Das neue Arbeitsrecht segnet ab, was nicht gesegnet werden kann.

Ein Zwischenruf von Helmut Müller

Das neue Arbeitsrecht der Katholischen Kirche will nicht mehr in die Schlafzimmer blicken und segnet offensichtlich alles ab, was in ihnen geschieht. Genauer gesagt: Indem die Kirche sich verpflichtet, selbst bei verkündigungsnahen Mitarbeitern die wirren Verhältnisse, Lügen, Ehe- und Beziehungsbrüche ihrer Angestellten und deren beziehungstechnischen Neukonstellationen moralisch nicht mehr bewerten zu wollen, segnet sie das alles ab. So muss es die Öffentlichkeit zumindest verstehen. Und so ist es durchaus konsequent, wenn die Münchner TZ schreibt:

„Die etwa 800.000 Angestellten der Katholischen Kirche dürfen in Zukunft gleichgeschlechtliche Ehen schließen oder aber eine zweite heterosexuelle Eheschließung begehen.“

Selbstverständlich gibt es viel Anerkennenswertes, was weder bei heterosexuell, noch gleichgeschlechtlich Liebenden nicht bloß abgesegnet, sondern auch gesegnet werden kann. Nun bedeutet Segnen aber im Hinblick auf geschlechtliche Liebe eigentlich immer das geschöpfliche Aufeinanderzu der beiden Geschlechter, die Möglichkeit des Vater- und (!) des Mutterseins und des Rechts (!) des Kindes auf beides. Ein Recht auf Kinder gibt es nicht, sie sind Geschenk.

Leider ist die ursprüngliche Schöpfung von Brüchen durchzogen und nicht alles ist verwirklichbar was wünschenswert wäre. Charles Baudelaire, der im letzten Jahr vor 200 Jahren geboren wurde, meinte sogar: Ist die Schöpfung nicht vielleicht der Sündenfall Gottes? Könnte Gott vielleicht etwas segnen, was er schon anfänglich vermurkst hat, nämlich ein Lieben ohne Fruchtbarkeit? Das wäre zynisch. Der christliche Glaube jedenfalls geht von Brüchen in der Schöpfung aus.

Die Kirche segnet offensichtlich die reine (prinzipielle) Möglichkeit im Hinblick auf Fruchtbarkeit (s. Abraham u. Sarah, Zacharias u. Elisabeth), auch wenn es schon unmöglich geworden ist. Selbstverständlich können gleichgeschlechtlich Liebende gesegnet werden, ihre Liebe und Treue ist sogar anerkennenswert und wird im römischen Papier vom März 2021 genannt. Fraglich ist aber folgendes: Wenn Homosexuelle sagen: soziale Treue ja, sexuelle nicht und dass das zur Kultur gehöre (Volker Beck, Michael Brinkschröder) und sogar von homosexueller Seite durch den Theologen Ruben Schneider vor Segen gewarnt wird, da damit Heteronormativität Homosexualität überziehen würde, kann Rom nicht generell ja zu einem Segen gleichgeschlechtlicher Liebe sagen.

Auch hetersosexuelle Liebe wird nicht bedingungslos gesegnet

Es wird auch nicht jedes heterosexuelle Lieben, obwohl Anerkennenswertes verwirklicht sein kann, gesegnet. Geschlechtliches Lieben hat immer die Absicht den Dreiklang Du allein, Du für immer und Mit dir ein Kind (Gerl-Falkovitz) zu verwirklichen. Wenn eines davon ausgeschlossen wird oder prinzipiell nicht möglich ist, kann das vielleicht abgesegnet werden, aber es ist von der Kirche her gesehen nicht segenswert. Das erscheint bitter. Für die Kirche ist nicht die reine Biologie Maßstab, sondern das, was sie als Schöpfung begreift. Und da jeder Mensch auch den Bruch in der Schöpfung in sich spürt, kann er gesegnet werden, der Bruch selber aber nicht. Hans Urs von Balthasar sagte einmal: Irgendwo blutet jeder Mensch. Diese Brüche sollten angeschaut und dann überlegt werden, in welcher Weise Segen möglich ist. Das neue Arbeitsrecht scheint dagegen nur eine Blaupause gesellschaftlicher Gepflogenheiten zu sein. „Passt euch nicht den Maßstäben dieser Welt an“ (Röm 12,1), scheint für manchen Hirten zu anspruchsvoll geworden zu sein.


Dr. phil. Helmut Müller

Philosoph und Theologe, akademischer Direktor am Institut für Katholische Theologie der Universität Koblenz-Landau. Autor u.a. des Buches „Hineingenommen in die Liebe“, FE-Medien Verlag, Link: https://www.fe-medien.de/hineingenommen-in-die-liebe

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