Der heilige Augustinus ist einer der vier lateinischen Kirchenväter und ein großer Denker der Kirche. Sein Weg war nicht geradlinig und nicht einfach. Viele Erfahrungen des Augustinus machen gläubige Denker und Lehrer auch noch oder wieder. Dem Kirchenvater Augustinus nachzugehen, wird helfen, Papst Leo XIV. zu verstehen. Von Peter Winnemöller

Papst Leo XIV. bezeichnet sich als einen Sohn von Augustinus. Als Angehöriger des Augustiner-Ordens ist dies nicht weiter verwunderlich. Augustinus ist einer der vier lateinischen Kirchenväter. Seine Ordensregel gehört zu den weltweit einflussreichsten geistlichen Lebensregeln. Augustinus, Bischof von Hippo, wurde 354 in Tagaste im heutigen Algerien geboren und starb 430 in Hippo Regius (heute östliches Algerien). Papst Benedikt XVI. hat sich in seiner Theologie sehr oft auf den heiligen Augustinus berufen und bezogen. Neben Bonaventura war es wohl Augustinus, der das Denken des verstorbenen Papstes und Theologen am stärksten beeinflusst hat. Im Rahmen seiner Katechesen bei den Mittwochsaudienzen hatte sich Papst Benedikt XVI. für einige Zeit besonders der Kirchenlehrer angenommen. Natürlich nahm auch Augustinus mit fünf Katechesen in der Zeit vom 9. Januar bis zum 27. Februar 2008 hier einen prominenten Raum ein. „Man kann sagen“, zitierte Papst Benedikt seinen Vorgänger Papst Paul VI. in der ersten Katechese, „dass das gesamte Denken der Antike in seinem Werk zusammenfließt und von ihm Denkströmungen ausgehen, die die gesamte Lehrtradition der nachfolgenden Jahrhunderte durchdringen.“ Als ersten wichtigen Hinweis auf den Heiligen verwies der Papst damals auf Confessiones. Dieses Buch sei ein einzigartiges Vorbild in der abendländischen Literatur, und nicht nur der abendländischen, auch der nichtreligiösen Literatur bis hin zur Moderne, so Benedikt XVI. Damit sich die Zuhörer dem einstigen Bischof gedanklich nähern konnten, nannte er einige biografische Rahmendaten des Kirchenvaters.

Mit Cicero zu Christus

Der Weg zur Weisheit führte für Augustinus über eine heute verlorene Schrift Ciceros, den Hortensius. Es folgte auf der Suche nach der Wahrheit das Studium der Bibel. Augustinus zeigte sich von Stil und Inhalt der lateinischen Übersetzung der Bibel enttäuscht. Ein Umweg führte ihn über die Manichäer. Doch auch diese vermögen seinen Durst nach Weisheit nicht zu stillen. Intellektuell enttäuscht wendet er sich von den Manichäern ab und kommt nach Mailand. Hier begegnet er Ambrosius, von dem er sich begeistert zeigt. Die Lösung von Augustinus’ Problem beschreibt Papst Benedikt in seiner ersten von drei Katechesen über den Kirchenlehrer so: „In kurzer Zeit wurde Augustinus sich bewusst, dass die allegorische Lesart der Schrift und die neuplatonische Philosophie, die vom Mailänder Bischof angewandt wurden, ihm erlaubten, die intellektuellen Schwierigkeiten zu lösen, die ihm, als er jünger war, bei seiner ersten Annäherung an die biblischen Texte unüberwindbar erschienen waren.“

Es ist noch ein Stück des Weges, den der Heilige zu gehen hat. Papst Benedikt XVI. beschreibt dies sehr anschaulich und drückt das Zwischenziel so aus: „Die Bekehrung zum Christentum am 15. August 386 stellte somit den Höhepunkt eines langen und mühsamen inneren Weges dar, von dem wir noch in einer weiteren Katechese sprechen werden, und der Afrikaner begab sich aufs Land im Norden von Mailand am Comer See – zusammen mit seiner Mutter Monika, seinem Sohn Adeodatus und einer kleinen Gruppe von Freunden –, um sich auf die Taufe vorzubereiten. So wurde Augustinus mit 32 Jahren am 24. April 387 von Ambrosius in der Osternacht im Mailänder Dom getauft.“

Glaube und Vernunft

In den folgenden Katechesen ging Papst Benedikt XVI. immer auf besondere Einzelperspektiven im Leben, Lehren und Handeln des Heiligen ein. Die zweite Katechese schaute besonders auf das Ende des Lebens von Augustinus. Im Jahr 426, vier Jahre vor seinem Tode, so Papst Benedikt, habe der Heilige in einer Versammlung der Gläubigen seinen Nachfolger bestimmt. Er selbst habe sich in den ihm verbleibenden Jahren vermehrt dem Studium der Heiligen Schrift widmen wollen. Benedikt XVI. nennt die Zeit vier Jahre einer außergewöhnlichen intellektuellen Tätigkeit. Darin war neben der Vollendung bedeutender Werke auch die öffentliche Diskussion mit Häretikern gemeint. Papst Benedikt nennt ferner die Bemühungen um die Förderung des Friedens in den afrikanischen Provinzen. In dieser Hinsicht zeigte sich Papst Leo XVI. schon beim ersten Betreten der Mittelloggia ganz und gar als Sohn des heiligen Kirchenvaters.

