Dass ein neuer Anfang im Gebet Früchte bringt und es manchmal reicht, ein Samenkorn zu legen, schildert Patricia Haun anhand ihrer persönlichen Erfahrungen mit dem Gebet „Deutschland betet Rosenkranz“. Mission hat vielfältige Gesichter. Sie beginnt jedoch immer mit einer Idee, einem ersten Schritt und Gottvertrauen.

Mittwochabend, 17:45 Uhr, Ende Juli. Es regnet in Strömen. Beinahe hätte ich es vergessen, das wöchentliche Rosenkranzgebet an der nahegelegenen Mariengrotte. Ich vermute, dass bei diesem Wetter maximal zwei bis drei Beter da sein werden. Da sollte ich Gebetsunterstützung leisten. Als ich am 8. Dezember 2021 zusammen mit einem Bekannten dieses Gebet nach dem Vorbild „Deutschland betet Rosenkranz“  in unserem Dorf initiierte, hatte ich nicht erwartet, dass es so lange fortbestehen würde.

Leidensdruck als Initialzündung

Es war die dunkle Coronazeit  – die Menschen verängstigt, verunsichert, gespalten, eingesperrt, viele hoffnungslos – als ich von dem Start der bundesweiten Gebetsinitiative hörte und dachte „Das isses!“. Den Menschen Hoffnung und Perspektive schenken, eine geordnete Gebetsversammlung an einem öffentlichen Ort; die Sorgen und Ängste abgeben an Gott, der diese verirrte und verwirrte Welt dennoch in seinen Händen hält. In einer Welt der Glaubens- und Orientierungslosigkeit einen Neuanfang wagen. Zunächst überlegte ich, die Gebetsgruppe in der 20 km entfernten Stadt zu besuchen. Doch schnell war klar, diesen Weg würde ich nicht wöchentlich machen. Und warum nicht eine eigene Gruppe starten? So wachsen schnell viele Gruppen an vielen Orte und die Idee „Deutschland betet Rosenkranz“ würde umso schneller umgesetzt werden. Kurze innere Widerstände „Würde ich das durchhalten können? Wieder eine wöchentliche Verpflichtung! Vielleicht ein Strohfeuer?!“, schob ich beiseite und dachte: „Egal. Jetzt einfach anfangen!“ Gesagt getan, wir starteten zu dritt. Bald schnupperten die einen oder anderen mal rein. Jung, Alt, Kirchgänger, Kirchenferne. Manche kamen öfter, manche regelmäßig, andere nur einmal. Eine Dame, die sich schwertut, die Kirchentreppe zu erklimmen, parkt mit dem Auto direkt vor der Gebetsstätte, lässt das Fenster runter und betet vom Fahrersitz aus mit. Auf dem Beifahrersitz nicht selten eine alte Dame, die aus gesundheitlichen Gründen schon lange nicht mehr zur Kirche kommen kann. Bald war eine bunte Truppe beisammen und es pendelte sich bei ca. 10 – 15 Personen ein. Für einen 2000-Seelen-Ort keine schlechte Quote. Der Ortspfarrer veröffentlichte den Termin im Amtsblatt. Zwei auswärtige Priester beteten öfter mit und spendeten den Segen.

Freudige und unschöne Begegnungen

So sinnierte ich auf meinem Weg zur Grotte über die letzten Monate nach, die wie im Flug vergangen waren. 76 x wurde inzwischen in diesem Rahmen hier gebetet; mal circa 10 Personen, macht ungefähr 760 Rosenkränze.  Als der Gebetsort in Sichtweite war, staunte ich über die Vielzahl der Personen, die sich dort bei strömendem Regen mit Schirmen versammelt hatten. Auf der schmalen Straße kam mir ein Transporter entgegen, hielt an, das Fenster ging runter. Ein junger Mann fragte mich mit offenem Blick: „Entschuldigung, können Sie mir sagen, was das für eine Versammlung ist? Wir waren uns unsicher, ob wir da durchfahren sollen.“ Ich freute mich über das Interesse und die Rücksichtnahme und erklärte in zwei Sätzen und Hinweis auf die website mit weiteren Informationen die Veranstaltung. Ich sah Erstaunen und Bewunderung im Blick des jungen Mannes und verabschiedete ihn schnell mit einem Winken. Dahinter hupte ein weiteres Auto. Hinter dem Steuer eine Frau, die entschuldigend die Arme hob und daneben ihr Mann, der – ich traute meinen Augen kaum – mir empört den Mittelfinger zeigte. „Arschloch!“, war meine spontane Reaktion in Gedanken. Der Dialog mit dem vorausgehenden Fahrer hatte keine Minute gedauert. Die innere Freude war augenblicklich einem Anflug von Zorn gewichen. Sogleich kam ein Gedankenblitz hinterher: „Ich liebe Dich! Friede sei mit Dir!“ Wie konnte mich auf dem Weg zum Gebet so ein böser Gedanke überrumpeln? Er wurde sogleich durch einen inneren Frieden überlagert, ich spürte ein Lächeln auf meinen Lippen und die Freude, dass auch das Herz jenes aufgebrachten Mannes irgendwie durch Gottes Geist erreicht werden würde. Nicht mein Problem. Das kann ich getrost dem Himmel überlassen.

