Darf oder sollte die Weihe-Feier von Laientheologen für den kirchlichen Dienst in der Ausgestaltung markante Anleihen an Elemente enthalten, die an Diakonen- oder gar Priesterweihe erinnern, also ein Quasi-Weihegebet, Handauflegung, Überreichung der Hostienschale etc. ? Unser Gastautor Klaus Obenauer mit einer kritischen Überprüfung anlässlich einer Missio-Feier im Bistum Chur.

Der Anstoß: eine Ersatzordination für Laientheologen?

Die Missio-Feier für Pastoralassistentinnen und Pastoralassistenten im Bistum Chur im September vergangenen Jahres hatte etwas Aufsehen erregt; vor allem das Portal kath.net war hier kritisch engagiert. Was die Kritik provozierte, war die Gestaltung der Feier: Der Verdacht steht im Raum, es sei eine Art Ersatz-Ordination für Laientheologen veranstaltet worden, und zwar durch markante Anleihen an Elemente, die an Diakonen- oder gar Priesterweihe erinnern: ein Quasi-Weihegebet, Handauflegung, Überreichung der Hostienschale etc.

Auch dem, der die Schweizer Kirchenatmosphäre nicht aus eigener Anschauung kennt, aber mit den Diskussionen und ideologischen Konfliktlinien im deutschsprachigen Raum – die sich kaum regional eingrenzen lassen – bestens vertraut ist, stellt sich die Frage nach dem indiziellen Wert dieses Vorgangs, weit über das konkrete Einzelereignis in der Diözese Chur hinaus. Die jüngst, zumal durch die Debatten rund um den „Synodalen Weg“ in Deutschland, erneut und verstärkt ausgebrochenen Meinungsverschiedenheiten zum Thema „Priester und Laien“ wie „Stellung des Priesters“ belegen dies. Deshalb verdient besagter Vorfall eine eingehendere Diskussion.

Ein Unbehagen, das geklärt werden muss

Was die Details angeht, so ist im kath.net-Beitrag verlinkt auf das Video, auf dem man die kritisierte Missio-Feier von Anfang bis Ende verfolgen kann. Sieht man sich nun die einschlägigen Sequenzen an, dann muss der wohlmeinende, aber problembewusste Zuschauer zum Eindruck kommen: Einerseits ist das gut gemeint: weder dem Bischof noch den Kandidatinnen und Kandidaten mag man irgendeine Unlauterkeit attestieren.[1]

Andererseits aber ist es befremdlich: wirklich nicht ohne Grund wird Anstoß genommen. Im einschlägigen kath.net-Artikel sind die Punkte denn auch korrekt aufgelistet (mag man auch das eine oder andere Detail „gnädiger“ beurteilen). Das Unbehagen dieser Ambivalenz – schon gut gemeint, allerdings ziemlich tendenziös in der Ausgestaltung – ist aber schon für sich ein Problemindikator. Und zu viel Beißhemmung ist dann auch nicht angezeigt.

Schwanken: Angleichung an die Weihe – und Abschwächung

Der Anstoß ist ja damit gegeben, dass der Sendungsritus durch seine Elemente zu stark an eine ordinatio, die Erteilung einer Weihe erinnert: besonders auffällig das feierliche Gebet –  das in der Art seines Vortrags schon ein wenig an ein Weihegebet erinnert – samt Handauflegung. Ebenso auffällig freilich auch, dass man mit Bedacht, wie es scheint, abgeschwächt hat: Als Heilig-Geist-Hymnus wird eine deutsche Fassung der Pfingstsequenz anstelle des für heilige Weihen üblichen „Veni Creator“ gesungen; das feierliche Gebet spricht der Bischof mit Mitra auf dem Haupt.

Vor allem aber: die Abfolge von feierlichem Gebet und Handauflegung ist umgestellt, letztere ist als Segenshandlung konzipiert, wie diese Auflegung auch etwas zurückhaltend appliziert ist. Schließlich: beim feierlichen Gebet wie bei der Handauflegung stehen die Kandidaten statt zu knien. Kurzum: Es beschleicht einen der Eindruck, die für den Ritus Verantwortlichen haben ihn im Bewusstsein seiner beträchtlichen Ähnlichkeit mit einem Weihe-Ritus konzipiert bzw. angewandt, was gerade noch einmal darin greifbar wird, dass sie zugleich dieser Ähnlichkeit erkennbar die Spitze genommen haben.

