Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit wenden sich Bischöfe aus dem Ausland an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Bätzing, nach Polen, diesmal die Skandinavier. Man mache sich „Sorgen um die Richtung, die Methodik und den Inhalt des synodalen Weges der Kirche in Deutschland“.
Erneut haben sich Bischöfe aus dem Ausland besorgt über den Kurs der deutschen Kirche an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, den Limburger Bischof Georg Bätzing, gewandt. Im Namen und mit Unterstützung weiterer Bischöfe der Nordischen Bischofskonferenz erinnert deren Vorsitzender Bischof Czeslaw Kozon die Deutschen in einem offenen Brief daran, dass sie durch ihr »Zeugnis für Christus und ihre Liebe zur Kirche« geholfen haben, das nachreformatorisch katholische Glaubensleben in den nordeuropäischen Ländern wiederhergestellt zu haben – ganz so, als wollte er fragen, wo dieser Eifer heute geblieben sei? Und so äußert er große Sorge in Bezug auf »die Richtung, die Methodik und den Inhalt des synodalen Weges der Kirche in Deutschland«.
Es ist nun innerhalb kürzester Zeit das zweite Mal, dass sich ein Vorsitzender einer ausländischen Bischofskonferenz öffentlich besorgt gegenüber dem Kurs der deutschen Bischöfe zeigt. Erst vergangene Woche hatte der Vorsitzende der polnischen Bischofskonferenz, Stanisław Gądecki, der deutschen Bischofskonferenz „in brüderlicher Sorge“ wegen des Synodalen Weges geschrieben und den Kurs des synodalen Weges in Deutschland kritisiert.
Christus allein ist unsere Hoffnung!
Freundlich, aber deutlich mahnend stellt der Bischof von Kopenhagen nun klar, dass der Ruf des Heiligen Vaters »zur synodalen Suche nach lebensspendendem Potenzial im Leben und Wirken der Kirche heute« eine radikale Bekehrung erfordere. Es dürfe nicht darum gehen, dem flüchtigen Zeitgeist nachzurennen. Vielmehr müsse das sakramentale Mysterium der Kirche ins Zentrum gestellt werden – womit er den Finger in die Wunde legt: Auf dem Synodalen Weg in Deutschland geht es vor allem um Prozess und Strukturen. Diese allein würden die Kirche laut Kozon allerdings zu einem Projekt menschlichen Handelns degradieren.
Dass aber Gott der Handelnde sein müsse, macht Kozon deutlich, indem er schreibt, dass durch eine radikale Umkehr in Christus „der überlieferte Glaube und das gnädig uns verwandelnde Leben in Christo durch die Kirche wieder und weiterhin gesichert“ werden muss.
Wir veröffentlichen den Brief im Folgenden im Wortlaut, unter diesem Link finden Sie ihn aber auch als PDF-Download in Deutscher Sprache, in italienischer Übersetzung und hier in Englischer Sprache.
An den Vorsitzenden
der Deutschen Bischofskonferenz
Bischof Georg Bätzing Domplatz 7
65549 Limburg
Tromsø, d. 09.03.2022
Wie die deutsche Bischofskonferenz, so trifft sich auch die nordische in dieser Woche zur Frühjahrsvollversammlung. Aus Tromsø senden wir herzliche Grüße. Wir begleiten Sie und alle deutschen Mitbrüder mit unserem Gebet für das Treffen in Vierzehnheiligen und für den in dieser Zeit immer schwieriger werdenden sozialen und pastoralen All-tag.
Vieles verbindet die Katholiken unserer Länder mit der katholischen Kirche Deutschlands. Die nachreformatorische Wiederherstellung katholischen Glaubenslebens bei uns ist zum größten Teil den Katholiken in Deutschland zu verdanken. Etliche Bischöfe, viele Priester, unzählige Ordensfrauen haben sich großherzig der Mission im Norden gewidmet. Durch ihr Zeugnis für Christus und ihre Liebe zur Kirche haben sie das geschaffen, worauf wir heute bauen. Dazu kommt die finanzielle Hilfe, die bis heute die Grundlage für kirchliches Leben in den nordischen Ländern bleibt. Für alles, ein herzliches Vergelt’s Gott!
Die Herausforderungen der Kirche sind weltweit überwältigend. Natürlich ist es geboten, dass wir uns als Bischöfe überlegen, wie wir sie am besten angehen, um Christus treu zu bleiben, den Bedürfnissen der Menschen unserer Zeit entgegenzukommen und die Wahrheit des Glaubens zu vermitteln.
Wir machen uns jedoch Sorgen um die Richtung, die Methodik und den Inhalt des synodalen Weges der Kirche in Deutschland.
Wir sehen ein, dass der gespürte Bedarf nach Veränderungen auf dem Hinter-grund der konkreten Situation in Deutschland gesehen werden muss. Zur selben Zeit sind weder die Themen noch das von Einigen erhoffte Ergebnis der Beratungen ein rein deutsches Anliegen. Alle müssen und wollen wir die furchtbaren Wunden des Missbrauchs heilen. Das Leid der Opfer muss unbedingt anerkannt werden. Alles muss gemacht werden, um in Zukunft Missbrauch zu verhindern. Es geht um Gerechtigkeit: ein christlicher Imperativ. Es geht auch um die Glaubwürdigkeit der Kirche.
