Vom 3. bis 5. Februar tagte in Frankfurt die 3. Versammlung des Synodalen Weges. Die Eindrücke sind noch frisch, aber einige Wahrnehmungen verbinden sich mit Fakten. Ein erster kritischer Rückblick von Martin Grünewald
Der Synodale Weg arbeitet demokratisch überfordert
Wenn gleichzeitig 117 Anträge, deren Antragsteller keine Gelegenheit haben, ihr Anliegen vorzustellen und zu begründen, deren Thema nicht einmal in der Versammlung genannt wird und von denen nur eine Abkürzung gleichzeitig auf dem Display der Tagung erscheint, innerhalb von wenigen Minuten vom Tisch gewischt werden, dann ist das parlamentarisch mangelhaft bis ungenügend. Meist war nicht einmal klar, wer für diese Einordnung der Anträge verantwortlich war. Täglich gab es im Plenum Kritik am wenig transparenten Verfahren und der Machtfülle der Antragskommission, deren Identität erst am letzten Beratungstag kurz gelüftet wurde. Aber nur für diejenigen, die zufällig im richtigen Augenblick mitschreiben konnten. Bei der Abschlusspressekonferenz wurden die beiden Präsidenten der Versammlung darauf kritisch angesprochen. Bischof Georg Bätzing antwortete entschuldigend: „Die Synodalversammlung hat sich zu Anfang auf dieses Verfahren eingelassen. Es kann gut sein, dass das von außen betrachtet verstörend wirkt.“ Aber es verstörte auch Delegierte, die kritisch darauf hinwiesen. Irme Stetter-Karp stellte das Verfahren vor den Journalisten als alternativlos dar: „180 Anträge in der Fülle noch einmal im Plenum aufzurufen, da müssten wir drei Wochen am Stück tagen.“ Genau. In den Beratungen gab es eine Redezeit von maximal drei Minuten, meist betrug die Redezeitbeschränkung eine einzige Minute. In einer solchen Kürze lassen sich nicht seriöse theologische und anthropologische Debatten führen. – Wenn man sich zu viel auf einmal vornimmt, lässt sich eben nicht mehr gründlich arbeiten. Der Synodale Weg überfordert sich offenkundig selbst.
Der Synodale Weg arbeitet nicht synodalisch
Der Papst hat oft genug erklärt, was eine Synode ausmacht. Der Nuntius hat in seinem Grußwort daran erinnert. Es geht eben nicht darum, dass eine Mehrheit eine Minderheit dominiert. Sondern dass es gelingt, eine Lösung zu finden, bei der nahezu alle mitgehen können. Das gelingt nur mit Hilfe des Heiligen Geistes. Das Zweite Vatikanische Konzil hat dies deutlich gemacht. Bei den Beratungen in Frankfurt gab es häufig 80:20 Entscheidungen. Da war klar, dass die Minderheit keine Chance hatte. So zeigte sich das Kräfteverhältnis zwischen Bewahrern und Reformern. Wobei diese Kategorisierung nicht ganz richtig ist. Besser würde die Situation so beschrieben: Die große Mehrheit strebt Änderungen an, die nach Ansicht der Minderheit über das Ziel hinausschießen und mit dem römisch-katholischen Glauben nicht vereinbar sind.
Die Mehrheit konnte aufgrund der klaren Verhältnisse ihre Agenda rasch durchziehen. Dominanz ist aber das Gegenteil von Synodalität. Vielmehr wäre es darauf angekommen, zu unterscheiden: Welche Anliegen der „anderen Seite“ teile ich und wie finden wir Wege für einen gemeinsamen Weg. Am dritten Beratungstag gab es einen solchen Moment mit zwei Redebeiträgen, bei denen eine Lösung zumindest denkbar war. Es ging um die entscheidende Frage, wie es gelingen kann, dass die Kirche einerseits ihre großen Ideale nicht aufgibt, andererseits aber keine unerfüllbare Forderungen aufstellt, die sündige Menschen bloßstellt. Die Chance wurde verpasst, sie wurde wahrscheinlich nur von wenigen erkannt. Der Tagungsmodus ließ es bei überfüllten Rednerlisten ganz selten zu, dass nachfolgende Redner auf vorherige Meinungsäußerungen eingehen konnten.