Böse Absicht sei hier niemandem unterstellt: schon gar nicht will ich mich zynisch über die Kandidaten hergemacht haben, die sich – was auch immer für Ansichten sie haben mögen – in den kirchlichen Dienst nehmen ließen; ebenso wenig unterstelle ich dem Bischof die Absicht „subversiver“ Insinuationen. Zumal ich ja niemandem in das Gewissen schaue. Aber ebenso sicher ist mein Urteil, dass sich an sich solche Ambivalenzen verbieten, Ambivalenzen, die Unbehagen auslösen. Es reicht, wenn man nicht weiß, was man davon halten soll.

Stichproben: theologisches Erbe und liturgische Tradition

Natürlich sind die besagten Elemente – die nach meinem und vieler anderer Urteil den besagten Sendungsritus in anstößiger Weise überfrachten –, mehr und weniger und je für sich, nicht der heiligen Weihe vorbehalten: Die Handauflegung ist alles andere als exklusiv ein Weiheritus; wie sie überhaupt die Bestimmtheit zum sakramentalen Zeichen erhält erst durch Worte, welche die (pro hic et nunc) Anwendung dieser Materie bestimmen („verba applicationem huius materiae determinantia“), wie Pius XII für Bischofs-, Priester- und Diakonen-Weihe erklärte[2].

Aber: Im Rahmen der rituellen Bestellung zu einem Dienst in der Kirche und somit im engeren funktionalen Umfeld der heiligen Weihe verbietet sich eine liturgische Anreicherung, die nicht unerhebliches Verwechslungspotential, zumal für weniger Sachkundige, bereithält. Mit diesem Urteil konvergiert nun aber die Liturgie- und Theologiegeschichte: Seit schon sehr langer Zeit ist es Usus, bei der Erteilung der Weihen die Handauflegung der Diakonats-, Priester- und Bischofsweihe vorzubehalten, um schon den Subdiakonat davon auszuschließen. Eine Zäsur, die offensichtlich im Westen konsequent durchgehalten wurde, im Unterschied zum Osten, welche Einschränkung zugegeben werden muss.[3]

Zeugnis dafür geben unter anderem die berühmten „Statuta Ecclesiae Antiqua“ um Mitte/Ende des fünften Jahrhunderts.[4] Für den Subdiakon heißt es da, wobei ich auf Deutsch zitiere:

„Der Subdiakon, wenn er geweiht wird, soll – weil er die Handauflegung nicht empfängt – die Patene aus der Hand des Bischofs leer empfangen, und den leeren Kelch. Aus der Hand des Archidiakons aber soll er das Kännchen mit Wasser empfangen und das Auffanggerät und das Handtuch.“[5]

Das theologische Zeugnis des Thomas von Aquin

Ich mache einen Sprung ins 13. Jahrhundert, um den mir recht vertrauten hl. Thomas heranzuziehen, der nun mal eine erstrangige theologische Adresse ist. Bekanntermaßen kam Thomas nicht mehr dazu, das Ordo-Sakrament in „der Summe“ zu behandeln, weshalb auf 4 Sent, dessen einschlägige Passagen in das Supplement der Summe eingegangen sind, zurückgegriffen werden muss. In 37,5 (= 4 Sent 24, 2,3) heißt es da zur Handauflegung im Weihesakrament:

„Aber durch die Handauflegung wird die Fülle der Gnade gegeben, durch die sie [= die zu Weihenden] zu großen Offizien geeignet sind. Und daher wird allein den Diakonen und den Priestern die Handauflegung zuteil, weil ihnen die Ausspendung der Sakramente zukommt: wenngleich dem einen als dem in erster Linie solchen, dem anderen als dem Diener.“

Die Bischofsweihe wird hier nicht eigens erwähnt, weil der Episkopat für Thomas kein eigener sakramentaler Ordo ist[6], ein Problem, das hier nicht zu diskutieren ist.