Der Heilige Vater ruft die ganze Kirche auf zur synodalen Suche nach lebens-spendendem Potenzial im Leben und Wirken der Kirche heute. Dieser Prozess fordert eine radikale Bekehrung. Zuerst müssen wir die Verheißungen Jesu neu entdecken und vermitteln als Quelle der Freude, der Freiheit und des Gedeihens. Unsere Aufgabe ist es, uns das durch die Kirche vermittelte depositum fidei ungemindert zu eigen zu machen, mit Dankbarkeit und Ehrfurcht. Weltweit machen sich viele Gläubige Gedanken zur Lebensform der Priester und deren Ausbildung, zur Stellung der Frau in der Kirche, zur Breite der Auffassungen von Sexualität, usw. In der legitimen Suche nach Antworten auf solche Fragen unserer Zeit, müs-sen wir jedoch vor jenen Themen halt machen, die unveränderliche Teile der Lehre der Kir-che beinhalten.
Wahre Reformen der Kirche haben seit je darin bestanden, die auf göttliche Offenbarung und authentische Tradition fundierte katholische Lehre zu verteidigen, zu erklären und in glaubwürdige Praxis umzusetzen — eben nicht darin, dem Zeitgeist nachzugehen. Wie flüchtig der Zeitgeist ist, bestätigt sich täglich.
Der weltweite synodale Prozess hat große Erwartungen erzeugt. Alle hoffen wir auf eine Erneuerung kirchlichen Lebens, kirchlicher Mission. Das Risiko besteht aber, dass wir durch Prozessdenken und strukturellen Umbau die Kirche zu einem Projekt machen, zum Objekt unseres Handelns. Der synodale Prozess setzt das Bild der Kirche als pilgerndes Volk Gottes voraus. Ein solches Volk muss sich vernünftig organisieren, das ist klar. Aber ‘Volk Gottes’ ist nur eines der Bilder, mit denen die Tradition das Wesen der Kirche beschreibt. Soll unser synodales Unterscheiden Frucht tragen, muss es von diesen anderen Dimensionen bereichert und orientiert werden. Es scheint uns unentbehrlich, gerade in diesem Moment das sakramentale Mysterium der Kirche ins Zentrum zu bringen. Wie schaffen wir es nun, mit Staunen zu bedenken — und zu erleben — dass die Kirche eben auch corpus mysticum, Braut Christi, und Vermittlerin der Gnade ist? Die Kirche lässt sich nicht nur als sichtbare Gesellschaft definieren. Sie ist ein Geheimnis der Gemeinschaft: communio der Menschheit mit dem dreifaltigen Gott; communio der Gläubigen untereinander; communio der Ortskirchen weltweit mit dem Nachfolger Petri.
Es ist unsere Erfahrung, dass die Katholiken, die das Leben unserer Pfarreien und Gemeinschaften gestalten und tragen, sich dieses sakramentalen Mysteriums intuitiv bewusst sind, nicht aber immer dazu neigen, Fragebögen auszufüllen oder an Debattrunden teilzunehmen. Vergessen wir nicht, im Rahmen des synodalen Prozesses, auch auf deren Zeugnis aufmerksam zu hören.
Gerade in einer Zeit, in der sich Europa durch tiefe Fissuren zu spalten droht, steht fest: Wir haben ein höheres Kriterium der Einheit nötig. Christus allein ist unsere Hoff-nung! In seinem Namen ist die Kirche dazu berufen ‘für das ganze Menschengeschlecht die unzerstörbare Keimzelle der Einheit, der Hoffnung und des Heils’ zu sein (Lumen Gentium, 9). Nur wenn wir unser kirchliches Leben ad intra auf Christus gründen und aus der Fülle seiner Offenbarung leben, werden wir dieser Berufung gerecht sein. Es ist wohl kaum der Fall, dass eine Verarmung des Glaubensinhaltes zu einer neuen Fülle kirchlicher Vitalität führen wird.
Die Kirche in Deutschland besitzt inmitten der jetzigen Krise weiterhin das Potenzial, sich zu erneuern, davon wir sind überzeugt. An uns alle richtet sich, wie am ersten Tag des Evangeliums, die Berufung zur radikalen Umkehr und zur Heiligkeit. Dankbar ge-denken wir der großen deutschen Heiligen, der Theologinnen und Theologen, die uns wunderbar bereichert haben, sowie der Scharen der in alle Welt entsandten, demütig unauffällig wirksamen deutschen Missionarinnen und Missionare. Innig dankbar sind wir für die Freigiebigkeit deutscher Katholiken, die Not abgeholfen und Entwicklung gefördert haben. Aus diesem Erbe wird auch heute reicher Segen hervorsprießen können.
So hoffen wir und beten darum, dass der überlieferte Glaube und das gnädig uns verwandelnde Leben in Christo durch die Kirche wieder und weiterhin gesichert werde, auch in einer sich gewaltig verändernden Gesellschaft.
Wir wünschen Ihnen und allen Mitbrüdern der deutschen Bischofskonferenz den Mut und die Hoffnung, die Einheit zu bewahren. Wir bleiben Ihnen in dieser großen Aufgabe mitbrüderlich verbunden. Zuversichtlich empfehlen wir die Kirche in Deutschland besonders der Fürsprache Mariens, der Mutter der Kirche.
Mit den besten Wünschen für eine gesegnete Fastenzeit,
Tromsø am 9. März 2022
Bischof Czeslaw Kozon, Kopenhagen, Vorsitzender
Kardinal Anders Arborelius OCD, Stockholm, stellvertretender Vorsitzender
Bischof Bernt Eidsvig Can.Reg, Oslo
Bischof David Tencer OFMCap, Reykjavik
Bischof Prälat Berislav Grgic, Tromsø
Bischof Prälat Erik Varden O.C.S.O., Trondheim
Marco Pasinato, Diözesanadministrator Helsinki
Bischof Peter Bürcher, Bischof em. Reykjavik
Bischof Teemu Sippo SCI, Bischof em. Helsinki
Sr. Anna Mirijam Kaschner, CPS, Generalsekretärin