine Bestätigung, sondern eine Widerlegung

Natürlich bildete die Weltsynode keine Bestätigung des deutschen synodalen Sonderweges, sondern dessen Widerlegung! Ja, es gab Überschneidungen bei den Themen, aber eben größte Unterschiede in der Methode.

Dem in Deutschland angewendeten Prinzip parlamentarischer Gremien wohnt ein unvermeidbarer Dualismus inne: den der dominierenden Mehrheit bei gleichzeitig unterdrückter Minderheit. Das gab es in Rom nicht! Es bildeten sich eben keine Fronten, keine Blöcke. Die Teilnehmer blieben miteinander im Gespräch, das an runden Tischen in geschwisterlichen Austauschrunden gepflegt wurde. Es fehlte so am moralischen Rigorismus, der über andere richtet.

Demokratie bedeutet Herrschaft der Mehrheit (über alle Minderheiten), egal wie groß oder knapp der zahlenmäßige Unterschied ist. Um unbedingt die Mehrheit zu erlangen, werden Bündnisse geschlossen, teils mit kuriosen Kompromissen. Und dann wird die Mehrheit ausgekostet, ganz gleich, wie sich die unterdrückte Minderheit fühlt – Hauptsache, die Mehrheit geht nicht verloren. Die Kontrolle üben also nicht Vernunft und Besonnenheit aus, sondern Kalkül und Strategien. Bei der Synodalität ist es völlig anders.

Vom Irrtum des anderen überzeugt?

In der Demokratie sind die einen vom Irrtum des anderen überzeugt. Es gilt, die konkurrierenden Sichtweisen zu negieren. Anders der christliche Glaube, der in jedem Gläubigen einen Bruder oder eine Schwester sieht, die den gleichen Geist Gottes in sich trägt. Wie sollten sich beide widersprechen? Wenn sie doch vom gleichen Geist geleitet werden? Das passt nicht!

So versuchen die Christen zuerst, die Wahrheit des anderen zu suchen. Sie wollen verstehen. Sie grenzen nicht aus. Sie suchen das Gemeinsame. Und sie finden im Austausch ihrer Sichtweisen zur Einmütigkeit – angereichert meist mit neu gewonnenen, bisher unbekannten Zugängen und Verstehensweisen.

So wurden die meisten Abstimmungen in Rom mit mindestens 80, meist rund 90-prozentiger Zustimmung gefasst, also mit weit mehr als der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit.

In Deutschland gab es beim sogenannten Synodalen Weg auch meist starke Mehrheiten, können dessen Befürworter reklamieren. Nur war die Versammlung völlig anders und nahezu einseitig zusammengesetzt. Neben den Bischöfen nahmen hauptsächlich Frauen und Männer aus dem Umfeld des ZdK und seiner Organisationen teil. Professoren aus staatlichen Hochschulen und Universitäten waren stark überrepräsentiert.

Sonderweg und Ungehorsam?

Also, es bleibt spannend, ob die römische Methode nun mehr Verbreitung findet. Und ob sich die deutschen Synodalrepräsentanten ein wenig bescheidener von ihrem Sonderweg überzeugt zeigen. Zu erwarten ist es leider nicht. Denn in seiner Pressemitteilung kündigt das ZdK an:

„Mitte November etabliert sich der Synodale Ausschuss, der einen Synodalen Rat für die katholische Kirche in unserem Land vorbereiten soll.“

Soll die parlamentarische Methode weiter angewandt werden?

Das stimmt in doppelter Weise traurig. Denn sie scheint zwar demokratisch, ist aber nicht synodal. Und die Ankündigung verstößt gegen die Päpstliche Anordnung vom 16. Januar 2023 an Bischof Bätzing, in der es heißt:

„Weder der Synodale Weg noch ein von ihm eingesetztes Organ noch eine Bischofskonferenz haben die Kompetenz, den Synodalen Rat auf nationaler, diözesaner oder pfarrlicher Ebene einzurichten.“

In seiner Stellungnahme vom 23. Januar hatte Bischof Georg Bätzing erklärt, dass er die römischen Sorgen nicht teile und versichert:

„Der Synodale Rat, der durch den Synodalen Ausschuss vorbereitet werden soll, wird sich daher entsprechend dem in der Beschlussfassung enthaltenen Auftrag innerhalb des geltenden Kirchenrechts bewegen.“

Hält er daran fest, gibt der Vorsitzende der Bischofskonferenz entgegen der päpstlichen Anordnung das Projekt des Synodalen Rates nicht auf. Er wäre demnach nicht bereit, sich der päpstlichen Autorität unterzuordnen und deutet weiterhin die Anweisung des Papstes als einen bloßen Meinungsbeitrag um.


Martin Grünewald
Der Journalist war 36 Jahre lang Chefredakteur des Kolpingblattes/Kolpingmagazins in Köln und schreibt bis heute für die internationale Nachrichtenagentur CNA. Weitere Infos unter: www.freundschaftmitgott.de

Bild: Imago Images

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