Überdies ist zuzugeben, dass Thomas an Ort und Stelle innerhalb der Spendung des Weihesakramentes die Vollmachts-Mitteilung kraft der Einprägung des Charakters als solche, die durch die Überreichung beispielsweise von Kelch und Patene (so beim Priester) samt den Worten „Accipe potestatem“ geschieht, abhebt von der Gnadenvermittlung durch Handauflegung, eine Eigenheit, die man unter Umständen durch Contra-gentes IV,74 (n.4094) relativiert sehen kann, die aber für sich recht problematisch erscheint.

Die Handauflegung nur bei Diakonat, Priester- und Bischofsweihe

Dieser Befund dokumentiert also – wenngleich ganz knapp durch Stichprobe –, dass man sich von alters her der Sonderstellung der Handauflegung im Kontext des Ordo bewusst gewesen ist, um im Westen seit mindestens eineinhalb Jahrtausenden alle Weihestufen vom Subdiakonat an abwärts von der Handauflegung auszuschließen. Und dies, wie auch immer man die Rolle der Handauflegung bei der heiligen Weihe genauer auffasste.

Mithin nimmt es sich – für sich genommen, wobei ich nicht über Personen urteile – theologie- und liturgiegeschichtlich beachtlich mindersensibel aus, nach Gutdünken Riten zur Einweisung in laikale Ämter bzw. Funktionen zusammenzustellen, die einen Nicht-Ordo in die Nähe der heiligen Weihen, und zwar vom Diakonat an aufwärts, rücken durch eine rituelle Ausstattung, welche dem Common-Sense der vergangenen Jahrhunderte zuwiderläuft, der nämlich für die Ordines vom Subdiakonat an abwärts die Handauflegung ausschloss.

Ausschloss im Bewusstsein der Sonderstellung von Diakonat, Presbyterat und Episkopat. Besagte gewisse Zurückhaltung, in der die Handauflegung in der hier kritisierten Missio-Feier appliziert wurde, kann gegen die Entschiedenheit dieses Urteils kaum ankommen. Und eine Berufung auf die etwas anders gelagerte liturgische Tradition des Ostens – mit Blick allerdings auf Weihen diesseits des Diakonats – wäre zu bemüht, wo sie doch bei uns niemals Wirkung entfaltet hat, und dies mit besten Gründen.

Handauflegung und sakramentaler Charakter

Im reflexiven Nachspüren möchte ich noch einen Schritt weitergehen: Dem Weihesakrament ist es (wie Taufe und Firmung auf ihre Weise) eigen, einen „Charakter“ einzuprägen, sprich – wie das Konzil von Florenz erklärt –: „ein gewisses geistliches Zeichen mit der Funktion, von den Übrigen zu unterscheiden“, und zwar „als unauslöschliches in der Seele“ einzuprägen[7]. „Mit der Funktion, von den Übrigen zu unterscheiden“ / „a ceteris distinctivum“: die untilgbare Einprägung des geistlichen Siegels stellt eine unterscheidende Auszeichnung dar.[8]

Wichtig nun für unser Thema und dessen Anlass: Für uns hat die Unterscheidungsfunktion des Charakters als die eben eines Zeichens, wie Thomas erklärt, statt, „insofern er [= der Charakter] durch das sinnenfällige Sakrament eingeprägt wird“[9].

Freilich gehören zum sinnenfälligen Sakrament – das bewirkt, was es bezeichnet –, gerade auch als dem der Weihe, rituelle Handlung und vereindeutigend-deutende Worte („Materie und Form“)[10].