Es gibt ein Problem zwischen Frankfurt und Rom
Wir kennen es aus der Politik: Wenn Verantwortungsträger unpopuläre Entscheidungen vertreten müssen, dann schieben sie die Verantwortung gern auf die nächsthöhere Ebene. „Brüssel“ oder eine EU-Richtlinie ist „schuld“. Unerwähnt bleibt dann meist, dass Deutschland zuvor im Europäischen Rat zugestimmt hat. Kann es sein, dass ähnliche Mechanismen in der Kirche wirken? Wenn hierzulande mal wieder ein unpopuläres Thema in der Öffentlichkeit auftaucht, liegen angeblich die Ursachen oft in Rom, dem durchgängig das Etikett der „Rückständigkeit“ angeheftet wird. So geht es schon seit Jahren. Entweder die Kurie oder der Papst persönlich wird gerne zum Buhmann gemacht, nicht nur die Vorgänger von Papst Franziskus. Eine solche „Arbeitsteilung“ funktioniert aber nicht. Denn der Papst ist der Brückenbauer, der die Weltkirche mit 1,3 Milliarden Gläubigen weltweit zusammenhält. Der Anteil der Deutschen daran beträgt 1,7 Prozent.
Wie groß ist nun umgekehrt die deutsche Bereitschaft, sich in die große Gemeinschaft der Weltkirche einzugliedern? Wir erleben immer wieder, dass Entscheidungen aus Rom, dem Zentrum der Weltkirche, in Deutschland nicht akzeptiert und angewendet werden. Sie werden vielmehr mit negativer Stimmungsmache beantwortet und Illoyalität wird als heldenhafter Widerstand ausgegeben. Bei der dritten Versammlung des Synodalen Weges wurden Beschlüsse an die Adresse Roms gerichtet, teils mit einem belehrenden Beigeschmack. Andererseits stört es nicht, wenn bei den Beratungen in Frankfurt in dominierender Weise theologische Standpunkte eingebracht werden, die der 2000-jährigen Überlieferung des Glaubens fundamental widersprechen. Die beteiligten Theologen wissen sehr gut, dass die unveränderte Weitergabe des Glaubensgutes in der apostolischen Nachfolge zum Markenkern gehört. Von ihrem Selbstverständnis her lebt die katholische Kirche von Voraussetzungen, die sie sich nicht selbst gegeben hat. Lehre und Kirche sind nicht nach Gutdünken veränderbar, sondern an das Glaubensgut gebunden, das Jesus den Aposteln anvertraut hat.
Hinsichtlich der von Rom verbotenen Segnung gleichgeschlechtlicher Paare sagte die Versammlung in ihrem Beschluss eine Amnestie und die Bereitstellung von Anleitungen zur Umsetzung zu. Allgemein gilt ein solches Verhalten als Rebellion. Die katholische Kirche in Deutschland benimmt sich, als wolle sie sich keiner höheren Instanz beugen. Dabei diskutiert sie selbst das Thema innerkirchlicher Machtbegrenzung und löst damit einen weiteren inneren Widerspruch aus.
Derlei Vorgehensweisen verursachen große Sorgen. Manche fragen sich bereits, ob von Deutschland eine neue Kirchenspaltung ausgeht. Die Initiative „Neuer Anfang“ hat sich anlässlich der Synodalversammlung an die Bischöfe in Deutschland und weltweit gewandt und ihnen „Sieben Fragen an die Katholische Kirche in Deutschland zu Freiheit und Autonomie“ zugesandt, um den theoretischen Hintergrund freizulegen, auf dem der Synodale Weg seine Beschlüsse anstrebt. Ob daraus eine konstruktive Debatte entsteht, bleibt abzuwarten. Eine unbeirrte Fortsetzung des bisherigen Kurses könnte dagegen größten Schaden anrichten.
von Martin Grünewald. Der Beitrag erschien erstmalig bei CNA
Vom gleichen Autor sind drei Berichte über den Verlauf der Vollversammlung des Synodalen Weges veröffentlicht worden, zu finden hier unter den Link: „Zeichen der Zeit“ , „Der Mehrheit oder der Wahrheit verpflichtet?“ und „Beschlüsse gegen die Lehre der Kirche“