Benedikt XVI. erwähnt ferner, dass Hippo damals der Zufluchtsort für viele Menschen gewesen sei. „Augustinus hatte die Bischöfe, die vor den Barbaren fliehen mussten, in sein Haus aufgenommen.“ Auch Possidius, der spätere Biograph Augustins, war darunter. Dieser hat später ein direktes Zeugnis dieser letzten dramatischen Tage hinterlassen. „Am 28. August 430 schließlich“, so Papst Benedikt XVI., „fand das Herz dieses großen Bischofs und Kirchenlehrers seine Ruhe in Gott.“ Die dritte Katechese war dem Thema Glaube und Vernunft gewidmet. Dieses, so der Papst damals, sei ein für die Biographie des heiligen Augustinus entscheidendes Thema gewesen. In dieser Katechese zeichnet Papst Benedikt XVI. dezidiert den Weg des Kirchenvaters auf der Suche nach der Verbindung zwischen Glaube und Vernunft auf. Dieses Wortpaar ist es wohl, welches die beste Beschreibung des Ratzinger-Pontifikats in komprimierter Form darstellt. Darum ist diese Katechese unter den fünfen in der Tat zentral.

Monika hat Augustinus unterwiesen

Noch einmal verweist er auf den Glaubensweg des Heiligen, der von seiner Mutter Monika den katholischen Glauben gelernt hatte, diesen als Jugendlicher aufgegeben hatte, weil er dessen Vernünftigkeit nicht mehr erkennen konnte. Sein Durst nach Wahrheit sei so radikal gewesen, sich vom katholischen Glauben abzuwenden. Jedoch sei seine Radikalität so geartet, dass er nicht mit Philosophien zufrieden sein konnte, die nicht zur Wahrheit selbst gelangten. Damit ist gemeint, dass diese eben nicht bis zu Gott gelangten. Dabei ging es um die Suche nach Gott, so Papst Benedikt XVI., der nicht nur eine letzte kosmologische Hypothese sei, sondern der wahre Gott, der Gott, der uns das Leben gebe und in dieses unser Leben selbst eintrete. Wer diese Worte liest, erkennt, wie sehr das Denken des Theologen Joseph Ratzinger / Papst Benedikt XVI. von Augustinus geprägt war. In der vierten Katechese gab Papst Benedikt einen Einblick in das reiche Schaffen des Heiligen Augustinus, dessen Werk über 1000 Schriften umfasst.

In der letzten der fünf Katechesen über den Kirchenvater Augustinus nahm Papst Benedikt XVI. den Bekehrungsweg des Heiligen in den Blick. „Augustinus schreibt in den ‚Bekenntnissen‘, so der Benedikt, „dass er von seiner Mutter, der heiligen Monika, von Kind an in den christlichen Glauben eingeführt wurde.“ Selbst in seinen ungestümen Jugendjahren habe sich der Heilige im Innersten stets von Christus angezogen gefühlt. Nach einer entscheidenden Begegnung mit der Gnade Gottes in der Heiligen Schrift sei es ihm schließlich gelungen, die Versuchungen des Fleisches zu überwinden und sich aus ganzem Herzen für Christus zu entscheiden und die Taufe zu empfangen. Diese Beschreibung des geistlichen Weges des Heiligen zeigt umfassend dessen Weg vom jungen Heißsporn zum reifen Bischof von Hippo. In dieser letzten Katechese hat Papst Benedikt in einem abschließenden Absatz deutlich aufgezeigt, wie und wo der Heilige auch sein Denken – hier ganz konkret als Papst – beeinflusst hat.


Peter Winnemöller
Journalist und Publizist. Autor für zahlreiche katholische Medien. Kolumnist auf dem Portal kath.net. Im Internet aktiv seit 1994. Eigener Weblog seit 2005. War einige Jahre Onlineredakteur bei „Die Tagespost“. Und ist allem digitalen Engagement zum Trotz ein Büchernarr geblieben.


Alle fünf Katechese sind hier nachzulesen:

Generalaudienz vom 9. Januar 2008: Der Heilige Augustinus (1)

Generalaudienz vom 16. Januar 2008: Der Heilige Augustinus (2)

Generalaudienz vom 30. Januar 2008: Der Heilige Augustinus (3)

Generalaudienz vom 20. Februar 2008: Der Heilige Augustinus (4)

Generalaudienz vom 27. Februar 2008: Der Heilige Augustinus (5)


Beitragsbild: Adobe Stock

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