Desunbeschadet gehört es zur Würde der Handauflegung im Rahmen des Ordo, die herausragende Stellung des (zumindest auch) mit ihr Geweiht-Werdenden zu kennzeichnen. Irgendwie bezeugt dies schon die oben zitierte Erläuterung des hl. Thomas zur Bedeutung der dem Diakonat und dem Priestertum vorbehaltenen Handauflegung, worin Thomas aber, wie gesehen, die Handauflegung noch diesseits der ‚impressio characteris‘ ansetzt. Von daher fällt für uns ungleich gewichtiger das Votum des heiligen Bonaventura aus, und zwar im Rahmen der Erläuterung der Verschiedengestaltigkeit von Zeichen und deutendem Wort bei den einzelnen Weihestufen – näherhin als solchen, die jeweils einen Charakter einprägen und so geistliche Vollmacht verleihen – in 4 Sent 24,2, 1,4; schließlich heißt es dort:

„Aber da ja die Charakter verschiedene sind – indem sie größere oder geringere Würde haben gemäß der Grade der Vollmachten –, daher sind so die Zeichen wie die Worte verschieden, ganz besonders bei den heiligen Weihen und bei den niederen. Bei den heiligen Weihen nämlich – da ja dort eine vornehme und herausragende Vollmacht gegeben wird – wird die Handauflegung vorgenommen, nicht nur die Übergabe des Instruments, da ja die Hand das Organ der Organe ist, in dem nämlich die Gewalt zu wirken erstrangiger Sitz hat. Von daher weihte [‚ordinierte‘] man so in der Urkirche, wo es entfaltet [‚explizit‘] nur diese zwei Weihestufen gab.“[11]

Mit diesen zwei Weihestufen sind der Diakonat und die des Priesters gemeint: Während der Episkopat für Bonaventura (ähnlich wie für Thomas) nicht eigentlich ein eigener Ordo ist[12], zählt Bonaventura, darin auf den Sentenzenmeister[13] Bezug nehmend, zu den sog. „heiligen Weihen“ eben nur die beiden besagten, während Thomas[14] auch den Subdiakonat unter die „heiligen Weihen“ rechnet.

Die geistliche Auszeichnung wird in der Handauflegung sinnenfällig

Vor dem Hintergrund von Thomas‘ Erläuterung, wonach dem Charakter für uns Unterscheidungsfunktion als die eines Zeichens eignet kraft des ihn einprägenden sinnenfälligen Zeichens des Sakraments, hat Bonaventuras Erläuterung gerade für uns heute – da seit Pius XII und Paul VI. Handauflegung und Worte des Weihehochgebetes die einzig verbliebene Materie und Form des Weihesakraments sind – erstrangige Bedeutung: Wenngleich nämlich die Handauflegung für sich allein nicht eindeutiges Zeichen ist, so ist sie mit das Sinnenfällig-Werden des exzellenten Ranges der innerlich-auszeichnenden sakramentalen Besiegelung, die den heiligen Weihen vom Diakonat an aufwärts eignet.

Und wenn seit Paul VI, von gewissen Exzeptionen abgesehen, die niederen Weihen und der Subdiakonat nicht mehr und dabei nur ersatzweise existent sind, so bleibt doch die Funktion dieses sakramentalen Sinnenfällig-Werdens a foriori gegenüber anderen liturgischen Einweisungen in einen Dienst oder eine Aufgabe erhalten, welchen Einweisungen durchaus zuzubilligen ist, ein „Sakramentale“ (im Unterschied zu „Sakrament“) zu sein. Von daher: Das Verdikt eines „Angriffes“ o.ä. mag man nicht gleich verhängen. Aber es zeigt sich, dass es in der Sache in ganz hohem Maße unangemessen bis unsensibel ist, solche liturgischen Einweisungen mit einer Handauflegung auszustatten. Denn das verhindert[15] nolens-volens, dass das sakramentale Sinnenfällig-Werden der geistlichen Auszeichnung durch Gott in der Weihe zum Diakon aufwärts angemessenen Raum hat; angemessenen Raum als das Sinnenfällig-Werden einer exzellenten Auszeichnung, die Gott als just solche schenkt.