Himmel und Erde treffen aufeinander

Durch diese beiden Begegnungen wurde mir wieder einmal bewusst, wie sehr die geistliche mit der irdischen Welt verwoben ist. Wie unser Inneres das äußere Erleben widerspiegelt und unsere Haltung ausschlaggebend dafür ist, wie wir auf Menschen wirken und was wir auch im Stande sind mit Gottes Hilfe zu bewirken. Welch eine Freude, als ich am Gebetsort angekommen, 16 Beter und ein Baby im Kinderwagen zählte und das bei diesem unwirtlichen Wetter! Offenbar hatte sich niemand von dem Regen abschrecken lassen, wie mein Kleinglaube mir weismachen wollte. Beim letzten Gesätz des glorreichen Rosenkranzes hörte plötzlich der Regen auf und es zeichnete sich direkt über der Lourdes-Mariengrotte ein leuchtender Regenbogen an den Himmel. Er verblasste erst, als die letzten Klänge unseres Abschlussliedes „Maria breit den Mantel aus“ verklungen waren.

Alte Traditionen erwachen zu neuem Leben

Obwohl ich aus beruflichen Gründen nur noch selten zum Mittwochsgebet kommen kann, freue ich mich jedes Mal, dass dieser neue Anfang, der hier gesetzt wurde, solche Früchte trägt und weiter wächst. Das Erstaunliche ist, dass unsere örtliche Kirche immer leerer wird und die Menschen hier an diesem Ort in freier Natur anscheinend immer mehr werden. Ich möchte nicht verschweigen, dass ein Teil der Beter nach dem Gebet ins nahegelegene Wirtshaus geht. Aber so war es doch schon früher und so ist es auch schön: Zuerst in die Sonntagsmesse, danach in die Wirtschaft. So leben alte Traditionen wieder auf. Die Leute könnten auch direkt ins Wirtshaus gehen und ich frage mich, was sie bewegt, dieses uralte Gebet mit zu beten, das doch in unserer Zeit als verstaubt und langweilig gestempelt wird. Zwar argumentieren viele Menschen, sie könnten in der Natur besser beten als im Kirchenraum. Aber ausgerechnet das Rosenkranz-Gebet, das doch angeblich so endlos und langweilig sein soll? Es sind längst nicht die Kirchgänger, die sich mittwochsabends hier treffen, sondern zunehmend Menschen, die man selten bis nie in der Kirche antrifft. Der Gebetsanlass ist auch nicht mehr die Corona-Krise, sondern wir beten für unsere Pfarrgemeinde, für unser Land, den Ukraine-Konflikt, eine Erneuerung im Glauben und in ganz persönlichen Anliegen. Für mich ein Hinweis, dass ein Neuanfang im Gebet und im Glauben immer eine Chance ist, die Gott ergreift, um seinen Segen auszugießen.


Patricia Haun
Jahrgang 1971, ist freie Journalistin, Mutter von vier Kindern und Großmutter eines Enkels. Sie ist Mitgründerin von EuroProLife und Gründerin der „Gebetsvigilien für das Leben“ in Aschaffenburg und Frankfurt. Sie arbeitete zuletzt als Redaktionsleiterin für Durchblick e. V. und wirkt mit bei der Initiative „Neuer Anfang“.

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