Eine Annäherung an das Hintergrundproblem

Mit diesen zwar etwas umwegig erscheinenden Darlegungen habe ich aber, wie ich meine, ebenso den sakramententheologischen Skopus des Problems, liturgische Installationen in kirchliche Dienste nach ihrer Ausgestaltung zu nahe an die heiligen Weihen heranzurücken, benannt wie schlussendlich an den zentralen Nerv gerührt: exzellente Auszeichnung von Gott her. Und ganz besonders verbinden wir das mit der Priesterweihe (a fortiori der Bischofsweihe). Dieses Herausgehoben- und Ausgezeichnet-Sein zu etwas Besonderem. Das Sich-daran-Stoßen gehört sicher mit zu der atmosphärischen Gesamtbefindlichkeit, die jene problematische Aufwertung laikaler Dienste, die oben thematisiert wurde, begünstigt. Der Hintergrundmelodie zeitdiagnostisch auf den Zahn zu fühlen – philosophisch wie spezifisch theologisch –, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Ich möchte nur einen Punkt hervorgehoben haben:

Vermittlung der heiligmachenden Gnade

Die Bedeutung des Priesters, die seine ausgezeichnete Stellung bedingt, ist nicht in wenigen Worten einzufangen. Aber ganz sicher besteht seine Funktion und Aufgabe zentral darin, Christus und sein Kreuzesopfer in der Eucharistie gegenwärtig werden zu lassen – so dass dieses Sakrament Christus, unser Heil, selbst enthält und sein Vollzug Opfer ist –; und dies als Höhepunkt jenes Sachverhaltes, wonach Christus überhaupt im Vollzug der Sakramente durch das rituelle Tun des Priesters wirkt.

Beschränken wir uns im Interesse einer zielführend-knappen Argumentation auf das Wirken Christi durch den Priester im Vollzug der Sakramente im Allgemeinen: Es lässt sich diesbezüglich eine direkte Proportionalität geltend machen zwischen der exzellenten Vollmachtstellung des mit ihr innerlich aus-gezeichneten Priesters und dem, was uns die Sakramente-im-allgemeinen, auch und vor allem, vermitteln: der Gnade Gottes als uns innerlich qualifizierender Wirklichkeit, sprich: der „heiligmachende Gnade“.

Und alle Gnade hat einen Bezug zu den Sakramenten: Ihr Überhaupt-Besitz als einer uns zuständlich heiligenden Wirklichkeit ist nur gegeben vermittels des Sakraments „aut re aut voto“. Sprich: entweder im Realempfang oder im [wenigstens impliziten] Verlangen nach dem Sakrament. Und die adäquate Weise, als Herangereifter dauerhaft in und aus der Gnade zu leben, ist ohne den Empfang der heiligen Eucharistie, Christi als des Brotes der Seele, nicht möglich (vgl. Joh 6,56sq.); näherhin den realen Empfang oder ersatzweise den bloß geistlichen, und das im ausdrücklichen Verlangen nach dem Sakrament.

So sehr also das Junktim Priester-Sakrament gerade mit Blick auf die Taufe – die gültig von jedem Menschen gespendet wird –, durchbrochen ist, bleibt ja seine Bedeutung für den bereits Getauften: von der Sonderstellung der Ehe abgesehen, sind alle Sakramente für den Getauften dem Priester oder gar dem Bischof vorbehalten.

Es ist ja nicht umsonst so, dass die Bedeutung des Priesteramtes und seiner Vollmacht in den scholastischen Traktaten prinzipal in der Sakramentenlehre zur Sprache kommt. Der Priester ist der Diener Christi, der im Vollzug der Sakramente vermittels seiner Diener wirkt, jener Sakramente, durch die uns „ex opere operato“ die Gnade Gottes zukommt, sprich: die Gnade, mit der uns Gott innerlich begabt. Und in erster Linie ist das die heiligmachende Gnade.

Der Dienst des Priesters: Sakramentale Vermittlung der Unmittelbarkeit zu Gott

Das ist erst einmal spröde, ein wenig für unsere Zwecke aufbereitete, klassische Katechismuslehre. Ihr hoher Plausibilitätsverlust hängt aber mit dem defizitären Verständnis für die „heiligmachende Gnade“ zusammen. Man entwickelt keinen Sinn für diese erstrangige theologische Größe, wenn man sie als weißes Seelenkleidchen ansieht, das man lästigerweise nicht verlieren darf, will man vor seinem himmlischen Richter bestehen, auf welches Kleidchen dann auch noch der Priester das Patent hat.

Ich versuche, es ad hoc so zu sagen, und dabei ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit: Die heiligmachende Gnade ist jene von Gott geschenkte („eingegossene“) innere Wie-Bestimmtheit („Qualität“), die so einzigartig ist, dass in ihr und durch sie unser Unmittelbar-zu-Gott-hin-Sein greift, uns eingepflanzt ist. [Mehr braucht, denke ich, hier zum Thema „donum creatum et increatum“, Gnade und Einwohnung Gottes, samt der Vielfalt der Theoreme, dieses Verhältnis aufzuklären, nicht gesagt zu werden.]

Von daher ist das werkzeughafte Zu-Dienen der Gnade seitens des Priesters in den Sakramenten werkzeughaftes Zu-Dienen der Gottunmittelbarkeit, und zwar jener Gottunmittelbarkeit, die die Gottunmittelbarkeit im ewigen Leben vorwegnimmt. Und da letztere die Endgültigkeit jener Gottunmittelbarkeit ist, mit der man sich hier unter freier Zustimmung zur zuvorkommenden Gnade Gottes hat beschenken lassen, hängt die ewige Seligkeit davon ab, dass ich mein Leben in der Gnade Gottes beschlossen habe. Diese Unmittelbarkeit zu Gott in der Gnade ist wesentlich darauf angelegt, sich in gelebter Unmittelbarkeit – hier auf Erden freilich diesseits der Schau – zu entfalten. Von daher ist sie eminent personale Beziehungswirklichkeit[16].

Schon um nicht ausufernd zu werden, ist hier auch kein Ort für Erörterungen, wie genau und unter welchen Voraussetzungen die Bindung des Gnadenbesitzes an den Dienst des Priesters – wie sie unserem Glauben gemäß kraft Christi Willen besteht – vom Zwang der Sache her unabdingbar ist, sprich: ob das an sich nicht auch anders gegangen wäre etc. Auf alle Fälle legt sie sich, im Sinne eine Stimmigkeit, einer „Kongruenz“, nahe. Nahe eben für den Menschen, so wie er jetzt ist, theologisch: den gefallenen Menschen.

Wenn uns von der Gnade Gottes gepredigt wird, die Gott uns eingießt, um uns in ihr mit der Unmittelbarkeit zu ihm selbst zu beschenken, drängt sich von selbst die Frage auf, woher uns denn diese Begabung kommen soll, wo sie greifbar wird, was oder wer sie für uns verbürgt. Und was liegt da näher, als auf den dazu bestellten, „ausgezeichneten“ Diener desjenigen zu verweisen, durch den „die Gnade und die Wahrheit geworden“ sind, Christi, des fleischgewordenen Gott-Logos, „voll der Gnade und Wahrheit“ (vgl. Joh 1,14-17)?

Und wem Gottes Transzendenz aufgegangen ist, der ahnt auch die Ungeheuerlichkeit der Selbstmitteilung Gottes in der Gnade hin zur Unmittelbarkeit zu ihm, so dass sich Einwände, ob es solcher greifbarer Vermittlungs- und Zudienungs-Instanzen denn bedürfe, da Gott doch immer schon „in allem sei“, erübrigen.

Die Überzeugungskraft dieser Darlegungen mag bescheiden sein. Sie mögen jedoch verdeutlichen, dass (nicht nur, aber) mit das Kernproblem bei der Schwierigkeit, das Ausgezeichnet-Sein des Priesters, das ihm eine exzellente Stellung verleiht, zu würdigen, das fehlende Verständnis für die uns vom Gottmenschen Christus her zukommende Heilsgröße schlechthin ist: eben jene heiligende Gnade, mit der uns die Unmittelbarkeit zu Gott geschenkt ist. Die Stellung des Priesters Christi als Beschneidung der eigenen anzusehen, ist da sinn- und gegenstandslos. Es sei mir zum Abschluss erlaubt, aus Thomas‘ Engellehre in der Summe zu zitieren, einen Einwand und seine Lösung im Rahmen der Frage, ob Engel zum Dienst gesandt werden (STh I, 112,1 arg/ad4):

„[Einwand:] Außerdem. Zu dienen ist Sache des Niedriger-Stehenden, weshalb es in Lk 22 [,27] heißt: ‚Wer ist größer: der bei Tisch liegt, oder jener, der bedient? Etwa nicht, der bei Tisch liegt?‘ Aber die Engel sind höherstehend als wir der Ordnung der Natur nach. Also werden sie nicht zu unserem Dienst gesandt. [Lösung:] Die Engel dienen in ihren äußeren Betätigungen in erster Linie Gott, und in zweiter Linie uns. Nicht, weil wir höher als sie sind, einfachhin gesprochen; aber: jeder Beliebige – Mensch oder Engel –, insofern er durch das Gott-Anhängen ein Geist mit Gott wird [nach 1 Kor 6,17], ist höher als jedes Geschöpf. Von daher sagt der Apostel in Phil 2 [,3]: ‚indem einer von euch den anderen als höher als sich selbst beurteilt‘.“


Dr. theol. Klaus Obenauer
ist Privatdozent an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Bonn. Zur Zeit arbeitet er als selbständiger Übersetzer. Sein Forschungsschwerpunkt liegt in der scholastischen Theologie und Philosophie.


[1] Mithin wiederhole ich noch einmal eigens: Meine erste kritische Leserreplik in kath.net war zum Teil in der Wortwahl sehr harsch ausgefallen: Alle, die ich damit verletzt habe, bitte ich erneut um Verzeihung!

[2] DS 3859. Vgl. Leo XIII in „Apostolicae curae“ (DS 3315sq.).

[3] Dazu: Artikel „Ordo I.D)“ (Piet Fransen), in: LThK2 7 (1962/86), 1214-1215; Artikel „Subdiakonat, Subdiakon“ (Bruno Kleinheyer), in LThK2 9 (1964/86), 1133.

[4] DS 326sqq.

[5] DS 329.

[6] Dazu: Suppl. 40,5. Überdies beachte man De-articulis-fidei, pars 2 („episcopatus magis est dignitas quam ordo“) versus De-perfectione-spiritualis-vitae 24 (quod vero quarto), worin das Nicht-/Eigens-Ordo-Sein des Episkopats sehr nuanciert behandelt wird.

[7] DS 1313. Zurückgegriffen wurde hierbei auf: S. Thomas: De-articulis-fidei, pars 2. Siehe auch Trient: DS 1609 u. 1767/1774.

[8] Näheres dazu auch unter: S. Bonaventura: 4 Sent 24,2, 1,1 („signaculum distinctivum et perpetuum et Christo configurativum“); S. Thomas: STh III, 63,1 arg/ad1-2 / ibd. 3 arg/ad3.

[9] STh III, 63,1 ad2.

[10] S. Bonaventura 4 Sent 24,2, 1,4; S. Thomas: Suppl. 34,4sq. / 37,5; besser, aber knapper: Contra-gentes IV,74 (n. 4094sq.).

[11] Ergänzend sei erwähnt, dass Bonaventura die „benedictio“ aus der Funktion, den Charakter im Bezeichnen desselben einzuprägen, ausschließt: ibd. fundamenta 1 et 2 und v.a. in fine corporis. Laut (ad5/)arg/ad6 haben auch für Bonaventura die imperativischen „Accipe-potestatem“- Formeln die Stellung der Form. Die Erläuterungen ganz zu Ende (nach ad6) sprechen eher dafür, dass unter jener „benedictio“ die Weihegebete verstanden sind, wähend f.2 u.U. an das „benedic [/et sanctifica/etconsecra/] hos famulos tuos etc.“ am Ende der Allerheiligenlitanei denken lässt. Die „Statuta Ecclesiae Antiqua“ (s.o.; DS 326sqq.) verstehen unter der „benedictio“ offensichtlich das Weihegebet bzw. die maßgebliche Weiheformel.

[12] 4 Sent 24,2, 2,3.

[13] Petrus Lombardus: Viertes Sentenzenbuch, 24, pars 2, cap. 12.

[14] STh, Suppl. 37,3.

[15] Näherhin bei uns, in unserem spezifisch westkirchlichen Kontext.

[16] Ohne deshalb ontologisch auf die Kategorie der „relatio“ reduziert werden zu können.

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